Prof. Dr. Moritz Kaßmann Fakultät für Mathematik
Wintersemester 2015/2016 Universität Bielefeld
Klausur Maß- und Integrationstheorie (240021) 1. Termin am 17. Februar 2016
Aufgabe 1 (10 Punkte)
Seien(Ω,A, µ) ein Maßraum undM ∈ A. Entscheiden Sie, ob durch (i) ν1 :A →[0,+∞], ν1(A) =µ(A∩M),
(ii) ν2 :A →[0,+∞], ν2(A) =µ(Ac∩M) ein Maß definiert wird. Beweisen Sie Ihre Aussage.
Lösungsvorschlag:
(i) ν1 ist ein Maß, denn
• ν1 ≥0, da µ≥0.
• Es gilt: ν1(∅) =µ(∅ ∩M) =µ(∅) = 0.
• Sei(Ak)k∈Neine Familie disjunkter Mengen in Ω. Dann gilt
ν1 [
k∈N
Ak
!
=µ
[
k∈N
Ak
!
∩M
!
=µ [
k∈N
(Ak∩M)
!
=X
k∈N
µ(Ak∩M) =X
k∈N
ν1(Ak).
(ii) Die Abbildung ν2definiert im Allgemeinen kein Maß1. Betrachte hierzuM ∈ Aderart, dassµ(M)>0.
Dann gilt
ν2(∅) =µ(∅c∩M) =µ(Ω∩M) =µ(M)>0, was im Widerspruch zur Maßeigenschaft steht.
Aufgabe 2 (15 Punkte) Betrachtet werde die durch
fn=n−11[n,n+n2]
definierte Funktionenfolge(fn)auf [1,∞)⊂R. Untersuchen Sie, ob diese Folge (a) λ-punktweise fast überall,
(b) dem Maßeλnach,
(c) in der Norm vonL1(dλ),L2(dλ) bzw.L3(dλ) konvergiert.
Lösungsvorschlag:
a) Die Funktionenfolge(fn)n∈N konvergiertλ-fast überall gegenf ≡0, denn für x∈[1,∞) und n >dxe gilt
fn(x) =n−11[n,n+n2](x) = 0.
b) Die Folge konvergiert dem Maße λ nach gegen die Nullfunktion. Sei hierzu δ > 0 beliebig. Dann gilt für allen > 1δ
{x∈[1,∞) :|fn(x)|> δ}={x∈[n, n+n2] :|fn(x)|> δ}=∅.
Also
lim λ({x∈[1,∞) :|fn(x)|> δ}) = 0.
c) Die Funktionenfolge konvergiert nicht in derL1(dλ)-Norm. Wir beweisen dies per Widerspruch. Ange- nommenfn konvergiert in derL1(dλ)-Norm gegen eine Funktionf ∈L1(dλ). Dann folgt auch
Z
[1,∞)
fn dλ −→
n→∞
Z
[1,∞)
f dλ.
Jedoch
Z
[1,∞)
fn dλ= 1 n
Z
[1,∞)
1[n,n+n2]dλ= 1
n ·n2=n −→
n→∞∞.
Also kann es die entsprechende Funktionf ∈L1(dλ) nicht geben.
Die Funktionenfolge konvergiert nicht in L2(dλ). Als Grenzfunktion kommt nur die Nullfunktion in Frage. Angenommen es gebe einf ∈L2(dλ)derart, dass kf−fnkL2(dλ)→0 undf 6≡0. Dann gibt es einK >0, derart dasskfkL2((0,K)) > ε >0 und damit folgt für n > K
kfn−fk2L2(dλ)= Z
[1,∞)
|fn−f|2dλ= Z
[1,K)
|fn−f|2dλ+ Z
[K,∞)
|fn−f|2dλ
Z
[1,K)
|f|2dλ+ Z
[K,∞)
|fn−f|2dλ > ε.
Alternativ:Würde fn inL2 gegen ein f konvergieren, so würde eine Teilfolge auch punktweise kon- vergieren. Daher kannf nach Teil a) nur die Nullfunktion sein. Da jedoch
Z
[1,∞)
fn2 dλ= 1
n2 ·n2 = 1,
gilt, folgt dass es kein f ∈L2(dλ) gibt mitkfn−fkL2(dλ) →0 für n→ ∞.
Die Folge konvergiert in der L3(dλ)-Norm gegen die Nullfunktion f ≡0, denn Z
[1,∞)
|fn|3 dλ= 1
n3 ·n2= 1 n −→
n→∞0.
Aufgabe 3 (10 Punkte)
Formulieren Sie das Lemma von Fatou.
Lösungsvorschlag:
Sei(Ω,A, µ)ein Maßraum. Für jede Folge (fn)n∈N nichtnegativer, messbarer Funktionenfn: Ω→R gilt Z
Ω
lim inf
n→∞ fn dµ≤lim inf
n→∞
Z
Ω
fn dµ.
Aufgabe 4 (10 Punkte)
Seien(Ω,A) ein Messraum undf : Ω→R.
Zeigen Sie, dass die beiden folgenden Aussagen äquivalent sind:
(i) {x∈Ω|f(x)> a} ∈ A für jedesa∈R, (ii) {x∈Ω|f(x)< a} ∈ A für jedesa∈R.
Lösungsvorschlag:
(i)⇒ (ii): Es gelte {x∈Ω|f(x)> a} ∈ A. Dann folgt für jedesa∈R
{x∈Ω|f(x)< a}=
∞
[
n=1
x∈Ω|f(x)≤a− 1 n
=
∞
[
n=1
x∈Ω|f(x)> a−1 n
c
.
Laut Voraussetzung gilt {x ∈Ω|f(x) > a− n1} ∈ A für jedes a∈R und jedesn ∈N. DaA als σ-Algebra abgeschlossen unter Komplementbildung ist, folgt
x∈Ω|f(x)> a−n1 c ∈ A für jedesa∈R und n∈N. Des Weiteren istAstabil unter abzählbaren Vereinigungen und somit giltS∞
n=1{x∈Ω|f(x)> a−1n}c∈ A, woraus die Behauptung folgt.
(ii)⇒ (i): Es gelte {x∈Ω|f(x)< a} ∈ A. Dann folgt für jedesa∈R
{x∈Ω|f(x)> a}=
∞
[
n=1
x∈Ω|f(x)≥a+ 1 n
=
∞
[
n=1
x∈Ω|f(x)< a+1 n
c
.
Laut Voraussetzung gilt {x ∈Ω|f(x) < a+ n1} ∈ A für jedes a∈R und jedesn ∈N. DaA als σ-Algebra abgeschlossen unter Komplementbildung ist, folgt
x∈Ω|f(x)< a+n1 c ∈ A für jedesa∈R und n∈N. Des Weiteren istAstabil unter abzählbaren Vereinigungen und somit giltS∞
n=1{x∈Ω|f(x)< a+1n}c∈ A, woraus die Behauptung folgt.
Aufgabe 5 (15 Punkte)
SeiD={(x, y)∈R2|x2+y2 < 14}. Berechnen Sie Z
D
1
p1− kzk2 dz .
Lösungsvorschlag:
Dist ein Kreis um (0,0)mit Radius 12. Wir geben zwei Möglichkeiten zur Berechnung des Integrals an:
1. Alternative: Die Funktion f : D → R, z 7→ f(z) = √ 1
1−kzk2 ist eine rotationssymmetrische Funkti- on. Folglich gilt
Z
D
1
p1− kzk2 dz= 2π
1/2
Z
0
√ r
1−r2 dr =π
1
Z
3/4
√1
udu= 2π√ u1
3/4 = 2π 1−
√ 3 2
! .
2. Alternative:Wir berechnen das Integral mittels Polarkoordinaten:
Z
D
1
p1− kzk2 dz= Z
(0,2π)×(0,1/2)
1
p1−(r2cos2ϕ+r2sin2ϕ)rd(ϕ, r) =
2π
Z
0 1/2
Z
0
√ r
1−r2 dr dϕ
= 2π
1/2
Z
0
√ r
1−r2 dr = 2π 1−
√3 2
! .
Aufgabe 6 (15 Punkte)
Seienf : [0, π]→R,f(z) = sin(z) und ein RotationskörperK gegeben durch K =
(x, y, z)∈R3|f(z)≤x2+y2 ≤2f(z),0≤z≤π . (a) Skizzieren SieK.
(b) Berechnen Sie das Volumen vonK.
Lösungsvorschlag:
a)
b) Wir verwenden zur Berechnung von λ3(K) das Prinzip von Cavalieri. SeiKz die z-Schnittmenge von K. Dann giltKz=∅für jedesz /∈[0, π]und für z∈[0, π]
Kz =
(x, y)∈R2|(x, y, z)∈K ={(x, y∈R2|sinz≤x2+y2≤2 sinz}
={(x, y)∈R2|x2+y2 ≤2 sinz} \ {(x, y∈R2|x2+y2 ≤sinz}=:K1\K2. Folglich istKz der Kreisring zwischen den beiden Kreisen mit Radius√
2 sinzbzw.√
sinz. Also λ2(Kz) =λ2(K1)−λ2(K2) =π2 sinz−πsinz=πsinz.
Folglich:
λ3(K) =
π
Z
0
λ2(Kz) dz=
π
Z
0
πsinz dz=π[−cosz]π0 = 2π.
Aufgabe 7 (25 Punkte) SeiM ⊂R3 gegeben durch
M =
(x, y, z)∈R3|x2+y2+z2 = 6,2y2+z2 = 3 .
(a) Erläutern Sie wie man M veranschaulichen kann.
(b) Beweisen Sie, dassM eine Untermannigfaltigkeit desR3 ist.
(c) Welche Dimension hat M als Untermannigfaltigkeit?
(d) Bestimmen Sie TpM fürp= (2,−1,1).
(e) Geben Sie alle Normalenvektoren an M im Punktp= (2,−1,1)an.
Lösungsvorschlag:
a) Die MengeM ist der Schnitt der Kugeloberfläche der Kugel mit Mittelpunkt 0 und Radius√
6mit der Oberfläche eines Zylinders mit elliptischer Grundfläche, der um diex-Achse rotiert.
b) Setze
f :R3 →R2, f(x, y, z) =
x2+y2+z2−6 2y2+z2−3
.
Diese Funktion ist offenbar stetig differenzierbar. Es giltM =f−1({0}). Ferner
Df(x, y, z) =
2x 2y 2z 0 4y 2z
.
Die MatrixDf(x, y, z) hat genau dann Rang0, wenn x=y=z= 0. Sie hat genau dann Rang 1, wenn x=y= 0 undz6= 0,x=z= 0 undy6= 0 oder y=z= 0 und x6= 0.
Da die Punkte(0,0, c),(c,0,0),(0, c,0) für alle c∈R nicht in M liegen, folgt Rang(Df(x, y, z)) = 2, wenn(x, y, z)∈M.
Gemäß Satz 5.7 aus der Vorlesung istM eine Untermannigfaltigkeit desR3. c) Aus (b) folgt, dassM die Dimension 3−2 = 1 hat.
d) Wir benutzen Satz 5.9 aus der Vorlesung. Es gilt
kern(Df(2,−1,1)) = kern
4 −2 2 0 −4 2
= kern
2 1 0 0 −2 1
= span
1
−2
−4
e) Alle Normalenvektoren sind gegeben durch
v∈R3
*
v1
v2 v3
,
1
−2
−4
+
= 0
.
Eine Basis ist gegeben durch
2 1 0
,
0
−2 1
.