Erg¨anzungen zu Physik II Schmelz- und Verdampfungsvorg¨ange
Schmelz- und Verdampfungsvorg¨ ange
Wenn wir einem einheitlichen festen oder fl¨ussigen K¨orper W¨arme zuf¨uhren, so wird nach dem 1. Haupt- satz,δQ=dU+pdV, der Hauptteil von δQzur Erh¨ohung der inneren Energie U benutzt, dadV meist sehr klein ist. Die resultierende Temperaturerh¨ohung kann aber nicht beliebig gross werden, da bei einer bestimmten Temperatur der Aggregatzustand sich ¨andert – der K¨orper schmilzt oder verdampft bzw.
sublimiert. Einem K¨orper, der gerade einen Phasenwechsel durchl¨auft, kann W¨arme zugef¨ugt werden, ohne dass damit eine Temperaturerh¨ohung einherginge.
1. Phasen¨ uberg¨ ange und die latente W¨ arme
TTV
TS dT dt |C 1
p(fest) dT dt |C 1
p(flussig)"
dT dt |C 1
p(Gas)
schmelzen
verdampfen
t [s]
Bei einem Phasen¨ubergang, wie er soeben geschildert wurde, be- wirkt konstant zugef¨uhrte W¨arme als sogenannt latente W¨arme Strukturver¨anderungen wie das Schmelzen (fest→ fl¨ussig), Ver- dampfen (fl¨ussig → dampff¨ormig) oder Sublimieren (fest → dampff¨ormig) bzw. deren Umkehrungen Gefrieren oder Konden- sieren (s. Fig.). Ebenfalls m¨oglich sind Strukturver¨anderungen, welche den atomaren Aufbau eines festen K¨orpers zwar merklich umst¨urzen, dessen Aggregatszustand jedoch unber¨uhrt lassen.1 Betrachten wir zum Beispiel den Verdampfungsvorgang: Beim Verdampfen einer Fl¨ussigkeit muss Arbeit verrichtet werden, um den Abstand der Molek¨ule gegen ihre anziehenden Kr¨afte zu vergr¨ossern. Es wird die potentielle Energie, nicht jedoch die kinetische Energie erh¨oht, und die Temperatur bleibt dabei konstant (s. Fig.). Zum Verdampfen einer Massemwird die EnergieQ=mLV (LV: Verdampfungsw¨arme) ben¨otigt, zum SchmelzenQ=mLS (LS: Schmelzw¨arme).2
Einige latente W¨armen bei 1atm Stoff Schmelz- LS Siede- LV
punkt punkt
K h
kJ kg
i
K h
kJ kg
i
Blei 600 24.7 2023 858
Gold 1336 62.8 3081 1701
Helium 4.2 21
CO2 194.6 573
O2 54.4 13.8 90.2 213
N2 63 25.7 77.35 199
Wasser 273.15 333.5 373.15 2257
Die ¨Anderung des Aggregatzustandes ist mit dem Auftreten neuer Phasen verbunden, unter denen wir homogene Gebiete in einem bestimmten Aggregat- zustand verstehen. Solange zwei Phasen nebeneinan- der auftreten, bleibt die Temperatur konstant und die gesamte zugef¨uhrte W¨arme wird dazu benutzt, die Substanz von einem Aggregatzustand in den an- deren ¨uberzuf¨uhren. Im p-V-Diagramm wird dieser Zustand durch den horizontalen Teil der Isother- men wiedergegeben, zu welcher ein gewisser Druck pgeh¨ort, der noch von der TemperaturT abh¨angt.
Wir haben also 3 m¨ogliche F¨alle:
• a) Schmelzen mit den Phasenfestundfl¨ussigund dem SchmelzdruckpSch(T),
• b) Sieden: Phasenfl¨ussigunddampff¨ormigund DampfdruckpD(T),
• c) Sublimation: Phasenfestunddampff¨ormigund SublimationsdruckpSub(T).
F¨ur 1 Mol Substanz wird dabei, wie bereits erw¨ahnt, eine ganz bestimmte Schmelz- bzw. Sublimations- oder Verdampfungsw¨arme gebraucht.
1Ein Beispiel hierzu sind die verschiedenen temperaturabh¨angigen Strukturen von Eisen:T <761◦C:αFe kubisch ferro- magnetisch, 761−906◦C:βFe kubisch paramagnetisch, 906−1402◦C:γFe kubisch fl¨achezentriert, 1402−1539◦C:δFe kubisch raumzentriert. Der Schmelzpunkt von Fe liegt bei 1539◦C.
2Siehe auch Halliday, Kap.19-7 (
”Die W¨armeaufnahme bei Festk¨orpern und Fl¨ussigkeiten“), Abschnitt
”Umwand- lungsw¨armen“.
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Erg¨anzungen zu Physik II Schmelz- und Verdampfungsvorg¨ange
2. Schmelz-, Dampf- und Sublimationsdruck; Dampfdruckkurve und Tripelpunkt
Tripelpunkt
kritischer Punkt p
T pD
pSub pSch
TT = 216.55 K 5.17 bar
fest flussig"
gasformig
304.2 K CO2 ( normale Substanz)
"
pT
Die verschiedenen Phasen werden imp-T-Diagramm durch Ko- existenzkurven getrennt. Wir beginnen bei niedrigen Tempe- raturen. Der K¨orper ist fest, einige Molek¨ule verdampfen und bilden den SublimationsdruckpSub (meist gering, bei CO2je- doch gross). Befinden sich beide Phasen in einem geschlossenen Gef¨ass, so sind sie koexistent; keine w¨achst auf Kosten der an- deren, es herrscht ein dynamisches Gleichgewicht.
p◦ p◦+pSub
Bei einem ¨ausseren Druckp◦ ist der Totaldruck im geschlossenen Gef¨ass p=p◦+pSub(T).
W¨urde man bei fester Temperatur T den ¨ausseren Druck erniedrigen, so w¨urde nach und nach der ganze K¨orper verdampfen (sublimieren).
Tripelpunkt
kritischer Punkt p
T pD
pSch pT
TT = 0.0074o C 613.3 Pa
fest flussig"
gasformig
674 K H2O (anomale Substanz)
"
pSub
Wird eine gewisse Temperatur ¨uberschritten, so kann bei ge- eignetem Druck die fl¨ussige Phase erreicht werden, wie es bei dernormalenSubstanz CO2 der Fall ist. BeimanomalenH2O kann jedoch die fl¨ussige Phase auch bei niedriger Temperatur erreicht werden, indem der Druck gen¨ugend erh¨oht wird.
p◦
T p◦ p◦
T
p=ap◦a+pD
a a
a a a
a a a
a a a
a a
a a
a a
a a a a
a a a
a a
a
a a a a a
aa aa aa a a a a
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q q q q
q
Fl¨ussige und dampff¨ormige Phase sind in einem geschlossenen Gef¨ass dann im Gleichgewicht, wenn der Dampfdruck bei jeder Temperatur einen bestimmten WertpD(T) hat. Der Totaldruck im Gef¨ass ist (¨ahnlich wie vorher)p=p◦+pD(T).Dabei ist auch hierpD(wiepSch) unabh¨angig von der Anwesenheit anderer Gase. ¨Uber einem offenen Gef¨ass besitzt der Dampf ebenfalls den Partialdruck pD(T). Die Dampfmolek¨ule brei- ten sich durch Diffusion langsam aus und m¨ussen aus der Fl¨ussigkeit durch Nachverdampfen ersetzt werden: die Fl¨ussigkeit
::::::::::verdunstet. Ist die Temperatur so hoch, dass der erforderliche Dampfdruck pD gleich dem ¨ausseren Luftdruck p◦ ist, so schiebt der Dampf das Gas vor sich her. Die Ausbreitung des Dampfes erfolgt rasch, der Dampf muss nach- geliefert werden: die Fl¨ussigkeitsiedet. Bei der Siedetemperatur::::: Tsist
pD(Ts) =p◦.
Die Dampfdruckkurve steigt als Funktion von T nicht beliebig an, sondern endet in einem Punkt, dem kritischen Punkt, den wir schon bei der Verfl¨ussigung der Gase kennengelernt haben.3 Weil die Dampf- druckkurve in einem Punkt endet, kann man eine Fl¨ussigkeit kontinuierlich in ein Gas umwandeln, ohne die Dampfdruckkurve zu kreuzen. Man erh¨alt dann keinen Meniskus. In diesem Sinne besteht kein fun- damentaler Unterschied zwischen Gas und Fl¨ussigkeit.
Schliesslich kann man bei konstantem Druck durch Temperaturerniedrigung aus der fl¨ussigen in die feste Phase gelangen. Wieder ergibt sich ein vonT abh¨angiger Druck, bei dem beide Phasen im Gleichgewicht
3Siehe Erg¨anzungen zur Van der Waals Zustandsgleichung realer Gase.
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Erg¨anzungen zu Physik II Schmelz- und Verdampfungsvorg¨ange
sind. Man vermutet, dass es keinen kritischen Punkt fl¨ussig-festgibt, so dass die Schmelzdruckkurve im Gegensatz zur Dampfdruckkurve kein Ende hat.
Wir haben nun 3 Koexistenzkurven erhalten, auf denen jeweils 2 Phasen im dynamischen Gleichgewicht sind. Demnach m¨ussen sich im Schnittpunkt der 3 Kurven alle 3 Phasen im Gleichgewicht befinden – man nennt diesen Punkt den Tripelpunkt.
Bemerkung zur Uberhitzung/Unterk¨uhlung am Schmelz- resp. Siedepunkt
Beim Erw¨armen einer Substanz wird nie ein ¨Uberschreiten der Schmelztemperatur (vgl. Tabelle S.1) beobachtet, beim Abk¨uhlen ist jedoch eine Unterk¨uhlung leicht m¨oglich, wenn die Fl¨ussigkeit keine Kris- tallisationskeime enth¨alt. Mit einem kleinen hinzugef¨ugten Kristallkeim kristallisiert die Fl¨ussigkeit sofort unter Abgabe der latenten W¨arme. Beim Siedepunkt wird sowohl eine ¨Uberhitzung als auch eine Un- terk¨uhlung beobachtet. Eine ¨Uberhitzung um mehrere Grad f¨uhrt zu einem explosionsartigen Verdamp- fen, das mit Siedesteinchen vermieden werden kann. Der Siedeverzug und Kondensationsverzug werden in der Blasenkammer und in der Wilsonkammer zum Teilchennachweis ausgenutzt.
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