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Info Daf Heft 1 Februar 2010

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Info DaF

Informationen Deutsch als Fremdsprache

Austauschdienst in Zusammenarbeit mit dem Fachverband Deutsch als Fremdsprache

Nr. 1

37. Jahrgang

Februar 2010

Inhalt

Artikel Frank G. Königs

Zwischen Hoffen und Bangen. Möglichkeiten und Grenzen einer europäischen Studienreform am Beispiel des Faches Deutsch als

Fremdsprache 3

Didaktik DaF / Aus der Praxis

Manuela Moroni, Heinrich Graffmann, Klaus Vorderwülbecke

Überlegungen zur Prosodie im Bereich DaF 21

Tristan Lay

West trifft Fernost. Arbeitsmaterialien zum Spielfilm Kirschblüten

– Hanami für den Unterricht Deutsch als Fremdsprache 41

Tagungsbericht »Texte unter sprachvergleichender und kulturkontrastiver Per-spektive. Wege der akademischen Kooperation zum Ziel einer interkulturellen Germanistik«. 2. Germanistische Fachtagung an

der Universität Pisa, 22.–25. Oktober 2009 63

Tagungs-ankündigungen

Einladung zur 37. Jahrestagung des Fachverbands Deutsch als Fremdsprache 13.–15. Mai 2010 an der Pädagogischen Hoch-schule Freiburg/Breisgau: »Grenzen überwinden mit Deutsch« 67

Kontaktstudium Sprachandragogik: Lerneinheiten 2010 71

Bibliographie Dietrich Eggers und Dorothee Schwarck

Auswahlbibliographie von Neuerscheinungen für das Fach

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außerhalb des deutschsprachigen Raums

Beiträge, die die Situation des Deutschen als Fremdsprache außerhalb des deutsch-sprachigen Raums beschreiben, haben in Info DaF eine lange Tradition. Deshalb sollen auch in den nächsten Jahren weiterhin Beiträge erscheinen, die über das Deutschlernen in bestimmten Regionen oder Ländern informieren. Diese Artikel können z.B. – einen Überblick über das Vorkommen der Fremdsprache Deutsch in

verschie-denen Bildungsinstitutionen liefern,

– Curricula systematisch beschreiben oder deren Entwicklung über einen längeren Zeitraum dokumentieren,

– die Ausbildung von Deutschlehrern beschreiben,

– das Fach Deutsch an Universitäten (auch im Vergleich zu anderen Fächern) vor-stellen,

– Statistiken zur Zu- oder Abnahme der Zahl der Deutschlernenden liefern oder auch

– die Lerntraditionen in einer bestimmten Region beschreiben.

Was wir auch weiterhin nicht veröffentlichen werden, sind Texte, die eine Art Werbe-schrift für ein bestimmtes Institut oder für selbst produzierte Lehrmaterialien darstel-len.

Beiträge, die für diese Rubrik eingereicht werden, durchlaufen nicht das Peer Review Verfahren, sie werden wie bisher von den Mitgliedern der Redaktion kritisch gelesen und kommentiert. Publizierbare Beiträge müssen auf vorhandenen Informationen zu Deutsch als Fremdsprache in der jeweiligen Region aufbauen, z. B. auf bereits publi-zierten Artikeln in Info DaF, auf den Länderberichten im Handbuch Deutsch als

Fremd-sprache usw. Sie müssen aber nicht die gesamte Forschungsliteratur zum

angespro-chenen Thema aufgearbeitet haben, in den beiden ersten Beispielen oben erwarten wir also nicht eine Auseinandersetzung mit der bildungspolitischen oder pädagogischen Diskussion eines Landes bzw. eine ausführliche Auseinandersetzung mit der konzep-tionellen Diskussion zur Entwicklung von Curricula usw.

Wir würden uns freuen, wenn die Berichte über Deutsch als Fremdsprache außerhalb des deutschsprachigen Raums weiterhin so häufig und in so großer Vielfalt in der Redaktion eintreffen würden, und vielleicht gelingt es ja zusätzlich noch, dass publi-zierte Berichte ihrerseits in anderen Regionen Berichte auslösen, die über die Situati-onsbeschreibung in ihrer Region hinaus auch noch Vergleiche mit anderen Regionen aufnehmen, so dass mit der Zeit ein Netz von Informationen über die Gemeinsam-keiten und Unterschiede des Deutschlernens in aller Welt entsteht.

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Zwischen Hoffen und Bangen

Möglichkeiten und Grenzen einer europäischen

Studien-reform am Beispiel des Faches Deutsch als Fremdsprache

1

Frank G. Königs

Zusammenfassung

Das deutsche Hochschulwesen durchlebt derzeit die größten Umwälzungen seiner Ge-schichte, die einhergehen mit z. T. stark kritisierten Umgestaltungen von Studiengängen und Entwicklungen neuer Curricula. Zugleich wird im Rahmen des Bologna-Prozesses eine Ver-einheitlichung der Studienstrukturen in Europa auf den Weg gebracht. Als besonders schwie-rig erweist sich hierbei die Situation der kleineren bzw. der jüngeren Fächer, die erfahrungs-gemäß über begrenzte personelle Ressourcen und nur bedingt verstetigte fachimmanente Studienstrukturen verfügen. Vor diesem Hintergrund wird in dem vorliegenden Beitrag die Gestaltung eines soliden Curriculums für das Fach Deutsch als Fremdsprache diskutiert, das den bildungs- und hochschulpolitischen Entwicklungen standzuhalten vermag. Eingegan-gen wird zunächst auf die Maßgaben des Bologna-Prozesses und deren (problematische) Auswirkungen auf die Lehrerbildung. In diesem Zusammenhang werden die für die Curri-culumentwicklung besonders bedeutsamen Aspekte der Stufung und der Modularisierung von Studiengängen sowie der Aspekt der Ökonomisierung und Quantifizierung universi-tärer Bildung kritisch diskutiert. Daran anschließend wird erörtert, welche Kompetenzen Deutsch als Fremdsprache-Studierende am Ende ihres Studiums besitzen soll(t)en. Es folgen Überlegungen und Anregungen im Hinblick auf eine sinnvolle Auswahl von Studieninhalten und hinsichtlich angemessener (Teil-)Formate des Studiums Deutsch als Fremdsprache, wo-bei zwei modularisierte bzw. gestufte Modelle schematisch dargestellt werden, in denen die curricularen Entwicklungstendenzen Berücksichtigung finden. Der Beitrag endet mit einem Szenario für ein erweitertes Professionsverständnis von Fremdsprachenlehrern vor dem Hin-tergrund der sich verändernden Lehrerbildung.

0. Einleitung

»Mit der Reduktion von Bildung auf einen Wettbewerbsfaktor, mit der Vereidigung von Wissen auf Eigentumsoperationen, mit deduktionslogischen Kurzzeitstudiengän-gen und mit der fatalen Neigung zur exzes-siven bürokratischen Selbstkontrolle

be-steht die Gefahr, dass Wissenschaft ihren Charakter rückhaltlosen Fragens und be-dingungslosen Erkennenwollens verliert. Das Ergebnis dürfte sowohl ökonomisch als auch bildungsbezogen unproduktiv sein.« (Liesner 2008: 150)

1 Überarbeitete Fassung des Eröffnungsvortrags für das Symposium »Perspektiven der Neustrukturierung der Studiengänge Deutsch als Fremdsprache in Südosteuropa« am 3.4.2008, das von der Universität Istanbul und dem Goethe-Institut Istanbul veranstaltet wurde. Der ursprüngliche Text ist veröffentlicht in Çakır, M. / Merten, C. / Sayınsoy Özünal, B. / Polat, T. / Tapan, N. (Hrsg.): Tagungsdokumentation zum Symposium »Perspektiven zur Neustrukturierung der Studiengänge Deutsch als Fremdsprache« in Südosteuropa. 03.–04. April 2008 an der Universität Istanbul. Istanbul 2009.

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Mit diesen Worten beurteilt die Erzie-hungswissenschaftlerin Andrea Liesner in der Zeitschrift »Forschung & Lehre« die aktuellen Entwicklungen an deut-schen Hochschulen. Dabei kommt diese Beurteilung einer Verurteilung gleich, und es steht zu befürchten, dass Andrea Liesner mit ihrer Meinung nicht allein steht. Dies gilt um so mehr, als in dersel-ben Ausgabe der Zeitschrift ein Ranking der für Bildung und Schulen zuständigen deutschen Minister sowie zahlreiche Zi-tate veröffentlicht werden, mit denen deutsche Hochschulangehörige ihrem Ärger über die deutsche und die europä-ische Hochschulpolitik Luft machen. Die Kritik trifft Hochschulen und Bildungs-politik zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Das deutsche Hochschulwe-sen durchlebt derzeit die größten Um-wälzungen seiner Geschichte, und zwar mehrere davon gleichzeitig. Zum selben Zeitpunkt wird eine Vereinheitlichung der Studienstrukturen in Europa an-gestrebt und auch auf den Weg gebracht. Die Folgen dieses »Auf-den-Weg-Brin-gens« haben alle zu tragen, die an den Hochschulen Verantwortung überneh-men. Damit ist jeder Hochschullehrer zu-mindest in der moralischen Pflicht, sich diesen Herausforderungen zu stellen und aktiv an der curricularen Neugestal-tung der Hochschule mitzuwirken, will er die curriculare Entwicklung seines Faches nicht anderen, vielleicht sogar Fachfremden überlassen. Was ich soeben für Deutschland und die deutschen Hochschulen festgestellt habe, gilt für zahlreiche andere Länder in Europa glei-chermaßen. Die Studienreform wird zum Tagesgeschäft, die Entwicklung neuer Curricula wird notwendiger Bestandteil der kontinuierlichen Arbeit an und in den Hochschulen. Besonders arg trifft es in diesem Zusammenhang die kleineren bzw. die jüngeren Fächer, da sich die personellen Ressourcen hier

erfahrungs-gemäß in besonders engen Grenzen hal-ten und sich die fachimmanenhal-ten Studi-enstrukturen noch nicht so weit verstetigt haben, dass sie als gesetzte, gleichsam normative Größen angesehen werden können. In dieser Situation befindet sich auch das Fach Deutsch als Fremdsprache. Als relativ junges akademisches Fach treffen es die curricularen Sturmattacken besonders hart. Doch hat jeder Sturm noch einen anderen Effekt: Er verleitet nämlich zum Nachdenken über die Ursa-chen eingetretener Schäden bzw. über die Sicherungsmaßnahmen, deren Einsatz den eingetretenen Schaden hätte be-grenzen helfen. Mit anderen Worten: Was kann man tun, um ein Curriculum für Deutsch als Fremdsprache so solide zu gestalten, dass es den bildungs- und hochschulpolitischen Stürmen einiger-maßen standhält? Ich will dazu keine Patentantwort auf die Schnelle geben – schon deshalb nicht, weil es Patentre-zepte in der Curriculumsentwicklung nur selten gibt, aber auch weil es unange-messen wäre, Fachvertretern im In- und Ausland ohne genaue Kenntnis der Be-dingungen ›vor Ort‹ Ratschläge zu ertei-len, die sie unbedingt befolgen müssten. Aber vielleicht helfen die folgenden Ge-danken dabei, an der curricularen Scha-densbegrenzung im je spezifischen Um-feld mitzuwirken. Bei meinen Überle-gungen gehe ich von der zunächst naiven Vorstellung aus, dass sich jede Form der Curriculumsentwicklung an Antworten auf die folgenden vier Fragen zu orientie-ren hat:

1. Was ist der Gegenstand des Studiums und warum ist es dieser?

2. Was sollen die Studierenden am Ende des Studiums können?

3. Welche Formate und Teilformate be-trachte ich als angemessen, um meine Ziele zu erreichen?

4. Welche Maßgaben von außen müssen beachtet werden?

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Wie der sachkundige Leser sicher längst bemerkt haben wird, ist die vorgestellte Reihenfolge der Fragen eine rein idealis-tische: Jeder vernünftige Curriculumpla-ner würde vielleicht so vorgehen, wenn ihm die Ziele der Ausbildung längst klar geworden sind, doch zwingen uns auch die Hierarchien politischer Entschei-dungsprozesse zu einem anderen Weg, der nach den bildungspolitischen Maß-gaben fragt. Und so werde ich mich auch zunächst mit ihnen befassen, bevor ich dann in den darauf folgenden Abschnit-ten versuche, auf die eigentlichen Fragen der Curriculumplanung und -entwick-lung Antworten zu geben. Ich werde also im ersten Kapitel auf Bologna und die Folgen am Beispiel der Lehrerbildung zu sprechen kommen. Daran anschließend werde ich fragen, welche Kompetenzen unsere Studierenden am Ende des Studi-ums besitzen soll(t)en (Kapitel 2). Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen werde ich mich dann mit den Gegenstän-den des Studiums und folglich mit der Frage nach den Studieninhalten (Kapitel 3) befassen, bevor ich dann im vorletzten Abschnitt den durchaus wagemutigen Versuch unternehme, etwas zu Formaten und Teilformaten des Studiums Deutsch als Fremdsprache zu sagen (Kapitel 4). Hierbei handelt es sich um einen Pro-blembereich, der bereits in der Vergan-genheit dazu geeignet war und sicher auch heute noch ist, die Gemüter aller zu erhitzen. Beenden möchte ich meine Überlegungen mit einem Szenario für ein erweitertes Professionsverständnis von Fremdsprachenlehrern (Kapitel 5).

1. Bologna – ein ebenso denk- wie merk-würdiger Prozess

Wann und wo immer Staaten sich zu Gemeinschaften zusammengeschlossen haben und zusammenschließen, war und ist die Angleichung der bestehenden Sys-teme oder TeilsysSys-teme eine notwendige

Voraussetzung. Dabei bedeutet Anglei-chung ja keineswegs automatisch völlige Übernahme der Systeme des jeweils an-deren, sondern einen Abstimmungspro-zess über die für alle Beteiligten zukünf-tig geltenden Normen und Regeln. In bestimmten Gesellschaftsbereichen ist dieser Abstimmungsprozess von großem öffentlichen Interesse begleitet; wir erle-ben dies in der Europäischen Union be-ständig, wenn z. B. über Abgasnormen oder Milchproduktionsquoten öffentlich debattiert wird. Dass ein derartiger An-gleichungsprozess nunmehr auch den universitären Bildungssektor erfasst hat, ist vergleichsweise (wenn auch nicht ganz) neu, aber zweifelsohne notwendig und begrüßenswert. Mit dem Bologna-Prozess wird ein gemeinsamer europä-ischer Hochschulraum angestrebt. Sein Ziel besteht in der Schaffung von ver-gleichbaren Hochschulstrukturen und Studieninhalten, die es den Studierenden der beteiligten Länder erleichtern und vielfach erst ermöglichen sollen, Teile des Studiums im Ausland zu absolvieren, ohne dass dabei die nationalen Standards missachtet werden. So weit – so gut. Was sieht nun der Bologna-Prozess vor, um diesen Hochschulraum zu schaffen? Ohne auf alle Einzelheiten an dieser Stelle eingehen zu können, möchte ich mich auf drei wesentliche Aspekte be-schränken, die für die Curriculument-wicklung besonders nachhaltige Wir-kung zeigen: Dies ist zum einen der pekt der Stufung, zum zweiten der As-pekt der Modularisierung und zum drit-ten der Aspekt der Ökonomisierung und Quantifizierung universitärer Bildung. Was verbirgt sich nun im Bologna-Pro-zess hinter diesen Schlagworten? Die Einführung von Bachelor- und Mas-terstudiengängen orientiert sich – vor-dergründig – an der angelsächsischen und amerikanischen Studienstruktur. Mit dem Bachelor soll ein erster

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berufs-qualifizierender Abschluss erworben werden können, für dessen Erreichen sechs bis maximal acht Semester ange-setzt werden. Der anschließende Master stellt eine nicht obligatorische Vertiefung oder Ergänzung dar, die zwischen zwei und vier Semestern dauern soll. Gleich-zeitig soll das Studium – spätestens in der Masterphase – so organisiert sein, dass es verschiedene vorgängige Bachelor-Ab-schlüsse als Eingangsvoraussetzungen zulässt. Von Seiten der deutschen Lehrer-bildung ist in vergleichsweise großer Ein-mütigkeit gegen eine gestufte Ausbil-dung argumentiert worden (vgl. für die Fremdsprachenlehrerausbildung insge-samt ausführlicher Königs 2001a, für das Fach Deutsch als Fremdsprache Königs 2006a). Dabei werden vor allem die fol-genden Argumente ins Feld geführt: 1. Die deutsche Lehrerbildung sieht einen

Lehrer in mindestens zwei Unterrichts-fächern vor. Wenn es einen Master gibt, ist nicht zu erkennen, worin die lehrer-bezogene Qualifikation eines Bachelor bestehen soll. Die Reduzierung der Lehrerbildung auf den Bachelor wird sogar von den politischen Entschei-dungsträgern für abwegig gehalten. Also: Wohin soll ein Bachelor im Lehr-amtsbereich führen?

2. Die mit der Einführung der gestuften Studiengänge einhergehende Analogie zu Studienstrukturen in Großbritan-nien oder den USA ist nicht gegeben, denn der dortige Bachelor oder Master ist in der Regel ein Ein-Fach-Abschluss und er gründet überdies auf einem gänzlich anderen Betreuungsverhält-nis zwischen Dozenten und Studieren-den. In Deutschland ist in den großen Lehramtsfächern eine Relation von einem Hochschullehrer für 80 oder 100 Studierende keine Seltenheit, in den genannten Ländern liegt diese Relation bei einem Zehntel oder allenfalls einem Fünftel.

3. Die in der Absicht sicherlich begrü-ßenswerte Verkürzung der Gesamtstu-dienzeit wird durch eine drastische Einschränkung in den Wahlmöglich-keiten für die Studierenden erkauft. Dies trifft insbesondere diejenigen – zumeist geisteswissenschaftlichen – Fächer, die ihre Ausbildung aufgrund des Umfangs der Lerngegenstände exemplarisch gestalten müssen. 4. Die – nun endlich und mit vollem

Recht – geforderte Verstärkung der bil-dungswissenschaftlichen und vor allem der fachdidaktischen Ausbil-dungsanteile birgt die Gefahr der wei-teren Reduzierung der fachwissen-schaftlichen Ausbildungsteile auf ein nicht mehr verantwortbares Minimum. Trotz dieser einstimmigen Ablehnung durch Fachvertreter aus Wissenschaft und Unterrichtspraxis ist die gestufte Lehrerbildung in den meisten deutschen Bundesländern eingeführt worden, aller-dings mit zwei wichtigen Effekten: Die föderale Struktur der Bundesrepublik hat sich zum wiederholten Male als Hemm-schuh der Bildungspolitik erwiesen, denn in der Realität haben wir es in den 16 Bundesländern mit – mindestens! – 16 Modellen der Lehrerbildung zu tun. Zweitens weisen nur die Bildungspoliti-ker auf den vermeintlichen Erfolg der gestuften Lehrerbildung hin; die betrof-fenen Universitäten dagegen sehen in der Umstellung eher Probleme, wobei sich diese Probleme deutlicher in der curricu-laren Feinarbeit herausstellen als in der groben Konzeptentwicklung. Was im Großen und Abstrakten noch verlockend klingt, ist in der praktischen Umsetzung de facto häufig nicht zu leisten. Trotz dieser gewichtigen Vorbehalte gegen eine gestufte Lehrerbildung muss die Umstel-lung auf Bachelor- und Masterstudien-gänge wohl als ein Faktum betrachtet werden, das nicht wegzudiskutieren ist. Ich bekenne dies als Hochschullehrer aus

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einem der wenigen Bundesländer, die sich bislang noch gegen die Stufung weh-ren; auch in Hessen mehren sich die Anzeichen dafür, dass wir demnächst zu einer gestuften Lehrerbildung gezwun-gen werden (könnten). Die Folgezwun-gen für die Curriculumentwicklung liegen auf der Hand; ich komme darauf später noch zurück. Das Fach Deutsch als Fremdspra-che hat dabei in Deutschland in diesem Kontext noch aus zwei Gründen eine Sonderrolle: Zum einen liegt es in seiner Tradition, dass die Ausbildung häufig kein gleichwertiges zweites Unterrichts-fach kennt; wer Deutsch als Fremdspra-che im Hauptfach studiert(e), hat häufig kein anderes, in gleichem Umfang stu-diertes Unterrichtsfach. Zum anderen verläuft und verlief die Fachentwicklung – auch dort, wo sie sich auf den zukünf-tigen Vermittlungsaspekt in unterricht-lichen Kontexten besonders konzen-trierte – in weitgehender Loslösung von der Lehrer(aus)bildung, da Deutsch als Fremdsprache-Lehrer in den allermeis-ten Fällen nicht für den staatlichen Schul-dienst ausgebildet wurden. Dass man so – fatalerweise – auch die wissenschaft-lichen Diskussionstexte ein Stück weit entkoppelte, ist zweifelsohne bedauer-lich.

Das zweite Schlagwort des Bologna-Pro-zesses betrifft die Modularisierung. Es geht um die thematische Bündelung von Ausbildungselementen in Modulen. Diese Bündelung zwingt die Fächer dazu, ihre Ausbildungsinhalte zu über-denken und zu systematisieren und hat damit im Kern etwas sehr Heilsames und Fruchtbares. Gegenüber einer rein addi-tiven Aneinanderreihung von Lehrveran-staltungen bietet sie in stärkerem Um-fang als bis dato die Möglichkeit, Inhalte miteinander zu verzahnen, aufeinander abzustimmen und Anschlussmöglich-keiten zu anderen Ausbildungsseg-menten herzustellen. Kritisch zu

disku-tieren ist in diesem Fall allerdings wie-derum der fehlende Blick für die curricu-lare Praxis: Solange Modulgrößen frei variieren können und solange es zur Bo-logna-Philosophie gehört, aufwändige Modulprüfungen zu installieren, nach deren erfolgreichem Ablegen sich die Studierenden von den jeweiligen Inhal-ten gänzlich verabschieden können, läuft die Modularisierung Gefahr, ein an und für sich sinnvolles Ziel nicht zu erreichen, nämlich die thematische Bündelung von für den Beruf essentiellen Inhalten. Der dritte curriculare Aspekt aus dem Bologna-Prozess betrifft Bildung ›als ökonomische Größe‹. Mit der Einführung der sogenannten workloads wird der Ein-druck erweckt, als ließen sich Lernpro-zesse überindividuell berechnen, als ließe sich im Vorhinein angeben, wie lange jemand für das Verstehen eines Textes oder das Lernen und Anwenden einer bestimmten fremdsprachlichen Struktur brauche. Und diese am Schreibtisch be-rechneten, letztlich doch rein fiktiven zeitlichen Quantifizierungen werden zum Fundament curricularer Planung er-hoben: Aus dem vermeintlichen Wissen über diese berechenbaren Lernprozesse werden Leistungspunkte abgeleitet – da muss man nicht einmal Ketzer sein, um zu fragen, ob wir uns ein solches Ver-ständnis von Bildung leisten können. Ich kenne keinen ernstzunehmenden Vertre-ter der sogenannten Text- oder Buchwis-senschaften, der im Vollbesitz seiner geis-tigen Kräfte und vor dem Hintergrund seiner lebensweltlichen und fachlichen Erfahrung dieses schablonenhafte Bil-dungs- und Menschenverständnis unter-schreiben würde. Und doch gilt auch hier, dass wir mit diesem, sicher dem Zeitgeist entspringenden und entspre-chenden ökonomischen Bildungsver-ständnis bei der Curriculumarbeit leben müssen.

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Mein Zwischenfazit lautet also: Bologna verfolgt gute Absichten, aber tut es hand-werklich stümperhaft und leider mit ei-ner Mächtigkeit, die einem die eingangs erwähnte geordnete curriculare Pla-nungs- und Entwicklungsarbeit nicht ge-rade erleichtert. Aber es wäre falsch, den Kopf in den Sand zu stecken; der Vogel Strauß kann sich dies vielleicht leisten, aber wir haben es mit jungen Menschen zu tun, die wir für das Leben ausbilden wollen – und so müssen wir uns der Aufgabe stellen, ihnen durch ein ange-messenes Curriculum ihres Faches, in unserem Fall des Faches Deutsch als Fremdsprache, diesen Weg zu ermögli-chen. Damit komme ich zu meinem zwei-ten Teil und der Frage:

2. Was soll ein Deutsch als Fremdspra-che-Lehrer eigentlich können?

Angesichts dieser Frage gilt es zunächst einmal eine Verengung einzugestehen: Es geht nicht um das Abschluss- und Kompetenzprofil von Studiengängen für Deutsch als Fremdsprache, sondern es geht um das Abschluss- und Kompetenz-profil von Deutsch als

Fremdsprache-Lehrenden. Dabei wird natürlich

zuge-standen, dass es jenseits der unterricht-lichen Vermittlungstätigkeit Berufsfelder und damit Kompetenzbereiche gibt. Aber es soll uns ja hier um die ange-henden Lehrer für Deutsch als Fremd-sprache gehen. Ich betrachte diese Kon-zentration des Faches auf die Vermitt-lung nicht als seine Zersplitterung, son-dern als eine für die curriculare Pla-nungs- und Entwicklungsarbeit ange-messene Präzisierung.

Die Frage nach den curricularen Stan-dards für die Lehrerbildung ist – zugege-benermaßen – nicht wirklich neu. Bereits die Pädagogik hat sich mit den Merkma-len befasst, die ein guter Lehrer haben sollte (vgl. z. B. Meyer 1997), und sie hat diese bisweilen auch über die Merkmale

von gutem Unterricht abzuleiten ver-sucht. Fasst man die diversen Ausfüh-rungen zu dieser Frage zusammen, so gelangt man relativ schnell zu Kompe-tenzmerkmalen, die man den drei großen Säulen der Lehrerbildung zuordnen kann: Es geht um fachliche bzw. fachwissen-schaftliche, fachdidaktische und pädago-gische Kompetenzen. All diese Kompe-tenzen müssen möglichst umfassend vor-handen sein, damit man einen guten DaF-Lehrer ausmachen kann. Während man vergleichsweise schnell Einigkeit darüber erzielen kann, dass es diese drei Blöcke von Kompetenzen sind, die einen guten Lehrer ausmachen, fällt eine Einigung darüber weitaus schwerer, worin denn im Einzelnen die Kompetenzen bestehen sol-len, in welchem quantitativen und qualita-tiven Verhältnis sie zueinander stehen und welche Konsequenzen daraus für eine angemessene Ausbildung zu ziehen sind. Die Realität an deutschen – und wohl nicht nur an deutschen – Hochschulen hat bei der Beantwortung der Frage nach den Anteilen an den Curricula in aller Regel die Machtverhältnisse innerhalb des Faches Deutsch als Fremdsprache wider-gespiegelt: Wo die Linguistik besonders stark war, wurde zu ihren Gunsten argu-mentiert, wo die Literaturwissenschaft stärker war, galt ihr das Hauptaugen-merk, und in den – eher seltenen – Fällen, wo die Didaktiker zahlenmäßig auf Au-genhöhe mit den anderen Fachvertretern waren oder sind, schlug das Pendel stär-ker in Richtung der Fachdidaktik aus. Ein Stück weit spiegelt sich diese Situation in der sogenannten Konturierungsdebatte des Faches Deutsch als Fremdsprache wi-der (vgl. Götze/Suchsland 1996, 1999; Henrici 1996; Henrici/Koreik 1994; Königs 1996, 1998; Altmayer 1997; Rösler 1998). Für unseren Zusammenhang bedeut-samer ist aber die Beobachtung, dass die curriculare Entwicklung folglich nicht so sehr vom Ziel her bestimmt war, sondern

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von der Rechtfertigung des eigenen wis-senschaftlichen Tuns: Der Sprach-, Litera-tur- oder Lehr-/Lernwissenschaftler be-stimmt von seiner Warte aus die Fokussie-rung des Faches, nicht selten mit der Moti-vation, das eigene Tun zu rechtfertigen, herauszustellen und damit bestehende Hierarchien und Machtverhältnisse zu ze-mentieren. Denkt man nun aber die Frage nach den zu erreichenden Kompetenzen zukünftiger Lehrer für Deutsch als

Fremdsprache vom angestrebten Tätig-keitsfeld her, ergeben sich curricular an-dere Verteilungen. Bevor wir zu diesen Verteilungen kommen, ist aber ein Blick auf die Könnensprofile der angehenden DaF-Lehrer in den drei Säulen des Faches notwendig. Ich beschränke mich aus Um-fangsgründen auf eine eher summarische Auflistung, wohl wissend, dass dieses Ta-bleau an Kompetenzen eine ausführ-lichere Begründung verlangt.

Kompetenzprofile eines DaF-Lehrers

Fachwissenschaft Fachdidaktik Pädagogik Der angehende DaF-Lehrer

kann Der angehende DaF-Lehrer kann Der angehende DaF-Lehrer kann • die deutsche Sprache in

möglichst allen Situationen adäquat und intentionsan-gemessen korrekt in Wort und Schrift verwenden • die zu vermittelnden

Sprachstrukturen ange-messen beschreiben und konkurrierende Beschrei-bungen auf ihre Bedeutung für den Vermittlungspro-zess prüfen

• literarische Texte in deut-scher Sprache hinsichtlich ihrer literarischen Qualität und ihrer Bedeutung für die deutschsprachige Lite-ratur einschätzen und lite-rarische Texte mit geeig-neten Methoden und Ana-lyseverfahren interpretie-ren

• landeskundliche Entwick-lungen aufnehmen, in ihrer Bedeutung erfassen und bewerten

• wissenschaftliche Arbeiten zur Fachwissenschaft ver-stehen, bewerten und me-thodologisch einschätzen

• seinen DaF-Unterricht pla-nen, durchführen und selbstkritisch reflektieren • Begründungen für

didak-tisches Handeln geben • Lernprozesse der Schüler

nachvollziehen, einschät-zen und Maßnahmen zu ih-rer Optimierung ergreifen • Lernschwierigkeiten anti-zipieren und remediale Maßnahmen ergreifen • sprachliche Kenntnisse

au-ßerhalb des Deutschen er-mitteln, in ihrem Nutzen für den angestrebten Lernpro-zess beurteilen und in sei-nen Unterricht integrieren • lernerseitige Reaktionen

angemessen aufnehmen und in seine aktuelle Un-terrichtsgestaltung inte-grieren

• Medien aller Art zielge-recht und didaktisch re- flektiert einsetzen

• Arbeits- und Sozialformen adressaten- und zielge-recht variieren

• Impulse für das Weiterler-nen (auch außerhalb des Unterrichts und der Schule) geben

• pädagogische Interakti-onen in ihrer Spezifik erfas-sen, bewerten und optimie-ren

• lernerseitiges Verhalten in Bezug zur individuellen Entwicklung des Schülers setzen

• außerfachliche Ursachen für lernerseitiges Verhalten erkennen und darauf ein-wirken

• fachliche Kompetenzen der Schüler in Bezug zu über-fachlichen Kompetenzen setzen

• zur Entwicklung eines übergeordneten Systems von Welt-, Wert- und Handlungsorientierungen beitragen, das ein übergrei-fendes, gleichwohl institu-tionengebundenes Ziel darstellt

• Unterrichtszusammenhän-ge und -ziele anderer Fä-cher in Bezug zu seinem eigenen Unterricht setzen • biographische

Informati-onen über seine Schüler in ihrer Bedeutung für den Unterricht erfassen, ein-ordnen und für seinen Un-terricht berücksichtigen

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Diese Liste kann naturgemäß nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Sie zeigt allerdings die Bedeutung der fachdidaktischen Ausbildungskompo-nente deutlich auf. Wer aus dieser Liste allerdings ablesen wollte, dass mit der Anzahl der Unterpunkte automatisch eine quantitative Verteilung der Ausbil-dungsanteile verbunden ist, irrt zumin-dest insoweit, als damit keine grundsätz-liche Abwertung bestimmter Ausbil-dungsteile gegenüber anderen Teilen ver-bunden ist. Vielmehr geht es darum, den (zukünftigen) Unterricht in Deutsch als Fremdsprache in den Fokus zu rücken, um auf dieser Grundlage die curriculare Entwicklungsarbeit zu betreiben. Für die einzelnen Fachsegmente bedeutet dies eine Überprüfung der

Ausbildungsin-halte auf ihren Nutzen für den genannten Fokus.

Die Aufgabe, vor diesem Hintergrund und angesichts der Maßgaben des Bo-logna-Prozesses ein Curriculum zu ent-wickeln, gleicht also der berühmten Quadratur des Kreises. Dies gilt umso mehr, als Bologna den Universitäten keine Steuerungsmöglichkeiten gibt, sondern diese wieder in die Kompetenz der jeweiligen Länder verweist. Und hier trifft es Länder mit einer föderalen Struktur besonders hart, und dies vor allem angesichts der angestrebten Hoch-schulautonomie. Gleichwohl gilt es über die Auswahl von Studieninhalten nach-zudenken. Ansatzweise habe ich dies mit der oben präsentierten Liste ja be-reits getan, wende mich diesem Problem

• die fachwissenschaftlichen Kenntnisse und Ergebnisse in ihrem Nutzen für die Optimierung des unter-richtlichen Lehr- und Lern-prozesses einschätzen und ggf. modellieren

• die wissenschaftlichen Er-kenntnisse der Fachdidak-tik in ihrer Bedeutung für den Unterricht berücksich-tigen und nutzbar machen • geeignete Verfahren zur

Überprüfung der schüler-seitigen Kompetenzen ein-schätzen und – ggf. modifi-ziert – einsetzen

• den Unterricht vor dem Hintergrund der bestehen-den curricularen Ziele pla-nen, überprüfen und ggf. modifizieren oder aber • an der begründeten

Zielre-vision mitwirken

• wissenschaftliche Arbeiten zur Fachdidaktik verste-hen, bewerten und metho-dologisch einschätzen

• institutionenbezogene Lernziele, Schwerpunkte und Spezifika erfassen und in Bezug zu seinem Unter-richt setzen

• sich aktiv an der Schulent-wicklung beteiligen • wissenschaftliche Arbeiten

zur Pädagogik verstehen, bewerten und methodolo-gisch einschätzen Fachwissenschaft Fachdidaktik Pädagogik

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in meinem dritten Teil jetzt aber noch etwas ausführlicher zu.

3. Die Qual der Wahl – zur Frage der Ausbildungsinhalte

Dass jedes Ausbildungssegment – also die Fachwissenschaften, die Fachdidaktik und die Pädagogik – interessante Ausbil-dungsinhalte zu bieten hat, steht außer Frage. Ebenso außer Frage steht aber die Notwendigkeit einer zielbezogenen und strukturunterstützenden Auswahl. Man kann dieses Problem aus zwei Perspekti-ven angehen: Man kann zum einen versu-chen, die wissenschaftlichen Highlights eines Ausbildungssegments auszuwäh-len, u. U. gestützt durch die vor Ort vor-handene spezifische Kompetenz, und diese zum unhintergehbaren Ausbil-dungsfokus erklären. Dies ist in der Ver-gangenheit häufig der Fall gewesen – und dies mit Folgen, die wir alle kennen und unter denen wir auch mitunter leiden. Man kann aber auch von einer anderen Seite her argumentieren und fragen: Wel-che der derzeit angebotenen Inhalte braucht ein zukünftiger DaF-Lehrer denn nicht, um hinreichend ausgebildet zu sein? Mir ist schon klar, dass diese Frage ein hochgradiges Konfliktpotenzial ent-hält, und zwar weil sie zum einen an das Selbstverständnis der Fachvertreter und Forscher rührt und weil sie zum anderen das Verständnis von Universität insge-samt betrifft: Müssen unsere Studieren-den nicht mehr lernen als das, was sie für ihr Alltagsgeschäft unmittelbar brauchen? Gehört nicht gerade dieses Mehr an Wis-sen zum prägenden Merkmal einer

Uni-versitas? Gewiss, das ist nicht zu leugnen,

und es geht in der Curriculumentwick-lung für Deutsch als Fremdsprache-Leh-rer auch nicht um weniger als um den Spagat zwischen diesen unterschiedlichen Ansprüchen. Es ist also nicht damit getan, ungeliebte – weil von anderen vertretene – Inhalte einfach über Bord zu werfen,

son-dern es geht um die Frage der Funktiona-lisierung: Wie kann man die als notwen-dig erachteten Inhalte in einem Ausbil-dungsgang funktional so anordnen, dass ihre Bedeutung für die spätere Ausbil-dung transparent wird? Im Konkreten bedeutet dies z. B. nicht, etwa mediävisti-sche Inhalte unter dem Vorwand aufzuge-ben, dass man Texte im Mittel- oder Alt-hochdeutschen ohnehin nicht im späteren Unterricht werde lesen können, sondern Gegenstände der Mediävistik so aufzube-reiten, dass Lehrende sie im späteren Deutschunterricht z. B. für die Erklärung und auch Speicherung lexikalischer Struk-turen oder Redewendungen gewinnbrin-gend einbringen können. Ähnliches gilt für linguistische Beschreibungen, deren Behandlung in der Ausbildung nicht lin-guistischer Selbstzweck sein darf (der seine Berechtigung in anderen Studien-gängen mit anderen Ausbildungszielen ja durchaus hat), sondern die konkrete Be-deutung für das Lehren und Lernen von Deutsch als Fremdsprache haben müssen; wir wissen alle, dass vielfach der linguisti-sche Selbstzweck überwiegt und dass die-ser nicht per se lehr-, lern- oder unter-richtsrelevant ist. Analoge Beispiele lassen sich für alle Ausbildungsteilbereiche be-nennen. Dies gilt auch für die Fachdidak-tik oder die Schulpädagogik. So mag man mit Fug und Recht Zweifel darüber an-melden, ob man mit historisch pädago-gischen Themen dem angehenden Lehrer helfen wird oder mit realitätsfernen fremdsprachlichen Vermittlungsmetho-den, die nicht einmal Anregungspotenzial für die Gestaltung bestimmter unterricht-licher Phasen enthalten. Dieser Auswahl-prozess verlangt allerdings ein Umden-ken von nicht unerheblichem Ausmaß: Nicht die interne Fachsystematik darf das die Auswahl steuernde Kriterium sein, sondern die mögliche Funktion der jewei-ligen Inhalte für die spätere Vermittlung.

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Dabei greift das Kriterium der Funktiona-lisierung nur, wenn dabei der spätere Ver-mittlungskontext im Visier bleibt. Was heißt das? Das bedeutet, dass es nicht darum gehen kann, ja nicht darum gehen darf, fachwissenschaftliche Inhalte ir-gendwie anzuwenden oder lehrbar zu machen. Funktionalisierung muss sich vielmehr auf den zukünftigen Unterricht beziehen und damit auf die Frage, ob der zukünftige Lernende in einem solchen DaF-Unterricht von den jeweiligen Inhal-ten bezogen auf den Deutscherwerb profi-tieren kann oder sogar sicher profiprofi-tieren wird. Es sind also solche Inhalte aus Fach-wissenschaft, Fachdidaktik und Pädago-gik in den Blick zu nehmen, die sich für eine Thematisierung bzw. eine unmittel-bare Anwendung und Umsetzung im Deutsch als Fremdsprache-Unterricht mit seinen je spezifischen Zielsetzungen eig-nen. Eine Deutschlehrerausbildung ohne inhaltliche Verzahnung mit der Unter-richtswirklichkeit, mit den Anforde-rungen und Zielsetzungen eines je spezi-fischen Kontexts muss also zwangsläufig unbefriedigend bleiben. Blickt man nun auf die zahlreichen Erkenntnisse, die aus den jeweils unterschiedlichen Teildiszipli-nen in der Zwischenzeit vorhanden sind, so wird man rasch zu der Auffassung gelangen müssen, dass der Erwerb voll-ständiger und umfassender Kompetenzen illusorisch ist – insbesondere angesichts der eingangs thematisierten Vorgaben durch den Bologna-Prozess. An anderer Stelle (vgl. Königs 2008) habe ich daraus bereits den Schluss gezogen, dass wir ehrlicherweise die umfassende Ausbil-dung von Fremdsprachenlehrern ein Stück weit aufgeben müssen, denn wir dürften kaum mehr in der Lage sein, die heute verfügbaren und für die Ausbil-dung der angestrebten Kompetenzen not-wendigen Kenntnisse und Fähigkeiten im zur Verfügung stehenden Zeit- und Orga-nisationsrahmen zu gewährleisten.

Den Ausweg aus diesem Dilemma sehe ich darin, angehenden Fremdsprachen-lehrern eine Art ›Sockelkompetenz‹ zu vermitteln, auf deren Grundlage sie dann Spezialisierungen und Vertiefungen vor-nehmen können, die gleichermaßen ih-ren Neigungen und den Bedürfnissen der schulischen Realität entsprechen. Was dies für die konkrete Unterrichtstätigkeit an Schulen und anderen Ausbildungsins-titutionen bedeutet, werde ich in meinem Schlussabschnitt noch einmal aufneh-men. Zuvor müssen wir aber noch einen Blick auf die Formate werfen, in denen ein solchermaßen generiertes Studienan-gebot abgebildet werden kann.

4. Deutschlehrerausbildung mit und/ oder im Format?

Meinen Ausführungen zum Bologna-Prozess ist zu entnehmen, dass ich die mit ihm verbundene Modularisierung für eine nachvollziehbare und hilfreiche Strukturentscheidung halte. Um meine Überlegungen zu einem angemessenen Strukturformat möglichst plastisch dar-zustellen, werde ich im Folgenden ein Strukturmodell skizzieren. Bevor ich dieses Modell allerdings erläutern kann, muss ich einige Vorentscheidungen tref-fen und erklären. Ich tue dies kursorisch und eher stichpunktartig:

1. Bologna bedeutet eine Verknappung der zeitlichen Ressourcen; nicht unbe-dingt bezogen auf die Gesamtstudien-dauer, jedoch bezogen auf die zeit-lichen Kontingente, die Lernende zur Verfügung haben. Ich erinnere an die Workloads und die damit verbundene Berechnung der Bearbeitungszeit von Studieninhalten. Daraus folgt für mich, dass wir einige Ausbildungsinhalte ›vor die Klammer‹, also vor das eigent-liche Studium ziehen müssen. Dies be-trifft zu wesentlichen Teilen den Er-werb einer hinreichenden Sprachkom-petenz im Deutschen bzw. in der

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Un-terrichtssprache, soweit sie nicht die Muttersprache der Studierenden dar-stellt. Verschärft wird diese zeitliche Verknappung durch die vielerorts ge-machte Beobachtung, dass Studierende bei Aufnahme des Studiums nicht (mehr) über ›textuelle Kompetenzen‹ verfügen, die in der Vergangenheit am Ende der Schullaufbahn verfügbar wa-ren (also z. B. Texte zusammenfassen können, unterschiedliche Textsorten in der Muttersprache ohne sprachliche Mängel verfassen können etc.). Da das Zeitbudget einen angemessenen Spracherwerb wohl kaum zulassen dürfte, ohne andere Ausbildungsseg-mente gänzlich oder zu großen Teilen verschwinden zu lassen, sind Ein-gangskompetenzen zu definieren, die bei Aufnahme des Studiums in der Sprachkompetenz vorliegen sollten. Sie sollten nach Möglichkeit mindes-tens bei B2, in keinem Fall jedoch un-terhalb von B1 oder B1+ liegen. Das Studium selbst sollte dann Veranstal-tungen beinhalten, die diese Sprach-kompetenz bis zu C1 oder – im Idealfall – bis zum C2 ausbauen. Flankierend dazu sollten mindestens die fachwis-senschaftlichen Ausbildungsanteile in der Fremdsprache, also in Deutsch un-terrichtet werden, und auch die Leis-tungsnachweise durch die Studieren-den sollten in der Fremdsprache erfol-gen.

2. Ich gehe von einer Unterscheidung in Grund- und Aufbaumodule aus. In den Grundmodulen sollten für die einzel-nen Teildisziplieinzel-nen – also Sprach-, Lite-ratur- und Landeswissenschaft sowie Fachdidaktik und Pädagogik die für einen angehenden Deutschlehrer grundlegenden Beschreibungs- und Analyseverfahren und -modelle ver-mittelt werden. Außerdem sollten diese Verfahren und Modelle innerhalb der Grundmodule angewendet und

thematisch zentriert werden. Demge-genüber bieten Aufbaumodule die Möglichkeit, ausgewählte und unter dem Blickwinkel des Schulbezugs be-sonders relevante Modelle, Verfahren und Handlungsoptionen kennenzuler-nen, selbst unter Anleitung zu erpro-ben und unter Zugrundelegung der schulischen/unterrichtlichen Bedürf-nisse zu evaluieren.

3. Davon zu unterscheiden sind Optio-nalmodule: Sie stellen eine Auswahl-möglichkeit für Studierende dar und sollen es ihnen erlauben, besonders vertiefte Einsichten und Kompetenzen in denjenigen Bereichen zu erlangen, die sie nach Maßgabe ihrer persön-lichen Fähigkeiten, Interessen und des Bedarfs an Schulen besonders ausprä-gen wollen.

4. Die Geschichte der Fremdsprachendi-daktik ist in erheblichen Teilen eine Geschichte der Abgrenzung, insbeson-dere gegenüber der Linguistik. Eine Folge dieser engen und durch mit dem Nutzen der Linguistik für den Fremd-sprachenunterricht erklärbaren inten-siven Beschäftigung ist die weitge-hende Ignorierung allgemein pädago-gischer Fragestellungen sowie umge-kehrt die weitgehende Ausblendung fachdidaktischer Problemstellungen durch die Schulpädagogik (vgl. hierzu z. B. Beiträge in Meyer/Plöger 1994; Keck/Köhnlein/Sandfuchs 1999; vgl. hierzu jetzt auch Haß 2010; Trautmann 2010). Die Folge dieser gegenseitigen Ignorierung ist u. a., dass die inhaltlich auf der Hand liegenden Verbindungen zwischen Fachdidaktik und Schulpäd-agogik bei weitem nicht so ausgebaut und diskutiert worden sind, wie dies für das Verhältnis von Linguistik und Fremdsprachendidaktik der Fall ist. Hier besteht also Nachholbedarf, damit eine weitere Strukturimplikation grei-fen kann:

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5. Zur Schaffung von wünschenswerten Synergieeffekten und damit zur stärke-ren inhaltlichen Verschränkung bieten sich sogenannte Schnittstellenmodule an, in denen bestimmte Inhalte aus der Sicht der Fachwissenschaft und der Fachdidaktik behandelt werden. Gleiches gilt für schulpädagogische und fachdidaktische Inhalte.

6. Umentscheidungen für die künftige Laufbahn sollten im Studium möglich sein. Da die zu Recht erfolgende Fokus-sierung auf den Beruf als DaF-Lehrer jedoch höhere Priorität genießt, sollten

durch vertiefende Optionalmodule zwei unterschiedliche Richtungen möglich sein, nämlich die der Speziali-sierung im Rahmen der Fremdspra-chenlehrerausbildung und die Abkehr vom Lehrerberuf verbunden mit einer Hinwendung zu einem Abschluss in Linguistik, Literatur- oder Landeswis-senschaft. Das Abschlusszertifikat sollte diese Spezialisierungen aus-weisen.

Schematisch lässt sich ein solcher Vor-schlag so darstellen:

Auf den ersten Blick mutet das Modell nicht sonderlich neu an. Bei näherer Be-trachtung offenbart es jedoch Neue-rungen, die ich gebündelt wie folgt zu-sammenfassen möchte:

1. Die Auswahl der Ausbildungsinhalte orientiert sich am Kriterium der Funk-tionalität bezogen auf den Unterricht in Deutsch als Fremdsprache.

2. Die Kooperation zwischen Fachwis-senschaften, Fachdidaktik und Schul-pädagogik ist ein modellimmanentes Strukturkriterium.

3. Schnittstellenmodule vor allem im Be-reich der Aufbau- und – sicher einge-schränkter – im Bereich der Optional-module intensivieren diese Koopera-tion.

Modell 1: Lehrerausbildung Deutsch als Fremdsprache

Studienbeginn Abschluss* Propädeutika

›Sprach- kompetenz‹

Grundmodule Aufbaumodule Optionalmodule (Wahlpfllichtbereich) ENTWEDER Optionalmodul 1 ... Optionalmodul n  Promotions- ODER studiengänge Optionalmodul 1 in Fortführung ... der Optional- Optionalmodul n module ODER Optionalmodul 1 ... Optionalmodul n Linguistik Literaturwiss. Fachdidaktik Linguistik Linguistik Literaturwiss. Literaturwiss. Fachdidaktik Fachdidaktik incl. Praktika Landeswiss. Landeswiss.

Erziehungs- und gesellschaftswissenschaftliches Studium für das Lehramt (EGL), einschl. allgemeiner Schulpraktischer Studien

*Abschluss: Lehramt »Fremdsprache X« an Gymnasien mit dem Schwerpunkt [Titel Optionalmodul(e)] [mit leichten Veränderungen entnommen aus: Königs (2008: 27)]

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4. Die fachdidaktischen Ausbildungsan-teile werden – quantitativ und qualita-tiv – aufgewertet.

Denkt man die in diesem Modell gebün-delten und durch Bologna ausgelösten Eckpunkte einer Reform der Fremdspra-chenlehrerausbildung weiter, dann er-scheint es vor dem Hintergrund der Dis-kussion über gestufte Studiengänge und die gleichzeitig angestrebte Berufsqualifi-zierung durch einen ersten universitären Abschluss – den Bachelor – vielleicht ge-wagt, aber dennoch notwendig, die struk-turellen Reformen auszudehnen. Bei

die-sem Weiterdenken erhärtet sich der be-reits zuvor geäußerte Verdacht, dass wir von einer globalen Fremdsprachenlehrer-ausbildung Abschied nehmen und uns Modelloptionen ersinnen müssen, die den Bedürfnissen nach – politisch gewollter – universitärer Breitenwirkung (Stichwort: Polyvalenz) einerseits und nach Auf-nahme auch neuerer Entwicklungen aus den beteiligten Wissenschaften in eine ak-tuelle bedarfs- und bedürfnisgerechte Lehrerbildung andererseits nachkom-men. Meine Überlegungen haben mich zu dem folgenden Modell geführt:

Aufgabe eines Bachelor-Studiums müss-te es sein, die Grundlagen des jeweiligen Faches zu vermitteln, in unserem Falle also Deutsch als Fremdsprache. Berufs-qualifizierend für das Unterrichten an Schulen kann es nicht sein; diese Proble-matik habe ich oben im Zusammenhang mit dem Bologna-Prozess angesprochen.

Ob es für andere Berufsfelder hinrei-chend qualifiziert, will ich an dieser Stelle nicht diskutieren. Der Master sollte dann unterschiedliche Optionen bereithalten: Wer seinen weiteren Berufsweg in der Forschung sieht, sollte den Forschungs-master wählen, in dem es um das Voran-treiben der Forschung geht; hierbei sollte Modell 2: Gestufte Lehrerbildung

BACHELOR = gemeinsamer »Sockel«

n 1 Fächerbezogen

n x

Forschungsmaster Schwerpunkt Fachwiss.

Unterrichtsforschung Schwerpunkt Fachdid.

MASTER Brücken- Schwerpunkt Erz.wiss.

module

Profil: Sachfachunterricht in der Fremdspra- che

Anwendungsmaster Profil: Neue Technologien

Profil: Testen

Profil: pädagogische Diagnostik

Profil: Schulentwicklung

Profil: n...

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den Studierenden die Entscheidung vor-behalten sein, in welchem Ausschnitt des Fächerspektrums sie sich zukünftig be-wegen und profilieren wollen. Dies kann in einem rein fachwissenschaftlich bezo-genen Kontext geschehen oder auch im Kontext der Unterrichtsforschung, wobei hier der jeweilige Forschungsgegenstand je nach Schwerpunktsetzung fachwissen-schaftlich, fachdidaktisch oder erzie-hungswissenschaftlich fokussiert werden kann. Allerdings muss der Studierende dafür Sorge tragen, dass er die je spezi-fischen Fachinhalte in dafür vorgese-henen und vorzuhaltenden Modulen ab-solviert. Dieser Forschungsmaster führt

nicht zur Lehrtätigkeit an Schulen. Diese

Option eröffnet sich nur denjenigen Stu-dierenden, die den Anwendungsmaster wählen, der in seinem grundsätzlichen Aufbau der Struktur des Modells 1 folgt. Er beinhaltet – wie ebenfalls bereits in Modell 1 gezeigt – Optionen, für die sich der Studierende im Sinne individueller Profilbildungen entscheiden kann. Die Durchlässigkeit zwischen den beiden Mastervarianten soll durch Brückenmo-dule ermöglicht werden, die es Studien-gangwechslern gestatten, vorhandene Lücken in ihrem ›neuen‹ Studiengang zu schließen. Diese Brückenmodule sind ex-tracurricular und belasten nicht das Zeit-und Ressourcenkontingent, das für einen Masterstudiengang vorzusehen ist. Die in Modell 1 erwähnten Grundmodule befinden sich im Bachelor, die Aufbau-und Optionalmodule im Master. Wir haben gesehen, dass sich die unter-schiedlichen und sich z. T. widerspre-chenden curricularen Entwicklungsten-denzen – wenn auch mit etwas Mühe – durchaus in einem umfassenden Modell zur Fremdsprachenlehrerausbildung ab-bilden lassen. Natürlich ist noch curricu-lare Feinarbeit zu leisten, um die ge-zeigten Modelle mit Leben zu füllen. Un-sere Universitäten insgesamt und unUn-sere

Institutionen zur Lehrerbildung im Spe-ziellen werden sich auf den Weg begeben müssen, die Reform der Lehrerbildung weiter voranzutreiben – ob mit den hier gezeigten oder mit anderen Modellen. Sie sollten sich allerdings darauf einstellen, dass sich das Feld, für das sie ausbilden, erheblich verändert. Diesen Verände-rungen und dem damit verbundenen Szenario widme ich mich nun abschlie-ßend.

5. Der Lehrer – das unbekannte Wesen?

Wer sich die schulpädagogische und die fachdidaktische Literatur einerseits und die öffentliche Diskussion über Lehrer andererseits ansieht, kann nicht umhin, dem Berufsstand ein gewisses Mitleid entgegenzubringen. Da wird auf der ei-nen Seite ausgeführt, dass sich die Rolle des Lehrers wandele, dass immer diffe-renziertere Kenntnisse das Lehren im-mer diffiziler und weniger planbar er-scheinen lassen. Gleichzeitig werden den Lehrern in immer stärkerem Um-fang Erziehungsaufgaben abverlangt, die das Elternhaus offensichtlich nicht mehr bereit oder in der Lage ist zu übernehmen. Und dann kommen auch noch die schlechten PISA-Ergebnisse dazu, die in Deutschland die Lehrer zu Sündenböcken par excellence gestem-pelt haben, teilweise sogar mit poli-tischer Unterstützung. In einer Polemik aus dem Jahre 2003 liest sich das so:

»Viele Gymnasiallehrer sind während des Studiums nicht einmal mit den elementars-ten jugend- oder lernpsychologischen Er-kenntnissen in Berührung gekommen. Edelstein [ein emeritierter Pädagogik-Pro-fessor] hält die Lehrerausbildung gar für eine der Erbsünden des deutschen Schul-wesens: ›Während es zum Beispiel für die Medizinerausbildung eigene Fakultäten gibt, ist die Lehrerausbildung bloß Anhäng-sel eines Fachstudiums, das einem anderen Zweck dient, nämlich der Ausbildung zum Wissenschaftler. Aber Physiker sind keine

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Physiklehrer, Germanisten keine Deutsch-lehrer.‹ Angehende Pädagogen würden ge-radezu um ihre Professionalität betrogen, meint Edelstein. Sie lernten kaum etwas über das Lernen, schon gar nichts über ›metakognitive Prozesse‹, also über das Lernen des Lernens, die Dynamik von Gruppen oder darüber, wie Kinder zum Selbstlernen anzuregen sind. In ihrer Hilflo-sigkeit machen Lehrer das Fachwissen zur Prothese.« (Kahl 2003: 57)

Wie an jeder Polemik, so ist auch hier etwas Wahres zu entdecken, vielleicht sogar zu viel Wahres. Vielleicht täte es Lehrern gerade gut, mehr aufeinander zuzugehen, voneinander, aber auch mit-einander zu lernen. Wie aber kann das gelingen?

Wenn meine obige Vermutung richtig ist, dass der erreichte Wissensstand und die Ausdifferenzierung der Tätigkeitsfelder einer eindimensionalen Fremdsprachen-lehrerbildung entgegensteht und den an-gehenden Fremdsprachenlehrer bereits in der Ausbildung zu einer Spezialisie-rung zwingt, so könnte man sich diesen Umstand doch gerade zu nutze machen, indem man Fremdsprachenlehrer in re-gelmäßigen Abständen und systemati-schen Zusammenhängen wechselweise zum Lehrerfortbildner und zum Fortzu-bildenden macht, nicht in großem Rah-men, sondern innerhalb eines Schulkolle-giums: Der Spezialist für Neue Technolo-gien zeigt seinen Kollegen, wie man Übungsaufgaben lern- und adressatenge-recht selbst erstellen kann (vgl. z. B. Grü-newald 2006), der Fachmann für Sach-fachunterricht in der Fremdsprache zeigt seinen Kollegen etwas über die fremd-sprachige Textarbeit in konkreten und authentischen Fachzusammenhängen (zu Ausbildungsgängen für bilingual un-terrichtende Lehrer vgl. z. B. Helbig/ Raabe 2000; Königs 2007; Kupetz/Ziegen-meyer 2005; Wolff 2002; Wolff/Krechel 1997), der Mehrsprachigkeitsdidaktiker vermittelt seinen Kollegen einen

Ein-druck davon, wie man durch prospektive Spracharbeit nicht nur zeigen kann, was Schüler verstehen, ohne es je explizit ge-lernt zu haben (wie man also Deutsch versteht, nur weil man Englisch schon ein bisschen kann), sondern wie man da-durch Schüler auch für das Fremdspra-chenlernen und den Fremdsprachenun-terricht motivieren, ja vielleicht sogar be-geistern kann (vgl. z. B. Böing 2004; Kö-nigs 2004, 2006b; Meißner 2004, 2005). Ich stelle mir ein solches Lehrer-Kollegium, in dem Fremdsprachenlehrer mit unter-schiedlichen Schwerpunkten und Wis-sensressourcen vereinigt sind, als eine effektive und Mut machende Ansamm-lung von Fachleuten für fremdsprach-liches Lehren und Lernen vor, die denje-nigen tatsächlich in den Mittelpunkt stel-len, um den es geht: den Schüler! Wenn dieses (oder ein ähnliches) Bild am Ende des Reformprozesses stünde, in dem wir alle uns gerade befinden, dann hätte sich die Mühe gelohnt – die Mühe, über eine reformierte Lehrerbildung nicht wegen, sondern trotz Bologna nachzudenken und die Mühe, die es mit sich bringt, mit halbgaren politischen Konzepten ver-nünftige Bildung und Ausbildung zu be-treiben. Dann hätte sich das Bangen, das uns im Kontext der europäischen Bestre-bungen um eine angemessene Lehrerbil-dung so häufig und so schnell befällt, in ein Hoffen verwandelt. Ist dies nicht der Mühe – unser aller Mühen – Wert?

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Frank G. Königs

Professor; Leiter des Informationszent-rums für Fremdsprachenforschung und Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Didaktik und Sprachlehrforschung an der Philipps-Universität Marburg; Ge-schäftsführender Direktor des Sprachen-zentrums. Arbeitsschwerpunkte: Metho-dik und Didaktik des Fremdsprachenun-terrichts (insbesondere Deutsch als Fremdsprache und Romanische Spra-chen), Methodik des Fremdsprachenun-terrichts, Mehrsprachigkeit, psycholin-guistische Aspekte des Fremdsprachen-unterrichts.

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Überlegungen zur Prosodie im Bereich DaF

1

Manuela Moroni, Heinrich Graffmann, Klaus Vorderwülbecke

Zusammenfassung

Neben kurzen Bestandsaufnahmen vom Status der Prosodie in Grammatiken und in DaF-Didaktiken und -Lehrwerken wird Prosodie näher bestimmt und ihre wichtigsten Eigen-schaften und Funktionen in Wort, Ausspruch und Gespräch beschrieben. Im Weiteren wird vor allem die bedeutungsgestaltende Funktion der Prosodie herausgearbeitet. Aus phono-logischer Sicht sehen wir die Informationsstruktur als zentral für die Vermittlung der Prosodie an. Anhand von Akzentgruppe und Intonationsphrase wird ihre Rolle bei der rhythmischen Gliederung von Aussprüchen vorgestellt. Als weiteres Beispiel für die kommunikative Funktion von Prosodie wird ihre Rolle beim Ausdruck von Emotion behandelt.

0. Einleitung

Das Material der Prosodie ist die gespro-chene Sprache. Im Gegensatz zur ge-schriebenen Sprache, deren Beschrei-bung eine lange Tradition hat, sind empi-rische Untersuchungen über die gespro-chene Sprache erst vor ca. 40 Jahren in Gang gekommen und keineswegs allge-mein bekannt. Dieser Beitrag bilanziert zunächst, wieweit gesprochene Sprache und Prosodie in Grammatiken sowie Di-daktiken und Lehrwerken DaF Eingang gefunden haben.

Nach begrifflichen Klärungen von Pros-odie und Beschreibungen ihrer Funktion auf verschiedenen Ebenen des Sprach-systems folgen Ausführungen zu den Themenbereichen Informationsstruktur,

rhythmische Einheiten und Ausdruck von Emotion. Aus phonologischer Per-spektive wird immer auch die bedeu-tungsgestaltende Funktion der prosodi-schen Mittel herausgearbeitet. Dabei wird auch in eigenen Abschnitten und in eingekästelten Passagen die didaktisch-methodische Relevanz der beschriebenen Erscheinungen mit z. T. praktischen An-regungen für den Unterricht aufgezeigt.

1. Prosodie in Grammatiken sowie Di-daktiken und Lehrwerken DaF

Prosodie in Grammatiken

Die Erforschung der gesprochenen Spra-che oder genauer: die Wahrnehmung der gesprochenen Sprache als

eigenständi-1 Wir haben diesen Aufsatz gemeinsam konzipiert und verantworten ihn auch gemein-sam. Die einzelnen (Unter)kapitel wurden wie folgt bearbeitet: MM: 2; 4.3 HG: Abschnitt »Prosodie im Ausspruch« in 2; 3; 5.1. KV: 2; 4.1+2; 5.2. Einleitung und Kap. 6 haben wir gemeinsam geschrieben.

Didaktik DaF / Praxis

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gen Forschungsgegenstands in der Lin-guistik ist die Voraussetzung dafür, dass sich Erforschung und Didaktisierung von Prosodie im Bereich DaF entwickeln konnte (siehe Kapitel 2).

Für die Überlegungen in diesem Aufsatz ist vor allem von Bedeutung, dass der Gegenstand gesprochene Sprache und damit auch die prosodischen Gegeben-heiten des Deutschen systematisch Ein-gang in einige neuere Grammatiken ge-funden haben. (Zur Berücksichtigung von Gesprochener Sprache in früheren Grammatiken siehe Vorderwülbecke 2006: 567 ff.).

Die Grammatik der deutschen Sprache (Zifo-nun/Hoffman/Strecker 1997) erhebt den Anspruch, die gesprochene Sprache an-gemessen zu berücksichtigen. So wird z. B. die Intonation als grammatisches Mittel betrachtet und bei der Bestim-mung der Satztypen mit einbezogen. Der auffälligste Unterschied zu allen voran-gegangenen Grammatiken ist die expli-zite Beschreibung der gesprochenen Sprache im Kapitel »Diskurs und Münd-lichkeit«, in dem alle wichtigen prosodi-schen Mittel ausführlich behandelt wer-den wie Töne und Tonmuster, Wortak-zent und GewichtungsakWortak-zent sowie Pau-sen und Grenzsignale.

Die 7. Auflage der Duden-Grammatik von 2005 enthält neben einem Kapitel zu »Phonem und Graphem« eins zur »Into-nation« (von Jörg Peters) sowie als große Neuerung ein Kapitel zur gesprochenen Sprache (von Reinhard Fiehler).

Im Kapitel »Gesprochene Sprache« wer-den fast alle prosodischen Mittel kurz beschrieben, für deren Vermittlung im FU wir plädieren: Intonationsphrasen, Tonhöhenverlauf, Pausen, Akzente, Sprechgeschwindigkeit und Lautstärke (Duden 2005: 1206). Es wird aber auch eine Warnung ausgesprochen, die für die Sprachvermittlung berücksichtigt wer-den muss:

»Die kommunikative Funktion der prosodi-schen Gestaltungsmittel ist in der Regel nicht eindeutig, sondern mehrdeutig und muss im jeweiligen Kontext erschlossen werden.« (Duden 2005: 1206)

Deshalb plädieren wir auch in diesem Beitrag dafür, dass die kommunikative Situation und damit der Sprecher-Hörer-Bezug stärker in die Arbeit an der Pros-odie einbezogen werden.

Prosodie in Didaktiken DaF

Rösler (1994) widmet »Aussprache und Intonation« zweieinviertel Seiten, davon eine dreiviertel Seite der Intonation (ent-spricht zum großen Teil der Prosodie bei uns). Er übernimmt die Kritik, dass sich Lehrwerke oft nur auf Übungen zum Phoneminventar beschränken und die In-tonation häufig ausblenden (Rösler 1994: 46). Zur Bedeutung der prosodischen Mittel sagt er:

»Rhythmus und Intonation bestimmen die Gliederung und Verständlichkeit des Ge-sagten und übermitteln Untertöne, die eine Äußerung als sachlich, erregt, höflich oder erstaunt markieren. Notwendig sind des-halb schon früh der Einbezug der emotiona-len Ebene und die Einbeziehung der Kom-munikationssituation.« (Rösler 1994: 47)

Henrici/Riemer (1994) widmen der »Ar-beit an phonetisch-intonatorischen Kenntnissen« beachtliche 15 Seiten. Die Suprasegmentalia (131 ff.) werden aller-dings nur auf knapp drei Seiten (bei einem Umfang von 537 Seiten!) behan-delt. Es werden die drei grundlegenden Intonationsmuster, die Wortbetonung bei einfachen und zusammengesetzten Wör-tern sowie die Regeln für Hauptbeto-nung im Satz »in ruhiger Rede« beschrie-ben. Nicht behandelt werden u. a. Rhyth-mus, Pausen und emotionales Sprechen. Huneke/Steinig (1997, 32002) behandeln zunächst in einem sehr kurzen Kapitel »Phonetik und Phonologie« mit einer knappen Seite zu den Suprasegmentalia, zu denen sie Wortakzent, Satzintonation

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und Sprachrhythmus rechnen. Im Kapi-tel »Sprachliche Fähigkeiten« wird dann aber sehr detailliert auf zehn Seiten »die Aussprache« (worunter auch die Supra-segmentalia gefasst werden) mit vielen praktischen Vorschlägen für den Unter-richt behandelt. Sie plädieren für ein in-tensives Hörtraining vor dem eigentli-chen Sprachkurs. Entwickelt werden soll vor allem »ein Gefühl für die Melodie, das Klangmuster und die Intonation der fremden Sprache […]« (Huneke/Steinig

32002: 140).

Storch (1999) widmet der Phonetik zehn Seiten. Es werden weitgehend nur die Segmentalia behandelt. Das gilt auch für die vorgestellten Übungstypen, wenn auch Wort- und Satzakzent und Intona-tion hin und wieder vorkommen. Nichts-destotrotz teilt er die Auffassung,

»wonach dem suprasegmentalen Bereich als dem eigentlich primären die zentrale Rolle bei der Ausspracheschulung zu-kommt« (Storch 1999: 109).

Fazit: Phonetik bzw. Ausspracheschu-lung wird in allen erwähnten Didaktiken behandelt, der Anteil der Prosodie bzw. der Suprasegmentalia daran ist relativ gering trotz des Wissens über deren über-geordnete Bedeutung für den Sprachun-terricht.

Prosodie in Lehrwerken DaF

Wir haben ca. 20 neuere Lehrwerke aus den letzten 20 Jahren auf ihren »Pros-odiegehalt« durchgesehen. Wir können feststellen, dass seit etwa 1990 die Phone-tik in den Lehrwerken zunehmend Be-rücksichtigung findet, so dass es eine große Ausnahme ist, wenn heute ein Grundstufen-Lehrwerk diesen Bereich nicht behandelt. Oft ist aber die Phonetik auch in neueren Lehrwerken quantitativ (1/4 oder gar 1/5 Seite pro Lektion) und auch, was die Qualität von Darstellung und Übungsformen angeht, nicht zufrie-denstellend. Darüber hinaus wird die

Prosodie relativ wenig und oft auch zu spät behandelt. Weiterhin beschränkt sich der Prosodieanteil bei vielen Lehr-werken auf Wort- und Satzakzent, manchmal auch noch auf »Satzintona-tion«, womit i. d. R. die Tonhöhenbewe-gung am Ende eines Satzes (wir sagen: Ausspruchs) gemeint ist. Die folgenden wichtigen prosodischen Mittel werden nur selten behandelt:

• Akzentgruppen • Pausen

• Langsames – schnelles Sprechen • Emotionales Sprechen

• Interjektionen

Vorgestellt und geübt werden diese The-men nur in den Lehrwerken

– Dimensionen – Mittelpunkt – Moment mal – Optimal – Schritte – Stufen International.

Keines der Lehrwerke beherzigt die For-derung, die auch die o. e. Didaktiken aufstellen, nämlich die Prosodie gleich von Anfang an und intensiv zu behan-deln. Auch bei der Abfolge und Gewich-tung der prosodischen Mittel ist noch großer Handlungsbedarf. Zur Behand-lung des übergeordneten Themas Ge-sprochene Sprache in Lernzielbestim-mungen, Didaktiken, Grammatiken und Lehrwerken für den DaF-Bereich siehe Vorderwülbecke (2008: 275 ff.).

2. Was ist Prosodie? Begriffliche Klärungen

Hier sollen ganz kurz neben Prosodie auch Phonetik, Phonologie und Intonation näher bestimmt bzw. voneinander abge-grenzt werden:

Prosodie

Die Prosodie behandelt alle Eigenschaften der Lautkette, die die einzelnen Laute, die Segmentalia, überlagern. Bei der

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