• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Das Inzidentalom der Nebenniere: Erleichtert eine neue Operationstechnik die Entscheidung zur Operation?" (04.05.2001)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Das Inzidentalom der Nebenniere: Erleichtert eine neue Operationstechnik die Entscheidung zur Operation?" (04.05.2001)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

D

as Spektrum der chirurgischen Therapie von Nebennierentumo- ren wurde in den vergangenen Jahren durch die Einführung der en- doskopischen Adrenalektomie, die erstmals von dem Kanadier Gagner 1992 (12) transperitoneal laparosko- pisch durchgeführt wurde und zwi- schenzeitlich auch retroperitoneosko- pisch möglich ist (17, 25), wesentlich er- weitert.

Parallel zu dieser Entwicklung wer- den heute durch die zunehmende Ver- breitung hochauflösender bildgebender Verfahren vermehrt Raumforderungen der Nebenniere diagnostiziert. Diese zu- fällig diagnostizierten Raumforderun- gen werden als Inzidentalome bezeich- net, ihre Prävalenz liegt bei der compu- tertomographischen Untersuchung zwi- schen 0,3 und fünf Prozent (6, 27).

Das therapeutische Vorgehen beim Inzidentalom wird kontrovers disku- tiert und stellt den behandelnden Arzt vor das Problem des weiteren Vorge- hens: Genügt eine Verlaufsbeobach- tung oder soll der Tumor operativ ent- fernt werden? Im Hinblick auf diese

Frage soll in diesem Beitrag das Vor- gehen beim Inzidentalom – unter spe- zieller Berücksichtigung der endosko- pischen Adrenalektomie – dargestellt werden.

Operationstechnik

Transperitoneale laparoskopische Adrenalektomie

Die Operation wird üblicherweise in Sei- tenlage über vier Arbeitstrokare durch- geführt. Nach Anlage eines Pneumoperi- toneums wird im ersten Schritt bei der rechtsseitigen Adrenalektomie das Liga- mentum triangulare der Leber durch- trennt. Der Schwerkraft folgend fällt die Leber unter leichtem Zug nach links me- dial, wodurch die Vena cava inferior zur Darstellung kommt. Nachdem die Ne- bennierenvene dargestellt ist, wird diese zwischen Clips durchtrennt. Die Neben- niere wird dann unter Durchtrennung der arteriellen Zuflüsse aus dem Retro- peritoneum ausgelöst. Zur linksseitigen Adrenalektomie wird der retroperito- neale Raum zwischen Milz und seitlicher Bauchwand eröffnet. Die auf der linken Seite in die Nierenvene mündende Ne- bennierenvene wird durchtrennt. Die Nebenniere wird entsprechend dem rechtsseitigen Vorgehen aus dem Retro- peritoneum ausgelöst (13, 24). ✁

Das Inzidentalom der Nebenniere

Erleichtert eine neue Operationstechnik die Entscheidung zur Operation?

Achim Heintz

1

Theodor Junginger

1

Jürgen Beyer

2

Peter Kann

2

Cornelia Jaursch-Hancke

3

Ulf Niemann

1

Zusammenfassung

Endoskopisch-chirurgische Techniken haben seit 1992 zunehmend Bedeutung in der Neben- nierenchirurgie erlangt. Endoskopisch stehen heute ein transperitoneal-laparoskopischer und ein retroperitoneoskopischer Zugang zur Verfügung. Vorteil des transperitonealen Zu- gangs ist, dass die Operation in einer präfor- mierten Körperhöhle mit guter Übersicht er- folgt, es besteht jedoch das Risiko der Verlet- zung intraabdominaler Organe. Dieses Risiko wird durch den retroperitoneoskopischen Zu- gang umgangen, nachteilig ist hier die schwie- rigere anatomische Orientierung während der Operation. Die Komplikationsrate des endo- skopischen Zugangs ist mit gemittelt sieben Prozent gering. Im Hinblick auf die durch die Verbesserung der bildgebenden Verfahren häufiger diagnostizierten Inzidentalome kön- nen mit der endoskopischen Technik Tumoren

bis zu einer Größe von 6 cm risikoarm – bei ge- ringer Traumatisierung – entfernt werden. Bei malignomsuspekten Nebennierentumoren mit einer Größe über 6 cm besteht unverändert die Indikation für das konventionelle transperito- neale Vorgehen.

Schlüsselwörter: Inzidentalom, endoskopische Adrenalektomie, Nebennierenchirurgie, retro- peritoneoskopischer Zugang, Laparoskopie

Summary

Endoscopic Approach of Adrenal Incidentaloma Surgery

Endoscopic techniques are being used in- creasingly in adrenal gland surgery. Today either a laparoscopic or a retroperitoneoscopic approach is being chosen as an access in mini- mal invasive adrenalectomy. One advantage

of the transperitoneal approach is the good overview of the abdominal cavity, but there is also the risk of intraabdominal organ injury.

The retroperitoneoscopic access to the adrenal gland avoids these disadvantages, but since there is only a minor space for preparation anatomical orientation is more difficult. The complication rate of the endoscopic approach approximates seven per cent. Concerning the rising frequency of accidentally diagnosed tumours of the adrenal gland the endoscopic approach represents a technique which allows removal of these tumours up to a size of 6 cm with low morbidity. In cases of a larger tumour of the adrenal gland suspected for malignancy the conventional transperitoneal approach is indicated.

Key words: incidentaloma, endoscopic adre- nalectomy, adrenal surgery, retroperitoneosco- pic approach, laparoscopy

1Klinik und Poliklinik für Allgemein- und Abdominal- chirurgie (Direktor: Prof. Dr. med. Theodor Junginger) der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz

2Klinik und Poliklinik Innere Medizin, Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen (Direktor: Prof. Dr. med. Jür- gen Beyer) der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz

3Deutsche Klinik für Diagnostik, Fachbereich Endokrino- logie, Wiesbaden

Lagerung der Patienten zur retroperitoneosko- pischen Adrenalektomie

Grafik 1

(2)

Retroperitoneoskopische Adrenalektomie

Die Operation wird in Seitenlage über einen lumbalen oder alter- nativ in Bauchlage über einen dorsalen Zugang durchgeführt.

Die Operation erfolgt über drei bis vier Trokare, die bei dem lum- balen Zugang im Bereich des konventionellen Flankenschnitts angeordnet sind (Grafik 1). Beim dorsalen Zugang werden die Trokare unterhalb der zwölf- ten Rippe platziert. Im ersten Schritt wird ein artifizieller Raum im Retroperitoneum ge- schaffen. Hierzu wird zunächst stumpf mit dem Finger ins Retro- peritoneum eingegangen, nach- folgend wird ein Raumbildungs- trokar eingeführt (Grafik 2a).

Durch Dilatation eines Ballons, der sich an der Spitze des Trokars befindet, wird der artifizielle Raum im Retroperitoneum aus- geweitet (Grafik 2b). Nach Aus- tausch des Raumbildungstrokars gegen einen Blocktrokar wird ein Pneumoretroperitoneum mit Kohlendioxid angelegt. In den entfalteten retroperitonealen Raum werden anschließend zwei bis drei weitere Trokare eingeführt, über welche die Operation erfolgt. Hierbei werden die oben aufgeführten Gefäßstrukturen entsprechend durchtrennt (17, 25).

Ergebnisse der endoskopischen Adrenalektomie

Betrachtet man zunächst die Tumor- größe, so kommt die endoskopische Adrenalektomie – sei es auf trans- oder retroperitonealem Weg – vorwiegend bei kleinen Nebennierentumoren zur Anwendung. Gemittelt liegt die durch- schnittliche Tumorgröße in allen Stu- dien zwischen 2,5 und 4,8 cm (Tabelle 1). Während beim retroperitoneoskopi- schen Zugang – aufgrund der räumli- chen Enge in dem artifiziell geschaffe- nen Raum – die maximale Größe des entfernten Tumors bei den eigenen Pa- tienten 8 cm nicht überschritt, schwan- ken die Angaben für den transperito- nealen laparoskopischen Zugang. Wäh- rend Gagner et al. Tumoren bis zu einer

Größe von 14 cm endoskopisch entfer- nen, sehen Marescaux et al. die Grenze bei 9 cm (14, 24). Die durchschnittliche Operationszeit liegt heute sowohl beim trans- als auch beim retroperitonealen Zugang für den erfahrenen Operateur bei etwa zwei Stunden (14, 38). Die Konversionsrate, das heißt der Umstieg auf die konventionelle Operation, kann für den endoskopischen Eingriff gemittelt mit 5,5 Prozent ange- geben werden (Tabelle 1). Un- terschiede im Hinblick auf die Konversionsrate sind zwischen dem trans- und retroperitonea- len Zugang nicht nachweisbar.

Gründe zur Konversion sind nicht beherrschbare Blutungen, präparatorische Probleme mit sich daraus ergebenden zu lan- gen Operationszeiten sowie die fehlende Darstellbarkeit der Nebenniere bei kleinem Neben- nierentumor und sehr adipösem Patienten. Hinsichtlich schwe- rer Komplikationen (Nachblu- tung, Organ- [Pankreas/Milz]

und Gefäßverletzungen) finden sich im Vergleich zwischen trans- und retrope- ritonealem Zugang geringfügig günsti- gere Ergebnisse für den retroperitoneo- skopischen Zugang (6,1 Prozent versus 3,8 Prozent) (36). Die Letalität nach en- doskopischer Adrenalektomie ist nied- rig (0,27 Prozent) (Tabelle 1).

Eigene Ergebnisse beim Inzidentalom

Von 1994 bis 1999 wurden an der Klinik und Poliklinik für Allgemein- und Ab- dominalchirurgie der Johannes Guten- berg-Universität, Mainz, 196 Adrenal- ektomien durchgeführt (endoskopisch 141, konventionell 55) (Grafik 3).

38 Patienten wurden unter der Dia- gnose eines Inzidentaloms operiert.

Sechsmal wurde die Operation trans- peritoneal laparoskopisch durchge- führt. In 32 Fällen erfolgte der Eingriff über einen retroperitoneoskopischen Zugang. Bei einem Patienten (2,6 Pro- zent) wurde der Eingriff konventionell über einen Flankenzugang beendet.

Die Patienten, zwölf Männer und 26 Frauen, waren im Median 60 (40 bis 74) Jahre alt. Bei der anästhesiologischen Risikoeinschätzung überwogen die höheren ASA-Klassifikationen (ASA 2: n = 12, ASA 3: n = 23, ASA 4: n = 3).

Die Tumoren waren bei 16 Patienten auf der rechten und in 22 Fällen auf der linken Seite lokalisiert, die mediane Tumorgröße betrug 6 (2 bis 10) cm (Grafik 4). Intraoperativ wurde bei ei- nem linksseitigen retroperitoneoskopi- a

b Grafik 2

Raumbildungstrokar (a) zur Schaffung eines artifiziellen Raums im Retroperitoneum (b)

Grafik 3

Indikationsspektrum bei den eigenen Patienten. Bei dem Pati- enten mit ektoper ACTH-Produktion erfolgte bei Bronchialkar- zinoid eine palliative beidseitige Adrenalektomie. Bei sieben Patienten mit einem zentralen Cushing-Syndrom führten wir eine beidseitige Adrenalektomie bei persistierendem Cus- hing-Syndrom nach vorangegangener Hypophysenoperation durch.

(3)

schen Eingriff die Pleura verletzt, was die passagere Einlage einer Pleuradrai- nage erforderlich machte. Weitere in- tra- oder postoperative Komplikatio- nen traten nicht auf (Komplikationsra- te eins von 37 [2,7 Prozent]), kein Pati- ent verstarb postoperativ. Der mediane Blutverlust lag bei 50 (0 bis 450) ml.

Die postoperative Liegedauer der en- doskopisch operierten Patienten be- trug im Median fünf (drei bis 14) Tage.

Die histologische Aufarbeitung der Nebennieren zeigte in 27 Fällen ein Ne- bennierenrindenadenom, bei sechs Pa- tienten eine noduläre Hyperplasie, zweimal eine Nebennierenzyste, zwei- mal ein Hämatom und in einem Fall ein Nebennierenrindenkarzinom (Abbil- dung).

Diskussion

Die Beantwortung der Frage, ob die en- doskopische Adrenalektomie beim In- zidentalom die Entscheidung zur Ope- ration erleichtert, muss sich daran ori- entieren, welche Vor- und Nachteile diese neue Technik gegenüber den kon- ventionellen Zugangswegen zur Ne- benniere aufweist.

Die Vorteile des konventionellen transperitonealen Zugangs liegen in der guten Exposition des Operationssitus, was vor allem bei Nebennierenkarzino-

men, Phäochromozytomen oder gro- ßen Nebennierentumoren, die einseitig oder bilateral lokalisiert sind, von Be- deutung ist. Die Operationszeit beträgt in Abhängigkeit von der Tumorgröße und dem Operateur durchschnittlich 1,5 bis 2,5 Stunden. Der Vorteil der guten Exposition des Operationssitus wird jedoch mit höheren Komplika- tionsraten und einer größeren Patien- tenbelastung erkauft. Die Komplika- tionsraten liegen zwischen neun und 35 Prozent, die Letalität beträgt zwei Prozent und steigt in Abhängigkeit von der Indikation in der Gruppe der Patienten mit Nebennierenkarzinomen auf bis zu 43 Prozent an. Die post-

operative Liegedauer kann mit durch- schnittlich sieben bis zehn Tagen ange- geben werden (22, 23, 32).

Die konventionellen extraperito- nealen Zugänge – sei es über einen lumbalen oder über einen dorsal-para- vertebralen Zugang – führen demge- genüber zu einer geringeren Traumati- sierung der Patienten. Die Operations- zeiten sind kurz und liegen zwischen 70 und 130 Minuten. Die Komplikations- rate ist mit fünf bis zehn Prozent deut- lich geringer als die des konventionel- len transperitonealen Zugangs, die Letalität kann mit einem bis zwei Prozent angegeben werden. Post- operativ sind die Patienten vier bis fünf Tage hospitalisiert. Der Nachteil des extraperitonea- len Zugangs ist die schlechte Exposition des Operations- situs, weswegen sich die In- dikation zum extraperito- nealen Zugang vor allem beim kleinen Nebennieren- tumor ergibt (23, 30, 32).

Die Ergebnisse des endo- skopischen Eingriffs (so- wohl transperitoneal-lapa- roskopisch als auch retro- peritoneoskopisch) zeigen, dass das Indikationsspek- trum dem der konventionel- len extraperitonealen Zu- gänge entspricht und der en-

´ Tabelle 21C´

Anteil der malignen Erkrankungen bei allen endoskopisch operierten Patienten

Autor Jahr Anzahl der Karzinom

Operationen Anteil/Prozent

Duh (10) 1996 37 1/2,7

Walz (41) 1996 32 0

Gagner (14) 1997 97 3/3,1

Gasmann (15) 1998 23 1/4,3

Filipponi (11) 1998 50 2/4

Pujol (28) 1999 30 1/3,3

Imai (21) 1999 40 0

Eigene 2000 141 2/1,4

´ Tabelle 11C´

Übersicht über Ergebnisse in der Literatur

Autor Jahr Fallzahl Zugang Größe Konversion Komplikation Letalität

(cm) (Prozent) (Prozent) (Prozent)

Brunt (5) 1996 24 T 2,7 – 16,6 0

Staren (36) 1996 21 T + R 3,2 8,6 – 0

Walz (41) 1996 30 R 3,6 16,6 0 0

Duh (10) 1996 37 T + R 2,5 0 8,1 2,7

Thompson (39) 1997 50 T 2,9 12,2 12 0

Gagner (14) 1997 97 T 4,5 3 12 0

Gasman (15) 1998 23 R 2,6 0 8,6 0

Filiponi (11) 1998 50 T 4,8 0 0 0

Pujol (28) 1999 30 T + R 3 7 8 0

Imai (21) 1999 40 T + R 2,8 2,4 5 0

Eigene 2000 147 T + R 3,8 4 4 0

T, transperitoneal; R, retroperitoneal

(4)

doskopische Eingriff vor allem bei kleinen Nebennierentumoren ange- wendet wird. Auch Phäochromozyto- me, die immerhin bei 2,9 bis neun Pro- zent der Inzidentalome nachgewiesen werden, können bei ausreichender Vorbehandlung mit einem Alpha- Blocker endoskopisch sicher operiert werden. Dies zeigen zahlreiche Pati- entenserien ohne ernsthafte intraope- rative Komplikationen. Die häufig erst gegen Ende der endoskopischen Operation durchführbare Ligatur der Nebennierenvene scheint bei entspre- chender Vorbehandlung eine unterge- ordnete Rolle zu spielen (7, 10, 14, 26, 40).

Zur Bedeutung der endoskopischen Adrenalektomie beim Nebennieren- karzinom liegen keine ausreichenden Daten vor. Insgesamt ist der Anteil endoskopischer Operationen beim Malignom mit unter fünf Prozent ge- ring (Tabelle 2).Ushiyama et al. (34) beschrieben den Fall einer Patientin, die unter der Diagnose eines Cushing- Syndroms bei benignem linksseitigem Nebennierentumor mit einer Größe von 5 cm operiert wurde. 19 Monate später wurde bei ihr ein disseminiertes Rezidiv eines Nebennierenkarzinoms diagnostiziert, woraus die Autoren ei- ne Kontraindikation für das endo- skopische Vorgehen ableiten. Ande- rerseits kann der erfahrene Operateur die onkologisch-chirurgischen Prinzi- pien auch endoskopisch einhalten, aus diesem Grund halten Heniford et al.

(18) – unter der Voraussetzung, dass ein erfahrener Operateur den Eingriff durchführt – den endoskopischen Zu- gang auch beim Malignom für gerecht- fertigt.

Bei fehlenden prospektiv-randomi- sierten Studien zum Vergleich konven-

tionelle versus endoskopische Ope- ration können nur retrospektive Un- tersuchungen herangezogen werden.

Thompson et al. (38) zeigten bei insge- samt 100 Patienten (laparoskopische, transperitoneale Adrenalektomie ver- sus konventionelle dorsal-paraverte- brale Adrenalektomie) eine signifikant kürzere stationäre Verweildauer der endoskopisch operierten Patienten (5,7 versus 3,1 Tage) und einen signifikant niedrigeren Schmerzmittelbedarf bei einer höheren Patientenzufriedenheit.

Nachteilig waren die signifikant länge- ren Operationszeiten (167 versus 127 Minuten) sowie die höheren Kosten des endoskopischen Zugangs (7 000 versus 6 000 Dollar). Besonders be- achtenswert erscheint die hohe Rate der Patienten mit Schmerzen und Taubheitsgefühl sowie Relaxationen nach konventionellem Zugang bei zwangsläufig durchtrennten Nerven- ästen (54 versus null Prozent). Bonjer et al. (4) sowie Dudley et al. (9) zeigten in vergleichbaren Studien signifikant niedrigere Komplikationsraten nach

dem endoskopischen Vorgehen (2,6 beziehungsweise 5,5 Prozent versus 7,1 beziehungsweise 52,1 Prozent) (Tabelle 3).

Hinsichtlich des Verfahrens (endo- skopisch trans- oder retroperitoneal) weisen beide Zugänge spezifische Vor- und Nachteile auf. Die transperito- neale endoskopische Operation er- folgt in einer präformierten Körper- höhle mit einer daraus resultierenden besseren Übersicht und einer einfa- cheren anatomischen Orientierung.

Nachteilig ist jedoch, dass zur Freile- gung der Nebennieren ausgedehntere präparatorische Schritte nötig sind, was mit Komplikationen verbunden sein kann. Der Vorteil des retroperito- neoskopischen Zugangs ist, dass die Bauchhöhle nicht eröffnet wird und die damit assoziierten Komplikatio- nen vermieden werden. Allerdings ist die anatomische Orientierung im Re- troperitoneum schwieriger als beim la- paroskopischen Vorgehen.

Praktisches Vorgehen

Beim Nachweis eines Inzidentaloms der Nebenniere hat der behandelnde Arzt folgende Fragen zu beantworten:

❃ Besteht eine klinische oder sub- klinische Hormonaktivität, und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Tumor eine Hormonaktivität ent- wickelt?

Wird ein Inzidentalom der Neben- niere nachgewiesen, erfolgt zum Aus- schluss beziehungsweise Nachweis ei- ner Hormonaktivität eine Basisdia- gnostik, welche eine Bestimmung der Katecholamine im 24-Stunden-Urin, einen Dexamethason-Test sowie eine Elektrolytbestimmung im Serum um- fasst (32). Bei Begleiterkrankungen wie Hypertonie, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen und diffu- ser Adipositas sollte die endokrinolo- gische Diagnostik erweitert werden, um einen subklinischen Hyperkortiso- lismus nicht zu übersehen (30). Zu der Frage einer sich im Langzeitverlauf entwickelnden Hormonaktivität lie- gen keine systematischen Verlaufsbe- obachtungen vor. Barry et al. (1) fan- den bei 224 Patienten mit einem Inzi- dentalom von einer durchschnittli-

´ Tabelle 31C´

Vergleich der endoskopischen (E) und offenen, konventionellen (O) Adrenalektomie

Autor Fallzahl OP-Dauer Komplikationen Liegedauer

(MInuten) (Prozent) (Tage)

O E O E O E O E

Dudley (9) 23 36 85*1 158*1 52 5,5 8,5*1 3,5*1

Thompson (39) 50 50 60*1 90*1 26 7 7*1 4*1

Bonjer (4) 30 42 90*2 138*2 29 6 7*2 3,5*2

*1Mittelwert; *2Median

Grafik 4

Größenverteilung der Inzidentalome der eigenen Patienten

(5)

chen Tumorgröße von 2 cm (1 bis 6) und einer durchschnittlichen Nach- beobachtungszeit von sieben Jahren klinisch in keinem Fall einen Hinweis auf eine sich entwickelnde Hormon- aktivität.

❃ Ist der Tumor maligne oder ist ei- ne maligne Entartung zu erwarten?

Neben radiologischen Kriterien wie einer computertomographisch nach- weisbaren Inhomogenität und unre- gelmäßigen Begrenzung des Tumors, ist in den meisten Studien die Größe des Inzidentaloms das wichtigste Kri- terium bezüglich des Risikos

einer möglichen Malignität.

Nebennierenkarzinome wei- sen zum Diagnosezeitpunkt in über 90 Prozent der Fälle eine Größe von mehr als 5 cm auf, wogegen von 10 000 Raumforderungen der Ne- benniere mit einem Durch- messer von weniger als 6 cm weniger als eine Läsion ei- nem Nebennierenkarzinom entspricht (29). Hat der Pati- ent eine Tumorerkrankung in der Vorgeschichte, sind Meta- stasen die häufigste Ursache einer zufällig diagnostizierten Raumforderung der Neben- niere. Zu den Tumoren, die

bevorzugt in die Nebennieren metastasieren, gehören das Melanom, das Nierenzellkarzinom, das Lungen-, das Mamma- und das Magenkarzinom (2, 8).

Systematische Langzeitbeobachtun- gen zur Wachstumstendenz benigner Nebennierenadenome liegen nicht vor. Für eine geringe Wachstumsrate dieser Tumoren spricht jedoch, dass kleine Adenome häufig und Adenome mit einer Größe von mehr als 5 cm sel- ten beobachtet werden (19). Zudem lässt sich auch bei längerfristigen Ver- laufskontrollen nur selten ein Größen- wachstum nachweisen (1, 19).

❃ Welche Tumoren müssen ope- riert werden beziehungsweise bei wel- chen Tumoren ist eine Verlaufsbeob- achtung ausreichend?

Konsens besteht darüber, dass bei hormonaktiven Inzidentalomen und bei inaktiven Inzidentalomen mit ei- ner Größe von mehr als 5 cm sowie ei- ner im Verlauf auftretenden Größen-

zunahme aufgrund des erhöhten Mali- gnomrisikos die Indikation zur Opera- tion besteht. Eine Ausnahme stellen hier radiologisch eindeutig diagnosti- zierte Nebennierenzysten und Angio- lipome dar, bei denen sich die Opera- tionsindikation erst bei auftretender Symptomatik ergibt. Bei hormoninak- tiven Inzidentalomen mit einer Größe von weniger als 3 cm sollte eine Ver- laufsbeobachtung erfolgen (35). Kon- trovers wird jedoch die Frage disku- tiert, inwieweit hormoninaktive Tu- moren mit einer Größe zwischen 3 und

5 cm operativ entfernt beziehungswei- se im Verlauf kontrolliert werden soll- ten. Während einerseits das seltene Auftreten eines Nebennierenkarzi- noms und die Mortalität der konven- tionellen Operation (ein Prozent) als Argument für eine Verlaufsbeobach- tung verwendet werden (32), wird an- dererseits von verschiedenen Autoren die Operationsindikation auch bei Tumoren im Größenordnungsbereich zwischen 3 und 5 cm befürwortet (16, 34, 35). Argumente für die Operation sind, dass in spezialisierten Zentren der Eingriff ohne Mortalität und mit geringer Morbidität durchgeführt werden kann, Nebennierenkarzinome in einem prognostisch günstigen Stadi- um operiert werden und – gerade dem jüngeren Patienten – längerfristige Verlaufskontrollen erspart bleiben.

Schließt man sich dieser Argumentati- on an, erleichtert die neue Technik der endoskopischen Adrenalektomie die Entscheidung zur Operation, da durch

diese Technik die Morbidität und Traumatisierung des Patienten weiter reduziert werden konnten.

❃ Was ist das günstigste Operati- onsverfahren?

Hormonaktive Inzidentalome ohne Malignomverdacht können durch die endoskopische Operation schonender und komplikationsärmer entfernt werden als bisher mit der konventio- nellen Operation möglich. Einge- schränkt wird diese Aussage durch die Tatsache, dass die endoskopischen Operationen in nahezu allen größeren Patientenserien von einem hochspe- zialisierten Operateur durchgeführt wurden und somit Daten zur Morta- lität und Morbidität bei breiterer An- wendung nicht vorliegen. Hinzu kommt das Fehlen prospektiv rando- misierter Untersuchungen zu dem Vergleich endoskopische versus kon- ventionelle Operation. Hormon- inaktive und -aktive Inzidentalome mit einer Größe von mehr als 6 cm sollten wegen des erhöhten Malig- nomrisikos konventionell entfernt werden. Der Eingriff erfolgt dann, aufgrund der besseren Übersicht und der Möglichkeit, eine paraaortale und parakavale Lymphknotendissek- tion durchführen zu können, trans- abdominal. Sollte man sich bei hor- moninaktiven kleinen Inzidentalomen im Größenordnungsbereich zwischen 3 und 5 cm zur Operation entschlie- ßen, bietet sich aus den dargelegten Gründen die endoskopische Opera- tion als Verfahren der Wahl an.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2001; 98: A 1183–1189 [Heft 18]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Achim Heintz Klinik und Poliklinik

für Allgemein- und Abdominalchirurgie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Langenbeckstraße 1

55131 Mainz Abbildung: 38-jährige Patientin, die unter der Diagnose ei-

nes hormoninaktiven Inzidentaloms operiert wurde. Die po- stoperative Diagnose ergab ein vier Zentimeter großes Ne- bennierenkarzinom.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE