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Die Fortbestehensprognose im Rahmen des modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriffs

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Academic year: 2022

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www.fernuni-hagen.de

FernUniversität in Hagen

Die Fortbestehensprognose im Rahmen des modifizierten zwei­

stufigen Überschuldungsbegriffs

Thomas Rieger

Thomas RiegerDie Fortbestehensprognose im Rahmen des modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriffs

RECHTSWISSENSCHAFT

Die Fortbestehensprognose im Rahmen des modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriffs

ISBN: 978­3­96163­132­2

http://unipress.readbox.net 17,10 €

(2)

Thomas Rieger

Die Fortbestehensprognose im Rahmen des

modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriffs

(3)
(4)

Die Fortbestehensprognose im Rahmen des modifizierten

zweistufigen Überschuldungsbegriffs

Inauguraldissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Rechte der Rechtswissenschaftlichen Fakultät

der FernUniversität in Hagen

Thomas Rieger von

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der FernUniversität in Hagen im Wintersemester 2017/2018 als Dissertation angenommen.

Erstgutachter: Prof. Dr. Ulrich Wackerbarth Zweitgutachter: Prof. Dr. Osman Isfen Disputation: 23. Januar 2018

1. Auflage 2018

ISBN 978-3-96163-132-2 readbox unipress

in der readbox publishing GmbH Münsterscher Verlag für Wissenschaft Am Hawerkamp 31

48155 Münster

http://unipress.readbox.net

(6)

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2017/2018 von der FernUniver- sität in Hagen als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden bis Februar 2017 berücksichtigt.

Mein herzlicher Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr.

Ulrich Wackerbarth, für die Betreuung der Arbeit. Herrn Prof. Dr. Osman Isfen danke ich für die schnelle Anfertigung des Zweitgutachtens und Frau Prof. Dr. Barbara Völz- mann-Stickelbrock für die Komplettierung des Prüfungsausschusses.

Mein herzlicher Dank gilt auch meiner Familie, die mich nicht nur stets motiviert und unterstützt hat, sondern bedingt durch die vorliegende Arbeit oftmals auch am Wochenende oder in den Ferien auf mich verzichten musste. Ohne sie wäre diese Ar- beit nicht zustande gekommen, weshalb ich diese Arbeit meiner Familie widme.

(7)
(8)

Inhaltsverzeichnis

Vorwort... 5

Inhaltsverzeichnis ... 7

Abkürzungsverzeichnis ... 13

A. Einleitung ... 19

I. Krisenbedingte Anpassung des Überschuldungsbegriffs im Jahre 2008 ...19

II. Unklarheiten im Rahmen der Fortbestehensprognose ...21

III. Ziel der vorliegenden Arbeit und Gang der Untersuchung ...22

B. Grundlagen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und des Überschuldungstatbestands ...25

I. Eröffnungsgründe des Insolvenzverfahrens ...25

II. Grundlagen des Überschuldungstatbestands ...26

1. Persönlicher Anwendungsbereich ...26

2. Insolvenzantragspflichten und Folgen einer Pflichtverletzung ...27

a) Sinn und Zweck der Insolvenzantragspflichten ...27

b) Antragspflichtige Personen ...29

c) Insolvenzantragsfrist ...29

aa) Fristbeginn ...29

(1) Meinungsstand ...29

(2) Stellungnahme ...30

bb) Fristende ...31

d) Folgen einer Verletzung der Insolvenzantragspflichten ...32

aa) Haftung ...32

bb) Strafbarkeit ...32

3. Bestandteile der Überschuldungsprüfung ...33

a) Überschuldungsstatus ...33

b) Fortbestehensprognose ...33

aa) Vorbemerkung ...33

bb) Begriff des Unternehmens ...33

cc) Fortführungswille ...35

dd) Prognosezeitraum ...35

ee) Prognosegegenstand ...37

ff) Prognosewahrscheinlichkeit ...37

(1) Allgemeine Anforderungen ...37 (2) Besondere Anforderungen bei beabsichtigten

(9)

8

(a) Innerbetriebliche Sanierungsmaßnahmen ... 38

(b) Sanierungsmaßnahmen unter Beteiligung Dritter ... 39

c) Prüfungsreihenfolge ... 43

4. Mangelnde Praxisrelevanz des Überschuldungstatbestands ... 44

a) Mangelnde Praxisrelevanz als Eröffnungsgrund... 44

b) Mangelnde Praxisrelevanz im Bereich der Haftung und Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung ... 47

C. Historische Entwicklung des Überschuldungstatbestands ... 51

I. Überschuldungsbegriffe der Konkursordnung ... 51

1. Einstufige Überschuldungsbegriffe ... 51

a) Überschuldungsbegriff bei Inkrafttreten der Konkursordnung im Jahr 1877 ... 51

b) Weitere Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert ... 54

aa) Abkehr von der Überschuldungsprüfung nach der Handelsbilanz ... 54

bb) Auffassungen zur Bewertung ... 56

2. Einfacher zweistufiger Überschuldungsbegriff ... 59

3. Modifizierter zweistufiger Überschuldungsbegriff ... 60

a) Kritik am einfachen zweistufigen Überschuldungsbegriff durch Egner/Wolff ... 60

b) Teleologische Reduktion des Überschuldungstatbestands durch K. Schmidt ... 61

II. Überschuldungsbegriffe der Insolvenzordnung ... 63

1. Überschuldungsbegriff bei Inkrafttreten der Insolvenzordnung im Jahr 1999 ... 63

a) Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht aus dem Jahr 1985 ... 63

b) Gesetzesentwurf der Bundesregierung aus dem Jahr 1992 ... 64

c) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses aus dem Jahr 1994 ... 65

d) Gesetzeswortlaut bei Inkrafttreten des § 19 Abs. 2 InsO a.F. im Jahr 1999 ... 66

2. Überschuldungsbegriff des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes von 2008 ... 67

D. Gegenstand der Fortbestehensprognose ... 75

I. Vorbemerkung ... 75

II. Berücksichtigungsfähige Rechtsprechung und Literatur ... 75

(10)

III. Rechtsprechung des BGH ...79

1. Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1982 ...79

2. Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1987 ...79

3. Dornier-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1992...80

4. Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1997 ...82

5. Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2004 ...83

6. Zusammenfassung ...84

IV. Sonstige Rechtsprechung und Literatur ...85

1. Vorbemerkung ...85

2. Finanzkraft bzw. finanzielles Gleichgewicht ...85

3. Alleinige Maßgeblichkeit der künftigen Zahlungsfähigkeit ...86

a) Begründung ...86

b) Berücksichtigung der Mittelherkunft ...86

aa) Differenzierung nach Innen- und Außenfinanzierung ...86

bb) Berücksichtigung einer eventuellen Außenfinanzierung ...89

(1) Begründung ...89

(2) Kritik in der Literatur ...91

cc) Keine Berücksichtigung einer eventuellen Außenfinanzierung ...92

(1) Begründung ...92

(2) Kritik in der Literatur ...93

4. Zusätzliche Prognoseelemente neben der künftigen Zahlungsfähigkeit ...93

a) Positive Cashflows (bzw. Einzahlungsüberschüsse) ...93

b) Einnahmenüberschüsse ...97

c) Ertragskraft bzw. -fähigkeit ... 102

aa) Begründung ... 102

bb) Kritik in der Literatur ... 108

d) Erlöse in ausreichendem Umfang ... 109

e) Rentabilität ... 112

aa) Begründung ... 112

bb) Kritik in der Literatur ... 113

f) Beseitigung der rechnerischen Überschuldung ... 113

aa) Begründung ... 113

bb) Kritik in der Literatur ... 114 g) Umfassendere Berücksichtigung der wirtschaftlichen

(11)

10

aa) Begründung ... 114

bb) Kritik in der Literatur ... 117

cc) Stellungnahme ... 117

h) Alleinige Maßgeblichkeit der künftigen Ertragsfähigkeit ... 118

aa) Begründung ... 118

bb) Kritik in der Literatur ... 120

V. Stellungnahme ... 120

1. Zwingende Prognose der künftigen Zahlungsfähigkeit ... 120

2. Erweiterung des Prognosegegenstands ... 122

a) Notwendigkeit der Erweiterung des Prognosegegenstands ... 122

aa) Problemaufriss ... 122

bb) Ansatz der h.M... 124

cc) Zwischenergebnis ... 128

b) Erweiterung des Prognosegegenstands anhand erfolgsorientierter Größen ... 128

aa) Einnahmenüberschüsse ... 128

bb) Ertragskraft bzw. -fähigkeit ... 130

cc) Erlöse in ausreichendem Umfang ... 131

dd) Rentabilität ... 132

ee) Beseitigung der rechnerischen Überschuldung ... 133

ff) Zwischenergebnis ... 135

c) Erweiterung des Prognosegegenstands anhand liquiditätsorientierter Größen ... 135

aa) Differenzierung nach Innen- und Außenfinanzierung .. 135

bb) Positive Cashflows (bzw. Einzahlungsüberschüsse) ... 136

3. Ergebnis ... 140

E. Anlass zur Erstellung einer Fortbestehensprognose ... 143

I. Vorbemerkung ... 143

II. Abstrakter Anlass zur Erstellung einer Fortbestehensprognose ... 143

III. Konkrete Anlässe zur Erstellung einer Fortbestehensprognose ... 144

1. Vorbemerkung ... 144

2. Erstellung des Jahresabschlusses... 145

3. Bereits getroffener Liquidationsbeschluss ... 147

4. Deutlicher Rückgang betriebswirtschaftlicher Erfolgsgrößen ... 148

5. Einzelne negative Geschäftsvorfälle von einigem Umfang ... 148

6. Verbindlichkeiten von einigem Umfang ... 149

7. Kreditunwürdigkeit... 152

8. Sanierungsbedürftigkeit ... 153

9. Drohende Zahlungsunfähigkeit ... 153

10. Hälftiger Verlust des Stamm- bzw. Grundkapitals ... 154

(12)

11. Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ... 156

12. Liquiditätsprobleme... 157

13. Stellungnahme ... 157

IV. Kontrolle einer früheren Fortbestehensprognose ... 158

V. Aktualisierung einer früheren Fortbestehensprognose ... 160

VI. Erfahrungen aus der Praxis ... 160

VII. Zusammenfassung ... 161

F. Vorschläge für flankierende gesetzliche Regelungen ... 163

I. Vorbemerkung... 163

II. Pflicht zur Durchführung und Dokumentation einer Überschuldungsprüfung ... 164

1. Verpflichtende Durchführung einer Überschuldungsprüfung ... 164

a) Rahmenbedingungen einer verpflichtenden Überschuldungsprüfung ... 164

b) Festlegung der Zeitpunkte für eine verpflichtende Überschuldungsprüfung ... 166

c) Zwischenergebnis ... 167

2. Dokumentationspflicht ... 167

III. Haftung ... 168

IV. Strafbarkeit ... 169

V. Verortung und Wortlaut entsprechender gesetzlicher Regelungen ... 170

VI. Zusammenfassung ... 171

G. Zusammenfassung und Ergebnis ... 173

I. Juristisch-betriebswirtschaftliche Analyse als methodischer Ansatz ... 173

II. Gegenstand der Fortbestehensprognose ... 173

III. Anlass zur Erstellung einer Fortbestehensprognose ... 174

IV. Vorschläge für flankierende gesetzliche Regelungen ... 175

Anhang: Mindestgliederung der Kapitalflussrechnung nach DRS 21 ... 177

A. Rechtliche Wirkung von Empfehlungen des DRSC ... 177

B. DRS 21 ... 177

C. Direkte Ermittlung des Cashflows ... 177

D. Indirekte Ermittlung des Cashflows ... 180

Literaturverzeichnis ... 183

Abbildungsverzeichnis ... 203

(13)
(14)

Abkürzungsverzeichnis a.A. andere Ansicht

Abs. Absatz

AG Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) AktG Aktiengesetz

Anm. Anmerkung

Art. Artikel Artt. Artikel

Az. Aktenzeichen

BB BetriebsBerater (Zeitschrift) BeckOK Beck’scher Online-Kommentar BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof

BilMoG Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz

BKR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (Zeitschrift) bzw. beziehungsweise

d.h. das heißt

DB Der Betrieb (Zeitschrift)

DJZ Deutsche Juristenzeitung (Zeitschrift)

Dr. Doktor

DrittelbG Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat DRS Deutscher Rechnungslegungsstandard

(15)

14

DRSC Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V.

DStR Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)

DZWIR Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht (Zeitschrift) EGGmbHG Einführungsgesetz zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit be-

schränkter Haftung

ESUG Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen

f. folgende

ff. fortfolgende

FMStÄndG Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen

FMStG Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes

Fn. Fußnote

FN-IDW IDW Fachnachrichten

FS Festschrift

gem. gemäß

GenG Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften GesE Gesetzentwurf

ggf. gegebenenfalls

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbHR Die GmbH-Rundschau (Zeitschrift)

GuV-Rech- nung

Gewinn- und Verlustrechnung

GWR Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

(16)

h.c. honoris causa h.L. herrschende Lehre h.M. herrschende Meinung HGB Handelsgesetzbuch hrsg. herausgegeben Hrsg. Herausgeber i.d.R. in der Regel i.S. im Sinne i.S.d. im Sinne des i.S.v. im Sinne von i.V.m. in Verbindung mit

IDW Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

IFRS International Financial Reporting Standards InsO Insolvenzordnung

InsVV Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung

InsVZ Zeitschrift für Insolvenzverwaltung und Sanierungsberatung (Zeit- schrift)

JZ Juristenzeitung (Zeitschrift) Kap. Kapitel

KO Konkursordnung

KSI Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung (Zeitschrift)

KTS Zeitschrift für Insolvenzrecht: Konkurs Treuhand Sanierung (Zeit- schrift)

(17)

16

m.w.N. mit weiteren Nachweisen MAH Münchener Anwaltshandbuch

MitbestG Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer

MoMiG Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen

n.F. neue Fassung

NJW Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

Nr. Nummer

NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zeitschrift) NWB NWB Steuer- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) NZI Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung o.Ä. oder Ähnlichem/s

o.g. oben genannte(n/r/s) OLG Oberlandesgericht

RegE Gesetzentwurf der Bundesregierung

Rz. Randziffer

S. Seite(n)

sog. sogenannte(n/r/s) u.a. unter anderem usw. und so weiter

v. vom

vgl. vergleiche

(18)

wistra Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht (Zeitschrift) WM Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift)

WPg Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) z.B. zum Beispiel

ZfBf Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (Zeitschrift) ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) Ziff. Ziffer

ZInsO Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht (Zeitschrift) ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

(19)
(20)

A. Einleitung

I. Krisenbedingte Anpassung des Überschuldungsbegriffs im Jahre 2008 Was im Sommer 2007 als Folge eines spekulativ aufgeblähten Immobilienmarktes zunächst als lokale US-Immobilienkrise (sog. Subprime-Krise1)) begann, weitete sich im Jahr 2008 zu einer weltweiten Finanzkrise aus. Der Zusammenbruch der US-Großbank Lehman Brothers und deren Insolvenzantrag am 15. September 2008 stellten den vorläu- figen Höhepunkt der Finanzkrise dar. Deutschland konnte sich diesen internationalen Entwicklungen nicht entziehen, auch der deutsche Finanzmarkt stand daher unter Druck,2) was zu erheblichen Wertverlusten insbesondere bei Aktien und Immobilien führte.3) Diese Wertverluste konnten bei Unternehmen, die hiervon besonders massiv betroffen waren, selbst bei Zugrundelegung von Fortführungswerten4) zu einer rech- nerischen Überschuldung5) führen.6) Nach dem seit Inkrafttreten der Insolvenzord- nung7) geltenden sog. einfachen zweistufigen Überschuldungsbegriff wären die Organe der betroffenen Unternehmen aufgrund der rechnerischen Überschuldung verpflichtet gewesen, innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der rechnerischen Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen.8)

Um das nach Ansicht des Gesetzgebers ökonomisch völlig unbefriedigende Ergeb- nis zu vermeiden, dass auch Unternehmen, bei denen die überwiegende Wahrschein- lichkeit besteht, dass sie weiter erfolgreich am Markt operieren können, zwingend ein Insolvenzverfahren zu durchlaufen haben,9) kehrte der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur

___________

1) Vgl. hierzu die Ausführungen von Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch,

§ 125 Rz. 66 ff.

2) GesE FMStG vom 14. Oktober 2008, BT-Drucks. 16/10600, S. 1.

3) GesE FMStG vom 14. Oktober 2008, BT-Drucks. 16/10600, S. 12.

4) Fortführungswerte sind – in Abgrenzung zu Liquidations- oder Zerschlagungswerten – diejenigen Werte, die den Vermögensgegenständen eines Unternehmens bei dessen Weiterführung beigemes- sen werden. Wie eine Bewertung zu Fortführungswerten zu erfolgen hat ist in höchstem Maße um- stritten, vgl. hierzu umfassend Pfaff, S. 23, 46 ff.

5) Von einer rechnerischen Überschuldung ist auszugehen, wenn die Passiva ohne Berücksichtigung des Eigenkapitals die Aktiva übersteigen.

6) GesE FMStG vom 14. Oktober 2008, BT-Drucks. 16/10600, S. 12.

7) BGBl. I 1994, S. 2866 ff.

8) GesE FMStG vom 14. Oktober 2008, BT-Drucks. 16/10600, S. 12 f.

9) GesE FMStG vom 14. Oktober 2008, BT-Drucks. 16/10600, S. 13.

(21)

20

Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes vom 17. Oktober 200810), kurz FMStG, – zunächst befristet bis zum 31. Dezember 2010 – zu dem bereits vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung sowohl in der Rechtsprechung als auch der Literatur anerkannten sog. modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriff zurück.

Nach diesem liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die beste- henden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unter- nehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO). Die sog. Fortbestehensprognose, die unter Geltung des einfachen zweistufigen Überschuldungsbegriffs lediglich über den Wertansatz des Vermögens und der Schul- den des betrachteten Unternehmens entschied, führte nunmehr bei positivem Progno- seergebnis zu einer Verneinung der insolvenzrechtlichen Überschuldung insgesamt.

Nachdem sich die Finanzkrise im Laufe des Jahres 2009 zu einer globalen Wirt- schaftskrise entwickelt hatte und sich zudem nach Auffassung des Gesetzgebers die Änderung des Überschuldungsbegriffs nach entsprechenden Rückmeldungen aus der Praxis bewährt habe,11) wurde die befristete Geltung des modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriffs durch das Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 24. September 200912), kurz FMStÄndG, zunächst bis zum 31. Dezember 2013 verlängert (vgl. Art. 1 FMStÄndG i.V.m. Artt. 7 Abs. 2, 6 Abs. 3 FMStG). Eine in der Folgezeit im Auftrag der Bundesregierung durchgeführte Expertenbefragung kam zu dem Ergebnis, dass aus Praxiserwägungen eine Beibehaltung des modifizierten zwei- stufigen Überschuldungsbegriffs wünschenswert sei.13) Infolgedessen wurde durch das Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess vom 5. Dezember 201214) die Befristung aufgehoben. Der modifizierte zweistufige Überschuldungsbegriff gilt dementsprechend – jedenfalls nach dem derzeitigen Willen des Gesetzgebers – nun- mehr auf Dauer.

___________

10) BGBl. I 2008, S. 1982; zu den neben der Änderung des Überschuldungstatbestands durch das FMStG vorgenommenen Änderungen vgl. etwa Brück/Schalast/Schanz, BB 2008, 2526 ff.

11) GesE FMStÄndG vom 21. September 2009, BT-Drucks. 16/13927, S. 4.

12) BGBl. I 2009, S. 3151.

13) Vgl. Bitter/Hommerich/Reiß, ZIP 2012, 1201 ff.

14) BGBl. I 2012, S. 2418.

(22)

II. Unklarheiten im Rahmen der Fortbestehensprognose

Obwohl der Gesetzgeber durch die Entfristung des durch das FMStG wiederein- geführten modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriffs einen erbitterten Streit um die Frage nach dem „richtigen“ Überschuldungsbegriff fürs Erste entschieden hat, blieben und bleiben mangels entsprechender gesetzgeberischer Vorgaben im Hinblick auf dessen konkrete Auslegung etliche praxisrelevante Fragen offen. In der Sache be- treffen diese meist die Fortbestehensprognose, welche durch das FMStG in den Mit- telpunkt der Überschuldungsprüfung gerückt ist.15) Innerhalb der Fortbestehensprog- nose sind es insbesondere die Fragen nach dem Prognosegegenstand sowie dem Anlass zur Erstellung einer Fortbestehensprognose, die von erheblicher Bedeutung in der Pra- xis sind.

Die Nachlässigkeiten des Gesetzgebers hinsichtlich dieser beiden Fragen würden für sich genommen noch nicht so schwer wiegen, hätte zumindest der BGH zu diesen eindeutig Stellung bezogen, was aber jedenfalls bisher nicht geschehen ist. Wer in dieser Situation auf eine Klärung durch die Literatur hofft, wird enttäuscht, nachdem dort ein teils erbitterter Streit zu den beiden aufgeworfenen Fragen geführt wird.

Unmittelbare Folge dieser Unklarheiten ist u.a., dass die Überschuldung im Ver- gleich zur Zahlungsunfähigkeit als dem zweiten obligatorischen Insolvenzeröffnungs- grund deutlich schwerer handhabbar ist und aus diesem Grund in der Praxis nur eine untergeordnete Rolle spielt, weil die Überschuldung in der Krise des Unternehmens vielfach schlicht gar nicht, in der weit überwiegenden Zahl der Fälle jedenfalls aber zu spät erkannt wird. Nachdem der Zustand der Überschuldung aber nach allgemeiner Erfahrung früher eintritt als derjenige der Zahlungsunfähigkeit,16) wäre es insbesondere aus Sicht der ungesicherten Gläubiger wünschenswert, dass die Überschuldung eines Unternehmens tatsächlich bzw. früher überprüft wird.

___________

15) Sikora, NWB 2009, 232 (233); ähnlich Hecker/Glozbach, BB 2009, 1544 (1545); Steffan, in: IDW, WP Handbuch 2014, Band II, Abschnitt S Rz. 210.

16) Vgl. Bußhardt, in: Braun, Kommentar zur InsO, § 19 Rz. 1; Drukarczyk, WM 1994, 1737 (1737); Haas, in: Baumbach/Hueck, Kommentar zum GmbHG, Vor § 64 Rz. 25; Hüffer, Kommentar zum AktG,

§ 92 Rz. 13; Kallmeyer, GmbHR 1999, 16 (16); Kuleisa, in: Sanierungsrecht, § 19 Rz. 2; H.-F. Müller, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, Band 3, § 64 Rz. 22; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Uhlen- bruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rz. 5.81; ders., in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 188 (200); Theiselmann/Redeker, in: Theiselmann, Praxishandbuch des

(23)

22

Eine wesentliche Ursache für die nach wie vor bestehenden Unklarheiten könnte darin liegen, dass es sich bei der Fortbestehensprognose um einen Rechtsbegriff han- delt, der allein mit juristischen Auslegungsmethoden nicht greifbar gemacht werden kann. Erforderlich hierfür wäre vielmehr ein juristisch-betriebswirtschaftlicher Ansatz, für den es vielen Juristen aber an entsprechenden betriebswirtschaftlichen Kenntnissen zu mangeln scheint. Vielfach werden nämlich Begriffe aus dem betriebswirtschaftli- chen Bereich wie z.B. Einnahmenüberschüsse, Ertragskraft oder Erlöse eher umgangs- sprachlich verwendet und somit verkannt, dass die Betriebswirtschaftslehre schon früh jedem dieser Begriffe in ihrer Fachsprache eine klare Definition zugeordnet hat, die bei korrekter Verwendung im Bereich des Rechts eine Vielzahl von Missverständnissen ausschließen würde. Die Betriebswirte haben im Gegensatz zu den Juristen kein gestei- gertes Interesse, den Begriff der Fortbestehensprognose näher zu beleuchten, nachdem diesem neben seiner rechtlichen keine eigenständige betriebswirtschaftliche Bedeutung zukommt. Seine Funktion reduziert sich vielmehr einzig und allein auf seine Rolle im Rahmen des insolvenzrechtlichen Überschuldungstatbestands.17)

III. Ziel der vorliegenden Arbeit und Gang der Untersuchung

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird daher versucht, mittels einer juristisch- betriebswirtschaftlichen Analyse der Gesetzesmaterialien sowie der bisherigen Recht- sprechung und Literatur Klarheit dahingehend zu schaffen, was Gegenstand der Fort- bestehensprognose ist und was Anlass zur Erstellung einer Fortbestehensprognose sein muss. Ergänzend wird erörtert, ob und wie durch flankierende gesetzliche Rege- lungen erreicht werden kann, dass die Überschuldung in der Praxis tatsächlich öfter und früher überprüft und erkannt wird. Das Ziel der vorliegenden Arbeit liegt demnach nicht darin, ein „Allheilmittel“ zur Lösung aller Probleme des Überschuldungstatbe- stands zu finden, sondern es geht vielmehr darum, eine Vorverlagerung der Überschul- dungsprüfung in der Praxis zu erreichen. Eine solche Vorverlagerung hätte zweierlei positive Effekte:

___________

17) Die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose darf insoweit nicht mit der handelsrechtlichen Fort- führungsprognose verwechselt werden, vgl. insoweit IDW, Zusammenwirken von handelsrechtlicher Fort- führungsprognose und insolvenzrechtlicher Fortbestehensprognose.

(24)

- Zum einen können aufgrund der zeitlich früheren Befassung mit der poten- tiellen Überschuldungssituation bei einzelnen Unternehmen noch außerinsol- venzliche Sanierungsoptionen bestehen, die bei einer zeitlich späteren Befas- sung möglicherweise nicht mehr gegeben wären. Die betreffenden Unterneh- men könnten demnach vor der Insolvenz bewahrt werden, die Überschul- dungsprüfung hätte mithin insolvenzprophylaktische Wirkung.

- Sofern trotz der zeitlich früheren Befassung im Einzelfall keine außerinsol- venzlichen Sanierungsoptionen mehr bestehen und für das betroffene Unter- nehmen unmittelbar nach Durchführung der Überschuldungsprüfung Insol- venzantrag gestellt werden muss, wäre zum anderen durch die zeitlich frühere Befassung jedenfalls dem gesetzgeberischen Ziel einer rechtzeitigen Eröff- nung des Insolvenzverfahrens genüge getan. Dies wiederum würde zu im Durchschnitt höheren Befriedigungsaussichten für die ungesicherten Gläubi- ger führen.

Vor diesem Hintergrund werden in Abschnitt B (S. 25 ff.) der vorliegenden Arbeit zunächst die Grundlagen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und des Überschul- dungstatbestands beschrieben.

In Abschnitt C (S. 51 ff.) folgt eine umfassende Darstellung der historischen Ent- wicklung des Überschuldungstatbestands und damit der verschiedenen Überschul- dungsbegriffe seit Inkrafttreten der Konkursordnung vom 10. Februar 187718) (KO) bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess vom 5. Dezember 201219). Diese Darstellung zeigt zum einen eindrücklich, weshalb die Schaffung zweistufiger Überschuldungsbegriffe und damit der Fortbestehensprognose überhaupt notwendig geworden war, zum anderen offenbart sie aber auch, welche Probleme mit der Fortbestehensprognose einhergehen.

Abschnitt D (S. 75 ff.) befasst sich sodann mit dem Gegenstand der Fortbestehens- prognose und damit mit dem wesentlichen Aspekt des modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriffs.

___________

(25)

24

In Abschnitt E (S. 143 ff.) wird den Fragen nachgegangen, wann eine Fortbeste- hensprognose erstellt und ob – und wenn ja wann – diese kontrolliert und ggf. aktua- lisiert werden muss.

In Abschnitt F (S. 163 ff.) schließlich wird untersucht, ob dem Überschuldungstat- bestand abgesehen von der gesetzgeberischen Festlegung auf einen bestimmten Über- schuldungsbegriff und dessen möglichst eindeutiger Auslegung durch flankierende ge- setzliche Regelungen zu einer höheren Praxisrelevanz verholfen werden kann.

Zusammenfassung und Ergebnis in Abschnitt G (S. 173 ff.) schließen die Arbeit ab.

(26)

B. Grundlagen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und des Überschul- dungstatbestands

I. Eröffnungsgründe des Insolvenzverfahrens

Das wesentliche Interesse eines Gläubigers besteht in der vereinbarungsgemäßen Erfüllung seiner Forderung. Ist eine vollständige Erfüllung aufgrund mangelnder Leis- tungsfähigkeit des Schuldners nicht mehr möglich, reduziert sich das Interesse auf eine Erfüllung der Forderung in höchstmöglichem Umfang.

Im Falle der Insolvenz des Schuldners schafft insbesondere die rechtzeitige Eröff- nung des Insolvenzverfahrens Masse und damit Quoten.20) Aus Gläubigerschutzge- sichtspunkten ist es daher zwingend erforderlich, das schuldnerische Vermögen ab ei- nem gewissen Punkt dem gerichtlich geordneten Insolvenzverfahren zuzuführen.

Würde dies nicht geschehen, käme es zu einem Wettlauf der Gläubiger,21) bei dem die Ersten vollständige und die Letzten keinerlei Befriedigung erhielten.

Ob und wann ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermö- gen eines Schuldners gestellt werden kann – oder ggf. gestellt werden muss (vgl. § 15a InsO) –, hängt vornehmlich von der Erfüllung der Tatbestandsmerkmale eines der Eröffnungsgründe der Insolvenzordnung ab. Die Insolvenzordnung kennt neben den für bestimmte Schuldner obligatorischen Eröffnungsgründen der Zahlungsunfähigkeit (vgl. § 17 InsO) und der Überschuldung (vgl. § 19 InsO) den stets fakultativen Eröff- nungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit (vgl. § 18 InsO). Während die Zah- lungsunfähigkeit für jedes Insolvenzverfahren und für jeden Antrag den alleinigen all- gemeinen Eröffnungsgrund darstellt, sind die drohende Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung sowohl in sachlicher und persönlicher als auch in zeitlicher Hinsicht beschränkt.22)

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20) Pape, in: Uhlenbruck, Kommentar zur InsO, § 1 Rz. 8.

21) Dieser Wettlauf wird plastisch auch Windhundrennen genannt, vgl. Vuia, in: Gottwald, Insolvenz- rechts-Handbuch, § 4 Rz. 3.

22) Eilenberger, in: Münchener Kommentar zur InsO, Band 1, § 17 Rz. 4.

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II. Grundlagen des Überschuldungstatbestands 1. Persönlicher Anwendungsbereich

Der persönliche Anwendungsbereich des Eröffnungsgrundes der Überschuldung ist beschränkt auf juristische Personen (§ 19 Abs. 1 InsO)23) sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürli- che Person ist, es sei denn, zu den persönlich haftenden Gesellschaftern gehört eine andere Gesellschaft, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (§ 19 Abs. 3 InsO)24). Auf natürliche Personen und Gesellschaften, bei de- nen direkt oder indirekt zumindest eine natürliche Person persönlich haftender Gesell- schafter ist, findet der Überschuldungstatbestand als Eröffnungsgrund hingegen grundsätzlich keine Anwendung.25)

Daneben ist Überschuldung Eröffnungsgrund für Insolvenzverfahren über einen Nachlass (vgl. § 320 Satz 1 InsO) und das Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemein- schaft (vgl. § 332 Abs. 1 i.V.m. § 320 Satz 1 InsO).

Der Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs des Überschuldungstat- bestands als Eröffnungsgrund für das Insolvenzverfahren liegt die Überlegung zu- grunde, dass es sich bei den vom persönlichen Anwendungsbereich erfassten Schuld- nern um rechtlich verselbstständigte sowie lediglich beschränkt haftende Vermögens- massen handelt.26)

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23) Nach § 19 Abs. 1 InsO ist die Überschuldung damit u.a. Eröffnungsgrund für die Aktiengesellschaft (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 AktG), die Kommanditgesellschaft auf Aktien (vgl. § 278 Abs. 1 AktG), die GmbH (vgl. § 13 Abs. 1 GmbHG), die Unternehmergesellschaft, die eingetragene Genossenschaft (vgl. § 2 GenG), den rechtsfähigen Verein (vgl. §§ 21 f. BGB), den Versicherungsverein auf Gegen- seitigkeit (vgl. § 15 VAG), die rechtsfähige Stiftung (vgl. § 80 BGB) und die Europäische Gesell- schaft (Societas Europaea, kurz SE, vgl. EG VO 2157/2001, Titel I Art. 1). Der nicht rechtsfähige Verein wird durch § 11 Abs. 1 Satz 2 InsO für die Zwecke des Insolvenzverfahrens einer juristischen Person gleichgestellt.

24) Nach § 19 Abs. 3 InsO ist die Überschuldung damit u.a. Eröffnungsgrund für die Offene Handels- gesellschaft und die Kommanditgesellschaft, bei der weder direkt noch indirekt eine natürliche Per- son persönlich haftender Gesellschafter ist. Die Vorschrift des § 19 Abs. 3 InsO erfasst damit ins- besondere die aus gesellschafts- und steuerrechtlichen Gründen beliebte Konstruktion der GmbH

& Co. KG.

25) Bei einem Kreditinstitut ist die Überschuldung nach § 46b Abs. 1 KWG ausnahmsweise auch dann Eröffnungsgrund für das Insolvenzverfahren, wenn Inhaber des Kreditinstituts ein Einzelkaufmann oder eine Personenhandelsgesellschaft ist.

26) Drukarczyk/Schüler, in: Münchener Kommentar zur InsO, Band 1, § 19 Rz. 1.

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Die Beschränkung ist jedoch nicht ohne Kritik geblieben.27) Während einzelne Kri- tiker die Ausdehnung des Überschuldungstatbestands als Eröffnungsgrund für das In- solvenzverfahren auf alle unternehmerisch tätigen Schuldner fordern,28) schlagen an- dere vor, bei natürlichen Personen und Gesellschaften, bei denen direkt oder indirekt zumindest eine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter ist, die Haftung über das der Unternehmung gewidmete Vermögen hinaus aufzugeben.29)

2. Insolvenzantragspflichten und Folgen einer Pflichtverletzung a) Sinn und Zweck der Insolvenzantragspflichten

Wird eine vom persönlichen Anwendungsbereich des Eröffnungsgrundes der Überschuldung erfasste juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlich- keit zahlungsunfähig oder überschuldet, sind gem. § 15a InsO bestimmte Personen verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Eröffnungsantrag zu stellen.

Sinn und Zweck der Insolvenzantragspflichten sind die rechtzeitige Einleitung des Insolvenzverfahrens und damit der Schutz sowohl der Altgläubiger vor einer weiteren Verringerung der Haftungsmasse als auch der Neugläubiger vor einem Vertragsab- schluss mit notleidenden Gesellschaften.30) Dabei legen die Insolvenztatbestände als Terminierungsregeln den Zeitpunkt fest, in dem das Ungleichgewicht zwischen Haf- tung und Verfügungsrechten unerträglich wird, weil das unternehmerische Risiko auf die Gläubiger verlagert wurde.31)

Besonders plastisch wird die Notwendigkeit zur verpflichtenden Einleitung des In- solvenzverfahrens bei einem Blick hin zum Eröffnungsgrund der Überschuldung: Sind die vorhandenen Vermögenswerte geringer als die Schulden, gehört das Unternehmen

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27) Vgl. etwa Biermann, S. 74 ff.; Haack, S. 27; Kilger, ZRP 1976, 190 (193); K. Schmidt, JZ 1982, 165 (171 ff.); ders., Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S. 59 ff.; ders., in: Aktuelle Probleme des neuen Insolvenzrechts, S. 87; Schürer, S. 88 ff.

28) K. Schmidt, JZ 1982, 165 (173 f.); ders., Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S. 59 ff.; ders., in: Aktuelle Probleme des neuen Insolvenzrechts, S. 87.

29) In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff der „eigenständigen Unternehmung“ verwendet, vgl. Schürer, S. 90.

30) RegE MoMiG vom 25. Juli 2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 55.

31) Steffek, S. 68.

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28

wirtschaftlich betrachtet seinen Gläubigern, weil im Fall einer sofortigen Liquidation nicht alle Gläubiger befriedigt werden könnten.32) Der Überschuldungstatbestand mar- kiert damit die Grenzlinie zu dem für den Geschäftsleiter verbotenen „wrongful tra- ding“.33) Da ab diesem Zeitpunkt die Anteile an einem überschuldeten Unternehmen regelmäßig wertlos sind, versuchen die Anteilseigner häufig – und mit ihnen meist auch die Unternehmensleitung – durch hoch riskante Geschäfte Gewinne zu erwirtschaften, durch welche die Überschuldung abgebaut, die Unternehmensfortführung gesichert und eine Werterholung der Unternehmensanteile erreicht werden kann („gambling for resurrection“).34) Falls die riskanten Geschäfte jedoch misslingen, ist der Schaden für die Gläubiger größer, als wenn bereits bei Eintritt der Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt worden wäre.35) Die Weiterführung einer überschulde- ten Gesellschaft stellt damit bereits ab dem Eintritt der Überschuldung eine Spekula- tion auf Kosten der Gläubiger und nicht mehr auf Kosten der Gesellschafter dar,36) da weitere Verluste – und auch weitere Kredite – die prospektive Masse weiter verrin- gern.37)

Die mit dem Eröffnungsgrund der Überschuldung durch die Insolvenzantrags- pflichten des § 15a InsO verbundene obligatorische Vorverlagerung der Verfah- renseinleitung ist somit Korrelat zum beschränkten Haftungsfonds dieser Vermögens- massen.38) Bei diesen macht nicht erst die Unzulänglichkeit liquider Mittel das Insol- venzverfahren erforderlich, sondern vielmehr bereits die Unzulänglichkeit des Vermö- gens insgesamt. Aus diesem Grund muss ein Insolvenzverfahren bereits dann eingelei- tet werden, wenn die Rechte der an dem Unternehmen beteiligten Gläubiger gefährdet sind.39) Wenn man so will, ist die verpflichtende Einleitung des Insolvenzverfahrens bei Überschuldung demnach der Preis für die nur beschränkte Haftung der betroffenen Gesellschaften.

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32) Theiselmann/Redeker, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 13 Rz. 61.

33) K. Schmidt, DB 2008, 2467 (2467).

34) Hater, S. 23; ähnlich Wackerbarth, Bundesregierung verschärft Finanzkrise sowie Wackerbarth, NZI 2009, 145 (147), der in diesem Zusammenhang den Begriff „Casino-Aktion“ verwendet.

35) Hater, S. 23.

36) Steffek, S. 102.

37) Meyer-Cording, BB 1985, 1925 (1925).

38) H.-F. Müller, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, Band 3, § 64 Rz. 22; ähnlich auch Dru- karczyk/Schüler, in: Münchener Kommentar zur InsO, Band 1, § 19 Rz. 1; Wellensiek/Schluck-Amend, in: Römermann, MAH GmbH-Recht, § 23 Rz. 151.

39) Hater, S. 5 m.w.N.

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b) Antragspflichtige Personen

Handelt es sich um eine juristische Person, so treffen die Insolvenzantragspflichten nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwick- ler. Handelt es sich hingegen um eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit i.S.d.

§ 15a Abs. 1 Satz 2 InsO, treffen die Insolvenzantragspflichten die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Ab- wickler, wobei § 15a Abs. 1 InsO nach § 15a Abs. 2 InsO sinngemäß gilt, wenn diese organschaftlichen Vertreter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Ge- sellschaften in dieser Art fortsetzt.

Nach § 15a Abs. 3 InsO ist im Fall der Führungslosigkeit einer GmbH auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Ge- nossenschaft auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflich- tet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis. Führungslosigkeit liegt nach der Legalde- finition des § 10 Abs. 2 Satz 2 InsO vor, wenn eine juristische Person keinen organ- schaftlichen Vertreter hat.40) Wann dies der Fall ist, richtet sich nach den allgemeinen Regeln des Gesellschaftsrechts über Beginn und Ende der Organstellung.41)

c) Insolvenzantragsfrist aa) Fristbeginn

(1) Meinungsstand

Antragspflichtige Personen müssen den Eröffnungsantrag nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zah- lungsunfähigkeit oder Überschuldung (sog. Drei-Wochen-Frist) stellen.

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40) Vgl. auch die entsprechenden Legaldefinitionen in § 35 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GmbHG, § 78 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AktG, § 24 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GenG.

41) Ganter/Lohmann, in: Münchener Kommentar zur InsO, Band 1, § 10 Rz. 21.

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30

Wann die Drei-Wochen-Frist zu laufen beginnt ist streitig. Der BGH geht insoweit in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass für den subjektiven Tatbestand der ge- nannten Ansprüche die Erkennbarkeit der Insolvenzreife für die Geschäftsleitung ge- nüge, wobei diese bei objektivem Vorliegen eines Eröffnungsgrundes zu vermuten sei.42) Da die Geschäftsleitung zur laufenden Beobachtung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens verpflichtet sei, seien an die Möglichkeit der Erkennbarkeit einer Krise keine hohen Anforderungen zu stellen, diese sei prinzipiell vielmehr als gegeben anzusehen.43)

In der Literatur ergibt sich hinsichtlich des Fristbeginns ein unklares Bild. Während der überwiegende Teil der Literatur ebenfalls auf die Erkennbarkeit der Insolvenzreife abstellt,44) verlangt ein anderer Teil die diesbezügliche positive Kenntnis bzw. böswil- lige Unkenntnis.45) Eine weitere Meinung schließlich stellt bereits auf das objektive Vorliegen eines Eröffnungsgrundes ab.46)

(2) Stellungnahme

Den Zeitpunkt des objektiven Eintritts eines Eröffnungsgrundes bereits als Beginn der Insolvenzantragsfrist zu definieren, erscheint vor dem Hintergrund, dass die Drei- Wochen-Frist – auch unter Berücksichtigung des Gläubigerschutzes – eine Sanierung der Gesellschaft ermöglichen soll, verfehlt. Nähme man hingegen an, dass die Insol- venzantragsfrist erst mit positiver Kenntnis bzw. böswilliger Unkenntnis des Vorlie-

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42) BGH, Urteil v. 15. März 2011 – Az. II ZR 204/09, abgedruckt in NJW 2011, 2427 (2430) [zu § 64 GmbHG a.F.]; Urteil v. 18. Oktober 2010 – Az. II ZR 151/09, abgedruckt in WM 2010, 2313 (2314) [zu § 64 GmbHG a.F.]; Urteil v. 14. Mai 2007 – Az. II ZR 48/06, abgedruckt in NJW 2007, 2118 (2120) [zu § 92 AktG a.F.]; Urteil v. 29. November 1999 – Az. II ZR 273/98, abgedruckt in NZG 2000, 370 (370) [zu § 64 GmbHG a.F.].

43) BGH, Urteil v. 6. Juni 1994 – Az. II ZR 292/91, abgedruckt in NJW 1994, 2220 (2224) [zu § 64 GmbHG], vgl. auch BGH, Urteil v. 23. Februar 2004 – Az. II ZR 207/01, abgedruckt in NZG 2004, 619 (621) [zu §§ 30, 31, 32b GmbHG a.F.].

44) Bayer/Schmidt, AG 2005, 644 ff.; Bremen, in: Graf-Schlicker, Kommentar zur InsO, § 15a Rz. 6; Hirte, in: Uhlenbruck, Kommentar zur InsO, § 15a Rz. 14; Kleindiek, in: Heidelberger Kommentar zur InsO, § 15a Rz. 13; H.-F. Müller, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, Band 3, § 64 Rz. 67;

Poertzgen, ZInsO 2008, 944 (946 f.); Gundlach, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 7 Rz. 9.

45) Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Kommentar zum GmbHG, Vorbemerkung § 64 Rz. 67 ff.; wohl auch Nerlich, in: Michalski, Kommentar zum GmbHG, Band 2, § 64 Rz. 33; Möhlmann-Mahlau/Sch- mitt, NZI 2009, 19 (21).

46) Mönning, in: Nerlich/Römermann, Kommentar zur InsO, § 15a Rz. 16; wohl auch Bußhardt, in:

Braun, Kommentar zur InsO, § 15a Rz. 15 f.

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gens eines Eröffnungsgrundes zu laufen beginnt, ließe diese Auffassung unberücksich- tigt, dass ein zu später Beginn der Insolvenzantragsfrist unter Gläubigerschutzgesichts- punkten eine erhebliche Gefährdung darstellen kann. Denn je weiter die Krise des Un- ternehmens fortgeschritten ist, desto eher versuchen Geschäftsleitung und Anteilseig- ner die Krise durch Vornahme riskanter Geschäfte zu bewältigen. Je länger der objek- tive Eintritt eines Insolvenzgrundes also zurückliegt, desto schneller vermindert sich tendenziell die zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehende Haftungs- masse. Am sachgerechtesten erscheint es demnach, im Hinblick auf den Beginn der Drei-Wochen-Frist des § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO auf den Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Insolvenzreife des Unternehmens abzustellen.

bb) Fristende

Die Drei-Wochen-Frist darf entsprechend dem Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO nicht in jedem Fall, sondern nur bei begründeter Aussicht darauf ausgeschöpft werden, dass der Rechtsträger durch Sanierungsmaßnahmen gerettet werden kann.47) Kommen Sanierungsbemühungen von Vorneherein nicht in Betracht, ist der Antrag sofort zu stellen. Es handelt sich bei der Drei-Wochen-Frist des § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO mithin um eine Höchstfrist.48)

Kommen Sanierungsmaßnahmen in Betracht, müssen diese geeignet sein, den ein- getretenen Insolvenzgrund nicht nur vorübergehend, sondern nachhaltig zu beseiti- gen.49) Stundungen beenden daher den Lauf der Drei-Wochen-Frist insbesondere dann nicht, wenn keine vernünftige Aussicht darauf besteht, dass die gestundeten Forderun- gen nach Ablauf der Stundung erfüllt werden können.

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47) Vgl. BGH, Urteil v. 9. Juli 1979 – Az. II ZR 118/77 („Herstattbank“), abgedruckt in NJW 1979, 1823 (1826 f.); OLG Naumburg, Urteil v. 20. August 2003 – Az. 5 U 67/03, abgedruckt in GmbHR 2004, 361 (363); Bußhardt, in: Braun, Kommentar zur InsO, § 15a Rz. 16; Hirte, in: Uhlenbruck, Kommen- tar zur InsO, § 15a Rz. 16; Klöhn, in: Münchener Kommentar zur InsO, Band 1, § 15a Rz. 117, 120 ff.; Leithaus, in: Andres/Leithaus, Kommentar zur InsO, § 15a Rz. 6.

48) Klöhn, in: Münchener Kommentar zur InsO, Band 1, § 15a Rz. 20.

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32

d) Folgen einer Verletzung der Insolvenzantragspflichten aa) Haftung

Werden die Insolvenzantragspflichten nach § 15a Abs. 1 und 2 InsO von den Ver- pflichteten nicht beachtet, können erhebliche zivil- und strafrechtliche Konsequenzen die Folge sein.

So sind antragspflichtige Geschäftsführer zum einen der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden, es sei denn es handelt sich um Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Ge- schäftsmanns vereinbar sind (vgl. insbesondere § 64 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GmbHG,

§ 93 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 92 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AktG, § 34 Abs. 2 GenG i.V.m.

§ 99 GenG und §§ 130a, 177a HGB).

Zum anderen haftet jede antragspflichtige Person gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m.

§ 15a InsO den Altgläubigern ab dem Eintritt der Insolvenzreife in Höhe des sog.

Quotenschadens sowie den Neugläubigern in voller Höhe ihrer gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen.50)

Das Damoklesschwert der potentiellen Haftung wegen Insolvenzverschleppung sollte einen Geschäftsführer dennoch nicht dazu verleiten, den Insolvenzantrag zu früh zu stellen. Denn in einem solchen Fall ergibt sich für den Geschäftsführer ebenfalls die Gefahr einer Haftung, dieses Mal allerdings gegenüber der Gesellschaft und deren Gesellschaftern.51)

bb) Strafbarkeit

Neben die zivilrechtlichen Folgen einer Nichtbeachtung der Insolvenzantrags- pflichten des § 15a Abs. 1 bis 3 InsO treten nach § 15a Abs. 4 und 5 InsO erhebliche strafrechtliche Folgen.

So wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer ent- gegen § 15 Abs. 1 bis 3 InsO einen Eröffnungsantrag nicht, nicht richtig oder nicht

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50) Vgl. H.-F. Müller, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, Band 3, § 64 Rz. 206 ff.; Strohn, NZG 2011, 1161 ff.

51) Ausführlich hierzu Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 92 Rz. 154 ff.

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rechtzeitig stellt. Handelt der Täter in den Fällen des § 15 Abs. 4 InsO fahrlässig, ist die Strafe nach § 15a Abs. 5 InsO Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

3. Bestandteile der Überschuldungsprüfung a) Überschuldungsstatus

Überschuldung liegt nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fort- führung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.

Ob „das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt“ (vgl.

§ 19 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 InsO), wird durch die Aufstellung eines sog. Überschul- dungsstatus überprüft.52) Im Überschuldungsstatus werden die Aktiva und Passiva des Unternehmens in einer Weise gegenübergestellt, die eine Beurteilung darüber ermögli- chen soll, ob eine Gesellschaft zu einem bestimmten Tag überschuldet ist.53) b) Fortbestehensprognose

aa) Vorbemerkung

Ob „die Fortführung des Unternehmens (…) nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich“

(vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 InsO) ist, wird durch die Erstellung der sog. Fort- bestehensprognose überprüft. Da das Gesetz nicht festlegt, wann von einer nach den Umständen überwiegend wahrscheinlichen Fortführung des Unternehmens ausgegan- gen werden kann, sind die formalen und materiellen Voraussetzungen einer positiven Fortbestehensprognose äußerst umstritten, vereinzelt wird die Fortbestehensprognose sogar insgesamt infrage gestellt.54)

bb) Begriff des Unternehmens

Die Einheit, für welche die Fortbestehensprognose zu erstellen ist, ist dem Wort- laut des § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO nach das Unternehmen. Nachdem es sich bei dem

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52) Der Überschuldungsstatus wird vereinzelt auch schlicht Status oder aber Überschuldungsbilanz ge- nannt, vgl. etwa Schäfer, S. 16; ausführlich zum Überschuldungsstatus Ampferl, in: Beck/Depré, Pra- xis der Insolvenz, § 2 Rz. 160 ff.; Förschle/Hoffmann, in: Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonder- bilanzen, Ziff. P.II.; Gundlach, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 6 Rz. 44 ff.; Schäfer, S. 136 ff.

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Begriff des Unternehmens um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, kann dieser sowohl betriebswirtschaftlich als auch (gesellschafts-)rechtlich zu verstehen sein. Aus den Regelungen zur Insolvenzfähigkeit (vgl. § 11 InsO) und zum persönlichen Anwen- dungsbereich des Eröffnungsgrundes der Überschuldung (vgl. § 19 Abs. 1 und 3 InsO) ergibt sich indes, dass weder gesellschaftsrechtlich unselbstständige Unternehmensteile einzeln55) noch konzernverbundene Unternehmen gemeinsam56) Objekt der Fortbeste- hensprognose sein können, sondern dass diese für den einzelnen Rechtsträger einheit- lich zu erstellen ist.57) Der Begriff des Unternehmens ist folglich (gesellschafts-)recht- lich zu beurteilen und wird nachfolgend in diesem Sinne verwendet.

Werden also beispielsweise von einer GmbH in einem Unternehmensteil Hautpfle- geprodukte und in einem anderen Lebensmittel hergestellt, ist Objekt der Fortbeste- hensprognose die gesamte GmbH. Erbringt eine weitere GmbH Logistikdienstleistun- gen für diese produzierende GmbH, ist für jede der beiden GmbHs die Fortbestehens- prognose separat zu erstellen. Dies gilt auch für den Fall, dass keine der beiden GmbHs ohne die jeweils andere wirtschaftlich lebensfähig wäre. In einem solchen Fall ist es jedoch nicht unwahrscheinlich, dass die Überschuldungsprüfung bei den beiden GmbHs zum selben Ergebnis führt.

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55) Haas, in: Baumbach/Hueck, Kommentar zum GmbHG, Vor § 64 Rz. 33; Hater, S. 91.

56) Ott/Vuia, in: Münchener Kommentar zur InsO, Band 1, § 11 Rz. 35 m.w.N.

57) A.A. unter umfassender Begründung Götker, Rz. 210 ff.

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cc) Fortführungswille

Subjektive Voraussetzung für eine positive Fortbestehensprognose ist nach einhel- liger Meinung der Fortführungswille des Schuldners58) und damit nicht nur seiner Or- gane,59) sondern auch – und vor allem – der über die Stilllegung zu befindenden Ge- sellschafter.60) Dies liegt darin begründet, dass es den Gesellschaftern möglich sein muss, eine Geschäftsleitung ohne Fortführungswillen auszutauschen und dadurch den Fortführungswillen wiederherzustellen, wenn der Fortbestand der Gesellschaft objek- tiv möglich ist.61) Haben die Gesellschafter die Liquidation der Gesellschaft beschlos- sen, so ist der Fortführungswille des Schuldners unabhängig davon zu verneinen, ob die Geschäftsleitung die Gesellschaft fortführen möchte oder nicht.

dd) Prognosezeitraum

Bei subjektiv gegebenem Fortführungswillen hängt die Fortbestehensprognose ausschließlich von der objektiven Überlebensfähigkeit des betrachteten Unternehmens ab. Welche Anforderungen an diese Prognose zu stellen sind, ist nicht nur anhand ju- ristischer, sondern überwiegend anhand betriebswirtschaftlicher Maßstäbe zu bestim- men.62)

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58) BGH, Urteil v. 18. Oktober 2010 – Az. II ZR 151/09, abgedruckt in DStR 2011, 130 (131); Be- schluss v. 9. Oktober 2006 – Az. II ZR 303/05, abgedruckt in DStR 2006, 2186; Kammergericht, Urteil v. 1. November 2005 – Az. 7 U 49/05, abgedruckt in ZInsO 2006, 437 (439); Dahl/Schmitz, NZG 2009, 567 (567); Haas, in: Baumbach/Hueck, Kommentar zum GmbHG, Vor § 64 Rz. 33;

Hater, S. 101 ff.; Leithaus, in: Andres/Leithaus, Kommentar zur InsO, § 19 Rz. 6; Mätzig, in: BeckOK GmbHG, § 64 Rz. 36; Römermann, GWR 2010, 609; Schröder, in: Hamburger Kommentar zum Insol- venzrecht, § 19 Rz. 14, 17; Wellensiek/Schluck-Amend, in: Römermann, MAH GmbH-Recht, § 23 Rz. 157.

59) Haas, in: Baumbach/Hueck, Kommentar zum GmbHG, Vor § 64 Rz. 33; Mätzig, in: BeckOK GmbHG, § 64 Rz. 36.

60) OLG Hamburg, Urteil v. 8. November 2013 – Az. 11 U 192/11, abgedruckt in ZInsO 2013, 2447 (2449); Ampferl, in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 2 Rz. 152; Hater, S. 102; Mönning, in: Ner- lich/Römermann, Kommentar zur InsO, § 19 Rz. 19; Schröder, in: Hamburger Kommentar zum In- solvenzrecht, § 19 Rz. 17; Theiselmann/Redeker, in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturie- rungsrechts, Kap 13 Rz. 70 f.

61) Hater, S. 102.

62) A.A. Götker, Rz. 196, der die Auffassung vertritt, dass die Frage, welche Anforderungen an die Prog- nose zu stellen sind, von juristischer Seite zu bestimmen sei, und betriebswirtschaftliche Methoden nur zur Prüfung herangezogen werden könnten, ob diese Anforderungen erfüllt seien.

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36

Im Rahmen der Überprüfung der objektiven Überlebensfähigkeit des Unterneh- mens ist zunächst der Prognosezeitraum von entscheidender Bedeutung für das Er- gebnis der Fortbestehensprognose. Weder dem Gesetz noch den Materialien zum Ge- setzgebungsverfahren der Insolvenzordnung lassen sich jedoch Anhaltspunkte zur Be- messung des Prognosezeitraums entnehmen. Die Materialien zum Gesetzgebungsver- fahren des FMStG enthalten hingegen den Hinweis, die Finanzkraft des Unternehmens müsse „mittelfristig“ zur Fortführung ausreichen.63) Den Materialien zum Gesetzge- bungsverfahren des FMStÄndG wiederum lässt sich entnehmen, dass es sich hierbei um einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren handeln soll.64)

In Rechtsprechung und Literatur finden sich zahlreiche – teils konkrete und teils weniger konkrete – Aussagen zu dem einer Fortbestehensprognose zugrunde zu legen- den Zeithorizont. Die h.L. geht indes davon aus, dass der für die Fortbestehensprog- nose relevante Zeitraum üblicherweise das laufende und das folgende Geschäftsjahr umfassen soll.65) Die Begrenzung des Prognosezeitraums wird hierbei im Wesentlichen dadurch gerechtfertigt, dass mit ihr eine Verringerung des Prognoserisikos einhergehe.

Bei dem vorgenannten Prognosezeitraum handele es sich allerdings nur um einen Richtwert, der Prognosezeitraum sei letztlich eine Frage des Einzelfalls.66)

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63) GesE FMStG vom 14. Oktober 2008, BT-Drucks. 16/10600, S. 15.

64) GesE FMStÄndG vom 21. September 2009, BT-Drucks. 16/13927, S. 4.

65) Aleth/Harlfinger, NZI 2011, 166 (169); Ampferl, in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 2 Rz. 158;

Bitter, in: Scholz, Kommentar zum GmbHG, Band 3, Vorbemerkung zu § 64 Rz. 36 f.; Bork, ZIP 2000, 1709 (1710); Dahl/Schmitz, NZG 2009, 567 (567); Drukarczyk/Schüler, in: Münchener Kom- mentar zur InsO, Band 1, § 19 Rz. 62; Gundlach, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 6 Rz. 41; Hermanns, in: Buth/Hermanns, RSI, § 25 Rz. 56; Hirte/Knof/Mock, ZInsO 2008, 1217 (1223);

Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar zur InsO, § 19 Rz. 10; Mönning, in: Nerlich/Römermann, Kommentar zur InsO, § 19 Rz. 19 f.; Otto, MDR 2008, 1369 (1370); Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, Kommentar zur InsO, Band I, § 19 Rz. 40; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, Kommentar zum GmbHG, 18. Auflage (Vorauflage), § 64 Rz. 13; Steffan/Solmecke, ZInsO 2015, 1365 (1373); a.A.

Beck, KSI 2009, 61 (63), der die Notwendigkeit eines ausgedehnteren Prognosezeitraums insbeson- dere an dem Beispiel endfälliger Darlehen festmacht; K. Schmidt, DB 2008, 2467 (2470), der für eine Ausweitung der Prognose „soweit sie irgend reichen kann“ plädiert, da man sich nicht zu der Annahme verleiten lassen dürfe, „ein Unternehmen sei dann schon nicht überschuldet, wenn es erst mittelfristig in die Insol- venz abgleiten wird. Die Aussicht, den Todeskampf mittelfristig noch zu verlängern, kann selbstverständlich nicht genügen“; Wimmer, NJW 1996, 2546 (2547), der ohne weitere Begründung von einem Prognosezeit- raum von zwei bis drei Jahren ausgeht.

66) Bork, ZIP 2000, 1709 (1710); Bußhardt, in: Braun, Kommentar zur InsO, § 19 Rz. 32; Dru- karczyk/Schüler, in: Münchener Kommentar zur InsO, Band 1, § 19 Rz. 62; Gundlach, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 6 Rz. 41; Steffan/Solmecke, ZInsO 2015, 1365 (1373); Temme, S. 127.

(38)

ee) Prognosegegenstand

Die ganz wesentliche Frage bei der im Rahmen der Fortbestehensprognose zu überprüfenden objektiven Überlebensfähigkeit des Unternehmens ist, was Gegenstand der Fortbestehensprognose ist. Während sich die Rechtsprechung mit dieser Frage bis- her verhältnismäßig selten auseinandersetzen musste, war und ist der Inhalt der Fort- bestehensprognose in der Literatur seit jeher umstritten. Im Kern geht es hierbei meist um die Frage,

- ob Prognosegegenstand ausschließlich die künftige Zahlungsfähigkeit des Unternehmens ist oder

- ob weitere Prognoseelemente hinzutreten.

Die Bandbreite der hierzu vertretenen Auffassungen ist beachtlich. Da der Gegen- stand der Fortbestehensprognose Kern der vorliegenden Arbeit ist, wird er in Ab- schnitt D (S. 75 ff.) eingehend untersucht.

ff) Prognosewahrscheinlichkeit (1) Allgemeine Anforderungen

Nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 InsO ist trotz rechnerischer Überschuldung eine insolvenzrechtliche Überschuldung zu verneinen, sofern die Fort- führung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Wann indes von einer solchen überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden kann, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

In Rechtsprechung und Literatur wird in diesem Zusammenhang vielfach unter- schieden zwischen den allgemeinen Anforderungen, die an die Eintrittswahrscheinlich- keit von zukünftigen Ereignissen gestellt werden, und den besonderen Anforderungen bei beabsichtigten und eingeleiteten Sanierungsmaßnahmen. Im Hinblick auf die allge- meinen Anforderungen ist die bisherige Rechtsprechung wenig ergiebig, nachdem sich die Gerichte ganz offensichtlich bis dato nur mit solchen Sachverhalten auseinander- setzen mussten, bei denen Sanierungsmaßnahmen entweder beabsichtigt oder bereits eingeleitet waren. Die Literatur wiederum geht – i.S. einer schlichten Wortlautausle-

(39)

38

gung – übereinstimmend davon aus, dass allgemein zur Annahme einer positiven Fort- bestehensprognose die Fortführung des Unternehmens zu mehr als 50% wahrschein- lich sein muss.67)

(2) Besondere Anforderungen bei beabsichtigten oder eingeleiteten Sanie- rungsmaßnahmen

(a) Innerbetriebliche Sanierungsmaßnahmen

Aus der sich bei einem Unternehmen in der Krise ergebenden Notwendigkeit von Sanierungsmaßnahmen folgt im Rahmen der Fortbestehensprognose im Hinblick auf die Prognosewahrscheinlichkeit die Frage, unter welchen Voraussetzungen derartige Maßnahmen im Rahmen der Prognose Berücksichtigung finden dürfen. Bei der Beant- wortung dieser Frage wird vielfach unterschieden zwischen innerbetrieblichen Maß- nahmen und solchen, die der Beteiligung Dritter bedürfen.

Bei innerbetrieblichen Sanierungsmaßnahmen, wie etwa Kostensenkungsprogram- men, Maßnahmen zur Umsatzsteigerung, Plänen zur Reduktion des Personalstandes oder Produktionsumstellungen, ist in chronologischer Reihenfolge zu unterscheiden in lediglich mögliche, schon geplante und bereits eingeleitete Maßnahmen. Lediglich mögliche – und erst recht unrealistische – Sanierungsmaßnahmen sollen bei der Er- stellung der Fortbestehensprognose außeracht zu lassen sein.68) Zu berücksichtigen seien hingegen solche Sanierungsmaßnahmen, mit deren Ausführung zwar noch nicht begonnen wurde, die aber bereits konkret geplant seien, wenn die feste Absicht zur Realisierung bestehe und diese auch realistisch erscheine.69) Entsprechendes soll gelten, wenn mit erfolgversprechenden Sanierungsmaßnahmen innerbetrieblicher Art bereits

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67) Arnold, in: Henssler/Strohn, Kommentar zum Gesellschaftsrecht, § 19 InsO Rz. 6; Drukarczyk/Schü- ler, in: Münchener Kommentar zur InsO, Band 1, § 19 Rz. 77; Haas, in: Baumbach/Hueck, Kom- mentar zum GmbHG, Vor § 64 Rz. 40; Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar zur InsO, § 19 Rz. 11;

H.-P. Müller/Haas, in: Kölner Schrift zur InsO, 2. Auflage (Vorauflage), S. 1805; Pape, in: Küb- ler/Prütting/Bork, Kommentar zur InsO, Band I, § 19 Rz. 37, 46; Schröder, in: Hamburger Kom- mentar zum Insolvenzrecht, § 19 Rz. 16; Mock, in: Uhlenbruck, Kommentar zur InsO, § 19 Rz. 221.

68) Karollus/Huemer, S. 109 (zum österreichischen Recht).

69) Karollus/Huemer, S. 108 (zum österreichischen Recht); ähnlich Sikora, NWB 2009, 232 (237).

(40)

begonnen wurde.70) Im Hinblick auf den Wahrscheinlichkeitsmaßstab sollen beabsich- tigte oder eingeleitete Maßnahmen zur Sanierung und Liquiditätssicherung mit ihren Auswirkungen dann in die Betrachtung einzubeziehen sein, wenn zu erwarten sei, dass die beabsichtigten Effekte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eintreten werden.71) (b) Sanierungsmaßnahmen unter Beteiligung Dritter

Während für innerbetriebliche Sanierungsmaßnahmen demnach letztlich der glei- che Maßstab angelegt wird wie für die Wahrscheinlichkeit der Unternehmensfortfüh- rung insgesamt, werden bei Sanierungsmaßnahmen unter Beteiligung Dritter teilweise hiervon abweichende, strengere Maßstäbe angelegt. So forderte beispielsweise das OLG Köln in einer Entscheidung aus dem Jahr 2009, dass im Rahmen der Fortbeste- hensprognose

„neben der Innenfinanzierung nur nachweislich verfügbare Möglichkeiten der Außenfinanzie- rung (Eigenkapitalzufuhr, Gesellschafterdarlehen, Kredite usw.) berücksichtigt werden.“72)

Sämtliche anderen Oberlandesgerichte und auch der BGH stellen hingegen zur An- nahme einer positiven Fortbestehensprognose weniger restriktive Anforderungen an die Verbindlichkeit derartiger Sanierungsmaßnehmen.73) Es herrscht folglich eine sehr starke Tendenz in der Rechtsprechung dahingehend, dass eine rechtsverbindliche Ver- einbarung von Sanierungsmaßnahmen unter Beteiligung Dritter nicht gefordert wird.

In der juristischen Literatur findet sich eine Vielzahl von Veröffentlichungen, die sich mit der Frage beschäftigen, welche Anforderungen zur Annahme einer positiven

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70) Karollus/Huemer, S. 107 (zum österreichischen Recht).

71) So noch IDW FAR 1/1996, S. 5 = WPg 1997, 22 (24); der Standard IDW S 11, der die vorgenannten Empfehlungen des Fachausschusses Recht des IDW abgelöst hat, stellt scheinbar höhere Anforde- rungen, wenn er verlangt, dass die Maßnahmen hinreichend konkretisiert sein müssen, vgl.

IDW S 11, Rz. 66.

72) OLG Köln, Urteil v. 5. Februar 2009 – Az. 18 U 171/07, veröffentlicht in beck-online unter BeckRS 2009, 08494.

73) Vgl. beispielsweise BGH, Urteil v. 23. Februar 2004 – Az. II ZR 207/01, abgedruckt in BB 2004, 1240 (1242); Urteil v. 22. November 2012 – Az. IX ZR 62/10, abgedruckt in NJW-RR 2013, 558 (560); OLG Stuttgart, Urteil v. 7. Dezember 2004 – Az. 10 U 119/04, veröffentlicht in beck-online unter BeckRS 2007, 16286; OLG Koblenz, Urteil v. 9. Februar 2006, abgedruckt in NZG 2006, 583 (584); LAG Hamm, Urteil v. 24. Januar 2008 – Az. 15 Sa 1669/07, veröffentlicht in beck-online unter BeckRS 2008, 52686; OLG Hamburg, Urteil v. 4. Juli 2008 – Az. 11 U 278/05, veröffentlicht in beck-online unter BeckRS 2008, 17846.

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