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Wie erkennen wir neue Muster in der Sozialen Sicherheit?

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Academic year: 2022

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Die Schweiz besitzt ein umfassendes Netz sozialer Sicherheit. In der Erbringung von Leistungen entstehen administrative Datensätze der Arbeitslosenversiche- rung (ALV), der Sozialhilfe (SH) sowie der Invalidenver- sicherung (IV), die sich über die Sozialversicherungs- nummer zeitlich verknüpfen lassen und weite Teile des Systems der sozialen Sicherheit abbilden. Data Mining umfasst statistische Methoden der Strukturerkennung und der Modellbildung. Diese haben wir systematisch auf Datenbestände der Sozialen Sicherheit angewandt.

Drei Fragen im Fokus

Im Zentrum des Projektes mit dem Titel «Data Mining mit Administrativdaten der Sozialen Sicherheit»

(2012−2014) stehen drei Kernfragen:

– Können wir mit diesen komplexen Methoden inter- pretierbare Verlaufsmuster identifizieren?

– Welche individuellen und kontextuellen Einfluss- grössen erklären die Zugehörigkeit zu typischen Ver- laufstypen?

– Lassen sich die Methoden des Data Mining in einem Analyseinstrument für die Langzeitbeobachtung nutzen?

Als Grundlage der Analysen dienen uns alle Verläufe von Personen, die in den Jahren 2005 bis 2010 in der Schweiz Leistungen der Sozialen Sicherheit (ALV, IV und Sozialhilfe) beanspruchten. Diese Daten werden vom Bundesamt für Sozialversicherungen BSV in Form des

Datensatzes SHIVALV (Sozialhilfe, Invalidenversiche- rung und Arbeitslosenversicherung) zur Verfügung ge- stellt. Die Daten wurden zudem mit Informationen zur Erwerbstätigkeit aus den individuellen Konten der AHV verknüpft, womit wir auch Erwerbsverläufe während und nach dem Bezug von Sozialleistungen rekonstruie- ren können. Ebenso fand eine Ergänzung der Informati- onen zur soziodemografischen Struktur der ALV-Bezie- henden (Arbeitslosenversicherung) aus Registerdaten der Arbeitslosenversicherung statt (Arbeitsvermittlung und Arbeitsmarktstatistik / Auszahlungssystem der Ar- beitslosenkassen AVAM / ASAL).

Dank der engen Zusammenarbeit des Fachbereichs Soziale Arbeit mit den Instituten RISIS (Research Insti- tute for Security in the Information Society) und ICTM (Institute for ICT-Based Management) der BFH-TI konn- ten wir in der Umsetzung Kompetenzen aus Ökonomie, Soziologie, Statistik und Informatik in das Projekt ein- bringen und so kombinieren, dass wir aussagekräftige Resultate zuhanden des Praxispartners SECO erzielten.

Die vier Säulen der Leistungs- und Erwerbs- verläufe

Indem wir Cluster- und Sequenzanalyse verbinden, können wir die Vielzahl der beobachteten Verläufe mit 22 Verlaufsindikatoren als Grundlage für eine Verlauf- stypologie zu vier Clustern gruppieren (Abb. 1). Betrach- ten wir das gesamte System, lassen sich folgende Grup- pen unterscheiden: Für 39% der Verläufe des grössten

Clusters 1 ist eine kurze Unterstützungsphase (ALV) und ein schneller Eintritt in den Arbeitsmarkt charakteris- tisch. Der mit 38% fast gleich grosse Cluster 2 fasst Ver- läufe am Rande des Arbeitsmarktes zusammen. Diese beinhalten längere und / oder mehrere Perioden ALV sowie Phasen ohne Leistungsbezug und ohne Erwerbs- tätigkeit. Weitere Cluster entstanden um die Sozialhilfe (12%) und die Invalidenrente (10%).

Wie überwacht man die Risikostruktur von Leistungsbeziehenden

In weiteren Auswertungen analysierten wir das «Ri- siko» eines Ausschlusses aus dem Erwerbsleben. Dabei haben wir einen Indikator gebildet, der über vier Jahre misst, wie «nahe» Erwerbsbiografien nach dem Kontakt mit dem System der sozialen Sicherheit am Arbeitsmarkt verlaufen. Basierend auf demografischen Merkmalen der Leistungsbeziehenden (Geschlecht, Zivilstand, Al- ter, Bildung und Wohnort) entwickelten wir ein Risiko- modell zur Voraussage der Risikostruktur.

Mit diesem Prognosemodell stellen wir Merkmale von Eintrittskohorten – neu Leistungen beziehenden Personengruppen – in Bezug zu den erwarteten Möglich- keiten der Teilhabe an der Erwerbstätigkeit. So können wir die Veränderung der gesamtsystemischen Belastung der Sozialen Sicherheit gruppenweise beurteilen. In den bisherigen Arbeiten benutzten wir das Prognosemodell ausgehend von Eintritten über die ALV.

Aus den in Abb. 2 abgebildeten Werten können wir jahrweise ablesen, wie sich die Risikostruktur innerhalb von vier Jahren verändert. Höhere Werte entsprechen ei- ner weiteren prognostizierten Distanz zur Erwerbstätig- keit. Aufgrund der über alle Neueintritte summierten er- warteten Distanz – siehe gestrichelte Linie – können wir die Veränderung der zukünftigen Gesamtbelastung des Sys- tems nach Eintrittskohorten der sozialen Sicherheit ab- lesen. Aus der durchgezogenen Linie, welche die durch- schnittliche Distanz zur Erwerbstätigkeit einer neu eintretenden Person darstellt, ist die veränderte Risiko- struktur der Neubeziehenden ersichtlich.

Im Fokus: Auswertungstool mit Excel-Abfrage

Als Teilauftrag konsolidierten wir für den Praxispart- ner SECO die Auswertungen ausgehend von ALV-Ein- trittskohorten in einem Monitoring-Tool. Dieses basiert auf einem SQL Server Analysis Services Cube, den wir über verschiedene Software mit entsprechender Unter- stützung auswerten. Über Microsoft Office Excel sind beispielsweise Abfragen mit Pivot-Tabellen möglich, dank welchen wir Indikatoren bezüglich Kalenderzeit und weiteren Merkmalen wie Region oder Demografie setzen können. Der SQL Server Reporting Service erlaubt erweiterte Darstellungsmöglichkeiten. Damit können wir Auswertungen als Diagramme und oder einfache Karten darstellen.

Kontakt

– bernhard.anrig@bfh.ch tobias.fritschi@bfh.ch – Infos: risis.bfh.ch

In einem Forschungsprojekt des Fachbereichs Soziale Arbeit und des Depar- tements Technik und Informatik der Berner Fachhochschule nutzen Forscher der BFH-TI, basierend auf Daten der Administration, komplexe statistische Analysemethoden, um das System der sozialen Sicherheit besser zu ver- stehen und eine Langzeitbeobachtung der Risikostruktur zu ermöglichen.

Wie erkennen wir

neue Muster in der Sozialen Sicherheit?

Abb. 1: Die Cluster. Quelle: SHIVALV 2006–2010, AHV-IK 2004–2010, N = 110’508;

Berechnungen BFH

Abb. 2: Veränderung der Risikostruktur (2006 bis 2010).

Quelle: SHIVALV 2006–2010, AVAM/ASAL 2006–2010, AHV-IK 2004–2010; Berechnungen BFH

Dr. Bernhard Anrig Professor für Informatik BFH-TI

Oliver Hümbelin Soziologe, lic. rer. soc.

Fachbereich Soziale Arbeit Christoph Schaller

MSc in Engineering

Wissenschaftlicher Mitarbeiter ICTM

Tobias Fritschi Professor für Ökonomie, Fachbereich Soziale Arbeit

Mit IV-Rente

Kurze Unter- stützungsphase, danach Erwerb Existenzsicherung

primär durch Sozial- hilfe

Am Rande des Arbeits- marktes (ALV, Erwerb und Phasen ohne Erwerb und Leistungen)

39.40%

38.30%

12.30%

10.10%

source: https://doi.org/10.24451/arbor.5531 | downloaded: 14.2.2022

Referenzen

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