Ärzte-
Einkommen:
„Billige Polemik
und Stimmungsmache"
Drittel des gesamten Umsatzwachs- tums in den ersten drei Quartalen dieses Jahres.
Überraschende Zahlen legte der BPI zur Marktentwicklung in den neuen Bundesländern vor. Während auf dem sogenannten Apotheken- markt, der auch freiverkäufliche Me- dikamente umfaßt, westdeutsche und ostdeutsche Pharmaunterneh- men jeweils die Hälfte des Umsatzes auf sich vereinen konnten, dominie- ren die pharmazeutischen Betriebe der ehemaligen DDR eindeutig den Arzneimittelmarkt innerhalb der ge- setzlichen Krankenversicherung Ost.
Das Verhältnis ist hier 70 zu 30. „Bei den niedergelassenen Ärzten in Ost- deutschland registrieren wir so etwas wie eine neue Loyalität zu den alten Arzneien", kommentiert Gerald
Hennig, der beim BPI für die neuen ostdeutschen Mitgliedsfirmen zu- ständig ist. Andererseits seien die Ärzte mit den Problemen der Nie- derlassung zu stark gefordert, um sich zugleich über neue Arzneimittel informieren zu können.
Mit besonderer Aufmerksam- keit beobachtet die pharmazeutische Industrie den Markt in den neuen Ländern vor allem aber wegen der besonderen rechtlichen Rahmenbe- dingungen. Der im Einigungsvertrag verankerte 58prozentige Preisab- schlag ist von April 1991 an durch Rechnungsabschläge abgelöst wor- den. Die Hersteller müssen 25 Pro- zent nachlassen, die Apotheker nochmals 22 Prozent. Nach Angaben des BPI mußten die Kassen im er- sten Quartal dieses Jahres rund 860
Millionen Mark für verordnete Arz- neimittel aufwenden. Im zweiten Quartal waren es knapp mehr als ei- ne Milliarde DM, wobei im Monat Juni eine außergewöhnlich hohe Steigerung zu verzeichnen war. Ein Vorwegnahme-Effekt, wie der Bun- desverband der pharmazeutischen Industrie vermutet, denn ab Juli muß in den neuen Ländern eine Zuzah- lung geleistet werden.
„Mit aller Vorsicht", so das Fazit von Vorderwülbecke, „wird man jetzt schon vermuten dürfen, daß sich die Arzneimittelausgaben der Ost-GKV in der von uns prognosti- zierten Größenordnung halten wer- den." Der Rechnungsabschlag von 25 Prozent liege damit wohl weder deutlich zu hoch noch erkennbar zu niedrig. Josef Maus
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„Unerträgliche Stimmungsma- che" haben die Kassenärztliche Bun- desvereinigung (KBV) und die Bun- desärztekammer (BÄK) der Parla- mentarischen Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Dr.
Sabine Bergmann-Pohl (CDU), vor- geworfen. Sie hatte in einer Frage- stunde des Deutschen Bundestages gesagt, daß westdeutsche Ärzte etwa viermal so viel wie abhängig beschäf- tigte Arbeitnehmer verdienen und damit international an zweiter Stelle hinter den US-Medizinern liegen.
Der Reinertrag je Praxisinhaber ha- be bei Ärzten mit 176 500 DM im Jahr das 3,7fache Durchschnittsein- kommens der Arbeitnehmer (47 541 DM) betragen. Die Zahnarztein- kommen hätten mit 195 064 DM so- gar das 4,1fache betragen.
Die Staatsekretärin wies aller- dings darauf hin, daß „zwischen und innerhalb der einzelnen Arztgrup- pen erhebliche Unterschiede beste- hen." Radiologen und Nuklearmedi- ziner lagen mit 259 800 DM an der Spitze, Pädiater bildeten mit 138 800 DM das Schlußlicht. Sabine Berg- mann-Pohl stützte sich auf Angaben des Statistischen Bundesamtes über das Jahr 1987.
Eine im Jahr 1989 veröffentlich- te Untersuchung des Max-Planck-In- stituts für Gesellschaftsforschung für ausgewählte OECD-Länder, bezo- gen auf das Jahr 1982, zeige, daß amerikanische Ärzte 5,1mal soviel einnahmen wie durchschnittliche Einkommensbezieher, die westdeut- schen Ärzte 4,9mal soviel. In Frank- reich lagen die Einkommen der Ärz- te 3,3mal höher als Durchschnittsbe- züge, in Dänemark 2,8mal, in Groß- britannien 2,4mal, in Schweden 2,1mal und in Belgien 1,8mal.
Neidkomplexe
In einer gemeinsamen Presseer- klärung von KBV und BÄK heißt es zu den von Dr. Bergmann-Pohl wie- dergegebenen Kritiken: „Wer Durchschnittseinnahmen vor Steu- ern nur der niedergelassenen, freibe- ruflich tätigen Ärzte den Durch- schnittseinkommen von Arbeitneh- mern gegenüberstellt, vergleicht noch nicht einmal ‚Äpfel' mit ‚Bir- nen', da das Einkommen eines Frei- beruflers aus den verschiedensten Gründen, insbesondere aber wegen der von ihm selbst zu tragenden Fi-
nanzierung der Alters- und Hinter- bliebenenversorgung, eine gänzlich andere Größe darstellt als das Durchschnittsgehalt eines Arbeit- nehmers." Schon allein das Einbe- ziehen der durchschnittlichen Ein- kommen aller angestellten und be- amteten Krankenhausärzte in die Berechnung ärztlicher Einkommen rücke das Bild im Vergleich zu den relevanten Durchschnittsgehältern der wesentlich größeren Gruppe lei- tender Angestellter wieder zurecht.
Wer trotzdem solche Vergleiche anstelle, betreibe „billige Polemik", betonte der Vorsitzende der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung, Dr.
Ulrich Oesingmann. Die Reaktionen der Politiker auf die laufenden Ver- handlungen mit den Krankenkassen- verbänden beruhen nach seiner Auf- fassung weitgehend auf Unkenntnis der vorgesehenen Vereinbarungsin- halte. Die Politik solle anerkennen, daß auch der freiberufliche Kassen- arzt — wie jeder andere Arbeitneh- mer oder Freiberufler — einen An- spruch auf angemessene Vergütung seiner Leistung haben müsse.
Durch unverantwortliche Aussa- gen zur Höhe von Ärzte-Einkommen würden Neidkomplexe geschürt, so BÄK und KBV, die von den eigentli- chen Ursachen der Probleme für die finanzielle Sicherung eines leistungs- fähigen Gesundheitswesens ablen- ken sollten. Kli A-4246 (22) Dt. Ärztebl. 88, Heft 48, 28. November 1991