Forum 5 · 2021 357
Aktuelles
Berlin, 23.06.2021. Das Leitlinienprogramm Onkologie hat unter Federführung der Deut- schen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e. V. ( DGVS) die S3-Leitlinie zum hepatozel- lulären Karzinom aktualisiert und um die Tumorentität der biliären Karzinome erwei- tert. Somit gibt es nun erstmals S3-Leitlinien- empfehlungen zu biliären Karzinomen, zu denen das Gallenblasenkarzinom und Tu- moren der Gallenwege zählen. Die Leitlinie soll dazu beitragen, für Betroffene mit Leber- krebs oder biliären Karzinomen eine ange- messene und evidenzbasierte Gesundheits- versorgung sicherzustellen.
Leberkrebs zählt – wie auch die biliären Karzinome – in Deutschland zu den selte- nen Krebserkrankungen. Im Jahr 2016 ha- ben 2750 Frauen und 6220 Männer die Di- agnose Leberkrebs erhalten (Quelle: Robert Koch-Institut). Die relativen 5-Jahresüberle- bensraten sind niedrig, sie liegen bei Frau- en und Männern bei 15 %. Biliäre Karzinome zählen zu der Gruppe der Leberkrebstumo- ren, sie treten noch seltener auf. Laut dem Robert Koch-Institut erkrankten im Jahr 2016 2740 Frauen und 2550 Männer daran. Auch hier sind die relativen 5-Jahresüberlebensra- ten niedrig, bei Frauen liegen sie bei 18 %, bei Männern bei 22 %.
Biliäre Karzinome
Tumoren der Gallenblase und Gallenwege werden oftmals operativ entfernt und auf- grund des hohen Rezidivrisikos im Anschluss noch mit einer Systemtherapie behandelt.
„Biliäre Karzinome können molekulare Ver- änderungen aufweisen, die Angriffspunkte für neue gezielte Therapeutika darstellen.
Art und Häufigkeit der Veränderungen un- terscheiden sich aber erheblich zwischen den verschiedenen Typen, umso wichtiger ist eine histologische, immunhistologische und gegebenenfalls auch molekularpatho-
logische Differenzialdiagnostik. Die Leitlinie gibt hier entsprechende Empfehlungen“, so Prof. Nisar Malek, Medizinische Klinik Uni- versitätsklinikum Tübingen. Zusammen mit Prof. Peter Galle, Universitätsmedizin der Jo- hannes Gutenberg-Universität Mainz und Prof. Michael Bitzer, ebenfalls vom Unikli- nikum Tübingen, ist er Koordinator der S3- Leitlinie.
Hepatozelluläres Karzinom
„Angesichts der schlechten Prognosen beim Leberkrebs ist die Weiterentwicklung der therapeutischen Verfahren, insbesondere im Bereich der medikamentösen Therapie, sehr wichtig“, sagt Galle. Bisher konnte für Leber- krebs in der Leitlinie nur ein Proteinkinasein- hibitor evidenzbasiert empfohlen werden.
„Inzwischen sind aber weitere Substanzen – unter anderem eine Kombinationsthera- pie zur Behandlung des fortgeschrittenen hepatozellulären Karzinoms – hinzugekom- men, deren Wirksamkeit in mehreren Studi- en belegt werden konnte. Die Leitlinie haben wir entsprechend aktualisiert“, so Galle.
Als kurative Behandlungsformen kön- nen eine Lebertransplantation, eine Ope- ration oder eine Thermoablation, also das Zerstören des Tumorgewebes durch Hit- ze, infrage kommen. Als Standardmetho- de der lokalablativen Verfahren war bisher nur die Radiofrequenzablation empfohlen.
Aufgrund neuer Studien zur Mikrowellena- blation ist dieses Verfahren nun auch in die S3-Leitlinie mit aufgenommen worden. Die Mikrowellen ablation ist eine minimal-invasi- ve Behandlungsmethode, bei der eine Son- de in den Tumor eingeführt wird und das Gewebe von innen durch Mikrowellen zer- stört wird. Darüber hinaus gibt die S3-Leitli- nie auch modifizierte Empfehlungen für wei- tere interventionelle Therapieverfahren, wie etwa der transarteriellen Chemoembolisati- on, bei der ein Chemotherapeutikum in den
Tumor eingebracht wird und die Blutgefäße, die diesen versorgen, verschlossen werden.
Steht eine Lebertransplantation an, wer- den in Deutschland die sogenannten Mai- land-Kriterien zur Priorisierung herange- zogen. „Als wichtige Ergänzung stellt die Leitlinie fest, dass eine Lebertransplantation auch bei geeigneten Patienten außerhalb der Mailand-Kriterien erfolgen kann, wenn die UCSF- Kriterien erfüllt sind: Diese fordern eine Tumorgröße ≤ 6,5 cm bei einem soli- tären Herd oder maximal 3 HCC- Herde mit einem Maximaldurchmesser ≤ 4,5 cm bei einer maximalen Summe der addierten Tu- mordurchmesser ≤ 8 cm“, so Bitzer.
An der S3-Leitlinie Diagnostik und Thera- pie des hepatozellulären Karzinoms und bi- liärer Karzinome waren insgesamt 60 ehren- amtlich arbeitende Fachexpert* innen aus 33 Fachgesellschaften und Organisationen be- teiligt. Die Leitlinie ist auf dieser Webseite ab- rufbar: www.leitlinienprogramm- onkologie.
de/leitlinien/hcc- und- biliaere- karzinome/
Zudem sind die Inhalte in der kostenfrei- en Leitlinien-App integriert. Android-Smart- phone- und iPhone-Nutzer können die Leitlinien-App hier herunterladen: www.leit- linienprogramm- onkologie.de/app/
Korrespondenzadresse Angelina Gromes
Deutsche Krebsgesellschaft e. V.
Kuno-Fischer-Straße 8, 14057 Berlin, Deutschland presse@krebsgesellschaft.de
Juliane Pfeiffer
Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdau- ungs- und Stoffwechselkrankheiten Postfach 30 11 20,
70451 Stuttgart, Deutschland pfeiffer@medizinkommunikation.org Forum 2021 · 36:357
https:// doi.org/ 10.1007/ s12312- 021- 00978-1 Online publiziert: 3. September 2021
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