• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Flucht - heimlich, mit schlechtem Gewissen" (09.08.1979)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Flucht - heimlich, mit schlechtem Gewissen" (09.08.1979)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Die Information:

Bericht und Meinung

DER KOMMENTAR

WI

d großer Überraschung und Bestürzung fand ich in den sonst so informativen Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie eine Beilage, in der lako- nisch mitgeteilt wurde, daß die Ge- sellschaft ihre seit Jahrzehnten in Berlin am Kurfürstendamm be- findliche Geschäftsstelle nach München verlegt hat. Ebenso la- konisch und kurz standen darun- ter die neuen Konto-Nummern, jetzt nicht mehr mit Berliner, son- dern mit Münchener Ortsangabe.

Die Kürze dieser Mitteilung, vor al- lem aber die Tatsache des Fortzu- ges der renommierten und tradi- tionsreichen Gesellschaft von Ber- lin, haben unter Deutschlands Chirurgen von Lübeck bis zum Bo- densee erhebliche Unruhe hervor- gerufen. In zahlreichen Briefen und in noch mehr Einzelgesprä- chen wird dieser Umzug als Ab- kehr von Berlin sowohl auf wis- senschaftlichem als auch auf poli- tischem Gebiet gewertet.

In Berlin wird täglich politisch um den Erhalt der freien Selbstverwal- tung gerungen. Trotz aller gegen- teiligen Versicherungen der gro- ßen politischen Parteien und der Schutzmächte bekommt Berlin nämlich nichts, was die Berliner nicht selbst wollen. Darum sehe ich in jedem Schritt aus Berlin eine Gefahr für das Überleben der Stadt und der Menschen, die in Berlin tätig sind. Auch der Fortzug einer wissenschaftlichen Gesell- schaft, aus welchen Gründen auch immer er erfolgt, bedeutet solch eine Flucht aus Berlin und eine Verminderung der Arbeitsbedin- gungen für alle in Berlin tätigen Mediziner.

Natürlich gibt es Gründe für den Fortzug der Deutschen Gesell- schaft für Chirurgie. Diese Grün- de, vom Präsidium in den Antwort- briefen auf die Proteste der Kolle- gen dargelegt, liegen im Wirt- schaftlichen: Bislang hatte die Ge- sellschaft zwei Geschäftsstellen, eine in Berlin, eine in München.

Nun geht die langjährige verdiente Mitarbeiterin der Berliner Ge- schäftsstelle, Frau Susanne Wie-

Flucht - heimlich,

mit schlechtem Gewissen

sebaum, in Pension. Angeblich konnte keine andere Sekretärin für Berlin gefunden werden, weshalb das Berliner Büro geschlossen wurde.

Schon die Tatsache ist zu bedau- ern, daß die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie seit langem nicht mehr, wie in den Statuten eigent- lich festgelegt, ihre Jahrestagun- gen regelmäßig in Berlin durch- führt. Um so unverständlicher ist es, daß man nicht alles daransetzt, wieder nach Berlin zurückzukeh- ren, sondern im Gegenteil das letzte Band, nämlich eine Ge- schäftsstelle, zertrennt. Der Initia- tive des Bonner Kollegen Dr. Klaus H. Prange war es zu verdanken, daß außer aus Berlin auch aus dem übrigen Bundesgebiet der Protest gegen die Schließung der Berliner Geschäftsstelle immer lauter und unüberhörbar wurde.

Der Berliner Professor Dr. med. H.- G. Weber hält sie für „skandalös", Dr. med. Werner Kirschke aus Ber- lin bezeichnet das Verhalten des Präsidiums als „unklug": „Berlin war über Jahrzehnte Mittelpunkt der deutschen Chirurgie, wie be- sonnen handelte doch die Deut- sche Gesellschaft für Unfallchirur- gie!" Auch Politiker meldeten sich zu Wort. So schrieb der Senator für Gesundheit und Umweltschutz, Pätzold: „Ich ersehe aus Ihrem Schreiben, daß Sie eine Verlegung der Geschäftsstelle für nicht ver- tretbar halten. Das ist auch meine Meinung." Richard von Weiz- säcker: „Ich möchte Ihnen auf- richtig dafür danken, daß Sie sich so tatkräftig einer Verlegung in den Weg stellen." Dr. Werner Marx, MdB: „Diese Entwicklung sehe ich seit geraumer Zeit und wundere mich gar nicht mehr, wenn ich immer wieder in den Ber-

lin-Analysen lese, daß es sich um eine Stadt von alten Leuten han- delt. Auf der einen Seite gibt der Bund eine Menge von Subventio- nen, zum Beispiel für junge Arbei- ter, aus, auf der anderen Seite wird von wissenschaftlichen Institutio- nen mehr und mehr der Stadt der Rücken gekehrt." Angesichts die- ser Proteste räumte der General- sekretär der Gesellschaft, Profes- sor Dr. Junghans, schließlich in ei- nem Brief ein: „Es war sicher ein Versäumnis, nur diesen kurzen Mitteilungsbrief zu versenden, oh- ne nähere Ausführungen darüber zu machen."

Ich halte die Antworten des Präsi- diums auf die verschiedenen Pro- testschreiben für unbefriedigend.

Mit juristischen Finessen wurde versucht, eine Erklärung zu geben, zum Beispiel, daß Berlin ja der Sitz der Gesellschaft bleibe. In diesem Sinne wurde auch im April 1978 mit dem Senator für Justiz gespro- chen, der gegen eine Verlegung der Geschäftsstelle unter Beibe- haltung des Sitzes Berlin keine Einwände hatte. Hierin sehe ich nun einen weiteren eklatanten Verstoß der Geschäftsführung der Gesellschaft gegenüber den Chir- urgen, zumal den Berlinern. Sie hätte man unterrichten und fragen müssen. Wieso wählte man den Umweg über den Senator für Ju- stiz? Das zeigt doch im Grunde ein schlechtes Gewissen, denn wenn man den Schritt für unerläßlich gehalten hätte, dann hätte man auch nicht beim Senator für Justiz rückzufragen brauchen. Oder soll- te diese Frage etwa finanzielle Hintergründe haben, nämlich in dem Sinnne, daß man die Vorteile eines Sitzes Berlin „mitnehmen"

möchte, auf der anderen Seite aber die möglicherweise beque- mere Geschäftsstelle München vorzieht?

Jetzt wird versucht, nicht zuletzt aufgrund der Protestwelle, dem in Berlin ansässigen Schatzmeister der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie ein Zimmer und eine Mitarbeiterin für seine Arbeit zur Verfügung zu stellen, doch dies ist

2030 Heft 32 vom 9. August 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung Berlin-Präsenz

ein schwacher Rückzug und kann unseren Wunsch, die Geschäfts- stelle in Berlin zu belassen, nicht erfüllen. Wir Berliner Ärzte sind unverändert unzufrieden mit der Behandlung, die Berlin hier er- fährt. Man sage mir nicht, daß so etwas von untergeordneter Be- deutung sei. So wie ein Stein zum anderen eines Tages ein Gebäude herstellt, so bedeutet der Abbau von Einzelsteinen den Verlust ei- ner Heimstätte, und das ist Berlin in übergeordnetem Sinne für ei- nen großen Teil der Deutschen.

Auf meinen Vorschlag, minde- stens alle zwei oder drei Jahre den Kongreß in Berlin durchzuführen, auf jeden Fall aber den Kongreß anläßlich des hundertzehnjähri- gen Bestehens unserer ehrwürdi- gen Gesellschaft (die nötigen Räu- me stehen mit dem neuen Interna- tionalen Congreß-Centrum zur Verfügung!), wurde im Präsidium bisher überhaupt noch nicht ein- gegangen.

Es fällt mir nicht leicht, als Präsi- dent der Ärztekammer Berlin all dies an die Öffentlichkeit zu tra- gen. Ich fühle mich aber dazu ver- pflichtet, das nachzuholen, was die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie versäumt hat, nämlich alle ihre Mitglieder und die inter- essierten Kollegen über diesen wichtigen Schritt im Interesse des freiheitlichen Berlin zu informie- ren. Es soll davor gewarnt werden, daß andere Institutionen, nicht nur ärztlicher oder medizinischer Na- tur, ihre Arbeit in Berlin einstellen und sich damit aus unserer Vater- stadt zurückziehen.

Ich hoffe mit den vielen Kollegen, die ihrem Unmut über die Schlie- ßung der Berliner Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie mehr oder weniger laut Luft gemacht haben, daß der Be- schluß in den zuständigen Gre- mien der Gesellschaft erneut dis- kutiert und gegebenenfalls revi- diert werden kann.

Professor Dr. med. Wilhelm Heim, Berlin

Clotibrathaltige Arzneimittel

wieder zugelassen

Nach umfangreichen Ermittlun- gen hat das Bundesgesund- heitsamt .clofibrathaltige Arz- neimittel unter starker Ein- schränkung der Anwendungs- gebiete und in Verbindung mit einer deutlichen Gebrauchsin- formation wieder zugelassen.

Diese lautet (Mustertext):

Gebrauchsinformation ist kein harmloses Arznei- mittel! Deshalb Gebrauchsin- formation sorgfältig lesen!

1. Angabe gemäß § 11 Abs. 1 Nr.

1 AMG 1976

2. Angabe gemäß § 11 Abs. 1 Nr.

2 AMG 1976

3. Angabe gemäß § 11 Abs. 1 Nr.

3 AMG 1976

4. Anwendungsgebiete

. . . ist zur Behandlung von be- stimmten Fettstoffwechselstö- rungen vorgesehen.

Jede Einnahme eines Arznei- mittels über längere Zeit kann zu gesundheitlichen Schäden führen. Deshalb sollte die Not- wendigkeit einer Behandlung mit . . sorgfältig geprüft wer- den. Bei den alle sechs Monate vorgesehenen ärztlichen Unter- suchungen muß neben der Kontrolle des Therapieerfolges auf unerwünschte Wirkungen (s. Abschnitt Nebenwirkungen) geachtet und die Notwendigkeit der Fortsetzung der Therapie neu abgewogen werden.

... senkt erhöhte Blutfettwerte (vorwiegend Triglyceride = Neutralfette und in geringerem Maße Cholesterin).

Ein erhöhter Blutfettspiegel gilt als ein Risikofaktor für die Ent- stehung und das Fortschreiten einer Arteriosklerose und ihrer Folgeerkrankungen. Bis jetzt ist aber nicht bewiesen, daß eine Senkung erhöhter Blutfette ei- ne Arteriosklerose -oder deren Folgeerkrankungen, wie z. B.

eine koronare Herzkrankheit (Angina pectoris, Herzinfarkt) oder Gefäßerkrankungen und daraus folgende Durchblu- tungsstörungen der Gliedrha- ßen oder des Gehirns, verhin- dern oder bessern kann.

Andererseits kann bei Patienten mit schweren Fettstoffwechsel- störungen (Cholesterin höher als 300 mg/100 ml [= 7,8 mmo1/1], Triglyceride höher als 250 mg/100 ml [ = 2,9 mmo1/11) die Senkung der Blutfette einen nützlichen Effekt haben.

Deshalb kann . . . angewandt werden bei Patienten mit 1) schweren primären Fettstoff- wechselstörungen mit überwie- gender Erhöhung der Triglyce- ride (Neutralfette), deren Blut- fettwerte weder durch Ände rung der Ernährung noch ande- re Verhaltensänderungen aus- reichend gesenkt werden kön- nen,

2) schweren sekundären Hy- pertriglyceridämien (Erhöhung der Neutralfette im Blut), die sich durch eine konsequente Behandlung der Grundkrank- heit (Zuckerkrankheit, Gicht) nicht beheben lassen und die weder auf eine Änderung der Ernährung noch andere Verhal- tensänderungen des Patienten ansprechen.

5. Gegenanzeigen

Leber- und Gallenblasener- krankungen mit und ohne Gal- lensteinleiden,

BEKANNTMACHUNG DER BUNDESÄRZTEKAMMER

DIE ARZNEIMITTELKOMMISSION

DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT INFORMIERT:

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 32 vom 9. August 1979 2031

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

[r]

Mehr noch: Kreativwirtschaft braucht, wie man bei Richard Florida, auf den sich die Verfechter der Kreativwirtschaft Ruhr- gebiet gerne berufen, nachlesen kann, eine starke

A n Struktur- und Regionalpolitik sowie regio naler und kommunaler Wirtschafts- förderung wird oft kritisiert, dass sie in Form einzelbetrieblicher Förderung Mitnahmeeffekte

Raumkapital im Forschungsschwerpunkt Innovation, Raum & Kultur. 38 Gastbeitrag

Ileana Hamburg, Research Fellow im For- schungsschwerpunkt Innovation, Raum & Kultur, ist Men torin für Theoretische Informatik an der Fernuniversität Hagen..

Aber auch Wissen über neue Märkte, Kunden und Lieferanten können durch E-Learning und als Teil der E-Learning Contents an die Mitarbeiter vermittelt werden.. Verschiedene

[r]

Liegt heute noch der Schwerpunkt der seniorenwirtschaftlichen Diffusion auf der Sensibilisierung für seniorenori- entierte Produkte und Dienstleitungen, so werden die sozialen