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Archiv "„Fall Bernbeck“: Nach den Regeln der Kunst" (26.09.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

KURZBERICHTE

Wie hat die

„Negativliste" gewirkt?

Noch im September werden etwa 2000 Allgemeinärzte und prakti- sche Ärzte über die Auswirkungen der sogenannten Negativliste (ge- mäß § 182 f RVO) schriftlich be- fragt.

Das Zentralinstitut für die kassen- ärztliche Versorgung (ZI), Köln, ist von der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung (KBV) mit dieser Repräsentativerhebung beauf- tragt worden. Das Bundesministe- rium für Arbeit und Sozialordnung hat unter anderem die KBV, die Spitzenverbände der Krankenkas- sen, den Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie und den Bundesfachverband der Arz- neimittelhersteller gebeten, bis spätestens Oktober 1984 Daten und Fakten aufgrund der gesam- melten Erfahrungen bei der Um- setzung der am 1. April 1983 in Kraft getretenen Vorschriften zu übermitteln.

Bis spätestens Ende 1984 wird die Bundesregierung — einem Bun- destagsbeschluß von Ende 1982 folgend — dem Deutschen Bun- destag einen Erfahrungsbericht über die Auswirkungen der Arz- neimittel-Negativliste und anderer kostendämpfender Maßnahmen (Direktbeteiligung beim Kranken- hausaufenthalt, Kuren und erhöh- te Rezeptblattgebühr) vorlegen.

Seit dem 1. April 1983 dürfen nach Maßgabe des geänderten § 182 f RVO an Versicherte, die das 16.

Lebensjahr vollendet haben, bei bloßen Befindlichkeitsstörungen in folgenden vier Indikationsgrup- pen keine Arzneimittel mehr zu Lasten der gesetzlichen Kranken- versicherung verordnet werden (wiewohl die ärztliche Konsulta- tion davon nicht berührt wird):

> Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich Schnupfen-, Husten- und Schmerzmittel;

> lokal anzuwendende Mund- und Rachentherapeutika (mit we- nigen Ausnahmen).

• Abführmittel und

D Arzneimittel gegen Reise- krankheiten.

Die ZI-Umfrage soll ermitteln, wel- che Alternativtherapien die Kas- senärzte durchführen und eru- ieren, ob die Ärzte auf Arzneimit- tel anderer Indikationsgruppen zurückgreifen oder ausschließlich

„Privatrezepte" ausstellen.

Da die „Ausgrenzung" der in § 182 f genannten Indikationsgrup- pen immer wieder zu Auseinan- dersetzungen zwischen Patienten und Ärzten geführt hat, soll der Fragebogen des ZI Aufschluß dar- über geben, in welchem Ausmaß die Kassenarztpraxen heute noch von dieser einschränkenden Re- gelung belastet sind.

An alle Kassenärzte, die in die Re- präsentativerhebung des ZI ein- bezogen wurden, wird appelliert, den ausgefüllten Erhebungsbo- gen unverzüglich an das Zentral- institut für die kassenärztliche Versorgung (Haedenkampstraße 5, 5000 Köln 41) zurückzusenden.

Das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT wird über die Ergebnisse der Aus- wertung und den Erfahrungsbe- richt der Bundesregierung einge- hend berichten. EB/ZI

„Fall Bernbeck"

Nach den Regeln der Kunst

Ein spektakulärer Vorgang, in der Presse als Skandal gehandelt, en- dete fürs erste mit einer nüchter- nen Feststellung:

„In Barmbek sind nicht häufiger Fehler und Schwierigkeiten vor- gekommen als in anderen ver- gleichbaren Einrichtungen." Die von der Hamburger Gesundheits- behörde eingesetzte unabhängi-

ge ärztliche Expertenkommission hat die gegen den ehemaligen Chefarzt der Orthopädischen Ab- teilung des Allgemeinen Kranken- hauses Barmbek, Professor Dr.

Rupprecht Bernbeck, erhobenen Vorwürfe in einem abschließen- den Bericht, aus dem eingangs zi- tiert wurde, abgewiesen.

Zu den Aufgaben der Kommission gehörte es, Patientenvertreter und ehemalige Mitarbeiter von Professor Bernbeck zu befragen, Stichprobenerhebungen über bakteriologische Einsendungen der damaligen orthopädischen Abteilung zu machen sowie 13 der ärztlichen Gutachten zu bewer- ten, die aus den bislang abge- schlossenen Fällen vorlagen.

Wie die Hamburger Gesundheits- senatorin, Christine Maring, dazu erklärte, „gibt das ausgewertete Material und die durchgeführten Befragungen keinen Hinweis dar- auf, daß in der Orthopädie des AK Barmbek während der Dienstzeit von Professor Bernbeck nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst operiert und behandelt wor- den ist".

Nach dem Urteil der Experten- kommission, so die Senatorin wörtlich, ließe sich die Qualifika- tion von Professor Bernbeck nicht bestreiten.

In dem Bericht des Fachgremiums wird weiterhin die Auffassung ver- treten, daß die Infektionsquote in der damaligen Barmbeker Ortho- pädie nicht von anderen Einrich- tungen abweiche. Zwingende Grundsätze der Hygiene seien dort nicht mißachtet worden.

Die Hamburger Gesundheitsbe- hörde teilt diese Einschätzung.

Christine Maring: „Wir sind wie die Experten der Meinung, daß über die Infektionsquote primär das Können der Operateure und die straffe Organisation im Opera- tionssaal entscheiden und nicht die extreme Technisierung. Es steht fest, daß die früher zweifel- los nicht optimalen räumlichen Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 39 vom 26. September 1984 (23) 2783

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KURZBERICHTE

Bedingungen im AK Barmbek zu keiner ungewöhnlichen Erhöhung der Infektionsrate geführt haben."

Da die Hamburger Gesundheits- behörde jedoch der Auffassung ist, daß auch ein Eingriff, der unter einer Vielzahl geglückter Opera- tionen eine mißlungene Ausnah- me darstellt, für den Betroffenen ein Fall zuviel ist, will sie im Inter- esse der Patienten bei den in Han- nover anhängigen Schlichtungs- verfahren auf eine möglichst ra- sche und vollständige Abwicklung und Aufklärung drängen.

Derzeit werden noch rund 100 Schadensersatzansprüche von der Schlichtungsstelle für Arzt- pflichtfragen in Hannover auf ihre Berechtigung hin geprüft.

Hackethai

erneuert die Vorwürfe

Als ein "Gefälligkeitsgutachten für einen Kollegen" bezeichnete

die "Patienteninitiative AK Barm-

bek" inzwischen das Ergebnis dieser Untersuchung. Sie fordert deshalb die Bildung eines Unter- suchungsausschusses der Ham- burger Bürgerschaft, der die Ope- rationsweise von Professor Bern- beck und die Hygienesituation im Barmbeker Krankenhaus aufklä- ren soll. "Methodik und Unterla-

gen", so Kerstin Hagemann, Spre-

cherin der Patienteninitiative,

"waren für das Gutachten völlig

unzureichend." Die Experten hät- ten lediglich in die von den betrof- fenen Patienten formulierten Schadensvorwürfe Einsicht ge- nommen, nicht aber in die Kran- kenblätter, Röntgenbilder oder Operationsberichte, die zu einer umfassenderen Beurteilung hät- ten führen können.

ln ihrem Vorhaben, einen parla- mentarischen U ntersuchu ngsaus- schuß einzusetzen, werden die ehemaligen Patienten des AK Barmbek von Professor Julius Hackethai unterstützt. Auf einer Versammlung der Patienteninitia- tive sagte Hackethal: "ln den Or-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

thopäd ien bundesdeutscher Kran- kenhäuser wird allgemein zu häu- fig operiert, Barmbek ist dabei aber die Spitze."

Auch die Infektionshäufigkeit in der Hamburger Klinik entspreche nicht der Regel: Die Infektions- quote sollte unter einem Prozent liegen, bei den Operationen von Professor Bernbeck habe sie aber 25 Prozent betragen.

Rüdiger Rapke/ptv

Ethik-Kommissionen - Ausweg aus

einem Dilemma

"Ethik-Kommissionen sehen sich

häufig großen Schwierigkeiten ausgesetzt. Denn allgemein aner- kannte mo ral isch-ph i losoph ische Grundsätze zur Beurteilung des medizinisch Machbaren fehlen noch. Deshalb ist eine Zusam- mensetzung der Ethik-Kommis- sionen aus Theologen, Philoso- phen und Juristen gerechtfertigt."

Diese Auffassung vertrat Profes- sor Dr. med. Heinz Losse in einem Referat beim Fortbildungskon- greß der Bundesärztekammer in Grado. Losse, Direktor der Medizi- nischen Poliklinik der Universität Münster und Programmgestalter der Grado-Herbst-Kongresse, er- läuterte auch, was Ethik-Kommis- sionen prüfen sollten. Am Beispiel der Arzneimittelprüfung stellte er folgende Kriterien für die Durch- führung eines geplanten Ver- suchs heraus:

~ Der Forscher muß für die Durchführung des Versuchs quali- fiziert sein.

~ Die Studie muß wissenschaft- lichen Kriterien standhalten (Vali- dität).

~ Das Risiko des Versuchs muß in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen für den Patienten oder die Heilkunde stehen.

~ Bei Langzeitstudien müssen Abbruchkriterien aufgestellt wer- den.

~ Der Patient muß sorgfältig über den Versuch aufgeklärt werden. Eine Behinderung der For- schungsarbeit durch Ethik-Kom- missionen sieht Professor Losse nicht. Es sei im Gegenteil anzu- nehmen, daß dem Forscher be- reits in der Planungsphase seines Vorhabens mit Rat und Tat zur Seite gestanden werde, so daß seine Arbeit eher erleichtert wer- de. Ethik-Kommissionen könnten zudem für Transparenz sorgen und zum Abbau des öffentlichen Mißtrauens beitragen. Sie könn- ten auch verhindern, daß staat- liche Kontrollmechanismen in Gang gesetzt würden.

Die Tätigkeit von Ethik-Kommis- sionen beruhe, so Professor Los-

se, auf dem grundsätzlichen Kon-

sens der meisten Völker, daß wis- senschaftliche Versuche zulässig seien, wenn sie

~ der Vermehrung wissenschaft- lich gesicherten Wissens,

~ der Vertiefung ärztlicher Er- kenntnis,

~ der Verbesserung medizini- scher Verfahren dienten und es keine anderen Mittel gäbe, um diese Ziele zu erreichen. Der Wert solcher Ziele für die Allgemein- heit werde so hoch eingeschätzt, daß dabei einzelnen Mitgliedern der Gemeinschaft zugemutet wer- de, sich aus freien Stücken zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen machen zu las- sen. Auch wenn nicht auszu- schließen sei, daß das eigene Wohl dabei beeinträchtigt werde.

Die Forschung beziehungsweise der Versuch am Menschen weise, so Losse, auf ein Grunddilemma der modernen Medizin hin. Einer- seits widerspreche der Versuch am Menschen wegen des Risikos einer Schädigung der Verpflich- tung des Arztes, nicht zu schaden.

Andererseits sei es unethisch, ei- ne Therapie anzuwenden, deren Sicherheit' und Wirksamkeit nicht wissenschaftlich geprüft sei. SO 2784 (24) Heft 39 vom 26. September 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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