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Und allen werde ich die gleiche Botschaft überbringen und die lautet: Wir brauchen Arbeit und soziale Gerechtigkeit

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Grußwort

von Michael Sommer

Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes an den SPD-Bundesparteitag in Bochum

am 17. November 2003

S p e r r f r i s t - Beginn der Rede -

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Genossinnen und Genossen, meine Damen und Herren,

danke für die Einladung, diesem Parteitag ein Grußwort der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit auf den Weg zu geben. Es sind ja nicht nur die gemeinsamen Wurzeln von SPD und Gewerkschaften, die uns veranlassen, uns wechselseitig zu besuchen.

Denen, die bei uns sprechen, sei es Gerhard Schröder, Franz Müntefering oder andere, sage ich Dank dafür, dass sie zu unseren Kongressen und Veranstaltungen kommen und sich unserer Kritik stellen.

Vor allem sage ich Dank dafür, dass sie nicht der Versuchung nachgegeben haben, uns beibringen zu wollen, was richtige Gewerkschaftspolitik ist. Und ich bin nicht hierher gekommen, um euch zu sagen, was die SPD nach unserer Meinung tun oder lassen sollte.

Im übrigen: Die Einheitsgewerkschaften haben auch christlich- soziale Wurzeln. In unseren Reihen finden sich außerdem zahlreiche Menschen, die sich nicht zu den beiden großen Volksparteien hingezogen fühlen, sondern zum Beispiel auch zu den Grünen. Und deswegen wird der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes wie selbstverständlich auch die Parteitage der CDU und der Grünen besuchen.

Und allen werde ich die gleiche Botschaft überbringen und die lautet: Wir brauchen Arbeit und soziale Gerechtigkeit. Wir brauchen den sozialen Ausgleich zwischen jung und alt, arm und reich gerade in Umbruchzeiten und wir brauchen endlich wieder mehr Arbeit, um diese Krise zu überwinden.

Wir brauchen eine aktive Beschäftigungspolitik und wirkliche Solidarität.

Ja, wir brauchen auch Generationengerechtigkeit. Und die größte Ungerechtigkeit für die junge Generation besteht nicht darin, dass diejenigen, die dieses Land aufgebaut haben, die es nach der Terrorherrschaft der Faschisten buchstäblich aus dem Dreck gezogen haben, dass diese Menschen einen Anspruch auf einen würdigen Lebensabend haben – ohne Not und schlechtes Gewissen.

Nein, die wirkliche Ungerechtigkeit für die jüngere Generation ist es, dass ihnen die eigentliche Startchance ins Leben immer schwerer gemacht wird. Über eine halbe Million junger Menschen unter 25 Jahren, die noch nie eine Arbeit, die noch nie einen Ausbildungsplatz hatten - das ist der wirkliche Skandal. Und dafür können die Alten doch nichts!

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Hier werden jung und alt gegeneinander ausgespielt, auch um von dem Übel abzulenken, dass die deutsche Wirtschaft zu wenig ausbildet. Faktisch ist die berufliche Bildung von der Wirtschaft schleichend verstaatlicht worden.

Jahr für Jahr immer das gleiche Gewürge: Viele junge Menschen wissen nicht, ob sie einen Ausbildungsplatz bekommen und das beste, was ihnen noch passieren kann, ist, dass der Staat ihnen einen Aufenthalt in der Warteschleife finanziert. Damit muss Schluss sein! Der Gesetzgeber muss handeln.

Auch an diesem Beispiel sieht man, wie sehr sich in diesem Land die politischen, sozialen und ökonomischen Koordinaten verschoben haben. Und zwar in die falsche Richtung, in die Richtung der Verstaatlichung der Probleme und die Privatisierung der Lebensrisiken.

Wer die Probleme zwischen Hartz und Pisa wirklich lösen will, der darf sich nicht nur darüber aufregen, dass sich die Menschen bis weit in die Mittelschichten angewöhnt haben, staatliche Transferleistungen in Anspruch zu nehmen. Denn diese Anspruchshaltung gilt doch wohl auch für viele Großkonzerne. Und dass die Ankündigung von Steuerflucht in deutschen Zeitungen als patriotische Großtat gefeiert wird, statt diese Steuerhinterzieher als vaterlandslose Gesellen zu brandmarken, zeigt auch, dass die politischen Koordinaten nicht mehr stimmen.

Was wir brauchen, ist die Wiederherstellung von sozialer Balance, ist die Notwendigkeit, nicht nur die staatlichen Ausgaben zu überprüfen, sondern auch diejenigen an der Finanzierung unseres Gemeinwesens zu beteiligen, die es sich wahrhaft leisten könnten.

Im übrigen empfehle ich, das gesamte Steuer- und Abgabensystem auf den Prüfstand zu stellen. Denn dann würde deutlich, wer dieses System wirklich am Laufen hält und wer nicht.

Eine Politik jedenfalls, die ihr Heil in sinkenden Löhnen und stärkerer Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei den Sozialabgaben sucht und zugleich das Steuersystem fast gänzlich auf Lohn-, Einkommen- und Verbrauchssteuern aufbaut, eine solche Politik ist auf einem abschüssigen Weg.

Und gänzlich auf die schiefe Ebene gerät derjenige, der meint, den globalisierten Wettbewerb mit mehr Staatsknete für Unternehmen, tschechischem Lohnniveau und amerikanischem Arbeitsrecht gewinnen zu können.

Wenn der SPD nahestehende Manager erklären, dass die Zeit existenzsichernder Arbeitseinkommen für alle vorbei sei, und der Einstiegstarif für Leiharbeiter von acht Euro pro Stunde wesentlich zu hoch, dann gefallen sie möglicherweise ihren Shareholdern, sie fügen der Wirtschaft aber einen schweren Schaden zu, ja, setzen die Abwärtsspirale aufs Neue in Gang.

Meine Damen und Herren, liebe Genossinnen und Genossen, wir Gewerkschaften stehen dafür, dass Arbeit auch künftig ohne staatliche Almosen die Existenz sichert. Denn es geht auch um den Stolz arbeitender Frauen und Männer, um die Würde der sozial Schwachen und die Achtung ihrer Rechte.

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Und da kann es für uns, für die deutsche Gewerkschaftsbewegung, nicht mehr um Nachgeben, schon gar nicht ums kleinere Übel gehen. Da geht es um das Recht und den Wert arbeitender Menschen.

Je unverschämter die Forderung nach Einschränkung der sozialen Rechte erhoben und die Interessenvertreter der arbeitenden Menschen beschimpft und verunglimpft werden – ja sogar ihre Existenzberechtigung in Zweifel gezogen wird – umso mehr lautet unsere Botschaft: Jetzt ist nicht Kotau angesagt, sondern der aufrechte Gang.

Angesichts dieser prinzipiellen Auseinandersetzung müssen sich auch die Parteien entscheiden, auf wessen Seite sie stehen. Dazu gibt es augenblicklich ein sehr wichtiges Demonstrationsobjekt: Den Flächentarifvertrag und die Tarifautonomie.

Unser Sozialstaat hat es geschafft, die arbeitenden Menschen aus dem Stadium kollektiver oder individueller Bettelei zu befreien.

Zugleich hat er es den Unternehmen ermöglicht, mit ihren Wettbewerbern nicht über Löhne und Gehälter, sondern über Produkte und Qualität zu konkurrieren.

Wer an diesem System rumschraubt, der schadet nicht nur den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, sondern auch der Wirtschaft.

Und weil es in diesem Land Mode geworden ist, dass sich zahlreiche Unternehmer so verhalten, als ob das Land ihnen gehört und die Politik nach ihrer Pfeife tanzen müsste, sage ich: Dieses Land ist auch unser Land. Dieses Grundgesetz ist auch unser Grundgesetz und der Reichtum dieses Landes wird von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geschaffen und von sonst niemandem.

Nicht nur die Gewerkschaften sind aufgerufen, die prinzipielle Auseinandersetzung zu führen für gute, anständig behandelte Arbeit und für soziale Gerechtigkeit. Es ist Zeit, diejenigen, die Sehnsucht nach dem 19. Jahrhundert haben, wieder in die Schranken zu weisen.

Wer wirklich will, dass es diesem Land auch im Jahr 2010, im Jahr 2020 und im Jahr 2030 gut geht, der muss nicht nur Herz und Verstand als Einheit betrachten, sondern der muss bei allen notwendigen Veränderungen Solidarität zum zentralen Maßstab seiner Politik machen.

Die Bundesrepublik Deutschland ist, so steht es in unserem Grundgesetz, ein demokratischer und sozialer Rechtstaat, in dem Eigentum verpflichtet und die Würde des Menschen im Mittelpunkt allen Tuns stehen muss. Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, in diesem Sinne Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität zu erhalten und krisenfest zu machen.

Ich wünsche euren Beratungen einen guten Verlauf und bedanke mich für eure Aufmerksamkeit

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