DAS HOFZEREMONIELL DER MING
Von Peter Greiner, Freiburg
Das Interesse der sinologischen Forschung an dem für das konfuzianisch ge¬
prägte China so bedeutsamen und charakteristischen System der Riten (li ;|;^ )
ist in den letzten Jahrzehnten nicht sehr groß gewesen. Man hat sich zwar noch
mit dem religiösen Aspekt dieses Begriffes befaJät und ihn in einer Reihe von
Arbeiten über die chinesische Religion behandelt. Aber die mehr profane Sei¬
te ist weitgehend aus dem Blickpunkt gerückt. Im wesentlichen stehen dafür
nur die Übersetzungen der kanonischen Schriften des Konfuzjanismus und die
Berichte früherer Sinologengenerationen aus unmittelbarer Beobachtung zur
Verfügung. Dieses Desinteresse an dem profanen Aspekt der Riten ist aller¬
dings nicht erstaunlich, da sich hauptsächlich der Historiker des Themas an¬
nehmen müßte. Er findet jedoch hier sein vorwiegendes Bedürfnis nach Er¬
kenntnis der Ursachen der Entstehung und des Vergehens sich wandelnder Er¬
eignisse nicht befriedigt, da auf diesem Gebiet nur wenig Veränderungen in
kurzen Zeiträumen zu erwarten sind (l).
1. Die wichtigsten Quellen
Ein gleiches Desinteresse ist auch für die chinesische Geschichtsschreibung
festzustellen. Auch sie hat sich offensichtlich mehr und lieber mit anderen
Themen beschäftigt (2). Aber dieser Sachverhalt kann über die Fülle des den¬
noch zur Verfügung stehenden Quellenmaterials täuschen. Werfen wir nur ei¬
nen Blick in die amtliche Geschichtsenzyklopädie über die Ming-Zeit, das
Ming-shih ( 8fl j£ ): Von den insgesamt 332 Kapiteln dieses Werkes sind 75
sogenannte Aufzeichnungen oder Monographien (chih ) den mehr oder we¬
niger gleichbleibenden Erscheinungen der Geschichte gewidmet; allein 14 Ka¬
pitel von diesen handeln über die Riten. Mit den eigens und ausdrücklich als
Ritenkapitel bezeichneten Teilen des Ming-shih stehen aber andere in engstem
Zusammenhang, nämlich: 3 Kapitel mit Aufzeichnungen über die Musik (yüeh-
chih %i: ), 1 Kapitel über die Zeremonialgarden (i-wei chih ^ *^ )
und 4 Kapitel über Zeremonialgeräte, Wagen, Gewänder, Palastanlagen usw.
(yü-fu chih ^ ). In einem weiteren Zusammenhang mit den Riten¬
kapiteln stehen noch 3 Kapitel über die Astronomie (t'ien-wen chih ^'^^ ),
3 Kapitel über die Mantik (wu-hsing chih 5. IT ) und 9 Kapitel über das
Kalenderwesen (li-chih 1^ ^ )• Damit handeln also insgesamt 22 Kapitel
direkt von den Riten, und einschließlich der nur in loserem Zusammenhang
damit stehenden sogar 37 Kapitel von insgesamt 75 Monographien (3).
Die 14 Ritenkapitel des Ming-shih sind nach Sachgruppen unterteilt: Kap.
1-6 der Riten (MS 47-52) handeln von den Opfer- und Segensriten (chi-li* );
Kap. 7-10 (MS 53-56) vom Zeremoniell bei Festlichkeiten, z.B. Thronbester-
gung, Audienzen, Empfängen, Ernennungen usw. (chia-li ^a^t. )» amEnde
des 10. Kapitels (MS 56, S. llaff. ) finden sich die Etikette für den Empfang
von Staatsgästen bei Hofe, aber auch die beim Besucherempfang von Beamten
und gewöhnlichen Leuten aus dem Volk zu beachtenden Sitten (pin-li )•
Kap. 11 (MS 57) handelt von militärischem Zeremoniell, das allerdings im¬
mer nur auf den Kaiser bezogen ist (chün-li '^4f ); Kap. 12-14 (MS
58-60) handeln von den Trauerriten (hsiung-li \i{ if )• - Von diesen Ka¬
piteln sind nur die über das Zeremoniell bei Festlichkeiten und beim Gäste¬
empfang von Bedeutung für das Hofzeremoniell der Ming im engeren Sinne;
natürlich könnten hier auch noch die Trauerriten und das militärische Zere¬
moniell einbezogen werden. Die Opferriten sollten dagegen als spezifisch re¬
ligiöse Kulthandlung, auch wenn sie vom Kaiser als Pontifex Maximus voll¬
zogen wurden, nicht in den Begriff "Hofzeremoniell" eingeschlossen werden.
Die Bitenkapitel des Ming-shih bieten natürlich nur einen allgemeinen Uber¬
blick über dieses Gebiet, wenn auch ihr Umfang im ganzen schon sehr be¬
trächtlich ist. Einen großen Schritt weiter führt als zeitlich näher am Gegen¬
stand liegende und mehr an Einzelheiten bietende Quelle das Ta Ming hui-tien
( A^'^^i^ ) (4). Dieses Werk enthält die gesammelten Dienstvorschriften
aller Zivil- und Militärbehörden der Ming. Die Regelungen zu den Riten und
damit auch zum Hofzeremoniell finden sich hier in den Kapiteln zu den noch
zu nennenden Ämtern und Militärorganisationen. In groben Zügen ist aus dem
Ta Ming hui-tien ebenso wie auch schon aus dem Ming-shih zu erkennen, wie
diese Regelungen im Laufe der Zeit entstanden sind und weiterentwickelt wur¬
den. Zwar lassen sich neben den beiden genannten Werken noch andere ähn¬
liche zu Rate ziehen (5), aber wenn man darüberhinaus noch weiter den Ein¬
zelheiten der Entstehung und Entwicklung nachgehen will, bleibt nur die Suche
nach einschlägigen Eintragungen in dem großen Annalenwerk der Ming Shih-lu
( 9)^ 4^ ) übrig. Dort finden sich die Eingaben an den Kaiser zur Fest¬
legung bzw. Veränderung der Regelungen, Erörterungen in Rede und Gegen¬
rede usw. verzeichnet, so daß sich auch einiges über die Begründung einzel¬
ner Bestimmungen erfahren ließe. Außerdem könnte man aufgrund der Schil¬
derungen tatsächlich vollzogener Zeremonien ein lebendigeres Bild über den
jeweiligen Anlaß, die Begleitumstände und nicht zuletzt auch den eigentlichen
Sinn des ganzen gewinnen (6). - Einiges Anschauungsmaterial über die Auf¬
stellung der verschiedenen Gruppen, die am Hofzeremoniell teilnahmen, so¬
wie über die dabei gebrauchten Gewänder, Gerätschaften und Gefährte findet
sich in der Enzyklopädie San-ts'ai t'u-hui ( .H./l"!®'^ ) (7).
Vielleicht erscheint die Erörterung der Quellen in diesem Rahmen trotz an¬
gestrebter Knappheit immer noch als zu ausführlich. Es soll jedoch damit ge¬
zeigt werden, ein wie weites Feld die Sinologie hier bisher brachliegen ließ.
Obschon man in anderen Fachrichtungen erheblich größere Schwierigkeiten
beim Auffinden und Erschließen von Quellenmaterial hatte, liegen dort bereits
wesentlich ausführlichere Studien über das Hofzeremoniell anderer Zeiten und
Herrscherhäuser vor als in der Sinologie über das an den chinesischen Kaiser¬
höfen (8).
Aufgrund der überreichen Fülle war bei der Heranziehung der Quellen für die
folgenden Ausführungen eine straffe Beschränkung notwendig. Im wesentlichen
wurden die Abschnitte der Ritenkapitel des Ming-shih über die Thronbestei¬
gung, die Großen Hofaudienzen und die regelmäßigen Hofaudienzen sowie der
Abschnitt über die kaiserlichen Gewänder benutzt.
2. Die am Hofzeremoniell beteiligten Behörden
Die Wertschätzung und Bedeutung der Riten im konfuzianischen Kaiserreich
Chinas zeigt sich deutlich an der Zahl der Behörden, die direkt oder indirekt
an deren Durchführung beteiligt waren (9).
1. Das Ritenministerium (li-pu ) - eins der sechs Ministerien -
mit den Abteilungen für Zeremoniell, für Opfer, für Gästeempfang und
für Materialbeschaffung (i-chih- , tz'ü-chi-, chu-k'o- und ching-shan
ch'ing-li szu ( ^l^.^l i^iJt*: ) (10). Dem Ri¬
tenministerium unterstellt waren:
a) das Kurieramt (hsing-jen szü A ) zum Uberbringen kaiser¬
licher Befehle, Patente, Belehnungen, Grabopfer, Gesandtschaften
etc. (ll),
b) das Siegelstecheramt (chu-yin chü ß\ ) (l2),
c) das Musikamt (chiao-fang szü i^/S i] ) (l3).
Eng in Zusammenarbeit mit und unter indirekter Kontrolle des Ritenmini¬
steriums standen:
2. das Staatsopferamt (t'ai-ch'ang szü ^ '.f "tf ) für die Opfer an Him¬
mel und Erde, Sonne und Mond, den göttlichen Landmann, die früheren
Könige und Kaiser, die Getreidegottheiten und in den kaiserlichen Mau¬
soleen (14), - sowie
3. das Truchseßamt (kuang-lu szü ), welches die Speisen und
Getränke für die Opfer, Festbankette usw. vorbereiten ließ (l5), und
4. der Hof für das Staatszeremoniell (hung-lu szü ), welcher
die Zeremonienmeister, Palastordner und Helfer stellte (l6).
Diese allein mit den Riten und dem Zeremoniell befaßten Amter waren
zwar entsprechend ihrem geringeren Aufgabenumfang kleiner als andere Be¬
hörden im gleichen Rang; aber sie waren doch mit verhältnismäßig hohen
Rängen ausgestattet.
Indirekt mit dem Hof zeremoniell befaßt waren:
5. die Abteilung für die Staatswagen (chü-chia ch' ing-li szü ^%\>% )
im Kriegsministerium (ping-pu ^ ), welche die Leibwache und die
Zeremonialgarden auszurüsten hatte (l7), und
6. die Abteilung für Bau- und Fabrikationsarbeiten (ying-shan ch'ing-li
szü ) im Arbeitsministerium (kung-pu X^f) (l8),
welche in Zusammenarbeit mit den Fabrikationsbüros (chü ^ ) der
Eunuchenämter (l9) die Zeremonialgeräte etc. herstellen ließ.
Weiterhin ist zu nennen:
7. der Hauptuntersuchungshof (tu ch'a-yüan ^ ft. ), der Untersu¬
chungszensoren ( chien-ch ' a yü-shih ^'^^'^^ ) zur Überwachung
der Einhaltung des Zeremoniells und der allgemeinen Disziplin ab¬
ordnete (20); dabei wurden diese Zensoren von Palastordnern des Ho¬
fes für das Staatszeremoniell unterstützt.
8. Im Hofzeremoniell nahm auch das Militär einen bedeutenden Platz ein.
Von den 22 dem Kaiser unmittelbar unterstehenden Persönlichen Trup¬
pen (ch'in-chün ) waren die Brokatuniform-Brigade (chin-i wei
t^M'^t'i ), die Fahnenträger-Brigade (ch'i-shou wei ) und
die Chin-wu-Brigade (chin-wu wei ^ ^ %1 ) die bedeutendsten und
nahmen als Leibwachen, Zeremonialeskorten und Palastwachen wichtige
Funktionen wahr. Daneben gab es auch noch einige Spezialformationen
aus den Militärlagern der Hauptstadt (ching-ying ;f; ^ ) (21).
Die bisher genannten Ämter und Organisationen wurden nur für das Zere¬
moniell im offiziellen Teil des Palastes und auch außerhalb desselben heran¬
gezogen. Für das Zeremoniell im inneren und mehr privaten Teil des Palastes
waren die Eunuchenämter und die Hofdamenämter zuständig (22). Das gilt so¬
wohl für Zeremonien, in deren Mittelpunkt die Person des Kaisers stand, als
auch und vornehmlich für solche Zeremonien, in deren Mittelpunkt die Kaiser¬
innen, kaiserlichen Nebenfrauen, Prinzessinnen usw. standen. - Dieser im
privaten Bereich des Palastes abgehaltene Teil des Hof Zeremoniells ist auch
nur aus Regelungen bekannt, die sich auf Festlichkeiten beziehen, die in der
Hauptsache im offiziellen Teil des Palastes abgehalten wurden. Über das Hof¬
zeremoniell im privaten Bereich zu gewöhnlichen Zeiten sind sonst nur spär¬
liche Informationen zugänglich (23).
3. Die Hauptmerkmale des Hofzeremoniells der Ming
Im Mittelpunkt der weitaus meisten rituellen Handlungen des chinesischen
Staates stand der Kaiser als Oberster Priester und Herrscher. Die priester¬
iiche Rolle des Kaisers als Pontifex Maximus soll hier außer Betracht blei¬
ben und allein das Hofzeremoniell als Ausdruck monarchischer Repräsenta¬
tion (24) im profanen Bereich in den Blickpunkt gerückt werden. Es sei aber
klar vermerkt, daß jedem bedeutenderen Hofzeremoniell eine religiöse Kult¬
handlung vorausging und somit auch dem profanen Bereich eine gewisse Weihe
verlieh.
a) Die Stellung des Kaisers
Nach der konfuzianischen Anschauung leitet der chinesische Kaiser die Le¬
gitimation seiner Herrschaft vom Mandat des Himmels ab, das ihm als dem
würdigsten der Menschen zuteil wurde. In der Praxis bedeutet das, daß der
politisch und militärisch stärkste Machthaber oder ganz einfach der in einer
etablierten Dynastie zum Kronprinzen bestimmte Thronerbe an die Spitze des
Reiches trat. Folglich gab es auch keinen Höher- oder Gleichgestellten, aus
dessen Hand der Kaiser Würde und Amt entgegenzunehmen hatte, wie etwa
der Papst oder die Kaiser des europäischen Mittelalters. Ihm wurde von der
Schar der Beamten und Offiziere und von Vertretern der Ältesten aus dem
Volk eine Bittschrift überreicht, in der er gebeten wurde, den Thron zu be¬
steigen (25). Der erste Ming-Kaiser T'ai-tsu ließ zur Erstbesteigung seinen
Thron am Himmelsaltar vor der Hauptstadt aufstellen. Die späteren Kaiser
der Ming-Dynastie haben den Thron im Palast bestiegen. Folglich war damit
wohl nur der Anspruch auf die Gründung einer neuen Dynastie nach Ablösung
der alten zum Ausdruck gebracht (26). Der erste Ch'ing-Kaiser hat das
nicht getan; von früheren Dynastien ist diese Sitte nicht bekannt (27). Bei
der erstmaligen Thronbesteigung T'ai-tsu's waren die höchsten Reichsbe¬
amten beim Anlegen der kaiserlichen Gewänder und des Perlenschnurbaretts
behilflich. Da sie sich dabei nur in demütiger Haltung der Person des Kai¬
sers nähern durften, kann das Anlegen der Gewänder nicht als symbolische
Handlung zur Verleihung der Kaiserwürde angesehen werden (28). Überhaupt
fehlt jede Übergabe von Herrschaftssymbolen oder Reichsinsignien; auch dem
kaiserlichen Gewand, das im Grundmuster dem Zuschnitt der Amtstracht der
hohen Beamten völlig gleich war, kam diese Bedeutung nicht zu, - es ist eher
die Amtstracht des höchsten Würdenträgers des Reiches, um nicht gar den
Ausdruck "Uniform mit dem höchsten Rangabzeichen" zu gebrauchen (29).
Auch der Kaiserthron scheint eine solche sinnbildliche Funktion nicht ge¬
habt zu haben.
Dennoch war die Stellung des Ming-Herrschers durch andere äußerlich
sichtbare Merkmale deutlich hervorgehoben. Gewöhnlich stand der Thron in
einer der Palasthallen. Der Thron in der Haupthalle des Palastes stand in
zwei Meter Höhe auf einer Stufenterrasse und war durch einen Vorhang ver¬
deckt. Der Vorhang wurde immer erst dann aufgerollt, wenn der Kaisersich
auf den Thron gesetzt hatte. Die Palasthalle durfte gewöhnlich nur von den ho¬
hen Beamten und Offizieren, von der Leibwache und von Palastordnern betre¬
ten werden. Vor dem Palast, der auf einer etwa 10 Meter hohen Terrasse
stand, schob sich die Terrasse in drei Stufen 40 Meter weit nach Süden in den
Vorhof hinein. Der nahezu quadratisch angelegte Vorhof, der ringsherum von
Gebäuden und Mauern umschlossen war, maß etwa 170-180 Meter in der Länge
und Breite. Hier versammelte sich die übrige Schar der Beamten und Offi¬
ziere zur Audienz. Unter diesen Umständen war der Kaiser bei den Hofver¬
sammlungen den Blicken der weitaus meisten Teilnehmer ehtrückt und konnte
nur von einigen Auserwählten wahrgenommen werden (30). Die Einzigartig¬
keit der Stellung des Kaisers wurde in der Ming-Zeit noch dadurch unterstri¬
chen, daß die Kaiserin bei den Audienzen für die Schar der Beamten nicht zu¬
gegen sein und auch niemals neben dem Kaiser auf dem Thron sitzen durfte (3l)
Obschon das ganze Hofzeremoniell auf die Person des Kaisers allein ausge¬
richtet war, fiel ihm außer der Repräsentation seiner Persönlichkeit im Mit¬
telpunkt der Handlung keine weitere Aufgabe oder Funktion zu; im Grunde
wurde sogar jede naturnotwendige Bewegung des Kaisers, wie z.B. das An¬
legen der Kaiserlichen Tracht, der Einzug in den Palast oder die Schritte zum
Thronsitz hinauf vor der Masse der Versammelten möglichst verborgen ge¬
halten, indem dabei der Kaiser niemals in Person sichtbar wurde. So erscheint
der Kaiser als der ruhende Pol des Geschehens, der allein seinen Blick über
die Schar der Versammelten hinweg nach Süden gerichtet hielt, während die
Blicke der Hofversammlung alle nach Norden in Richtung auf ihn gewandt waren
Ohne zu handeln nahm er die Ausstrahlung des himmlischen Prinzips auf und
ließ sie auf seine Untertanen zurückstrahlen. Als sichtbares Zeichen seiner
letztgültigen Entscheidungsgewalt über alle Angelegenheiten im Reiche stand
vor dem Thron auf einem Tisch das Kaiserliche Siegel, das von einem eigenen
Amt aufbewahrt und dort aufgestellt wurde (32).
b) Die Teilnehmer an der Hofversammlung
Bevor sich der Kaiser auf den Thron begab, hatte sich die Hofversammlung
bereits eingefunden. Ein Paukensignal gab das Zeichen zur Aufstellung vor
dem Mittagstor (wu-men ^ )> dem südlich gelegenen Eingangstor zur
Verbotenen Stadt (33). Beim zweiten Paukensignal zogen die Versammelten
unter dem Klang der Musik des Hoforchesters durch Seitentore in den Vorhof
vor dem Feng-t'ien-Tor oder durch dieses Tor hindurch bis in den Vorhof vor
dem Feng-t'ien-Palast, der Haupthalle der ganzen Palastanlage (34). Dort
blieben sie nach Norden gewandt stehen. Dann zog beim dritten Paukensignal
eine Abordnung der höchsten Beamten zum Hua-kai-Palast, der hinter der
Haupthalle stand (35). Dort wurde der Kaiser nach fünf Verbeugungen gebe¬
ten, sich auf den Thron zu begeben. Der Kaiser wurde dann unter dem Spiel
des Hoforchesters in einer Sänfte zum Thron geleitet. Sobald der Kaiser dort
Platz genommen hatte, wurde der Vorhang vor dem Thron aufgerollt, und vier
Konstabier der Leibwache ließen vor der Thronhalle die Signalpeitschen knal¬
len. Daraufhin gingen die Ordner des Hofes für das Staatszeremoniell daran
die Reihen der Beamtennach Rängen geordnet auszurichten. Die Beamten
wurden in zwei Reihen so aufgestellt, daß der von Süden nach Norden genau
durch die Mitte des Mittagstores und des Feng-t'ien-Tores auf die Mitte des
Feng-t'ien-Palastes zulaufende Innere Pfad (nei-tao ) (36) freiblieb.
Dieser Pfad durfte nur von der kaiserlichen Sänfte benutzt werden. Nach der
Einzugsordnungstand vornean die Leibwache mit ihren Offizieren, die zu¬
erst einzogen. Ihnen folgten die in der Nähe des Kaisers diensttuenden Be¬
amten und Offiziere. Dann folgten die Träger von Adelstiteln - zumeist Mili¬
tärs - , dann die hohen Offiziere der fünf Generalinspekteurs-Quartiere (wu-
chün tu-tu fu), und dann erst die Beamten der sechs Ministerien, der Haupt-
stadtpräfektur und schließlich die Beamten aller übrigen Behörden der Haupt¬
stadt. Das Fehlen der meisten Offiziere läßt sich zum Teil mit dem ständigen
Wachdienst zur Sicherung der Hauptstadt und des Palastes erklären. Zur Pa¬
last- oder Torhalle, in der der Thron aufgestellt war, hatten nur folgende Be¬
amte Zutritt: In der östlichen Reihe, an der bevorzugten Seite links vom Kai¬
ser, standen die leitenden Beamten des Inneren Kabinetts (früher die des
Premierministeriums) (37), der sechs Ministerien und des Hauptuntersu¬
chungshofes, die siegelführenden Zensoren der 13 Kontrollbereiche, die Be¬
amten der Reichsregistratur (t'ung-cheng szu), des Obersten Rechtshofes
(ta-li szü), des Staatsopferamtes, des Hofes der Gestütsverwaltung (t'ai-
p'u szü), der Hauptstadtpräfektur, der Han-lin-Akademie, des Erziehungs¬
amtes für den Kronprinzen (chan-shih fu), des Truchseßamtes, des Kaiser¬
lichen Siegelamtes (shang-pao szü), des Amtes der Leibärzte (t'ai-i yüan)
die Auditeure der fünf Generalinspekteurs-Quartiere sowie die Beamten des
Hauptstadt-Landkreises; in dieser Reihe standen auch die Hofprotokollanten
(ch'i-chü chu kuan % 'g ). - In der westlichen Reihe standen vor¬
wiegend die hohen Offiziere, nämlich die Generalinspekteure der fünf Quar¬
tiere, die Kommandeure der Brokatuniform-Brigade, welche die Geheim¬
polizei stellte, - die siegelführenden Kommandeure jeder Brigade der Haupt¬
stadt und von den Zivilbeamten die Revisoren (chi shih-chung) und die Schrei¬
ber im Zentralsekretariat (chung-shu sheh-jen) (38). Auch die leitenden Be¬
amten des Hofes für das Staatszeremoniell hatten Zutritt zur Thronhalle, aber
sie stellten sich wohl nicht in den genannten Reihen auf, weil ihnen die Lei¬
tung des Zeremoniells oblag (39).
Die Eunuchenbeamten durften nach den amtlichen Regelungen nicht am Hof¬
zeremoniell im offiziellen Teil des Palastes teilnehmen. Aus der Geschichte
der Ming-Dynastie ist aber bekannt, daß sie häufig und in naher Stellung zum
Kaiser zugegen waren. Den bedeutendsten Eunuchen wurde sogar der Triumph
zuteil, den Kaiser zu vertreten. In welcher Form dann die eigentlich dem
Kaiser zugedachten Ergebenheitsbekundungen vonstatten gingen, ist noch nicht
genau bekannt. Wahrscheinlich hat man sich so verhalten, als ob der leere
Thron besetzt wäre, was leicht möglich war, da der Kaiser im Zeremoniell
keine aktive Funktion hatte. Auf keinen Fall haben die Eunuchen oder ande¬
re Stellvertreter des Kaisers sich auf den Thron begeben dürfen. Wenn der
Kronprinz anstelle des Kaisers die Audienzen abhielt, gab es dafür jeweils
ein eigenes Zeremoniell (40).
c) Huldigung und Ergebenheitsbezeugung an den Kaiser
Als Ming T' ai-tsu auf dem Gelände des Himmelsaltars in Nanking erst¬
mals den Thron seiner neugegründeten Herrschaft bestieg, wurden ihm so¬
wohl von den Beamten und Offizieren als auch von den Ältesten aus der Be¬
völkerung der Hauptstadt an Ort und Stelle Glückwünsche dargebracht. Be¬
amte, Offiziere und Älteste führten dann gemeinsam einen wohl zeremoniell
geregelten Tanz (wu-tao * S5 ) auf und ließen dreimal den Hochruf "Wan¬
sui ( :i, ^ )!" erschallen (4l). Der Hochruf bedeutet etwa: Zahllose Jahre
soll der Kaiser leben! Bei der unmittelbar darauf im Palast nochmals statt¬
findenden Ergebenheitsbezeugung waren dann wie gewöhnlich auch später
keine Vertreter aus dem Volk zugegen.
Das Zeremoniell der Huldigung oder der Ergebenheitsbezeugung im Pa¬
last wurde vollzogen anläßlich der Thronbesteigung eines neuen Kaisers und
bei den Großen Hofaudienzen am Neujahrstage, zur Zeit der Wintersonnen¬
wende und am Geburtstage des Kaisers. - Bei den regelmäßigen Audienzen
am Neumonds- und am Vollmondstage sowie bei Arbeitskonferenzen und an¬
deren Gelegenheiten sah das Zeremoniell nur eine verhältnismäßig knappe
Ehrerbietungszeremonie vor.
Wenn die Versammlungsteilnehmer sich alle mit Hilfe der Ordner auf ihre
Plätze in den Reihen begeben hatten, verharrten sie zunächst stehend. Auf
den Ruf der Ordner hin vollzogen sie dann unter den Klängen des begleitenden
Hoforchesters vier Verbeugungen. Dann trugen einige Beamte mit Hilfe von
Ordnern die Glückwunschadressen aller Behörden und Beamten vom Vorhof
in die Thronhalle hinein und gingen dann wieder auf den Vorhof zurück. In
der Thronhalle wurden die Adressen von anderen Beamten entgegengenommen
und mit Hilfe der Ordner in der Halle geöffnet und kniend verlesen. Nach der
Verlesung gingen auch diese Beamten auf den Vorhof zurück. Danach verbeug¬
ten sich alle Versammelten wieder viermal, begleitet von den Klängen des
Hoforchesters. Es folgte ein Tanz. Anschließend stimmten die Ordner die Hoch¬
rufe an, die von der ganzen Versammlung dreimal erwidert wurden. Danach
vollzog die ganze Versammlung unter den Klängen der Musik den Kotau (Stirn¬
aufschlag) und verbeugte sich noch einmal viermal. Dann kniete die ganze Ver¬
sammlung nieder, und ein Sprecher aus ihrer Mitte begab sich auf die Stufen
zur Thronhalle und hielt eine kurze Glückwunschrede mit einigen vorgeschrie¬
benen Formeln. Dann folgten wieder Niederwerfung und Verbeugung. Schlie߬
lich reichte der Hof für das Staatszeremoniell eine Eingabe mit der Mitteilung
ein, daß das Zeremoniell beendet sei. Daraufhin wurden die Signalpeitschen
betätigt, und die Kaiserliche Sänfte verließ unter den Klängen des Hoforche¬
sters die Versammlung. Wenn das Hoforchester geendet hatte, zogen die Ver¬
sammelten aus.
Bei den regelmäßig am Neumonds- und am Vollmondstage abgehaltenen Hof¬
versammlungen und bei den Arbeitssitzungen erschien der Kaiser in einem
einfacheren Gewand und trug eine lederne, kegelförmige Kappe. Das Zere¬
moniell zur Ergebenheitsbezeugung wurde stark vereinfacht, und es wurden
vor allem keine Glückwunschadressen verlesen. Bei den Beratungen durften
die Beamten sitzen, und nur wer eine Eingabe zu machen hatte blieb stehen.
Im Vollzug des Zeremoniells war den Teilnehmern, wie sich zeigte, kein
Raum für spontane Äußerungen gegeben. Jede Bewegung und jede Kundgebung
waren in Zeitpunkt und Ablauf genau vorgeschrieben, und vom Anfang bis zum
Ende wurde die Versammlung von den Ordnern gegängelt und von Zensoren
und Ordnern streng beaufsichtigt.
d) Die Sicherheitsvorkehrungen
Das Bild des Hofzeremoniells der Ming wäre unvollständig, wenn nicht
wenigstens in kurzen Zügen auf die äußeren Umstände, unter denen es sich
vollzog, eingegangen würde.
Die Hauptstädte Peking und Nanking (42) waren riesige Festungen. In
Peking war die sogenannte Innere Stadt mit den Kaiserlichen Palästen durch
eine hohe Mauer von der Äußeren Stadt für die gewöhnliche Bevölkerung ab¬
getrennt. Der offizielle für die Hofversammlungen bestimmte Teil des Pa¬
lastes war ebenfalls von hohen Mauern umgeben. In Peking waren mindestens
400.000 Mann und in Nanking mindestens 270.000 Mann Soldaten stationiert (43)
Allein etwa zwanzig Brigaden zu gewöhnlich 5.600 Mann waren für den Wach¬
dienst auf den Mauern von Peking bestimmt (44). Bei den Großen Hofkonfe¬
renzen standen in der Thronhalle allein mindestens 140 Leibwächter. Weit über
50 Mann sicherten die Thronhalle von außen. Über 140 Mann sicherten die Ter¬
rassen und Balustraden vor der Thronhalle, und über 4.000 Mann standen auf
dem Vorhof. Bei den gewöhnlichen Audienzen waren immer noch über 2.000
Mann auf dem Vorhof. Die gesamte Hofwache war aus 5-6 Kontingenten zu¬
sammengesetzt, die in einzelne Trupps aufgeteilt und so untereinander ver¬
mischt aufgestellt wurden: dadurch drängt sich die Vermutung auf, daß sie
nicht nur die Hofversammlung sondern auch sich gegenseitig bewachen soll¬
ten. Die Wachsoldaten, die in unmittelbarer Nähe zu den im Vorhof versam¬
melten Audienzteilnehmern standen, hielten ihre Waffen einsatzbereit in der
Hand und konnten so aus dem Stand losschlagen. Um Eindringlinge am Be¬
treten des Palastes zu hindern, wurden von der Brokatuniform-Brigade zu¬
sammen mit Zensoren und Revisoren Kontrollen an den Zugängen durchge¬
führt. Diese Brigade ließ auch in der Versammlung Spitzel einsetzen (45).
Ohne Zweifel dienten die Zeremonialgarden und Zeremonialeskorten der
Leibwachen mit prächtigen Uniformen, Zeremonialwaffen, Fahnen und Em¬
blemen sowie mit der Aufstellung der von ihnen geführten Prunkwagen, Ele¬
fanten und Pferde auch zur Entfaltung von Pomp und Glanz. Aber wie die
Prachtentfaltung selbst ein Mittel der Einschüchterung sein kann und oft auch
tatsächlich ist, so konnte sie doch nicht über die durch den Aufmarsch eines
so gewaltigen Leibwachenaufgebotes zum Ausdruck gebrachte Drohung hinweg¬
täuschen (46).
4. Zusammenfassung
Aus der Betrachtung des Hofzeremoniells der Ming ergibt sich mit genü¬
gender Deutlichkeit, daß die Ming-Herrschaft sich kaum auf eine breite Zu¬
stimmung im Volke oder auch nur in seiner eigenen Beamtenschaft und in
seinem Militär als tragende Stütze verlassen mochte. Zur eigenen Verge¬
wisserung und zur Indoktrination und Einschüchterung der Untergebenen wur¬
de daher die äußerliche Kundgebung einer solchen Zustimmung durch straffe
Regelungen geboten und mit Hilfe eines Systems der Gängelung, Kontrolle
und Drohung durchgesetzt. Ähnlich wie sich unter der Herrschaft der Ming
die widerstreitenden politischen Kräfte gegenseitig im Gleichgewicht hielten
und dem Kaiser die Rolle eines unbeteiligten und seine Gunst nach bloßer Will¬
kür vergebenden Zuschauers gestatteten, so war dem Kaiser auch im Hof¬
zeremoniell diese Rolle des unbeteiligten und über alles erhabenen Betrach¬
ters gestattet. Paradoxerweise ergab sich daraus, daß die Institution des
Kaisertums in diesem System zwar unentbehrlich und damit nahezu vollständig
vor Bedrohungen von innen gesichert war; aber die Person des Kaisers war
dabei durchaus entbehrlich und eigentlich ohne Schwierigkeiten ersetzbar. So
konnten sich die verschiedenartigsten Persönlichkeiten auf dem Kaiserthron
der Ming halten, und ob ihre Herrschaft ein Glück oder ein Verhängnis für
ihre Untertanen war, hing weitgehend von ihrer Willkür ab. Insofern war das
Hofzeremoniell der Ming keineswegs nur ein höfisches Spiel abseits der rau¬
hen fxslitischen Wirklichkeit, sondern ein nicht unwichtiges Instrument zur
Konstituierung und Erhaltung der Herrschaft.
Anmerkungen
1. Siehe die Übersetzungen des Li-chi und des I-li von S. Couvreur und
Richard Wilhelm.
In den allerdings schon etwas veralteten Forschungsberichten von Herbert
Franke: Sinologie, Bern: Francke 1953 (Wiss. Forschungsber. , Geistes-
wiss. Reihe, Bd. 19, Orientalistik I. Teil), S. 86-106, und von Wolfgang
Franke: Der gegenwärtige Stand der Forschung zur Geschichte Chinas
im 15. und 16. Jahrhundert, Z. Saeculum 7, 1956, S. 413-441 wird
dieses Thema kaum gestreift.
2. Man vergleiche dazu nur z.B. bei Wolfgang Franke: An Introduction to
the Sourees of Ming History, Kuala Lumpur: Univ. of Malaya Pr. 1968,
S. 189f., wieviele Spezialwerke über die Riten der Ming und wieviele über
andere Gegenstände von Chinesen aus der Kaiserzeit geschrieben wurden.
3. Zur Gliederung der 24 bzw. 25 Dynastiegeschichten vgl. : Charles S.
Gardner: Chinese Traditional Historiography, Cambridge, Mass. : Harvard
Univ. Pr. 1961 (revised ed. ), S. 98f.
4. Hier wurde das Ta Ming hui-tien (im folgenden: TMHT) der Ausgabe von
1587 im Nachdruck des Hua-wen shu-chü, Taipei 1964, benutzt, das Ming-
shih (im folgenden: MS) wurde erst in der Ch'ing-Zeit im Jahre 1736 ab¬
geschlossen und im Jahre 1739 erstmals veröffentlicht. - Vgl. W. Franke:
An Introduction, S. 48f. und S. 178 (Nr. 2.1.9 u. 6.1.2).
5. Vgl. Anm. 2. - Siehe auch die in MS 47, S. 2a genannten Werke über die
Riten.
6. Zur leichteren Auffindung einschlägiger Stellen in den Ming Shih-lu emp¬
fiehlt sich die Durchsicht des Kuo-ch'üeh - ein Werk, das man als eine
Kurzfassung der Shih-lu bezeichnen könnte. Besonders geeignet ist die
sehr übersichtlich gestaltete Ausgabe des Ku-chi ch'u-pan sheh, Peking
1958. - Vgl. W. Franke: An Introduction, S. 30ff. und S. 38 (Nr. 1.1. iff.
und 1.3.7).
7. Vgl. dazu W. Franke: An Introduction, S. 312 (Nr. 9.2.2.).
8. Als Beispiele seien hier nur drei Werke genannt: Andreas Alföldi: Die
monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreich, Darmstadt:
Wiss. Buchges. 1970. - Otto Treitinger: Die oströmische Kaiser- und
Reichsidee nach ihrer Gestaltung im höfischen Zeremoniell, Jena 1938
(Diss.), Nachdr. Darmstadt: Wiss. Buchges. 1969. - Konrad Dilger:
Untersuchungen zur Geschichte des osmanischen Hofzeremoniells im 15.
und 16. Jahrhundert, München: Rudolf Trofenik 1967 (Diss.).
9. Siehe: CO. Hucker: Governmental Organization of the Ming-Dynasty,
HJAS 21, 1958, S. 33f.
10. Siehe: MS 72, S. 16bff .; TMHT 43-117 = Bd. 2, S. 803ff.
Ii! Siehe: MS 73, S. 15af. ; TMHT 117, S. 12af. = Bd. 3, S. 17021.
12! Seihe: MS 72, S. 16b.
13. Siehe: MS 74, S. 23b; TMHT 104, S. 9aff. = Bd. 3, S. 1579ff.
14'. Siehe: MS 74, S. Ibff; TMHT 215 = Bd. 5, S. 2873ff.
15! Siehe: MS 74, S. 4aff .; TMHT 217 = Bd. 5, S. 2891ff.
le! Siehe: MS 74, S. 7bf .; TMHT 219 = Bd. 5, S. 2909«.
17! Siehe: MS 72, S. 20bff .; TMHT 140-144 = Bd. 4, S. 1983ff.
18^ Siehe: MS 72, S. 28aff. ; TMHT 181-186 = Bd. 5, S. 2479ff.
19. Siehe: MS 74, S. 24aff .; Heinz Friese: Das Dienstleistungssystem der
Ming-Zeit (1368-1644), Hamburg 1959 (MOAG, Bd. XXXV A), S. 122«.
20. Siehe: MS 73, S. la«. ; TMHT 211, S. 13b«. = Bd. 5, S. 2823f.
21. Siehe: MS 76, S. 6af; 8a«.; 89, S. IIa«.; TMHT 228 = Bd. 5, S. 3001«.;
Peter Greiner: Die Brokatuniform-Brigade (chin-i wei) der Ming-Zeit
von den Anfängen bis zum Ende der T'ien-shun-Periode (1368-1464),
Wiesbaden: Harrassowitz 1975, S. 132ff.
22. Siehe: MS 74, S. 24aff. (huan-kuan) u. S. 32aff. (nü-kuan); O.O. Hucker:
Governmental Organization, S. lOf. u. 24ff. - Der Ausschluß der Kaiserin
vom Empfang der Beamten bei der Hofaudienz war nicht zu allen Zeiten
üblich. Außerdem kam es auch vor, daß eine Kaiserin als Regentin für
ihren unmündigen Sohn eingesetzt wurde. Siehe: MS 53, S. Hb; zur Re¬
gentschaft siehe: MS 10, S. la und 113, S. lOaf.
23. Siehe: MS 53, S. llbff.; TMHT 43, S. 15bff. = Bd. 2, S. 810«. - Uber
das Leben im Palastinneren gegen Ende der Ming-Zeit informiert das Cho-
chungchihdes Liu Jo-yü; vgl. W. Franke: An Introduction, S. 104 (Nr.
4.2.7.).
24. Dieser Ausdruck wurde von A . Alföldi übernommen. Vgl. Anm. 8.
25. Vgl. dazu die Eintragungen des Ming Shih-lu über die Vorgänge vor einer
Thronbesteigung.
26. Siehe: MS 2, S. la; 53, S. lb; TMHT 45, S. lb = Bd. 2, S. 839; (Ming)
T'ai-tsu Shih-lu 29, S. la = Bd. 2, S. 477 (Nachdr. des Chung-yang
yen-chiu yüan, Taipei 1968, 2. Aufl.).
27. Siehe: Ta-Ch'ing Shih-tsu chang-huang ti shih-lu 9, S. lb = Bd. 1, S.
103 (Nachdr. des Hua-wen shu-chü, Taipei 1964): Ch'ing-shih 4, S.
34,4; 89, S. 1098, 6 (Ausgabe des Kuo-fang yen-chiu yüan, Taipei 1961).
28. Siehe: TMHT 45, S. lb = Bd. 2, S. 839.
29. Siehe: MS 66, S. laff .; San-ts'ai t'u-hui, i-fu chih 1, in: Bd. 4, S.
1504ff. (Nachdr. des Ch'eng-wen ch'u-pan sheh, Taipei 1970).
30. Zur Beschreibung der Palastanlage in Peking siehe: Tomiko Takeda:
Escalier de ceremonie au palais de 1' audience imperiale ä Pekin, in:
L' information d'histoire et de l'art, lOe annee, no. 4, Paris, Sept.-
Okt. 1965. Sehr deutliche und exakte Pläne und Fotografien der Palast¬
anlage in Peking enthält: Michele PirazzoIi-t'Serstevens u. Nicolas
Bouvier: Architektur der Welt: China, hrsg. von Henri Stierlin, Fribourg:
Office du Livre 1970, S. 14, 57-77, 98ff. - Vgl. auch MS 68, S. llbff.
und San-ts'ai t'u-hui, kung-shih 3, in: Bd. 3, S. 10341. (Pläne des Pa¬
lastes in Nanking).
31. Vgl. Anm. 23; siehe: MS 53, S. IIb.
32. Siehe: MS 53, S. 2b; 4a. - Zum Kaiserlichen Siegelamt (shang-pao szu)
siehe: CO. Hucker: Governmental Organization, S. 25.
33. Vgl. die Pläne bei Pirazzoli-t'Serstevens, a.a.O., S. 57f. und bei Takeda, a.a.O., S. 154 (sehr deutlich).
34. Vgl. Anm. 33. u. 30. - Der Feng-t'ien-Palast wird heute T'ai-ho-
Palast (T'ai-ho tien) und das Feng-t'ien-Tor wird T'ai-ho-Tor (T'ai-
ho men) genannt. Diese Umlpenennungen wurden in der Ch'ing-Zeit ein¬
geführt. Umbenennungen waren bereits im Jahre Chia-ching 40 (l56l)
und zum Teil auch schon vorher durch den Ming-Kaiser Shih-tsung (l522-
1566 an der Regierung) vorgenommen worden; siehe: MS 68, S. 14a.
3 5. Der Hua-kai-Palast wird heute Chung-ho-Palast (Chung-ho tien) genannt.
Vgl. Anm. 34.
36. Eine genaue Erklärung dafür, was unter "nei-tao" zu verstehen ist, wurde
nicht gefunden. Die Bedeutung wurde aus dem Zusammenhang und auf¬
grund von Abbildungen und Plänen erschlossen.
37. Zum Inneren Kabinett (nei-ko) siehe: CO. Hucker: Governmental Organi¬
zation, S. 29; Tilemann Grimm: Das Nei-ko der Ming-Zeit von den An¬
fängen bis 1506, OE 1, 1954, S. 139-177. - Das Premierministerium
(chung-shu sheng) wurde schon 1380 abgeschafft; siehe: CO. Hucker,
a.a.O., S. 27f.
38. Siehe: CO. Hucker, a.a.O., S. 31. Die Beschreibungen der vorher ge¬
nannten Behörden in Huckers Aufsatz sind mit Hilfe des Indexes in HJAS
23, 1960/61, S. 127-151 leicht zu finden.
39. Siehe die Regelungen im TMHT; vgl. Anm. 16.
40. Siehe: MS 56, S. 3aff .; TMHT 54 = Bd. 2, S. 939ff.
41. Die Bedeutung und die Art des Tanzes ist nicht geklärt. Nach dem Text¬
zusammenhang könnte es sich um einen Tanz als Ausdruck des Jubels
handeln. Fräulein Blümmel, Freiburg, und Herrn Prof. W. Naumann,
München, verdanke ich den Hinweis, daß am japanischen Kaiserhof nach
festen Regelungen und Formen ein Tanz aufgeführt wurde, der die gleiche
Bezeichnung trug wie der hier genannte chinesische. Wenn hier ein chi¬
nesisches Modell als Vorbild gedient hat, könnte man annehmen, daß
auch der Tanz am Hofe der Ming fest geregelt war. Sollte es sich tat¬
sächlich um einen Jubeltanz handeln, so wäre es dann kein' spontaner
oder mehr oder weniger freiwilliger Ausdruck der Zustimmung sondern
eine vorgeschriebene und gelenkte Kundgebung.
42. Nanking war bis 1421 die Hauptstadt des Ming-Reiches. Nach der Ver¬
legung der Regierungszentrale nach Peking blieben die Behörden der
alten Kapitale in reduzierter Form bestehen, so daJ3 Nanking eine Art
Schattenhauptstadt wurde. Siehe: CO. Hucker: a.a.O., S. 5f.
43. Zum Festungscharakter der Hauptstädte und der dort stationierten Trup¬
pen siehe: P. Greiner: Die Brokatuniform-Brigade, S. 101. Vgl. auch
die in Anm. 30 genannten Pläne.
44. Zum Wachdienst (shou-wei) siehe: TMHT 143 = Bd. 4, S. 2003ff. und
228, S. 20bff. = Bd. 5, S. 3010ff. (vgl. P. Greiner: Die Brokatuniform-
Brigade, S. 186ff., Ubersetzung); MS 89, S. 13bff.
45. Siehe: TMHT 228, S. 8b = Bd. 5, S. 3004.
46. Zum Pomp am Ming-Hofe siehe: TMHT 228, S. 12bff. = Bd. 5, S. 3006ff.
(vgl. P. Greiner: a.a.O., S. 181ff. ); P. Greiner: a.a.O., S. 140f.
WELCHES FACH IST FÜR DAS STUDIUM DER MODERNEN
JAPANISCHEN PHILOSOPHIE ZUSTÄNDIG ?
Von Johannes Laube, Korbach
Vorbemerkungen
Die Anregungen, das Studium der modernen japanischen Philosophie hier
zum Thema eines Referates zu machen, erhielt ich durch das von der Ta¬
gungsleitung empfohlene Diskussionsthemc "Orientalistische Fächer im Rah¬
men der Geisteswissenschaften". Ich möchte mein Referat als Beitrag zur
Diskussion über die Stellung der Japanologie im Rahmen der Geisteswissen¬
schaften verstanden wissen. Dabei denke ich nicht nur an die Japanologie an
den Universitäten sondern auch an außer-universitäre Forschung. Meine Ab¬
sichtist es, zu zeigen, daß gerade das Studium der modernen japanischen
Philosophie nur als eine Gemeinschaftsarbeit mehrerer geisteswissenschaft¬
licher Fächer durchgeführt werden kann, weil das Phänomen der modernen
japanischen Philosophie den traditionellen Rahmen der einzelnen Fächer sprengt.
Die Antwort auf die oben gestellte Frage "Welches Fach ist für das Studium der '
modernen japanischen Philosophie zuständig?" kann nämlich nicht einfach lau¬
ten: "Die Japanologie ist zuständig". Nein, mindestens vier Fächer sind zu¬
ständig. Darum gebe ich eine vierteilige Antwort:
1. Die Japanologie ist zuständig 2. Die Philosophie ist zuständig
3. Die Religionswissenschaft ist zuständig 4. Die christliche Theologie ist zuständig
Diese vier Teile der Antwort bilden zugleich die vier Teile meines Refe¬
rats.
Bevor ich zum ersten Teil übergehe, möchte ich noch beschreiben, was
ich unter dem Ausdruck "moderne japanische Philosophie" verstehe. Ich mei¬
ne damit die Philosophie im Japan des 20. Jahrhunderts. Von ihr sagt Gino
Piovesana, Philosophie-Professor an der Sophia-Universität in Tökyö, in
einem "Uberblick" über die japanische Philosophie von 1862-1962: "Heute
wird Philosophie im westlichen Sinn dieses Ausdrucks an den meisten japa¬
nischen Universitäten und Hochschulen als Pflichtfach gelehrt. Die Behand¬
lung des östlichen Denkens ist Spezialkursen reserviert. Der normale Stu¬
dienanfänger muß eine allgemeine Einführung in di e westliche Philosophie
durchlaufen. Dabei wird der Akzent auf die jeweilige Spezialität des Pro¬
fessors gelegt, der mit dem westlichen Denken wohl vertraut ist und oft im
Westen studiert hat. Infolgedessen besitzen die meisten Studenten ein siche¬
res Wissen über die Kategorien von Kant, über die Dialektik von Hegel, über
die Thesen von Marx und über den Existenzialismus von Heidegger oder Sar¬
tre, wissen aber fast nichts von buddhistischer oder konfuzianistischer Philo¬
sophie. Ein kursorischer Blick in die philosophischen Textbücher, die - we-