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Anästhesie in Ostafrika – Rahmenbedingungen und perioperative Mortalität –Anaesthesia in East Africa – Medical infrastructure and perioperative mortality

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Academic year: 2022

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Einleitung

Die anästhesieassoziierte Mortalität ist in den vergan- genen 50 Jahren in den Ländern mit hohem medizini- schem Versorgungsstandard dramatisch gesunken.

Allein in den Jahren von 1960 - 1985 konnte beispiels- weise für Australien oder die Universitätsklinik Groote Schuur in Kapstadt/Südafrika eine Reduktion der anästhesieassoziierten Mortalität um das 4 - 6fache nachgewiesen werden (1, 2). Wesentliche Gründe für die zunehmende Sicherheit der Anästhesie in hochentwickelten Ländern sind wissenschaftlicher und technischer Fortschritt, gestiegene Geräte- sicherheit, pharmakologische Weiterentwicklungen

und eine zunehmende Qualifizierung des Anäs- thesiepersonals.

Gleichzeitig wird aber auch heute noch in vielen Teilen der Welt Anästhesie unter einfachsten Bedingungen praktiziert. Mangelnde Versorgung mit Anästhetika und Verbrauchsartikeln, keine oder unzureichende Sauerstoffversorgung, mangelndes Monitoring und paramedizinisches Personal mit nur geringer anästhe- siologischer Ausbildung bestimmen häufig den Alltag in den Entwicklungsländern.

In diesem Übersichtsartikel sollen die Rahmenbeding- ungen, unter denen Anästhesie in vielen Kranken-

Anästhesie in Ostafrika

– Rahmenbedingungen und perioperative Mortalität –

Anaesthesia in East Africa – Medical infrastructure and perioperative mortality D. Hansen

Zusammenfassung. In den vergangenen 50 Jahren ist die anästhesieassoziierte Mortalität in Ländern mit hohem medizinischem Versorgungsstandard insbeson- dere durch wissenschaftlichen, pharmakologischen und technischen Fortschritt sowie zunehmende Qualifizierung des Anästhesiepersonals dramatisch gesunken. Gleichzeitig wird auch heute noch in vielen Teilen der Welt Anästhesie unter einfachsten Bedingungen praktiziert. In diesem Übersichtsartikel werden typische anästhesiologische Rahmenbe- dingungen in ostafrikanischen Krankenhäusern, wie überwiegender Einsatz von "draw-over"-Technolo- gien, mangelnde Sauerstoffversorgung, unzureichen- der Funktionszustand medizinischer Geräte durch feh- lende Wartung, Engpässe bei der Versorgung mit Anästhetika und Verbrauchsartikeln sowie mangelnde Qualifikation des Anästhesiepersonals, dargestellt.

Fehlende Blutvorräte bei gleichzeitig extrem hohem HIV-Übertragungsrisiko durch Bluttransfusionen stel- len ein weiteres Problem dar. Die vermeidbare Mortalitätsrate in der Anästhesie unter diesen Rah- menbedingungen wurde bisher nur wenig untersucht.

Für Malawi wurde die vermeidbare Mortalitätsrate in der Anästhesie mit 1 : 504 beziffert und entspricht einem 100 - 200fach höheren Anästhesierisiko im Ver- gleich zu hochentwickelten Ländern. Häufigste ver- meidbare Todesursachen sind inadäquates Flüssig- keits- und Airway-Management. Neben anästhesiolo- gischen Faktoren führt der Mangel an Blutkonserven mit einer Inzidenz von 1 : 756 zu perioperativen Todes- fällen. Projekte der entwicklungspolitischen Zusam- menarbeit sollten verstärkt Weiter- und Fortbildungs- programme für das Anästhesiepersonal unterstützen.

Zusätzlich muß dem Ausbau des Blutspendewesens in Ostafrika besondere Bedeutung zukommen.

Summary: Anaesthesia-associated mortality has decreased dramatically in highly developed countries during the past 50 years. Main reasons for reduced mortality are scientific, pharmacological, and technical progress and improved qualification of anaesthetists.

However, in many parts of the world the basic working conditions for anaesthetists are still insufficient. This review focuses on the medical infrastructure for an- aesthesia in East Africa. "Draw-over" technology, insufficient oxygen supply, failure of medical equip- ment, limited services, shortage in drug supply, and inadequately trained anaesthetists are common prob- lems. Shortage in blood supply is a main problem in East Africa; at the same time, the risk of HIV trans- mission by blood transfusion is extremely high.

Surprisingly, the anaesthesia-associated mortality rate has hardly been investigated in respect of these condi- tions. In Malawi, the anaesthesia-associated mortality rate has been evaluated to be 1 in 504 anaesthesias, which is a 100fold to 200fold higher than in highly developed countries. Major avoidable factors for anaesthesia-associated mortality are inadequate fluid management and inadequate airway management. The lack of blood supply accounted for 1 death in 706 anaesthesias. Development aid projects should focus on training courses for anaesthetists and a support of blood donation programmes.

Schlüsselwörter: Anästhesie – Mortalität – Entwick- lungsländer – Afrika – Bluttransfusion

Key words: Anaesthesia – Mortality – Developing Countries – Africa – Blood Transfusion.

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häusern Ostafrikas auch heute noch praktiziert wird, sowie die anästhesieassoziierte Komplikationsrate und Mortalität in diesen Ländern unter besonderer Berücksichtigung des Landes Malawi dargestellt und bewertet werden.

Der Autor leitete von 1996 - 1998 das Department of Anaesthesia and Intensive Care Medicine am Zentral- krankenhaus der Hauptstadt Malawis, Lilongwe.

Anästhesiologische Rahmenbe- dingungen

Anästhesiesysteme

Anästhesien werden in Malawi wie in vielen ostafrika- nischen Krankenhäusern als Inhalationsanästhesien während Spontanatmung durchgeführt. Die Inhala- tionsanästhetika Halothan oder Diethyläther werden über ein sogenanntes "draw-over"-System zum Pa- tienten geleitet. Das grundlegende Prinzip von "draw- over"-Vaporen besteht darin, daß Raumluft durch Unterdruck durch den Vapor gezogen wird und dort mit dem Inhalationsanästhetikum angereichert wird.

Der negative Druck im Vapor kann auf zwei unter- schiedliche Weisen erzeugt werden: entweder erzeugt der Patient den Unterdruck durch Inspiration während Spontanatmung oder ein in das Schlauch- system zwischen Patient und Vapor integrierter Ambu- Beutel bzw. Balg (z.B. Oxford inflating bag) erzeugt durch Selbstentfaltung einen Unterdruck. Die Ausatmung erfolgt durch ein Nicht-Rückatmungs- ventil. Die Raumluft wird mit 2 - 3 l/min Sauerstoff angereichert; die inspiratorische Sauerstoffkonzen- tration beträgt auf diese Weise etwa 30 - 40%. In vie- len ostafrikanischen Krankenhäusern stehen als Anästhetika lediglich Halothan, Thiopental, Succinyl- cholin, Diazepam und Ketanest zur Verfügung.

Diäthyläther, nicht-depolarisierende Muskelrelaxan- tien, Opioide oder Lachgas sind häufig nicht verfüg- bar.

Sauerstoffversorgung

In vielen Krankenhäusern steht keine kontinuierliche Versorgung mit Sauerstoffzylindern zur Verfügung.

Transportprobleme, aber auch die extrem angespannte finanzielle Situation der Krankenhäuser verhindern oft eine regelmäßige Belieferung. Als Sauerstoffquelle dienen daher häufig Sauerstoffkonzentratoren, die durch Absorbtion von Stickstoff an Zeolitzylindern aus Raumluft O2 erzeugen. Im funktionstüchtigen Zustand produzieren Sauerstoffkonzentratoren bei einer Flußrate von 2 - 3 Litern eine O2-Konzentration von ca. 95%, bei 4 - 6 Litern von 85 - 90%. In vielen Krankenhäusern können allerdings weder O2-Konzen- trationsmessungen durchgeführt werden, noch stehen Ersatzteile zur Verfügung. Medizintechniker – wenn vorhanden – haben häufig eine unzureichende Qualifi- kation. Somit bleibt meist unbemerkt, wenn sich die Kapazität der Zeolitzylinder nach einer gewissen Zeit erschöpft oder Luftfilter verstopfen und dadurch die

O2- Konzentrationsfähigkeit der Geräte abnimmt. Von 6 Geräten, die seit mehreren Jahren am Lilongwe Central Hospital in Malawi 1996 in Betrieb waren, waren nur 2 funktionstüchtig und produzierten Sauerstoff in Konzentrationen zwischen 85 und 95%.

Bei 4 weiteren Geräten wurden O2-Konzentrationen von lediglich 25 und 40% gemessen.

Gerätewartung

Neben den dargestellten Problemen beim Einsatz von Sauerstoffkonzentratoren kann unzureichender Ser- vice von Anästhesiegeräten ebenfalls zu Komplikatio- nen führen. Ein weiteres Beispiel sei aus Malawi genannt: Die dänische Entwicklungshilfeorganisation DANIDAhatte in den 80er Jahren alle Krankenhäuser Malawis mit einem einheitlichen Anästhesiesystem auf dem Boden der "draw-over"-Technologie ausgerüstet (3, 4). Mit diesem Projekt waren auch Ohmeda Tec- Vaporen für Halothan angeschafft worden. 1996 war allerdings seit Jahren keine Wartung der Vaporen mehr erfolgt. Die Messung der abgegebenen Halo- thankonzentrationen bei unterschiedlichen Vaporein- stellungen und Atemminutenvolumina zeigte, daß ein- zelne Vaporen insbesondere im niedrigen Konzen- trationsbereich Halothankonzentrationen abgaben, die um das 2 - 3fache höher waren als eingestellt (5).

Einer dieser Vaporen war im Kreissaal aufgefallen, da der Blutdruck der Patientinnen nach Anästhesie- einleitung häufig dramatisch abgefallen war. Ein simp- ler Reinigungsvorgang überführte diese Vaporen wie- der in einen funktionstüchtigen Zustand (Abb. 1).

Qualifikation des Anästhesiepersonals

Anästhesien werden in vielen afrikanischen Ländern fast ausschließlich von Clinical Officers (CO) und Medical Assistents (MA) durchgeführt. Diese Mitarbeiter haben eine dreijährige allgemeine medizi- nische Ausbildung und sichern aufgrund des Ärzte- mangels die medizinische Versorgung in weiten Teilen des Landes. Die meisten COs haben ihre anästhesiolo- gischen Fähigkeiten "on the job" erlernt. Nur wenige haben eine spezielle Anästhesieausbildung erhalten.

Abbildung 1: Gemessene Halothan-Konzentrationen eines TEC-Vapors (Ohmeda) bei Vaporeinstellungen zwi- schen 0,5 und 5% in Abhängigkeit vom Atemminuten- volumen (nach 5).

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Zwar werden seit 13 Jahren in Malawi spezielle Trainingskurse in Anästhesie über einen Zeitraum von 18 Monaten abgehalten. Der über viele Jahre einzige Ausbildungsplatz am Zentralkrankenhaus in Blantyre konnte den Bedarf an qualifizierten Anästhesisten für das Land allerdings nicht decken, da in jedem Kurs lediglich 12 COs ausgebildet werden können. Darüber hinaus sind in dem 11/2-jährigen Ausbildungspro- gramm nur Basiskenntnisse zu vermitteln, da wenige fachspezifische Vorkenntnisse bestehen. Viele der Absolventen der Trainingskurse sind anschließend in den Distrikthospitälern als alleinige Anästhesisten tätig. Eine Weiter- und Fortbildung findet dann häufig nicht mehr statt.

Monitoring

Überwachungsmonitore wie EKG-Monitore, Pulsoxi- meter oder oszillometrische Blutdruckmessgeräte sind meist nicht verfügbar. In den Distrikthospitälern ist die "Hand am Puls" und eine Blutdruckmanschette einziges Monitoring. In den Zentralkrankenhäusern werden zunehmend auch Pulsoximeter, oszillometri- sche Blutdruckmessgeräte und auch Kapnometer ein- gesetzt.

Bluttransfusionen in Ostafrika

Die Durchführung von Bluttransfusionen hat für den Anästhesisten in Ostafrika zwei wesentliche Aspekte.

Einerseits besteht in vielen Krankenhäusern ein erheblicher Mangel an Blutkonserven, insbesondere bei dringlichen operativen Eingriffen und bei der Versorgung traumatisierter Patienten. Ein koordinier- tes Blutspendewesen ist meist nicht existent; als Blutspender werden Familienangehörige oder Freunde rekrutiert. Eine Bevorratung von Blutkon- serven für Notfälle findet in den seltensten Fällen statt. Der zweite Aspekt ist das trotz des Mangels an Blutkonserven extrem hohe Risiko einer Bluttrans- fusion in Afrika. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt den Anteil der HIV-Infektionen, die durch eine Bluttransfusion übertragen werden, auf 5 - 10% aller Neuinfektionen in Afrika (6). Wird für die USA und europäische Länder zur Zeit das Risiko einer HIV-Überragung durch Transfusion auf 1 : 500.000 - 1 : 2.000.000 geschätzt (7), so ist dieses Risiko in Kenia auch in Krankenhäusern, in denen regelmäßig Blutspender auf HIV getestet werden, um das bis zu 10.000fache höher. Drei wesentliche Ursachen lassen sich für dieses hohe Risiko identifi- zieren:

1. In Regionen mit hoher HIV-Prävalenz besteht ein großes Risiko, Blut während der "window-period"

der Infektion zu spenden. Blutspender, die sich erst Tage oder Wochen vor der Blutspende infiziert haben, werden nicht als HIV-Träger erkannt, da Antikörper noch nicht gebildet wurden. In Bevölkerungsgruppen mit extrem hoher HIV- Prävalenz, wie z.B. Soldaten und Polizisten, die in Malawi zu 60 - 80% mit dem AIDS-Virus infiziert sind (eigene Untersuchungen am Lilongwe Central Hospital), ist dieses Risiko besonders groß.

2. Die Qualität der HIV-Testung ist in vielen ostafri- kanischen Labors unzureichend. In einer Studie des Center of Disease Control der USA, die in Kenia durchgeführt wurde, wurden Blutproben von Spendern zunächst in einem kenianischen Kran- kenhaus auf HIV getestet. Anschließend erfolgte eine Kontrolle in einem externen Labor. Bis zu 30% der positiven Spender waren in dem keniani- schen Krankenhauslabor als negativ getestet wor- den. Ursachen für diese hohe Fehlerquote sind u.a.

die unzureichende Ausbildung des Laborpersonals.

Qualitätssicherung wird in vielen Labors unzurei- chend oder gar nicht praktiziert (8).

3. Das medizinische Wissen um die HIV-Infektion ist häufig mangelhaft. Eine Untersuchung in Kenia zeigte, daß Mütter, die Blut für ihre Kinder gespen- det hatten, nicht auf HIV untersucht wurden, da das Laborpersonal davon ausging, daß Mutter und Kind immer den gleichen HIV-Status haben (6).

4. Auch heute noch besteht in vielen Ländern Afrikas keine kontinuierliche Versorgung der Kranken- häuser mit Reagenzien für die HIV-Testung. Immer wieder kommt es zur temporären oder auch per- manenten Versorgungsengpässen.

Vor diesem Hintergrund steht der Anästhesist in ost- afrikanischen Krankenhäusern vor einer großen Verantwortung bei der Indikationsstellung zur Bluttransfusion. Trotz der beschriebenen Unzuläng- lichkeiten der Infrastruktur und des Monitorings in vielen afrikanischen Operationssälen muß die Indikation zur Transfusion aufgrund des enorm hohen Risikos einer HIV-Übertragung noch kritischer ge- stellt werden als beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland. In Tansania wurden 52% aller Blut- transfusionen bei Kindern < 5 Jahren, bis zu 50% der Transfusionen bei Erwachsenen und 24% der Trans- fusionen bei operativen Patienten bei Anwendung aktueller Transfusionsrichtlinien als nicht indiziert klassifiziert (9).

Anästhesieassoziierte Komplikationen und Mortalität

Obwohl zu erwarten ist, daß anästhesieassoziierte Komplikationen und Mortalität unter den dargestell- ten Rahmenbedingungen in vielen Entwicklungs- ländern deutlich höher sind als in Krankenhäusern in Ländern mit hohem medizinischem Versorgungs- standard, wurden in den vergangenen Jahrzehnten keine prospektiven Untersuchungen zur Frage der perioperativen Mortalität in Ostafrika durchgeführt.

Erstmalig 2000 wurden prospektiv erhobene Mortali- tätszahlen aus dem Zentralkrankenhaus in Lilongwe publiziert (10).

Über einen Zeitraum von 6 Monaten waren die COs gebeten worden, für jede vorher definierte schwere

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perioperative Komplikation, die zwischen Anästhesie- einleitung und 3 Stunden postoperativ auftrat, einen standardisierten Fragebogen zu beantworten. Am fol- genden Tag wurden die Todesfälle mit dem Facharzt diskutiert und analysiert. Zunächst wurde differenziert in Todesfälle, die vermeidbar gewesen wären und sol- che, die schicksalhaft abgelaufen sind. Weiterhin wur-

den Faktoren identifiziert, die zum Versterben der Patienten beigetragen hatten. Diese Faktoren wurden differenziert in anästhesie-, chirurgie oder administra- tiv bedingt und anschließend die vermeidbare Mortali- tätsrate (vMR) für diese drei Bereiche beziffert.

Insgesamt wurden in dem Zeitraum 3.022 Anästhesien durchgeführt. Von den operativen Eingriffen waren 1.499 gynäkologisch und geburtshilflich, 117 kieferchi- rurgisch, 24 neurochirurgisch, 91 urologisch, 232 oph- thalmologisch und 1.059 allgemeinchirurgisch. Bei 51 der Eingriffe wurde über das Auftreten schwerer Komplikationen berichtet, 14 dieser Patienten verstar- ben (Tab. 1). Am häufigsten wurde über kardiovas- kuläre Komplikationen berichtet, in 27 Fällen trat eine arterielle Hypotension auf, die als systolischer Blutdruckabfall unter 80 mmHg definiert war. Bei 10 der 14 verstorbenen Patienten war die progredien- te Hypotension Todesursache. Jeweils 5 Patienten ver- starben an den Folgen eines septischen bzw. hämor- rhagischen Schocks.

Vermeidbare Mortalitätsrate (vMR)

Insgesamt wurden 11 der 14 Todesfälle als vermeidbar eingestuft. Die weitere Analyse zeigte, daß bei 8 dieser Patienten anästhesiologische Faktoren, insbesondere inadäquates Flüssigkeits- und Airway-Management, für das Versterben der Patienten beitragend waren. In 6 Fällen waren diese Faktoren Haupttodesursache (Tab. 2). Diese entspricht einer vMR Anästhesie von 1 : 504. In 4 Fällen verstarben die Patienten aufgrund des Mangels an Blutkonserven (vMR administrativ 1 : 756), und in 1 Fall war die verzögerte chirurgische Therapie Todesursache (vMR Chirurgie 1 : 3022).

Die vermeidbare anästhesieassoziierte Mortalitätsrate (vMR Anästhesie) in Malawi ist mit 1 : 504 um das 100 - 200fache höher als in Ländern mit hohem medizini-

Tabelle 1: Perioperative Komplikationen, 3022 Anästhesien; Lilongwe Central Hospital, Malawi 1996 (nach 10).

Komplikationen Anzahl verstorben

Kardiovaskulär Hypotension (SAD < 80 mmHg) 27 (53%) 10

davon:

Septischer Schock 8 5

Hämorrhagischer Schock 12 5

Herzinsuffizienz 3 -

Mangelernährung 1 -

Aortocavales Kompressionssyndrom 2 -

Hohe Spinalanästhesie 1 -

Bradykardie 1 (2%) 1

Respiratorisch Intubationsschwierigkeiten 13 (25%) 2

Hypoxie 6 (12%) 1

Aspiration 1 (2%) -

Andere Erbrechen bei Einleitung 2 (4%) -

Menigitis (nach Spinalanästhesie) 1 (2%) -

Gesamt 51 (100%) 14

Tabelle 2: Vermeidbare Faktoren und Hauptursache für perioperative Todesfälle differenziert nach den Ursachen Anästhesie, Administration und Chirurgie Lilongwe Central Hospital, Malawi 1996 (nach 10).

Vermeidbare Anzahl Haupt-

Faktoren Patienten ursache

Anästhesie Inadäquates

Flüssigkeitsmanagement 5 3

Inadäquates

Airway-Management 2 2

Nebenwirkung

Succinylcholin 1 1

vMR Anästhesie 1 : 504 Administration

Mangel an Blutkonserven 4 4

vMR administrativ 1 : 756 Chirurgie

Inadäquate

präop. Management 2 -

Verzögerte Therapie 3 1

vMR Chirurgie 1 : 3022 vMR = vermeidbare Mortalitätsrate

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schem Versorgungsstandard. Neben diesen Zahlen aus Malawi wurde die perioperative Mortalitätsrate in ost- afrikanischen Krankenhäusern bisher in lediglich zwei weiteren Studien beziffert (11, 12). In beiden Unter- suchungen wurden die Daten retrospektiv anhand der Krankenakten erhoben (Tab. 3). Die Untersuchungen unterscheiden sich von der in Malawi durchgeführten Studie nicht nur in ihrem retrospektiven Design, son- dern auch im Hinblick auf den unterschiedlichen postoperativen Beobachtungszeitraum, der zwischen 3 Stunden und 6 Tagen variierte. In der Studie aus Sambia wurde über eine etwas geringere vMR Anästhesie berichtet. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß die retrospektive Auswertung der in Afrika oft unzureichend geführten Patientenakten eine Dif- ferenzierung der vermeidbaren Faktoren in chirurgie- und anästhesiebedingt erheblich erschwert. So wurde beispielsweise inadäquates präoperatives Flüssig- keitsmanagement ausschließlich als chirurgisches Versagen bewertet. Die dritte Studie aus Simbabwe untersuchte ebenfalls retrospektiv nur geburtshilfliche und gynäkologische Eingriffe und bezifferte die vMR Anästhesie auf 1 : 1250. Trotz der methodischen Einschränkungen bestätigen diese Studien die im Ver- gleich zu Ländern mit hohem medizinischem Versor- gungsstandard sehr hohe vermeidbare Anästhesie- assoziierte Mortalitätsrate.

Die Inzidenz schwerer anästhesiologischer Komplika- tionen wurde in Malawi mit 1 : 57 beziffert. Überra- schenderweise ist diese Komplikationsrate nicht höher als in Studien, die in Europa durchgeführt wurden (13). Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die Inzidenz schwerer Komplikationen in Malawi mit hoher Wahrscheinlichkeit unterschätzt wurde, da zum Zeitpunkt der Untersuchung lediglich 1 Pulsoximeter, 1 Kapnometer sowie 2 EKG-Monitore für insgesamt 5 Arbeitsplätze zur Verfügung standen. Der Auf- wachraum verfügte über keine Monitore. Es steht zu vermuten, daß insbesondere die Inzidenz perioperati- ver Hypoxien und schwerer kardialer Arrhythmien deutlich unterschätzt wurde.

Bewertung und Konsequenz

Bei der Bewertung der vermeidbaren anästhesieasso- ziierten Mortalitätrate in Ostafrika ist ein historischer

Vergleich mit Krankenhäusern in Ländern mit hohem medizinischem Versorgungsstandard aufschlußreich.

Abbildung 3 zeigt, daß die anästhesieassoziierte Mortalität Malawis 1996 derjenigen in England Mitte des letzten Jahrhunderts entspricht (14). Dieses über- rascht wenig, da zur damaligen Zeit Anästhesie in Mitteleuropa häufig unter ähnlichen Bedingungen praktiziert wurde wie heute in vielen Entwicklungs- ländern.

Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchung in Lilongwe ist, daß in 5 von 6 vermeidbaren Todesfällen das in- adäquate Flüssigkeits- und Airway-Management der Anästhesisten Hauptursache für die Todesfälle waren.

Weder die unzureichenden technischen Rahmenbe- dingungen wie mangelnde Versorgung mit Anäs- thetika, unzureichende Sauerstoffversorgung, man- gelnde Gerätewartung noch das fehlende Monitoring waren häufige vermeidbare Faktoren perioperativer Todesfälle.

Vor diesem Hintergrund müssen Aus- und Weiter- bildungsprogrammen die absolute Priorität in der anästhesiologischen entwicklungspolitischen Zusam- menarbeit eingeräumt werden.

Tabelle 3: Vermeidbare Mortalitätsraten (vMR) differenziert nach den Hauptursachen Anästhesie, Chirurgie und administrativ in Ostafrika.

Studie vMR gesamt vMR admin. vMR Chirurgie vMR Anästhesie Sambia 1987 (11)

retrospektiv, bis 6. postop. Tag 1 : 331 1 : 1177 1 : 517 1 : 1926 Simbabwe 1994 (12)

retrospektiv, bis 24 h postop. 1 : 578 1 : 7693 1 : 1250 1 : 1250 Malawi 1996 (10)

prospektiv, bis 3 h postop. 1 : 275 1 : 756 1 : 3022 1 : 504

Abbildung 2: Anästhesiebedingte Mortalität in Malawi 1996 (10) im historischen Vergleich zu England (14) und der Universitätsklinik in Kapstadt/Südafrika (2).

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Trotz der Notwendigkeit, den Schwerpunkt anästhe- siologischer Zusammenarbeit auf die Fort- und Weiterbildung der Clinical Officer zu legen, sollten Bemühungen um eine Verbesserung der teilweise katastrophalen Rahmenbedingungen zusätzlich unter- stützt werden. Die Optimierung der Wartung medizi- nischer Geräte, die Verbesserung der Versorgung mit Verbrauchsartikeln, Pharmaka und Anästhetika sollte angestrebt werden. Allerdings muß vor ungezielten Spenden an Krankenhäuser gewarnt werden, da häu- fig der individuelle Bedarf der Krankenhäuser nicht berücksichtigt wird. In vielen Hospitälern Ostafrikas finden sich teure, medizinische Geräte oder Einmal- artikel, deren Einsatz unter den lokalen Bedingungen unzweckmäßig oder unmöglich ist. Diese "high techni- que stores" sind jedem in Afrika tätigen Arzt schmerz- lich bekannt.

Ausblick

Die Ergebnisse der Studie in Malawi haben gezeigt, daß sich Programme der Entwicklungszusammen- arbeit auf Aus- und Weiterbildung der COs konzen- trieren müssen, um die sehr hohe anästhesieassoziier- te Mortalitätsrate in Ostafrika zu senken. Ein erster Schritt wurde in Malawi bereits getan. Seit 1999 wird nun auch in Lilongwe – unterstützt durch die Europäische Union – ein 18monatiger Ausbildungs- lehrgang in Anästhesie für COs von deutschen Anästhesisten durchgeführt. Die ersten Teilnehmer haben im Mai 2001 die Abschlußprüfung bestanden und werden nun in Zentral- oder Distriktkranken- häusern als Anästhesisten tätig sein. Ein weiterer Lehrgang ist geplant. Darüber hinaus muß in Zukunft verstärkt eine kontinuierliche Weiterbildung der Anästhesisten in den Distrikt- und Zentralkranken- häusern ausgebaut werden.

Darüber hinaus hat die Untersuchung in Malawi gezeigt, daß die mangelnde Versorgung mit Blut- konserven ein wesentlicher perioperativer Morta- litätsfaktor ist. Daher sollte ein weiterer Schwerpunkt internationaler Organisationen auf der Verbesserung der Versorgung ostafrikanischer Krankenhäuser mit Blutkonserven liegen. Wie in anderen Ländern Afrikas, beispielsweise in Uganda, bereits seit Jahren erfolgreich praktiziert, muß auch in Ostafrika das Blutspendewesen ausgebaut werden. Die Rekru- tierung regelmäßiger Blutspender aus Bevölkerungs- gruppen, die ein geringes HIV-Risiko aufweisen, und die kontinuierliche Versorgung mit HIV-, Hepatitis B- und C-Testsubstanzen ist dringend notwendig. Der Wissensvorsprung anderer afrikanischer Länder sollte auch regional genutzt werden. Erste Projekte zur Zusammenarbeit zwischen Uganda und anderen ost-

afrikanischen Ländern, in denen sowohl Kenntnisse im Aufbau eines Bluttransfusionswesens als auch in der Wartung medizinischer Geräte vermittelt werden, wurden bereits begonnen.

Es ist zu hoffen, daß solche Projekte in Zukunft die hohe anästhesieassoziierte Mortalität in Ostafrika langsam zu senken vermögen.

Literatur

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Korrespondenzadresse:

Priv.-Doz. Dr. med.Diethelm Hansen Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin

Universitätsklinikum Benjamin Franklin Freie Universität Berlin

Hindenburgdamm 30 D- 12200 Berlin.

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