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Therapeutische Beziehung in der zeitlich optimierten Expositionstherapie bei Agoraphobie mit Panikstörung: Zusammenhang mit dem Therapieerfolg

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Academic year: 2022

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Janina Müller

Therapeutische Beziehung in der zeitlich optimierten Expositionstherapie bei Agoraphobie

mit Panikstörung: Zusammenhang mit dem Therapieerfolg

MASTERARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science

Studium: Masterstudium Psychologie

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Begutachterin

Assoc. Prof. Dr.phil Sylke Andreas Alpen-Adria-Universität Klagenfurt Institut für Psychologie

Klagenfurt, April 2017

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INHALTSVERZEICHNIS

INHALTSVERZEICHNIS ... I TABELLENVERZEICHNIS ... III ABBILDUNGSVERZEICHNIS ... IV ZUSAMMENFASSUNG ... V

1 Einleitung ... 1

2 Theoretischer Hintergrund ... 3

2.1 Panikstörung und Agoraphobie ... 3

Prävalenz und Komorbidität ... 5

Kognitive Verhaltenstherapie bei Agoraphobie mit Panikstörung ... 6

Therapeutische Behandlung ... 8

2.2 Wirkfaktoren: Therapeutische Beziehung ... 11

Theoretische Konzepte zur therapeutischen Beziehung ... 15

Therapeutische Beziehung in der kognitiven Verhaltenstherapie ... 21

Methoden zur Erfassung der therapeutischen Beziehung ... 23

Verlaufsmuster und Messzeitpunkt der therapeutischen Beziehung ... 26

2.3 Stand der Forschung zur Wirksamkeit der therapeutischen Beziehung ... 27

Therapeutische Beziehung als Prädiktor für den Therapieerfolg ... 28

Wichtige Einfluss- und Prädiktorvariablen der therapeutischen Beziehung ... 32

Zusammenfassung und Ableitung der Problemstellung ... 39

3 Fragestellungen und Hypothesen ... 40

4 Methoden ... 43

4.1 Design der Untersuchung ... 43

4.2 Rahmen der Untersuchung und Untersuchungssetting ... 43

4.3 Durchführung der Untersuchung ... 44

Therapieablauf ... 46

Videoaufnahmen ... 49

4.4 Stichprobenbeschreibung ... 49

Behandelnde Therapeuten ... 50

Rater ... 51

4.5 Messinstrumente ... 52

Working Alliance Inventory ... 52

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Fragebogen zur Stundeneinschätzung ... 53

Panik- und Agoraphobie-Skala ... 54

Mobilitätsinventar ... 54

Strukturiertes Interview für die Hamilton Angstskala ... 55

Brief Symptom Inventory ... 56

Beck Depressionsinventar ... 56

European Quality of Live Questionnaire... 57

WHO-5 Wohlbefindens-Index ... 58

Composite International Diagnostic Interview... 58

4.6 Statistische Analysen ... 59

Vorausgehende Datenanalyse... 60

Datentransformation ... 60

Statistische Datenanalyse ... 61

5 Ergebnisse ... 63

5.1 Deskriptive Statistik der therapeutischen Beziehung ... 63

5.2 Deskriptive Statistik des Therapieerfolgs ... 64

5.3 Deskriptive Statistik der Einfluss- und Prädiktorvariablen ... 66

5.4 Vorausgehende Gruppenvergleiche... 68

5.5 Hypothesenprüfende Analysen ... 69

Ergebniskomplex 1: Zusammenhang zwischen der therapeutischen Beziehung und dem Therapieerfolg ... 69

Ergebniskomplex 2: Zusammenhang zwischen der therapeutischen Beziehung bewertet durch Patienten, Therapeuten und einen externen Rater ... 76

Ergebniskomplex 3: Zusammenhang zwischen der therapeutischen Beziehung und möglichen Einfluss- und Prädiktorvariablen ... 78

6 Diskussion ... 83

6.1 Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse ... 83

6.2 Methodische Limitationen ... 92

6.3 Ausblick und Implikationen für die zukünftige Forschung ... 93

7 Literaturverzeichnis ... 95

ANHANG ... 110

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TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1. Messinstrumente (entnommen aus Hentschel, 2005, S. 310 f.; Elvins & Green,

2008, S. 1170 f.) ... 24

Tabelle 2. Ein- und Ausschlusskriterien (entnommen aus Wittchen et al., 2016, S. 17) .... 45

Tabelle 3. Patienteneigenschaften ... 50

Tabelle 4. Überblick über die verwendeten Messinstrumente im Zeitverlauf ... 52

Tabelle 5. Deskriptive Statistik der Variable therapeutische Beziehung ... 64

Tabelle 6. Deskriptive Statistik des Therapieerfolgs ... 65

Tabelle 7. Deskriptive Statistik der Einfluss- und Prädiktorvariablen ... 67

Tabelle 8. Ergebnisse der multiplen linearen Regression zum Zusammenhang zwischen der therapeutischen Beziehung und den störungsspezifischen Therapieerfolgsmaßen ... 71

Tabelle 9. Ergebnisse der multiplen linearen Regression zum Zusammenhang zwischen der therapeutischen Beziehung und den störungsübergreifenden Therapieerfolgsmaßen ... 71

Tabelle 10. Ergebnisse der multiplen linearen Regressionsanalysen zum Zusammenhang zwischen den Subskalen des WAI-O und den störungsspezifischen Therapieerfolgsmaßen ... 75

Tabelle 11. Ergebnisse der multiplen linearen Regressionsanalysen zum Zusammenhang zwischen den Subskalen des WAI-O und den störungsübergreifenden Therapieerfolgsmaßen ... 76

Tabelle 12. Korrelation der Beziehungseinschätzungen ... 77

Tabelle 13. Ergebnisse der einfachen linearen Regressionsanalysen zum Zusammenhang zwischen der therapeutischen Beziehung und möglichen Prädiktorvariablen ... 79

Tabelle 14. Ergebnisse der einfachen linearen Regression zum Zusammenhang zwischen den Subskalen des WAI-O und möglichen Prädiktorvariablen... 81

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1. Angstverlaufskurven (entnommen aus Margraf & Schneider, 2009, S. 23) .. 10 Abbildung 2. Psychotherapiemodell (modifiziert nach Orlinsky & Horward, 1987) ... 13 Abbildung 3. Theoretisches Modell des Verlaufs einer Therapeut-Patient-Beziehung

(entnommen aus Cahill et al., 2008, S. 7) ... 33 Abbildung 4. Studiendesign (entnommen aus Wittchen, Heinig & van den Berg, 2015, S. 4) ... 46

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ZUSAMMENFASSUNG

Das Konzept der therapeutischen Beziehung gehört zu den bedeutendsten der Psychotherapie.

Zahlreiche Studien belegen, dass die therapeutische Beziehung eine moderate, aber reliable Beziehung zum Therapieergebnis aufweist. Dieser Befund lässt sich über eine Vielzahl von Behandlungspopulationen, Therapiearten und verschiedene Perspektiven auf die Therapiebeziehung konstant zeigen. Weniger ist bisher zur therapeutischen Beziehung in der kognitiven Verhaltenstherapie, insbesondere der zeitlich optimierten Expositionstherapie bei Agoraphobie mit Panikstörung, bekannt. Zielsetzung vorliegender Arbeit ist es, in einem ersten Schritt die Rolle der therapeutischen Beziehung für den Therapieerfolg im Rahmen einer optimierten Expositionstherapie bei Agoraphobie mit Panikstörung herauszustellen. Ein weiteres Ziel besteht darin, den Zusammenhang zwischen möglichen Prädiktoren und der therapeutischen Beziehung zu untersuchen.

Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen der Pilotphase der randomisierten, kontrollierten multizentrischen Therapiestudie „Optimizing Extinction Using Intensified Psychological Interventions for Adult Anxiety Disorders“ an einer Untersuchungsstichprobe von 11 Patienten mit Agoraphobie mit Panikstörung. Die therapeutische Beziehung wurde auf der Grundlage von Videoaufzeichnungen mit Hilfe des Working Alliance Inventory - Observer Form (WAI-O; Darchuk et al., 2000) durch einen unabhängigen Beobachter erfasst. Der Therapieerfolg, als Veränderung der Symptomatik zum Ende gegenüber dem Beginn der therapeutischen Behandlung, wurde sowohl mit störungsspezifischen Fragebogendaten (PAS, MI, SIGH-A) als auch mit störungsübergreifenden Veränderungsmaßen (BSI, BDI) ermittelt.

Als Prädiktoren wurden der Schweregrad der Beeinträchtigung (PAS), das Ausmaß an Komorbidität (CIDI/ DIA-X) und die gesundheitsbezogene Lebensqualität (EQ-5D und WHO- 5) einbezogen. Die Untersuchung der Zusammenhänge erfolgte anhand von Regressionsanalysen.

Die Ergebnisse zeigten, dass die therapeutische Beziehung – wie sie von einem unabhängigen Beobachter über die Therapie hinweg eingeschätzt wurde – einen Einfluss auf den Therapieerfolg ∆PAS und ∆SIGH-A besaß. Regressionsanalytisch stehen die beiden Therapiebeziehungsdimensionen „Bindung“ und „therapeutische Aufgaben“ mit dem Therapieerfolg ∆PAS und ∆SIGH-A im Zusammenhang. Zwischen den Therapieerfolgsmaßen MI, BSI und BDI und der therapeutischen Beziehung konnte kein signifikanter Zusammenhang gezeigt werden. Ebenso konnte zwischen dem Schweregrad der Beeinträchtigung und dem

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Ausmaß an Komorbidität kein signifikanter Zusammenhang gefunden werden. Jedoch konnte die gesundheitsbezogene Lebensqualität (EQ-5D) als möglicher Prädiktor der therapeutischen Beziehung identifiziert werden.

Die gefundenen Zusammenhänge stehen im Einklang mit den bisherigen Forschungsergebnissen und geben einen erneuten Hinweis auf die vermutlich zentrale Rolle der therapeutischen Beziehung für den Therapieprozess. Folglich scheint die therapeutische Beziehung auch im Rahmen einer zeitlich optimierten Expositionstherapie bei Agoraphobie mit Panikstörung von Bedeutung zu sein. Die Befunde der vorliegenden Arbeit können als Indiz betrachtet werden und sollten durch Folgestudien erweitert werden.

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1 Einleitung

Die therapeutische Beziehung gilt als zentrales Element wirksamer Psychotherapie. Diese Auffassung hat sich besonders in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten herauskristallisiert. In der empirischen Psychotherapieforschung besteht inzwischen ein breiter Konsens darüber, dass die Qualität der therapeutischen Beziehung für den Therapieerfolg von zentraler Bedeutung ist.

Die Befunde von mehr als 1.000 Prozess-Ergebnis-Studien bestätigen die therapeutische Beziehung als stärkste Verbindung zwischen Therapieprozess und -ergebnis (Gödde & Stehle, 2016). Im Vergleich zu anderen Faktoren stellt die therapeutische Beziehung den stabilsten Prädiktor dar (Horvath & Greenberg, 1994). Metaanalysen der inzwischen zahlreichen randomisiert-kontrollierten Studien belegen, dass die therapeutische Beziehung eine moderate, aber reliable Beziehung zum Therapieergebnis aufweist. Dieser Befund zeigt sich unabhängig von der Wahl der Therapieverfahren, der Therapieart und den verschiedenen Perspektiven (Patient, Therapeut, externer Rater) auf die therapeutische Beziehung (Horvath & Greenberg, 1994). In der Prozess-Outcome-Forschung wird die therapeutische Beziehung daher als ein zentraler unspezifischer Wirkfaktor (Mertens, 2005) und Schlüsselkomponente des therapeutischen Prozesses (Wampold, 2001) mit der stärksten Evidenz für den Therapieerfolg verstanden (Norcross & Wampold, 2011). Obwohl die Therapeut-Patient-Beziehung1 gut erforscht ist, bleiben weiterhin viele Fragen offen, deren Untersuchung noch längst nicht erschöpfend erfolgt ist. Zudem beziehen sich die meisten Studien zur Therapiebeziehung auf psychodynamische Therapien (Gödde & Stehle, 2016). Die Frage, ob die therapeutische Beziehung im Rahmen der kognitiven Verhaltenstherapie Veränderungen bewirkt, ist noch nicht abschließend beantwortet worden. Eine Reihe von Untersuchungen zu diesem Zusammenhang erbrachte verschiedene Ergebnisse. Die uneinheitliche Befundlage ist vermutlich auf die Unterschiede der betrachteten Störungsbilder, eine Vielzahl an Erfassungsmethoden, die Einflüsse anderer Prädiktoren und die Variabilität der therapeutischen Beziehung selbst zurückzuführen (Hentschel, 2005). So erscheinen alle weiteren empirischen Absicherungsversuche zur funktionalen Validität der therapeutischen Beziehung sinnvoll, vorzugsweise unter der Berücksichtigung möglicher Moderatorvariablen (Hentschel, 2005).

1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit auf die Verwendung beider Geschlechterformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten selbstverständlich für beide Geschlechter.

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In den letzten Jahren hat die therapeutische Beziehungsgestaltung auch in der kognitiven Verhaltenstherapie eine erhebliche Aufwertung erfahren (Schnell, 2014). So belegen zahlreiche empirische Untersuchungen die prognostische Bedeutung der therapeutischen Beziehung für den Erfolg von Behandlungen gleichermaßen für psychodynamische wie für kognitiv- verhaltenstherapeutische Therapieverfahren (Gödde & Stehle, 2016). Einige Autoren betonen die Bedeutung der therapeutischen Beziehung im Rahmen der Expositionstherapie, denn besonders hier muss die Therapiebeziehung belastbar sein (Fiegenbaum, Freitag & Frank, 1992). In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zu den Wirkmechanismen der Expositionstherapie bei Angststörungen wird im aktuellen Forschungsstand verstärkt das Prinzip des Inhibitionslernens diskutiert und als theoretische Grundlage empirischer Fragestellungen in den Fokus gerückt (Pittig et al., 2015). Wie sich die zeitliche Intensivierung der Exposition auf die therapeutische Beziehung auswirkt und in welchem Zusammenhang dies mit dem Therapieerfolg steht, ist noch weitgehend unklar. Während aus theoretischer Sicht ein Zusammenhang zwischen der therapeutischen Beziehung und dem Erfolg einer zeitlich intensivierten Expositionstherapie unterstellt werden kann, ist diese Beziehung empirisch nicht hinreichend geklärt. Bisher besteht diesbezüglich kein einheitlicher Forschungskonsens. Daher ist zu klären, ob und wie die therapeutische Beziehung und der Therapieerfolg in der zeitlich intensivierten Expositionstherapie zusammenhängen.

Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die Betrachtung der therapeutischen Beziehung bei der psychologischen Behandlung von Agoraphobie mit Panikstörung. Da die empirische Befundlage in diesem Kontext noch limitiert ist, besteht das zentrale Forschungsanliegen dieser Arbeit darin, den Zusammenhang zwischen therapeutischer Beziehung und Therapieerfolg, für die Agoraphobie mit Panikstörung zu ergründen. Damit die Arbeit den Empfehlungen zahlreicher Autoren gerecht wird, soll die Therapiebeziehung auf mehreren Ebenen erfasst werden (Hank & Krampen, 2008). Die Messung der therapeutischen Beziehung erfolgt dabei unter anderem mit dem Working Alliance Inventory (WAI, Horvath & Greenberg, 1989).

Im nachfolgenden Kapitel wird jedoch zunächst der theoretische Hintergrund der Arbeit dargelegt (Kapitel 2), bevor anschließend in Kapitel 3 die forschungsleitenden Hypothesen aufgestellt werden. Das methodische Vorgehen der Untersuchung wird in Kapitel 4 beschrieben. In Kapitel 5 werden die Ergebnisse der Arbeit präsentiert und abschließend einer kritischen Betrachtung unterzogen.

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2 Theoretischer Hintergrund

Im vorliegenden Kapitel werden die beiden Störungsbilder Agoraphobie und Panikstörung sowie das hier angewandte kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungsverfahren dargestellt. Weiterführend werden zunächst zum allgemeinen Verständnis zentrale Wirkfaktoren der Psychotherapie erläutert, bevor anschließend wichtige theoretische Konzepte bezüglich der therapeutischen Beziehung dargestellt werden. Da die Arbeit im Kontext der kognitiven Verhaltenstherapie angesiedelt ist, soll dieser Bereich gemeinsam mit dem Begriff der therapeutischen Beziehung näher beleuchtet werden. Dabei wird zum einen genauer auf die Expositionstherapie eingegangen, zum anderen erfolgt ein Überblick über das Modell des Extinktionslernens. Präklinischen Studien zufolge ist das Extinktionslernen der zentrale Wirkmechanismus expositionsbasierter kognitiver Verhaltenstherapien und bietet außerdem die Möglichkeit, durch optimierte Extinktion, die Effektivität der Behandlung zu steigern (Pittig et al., 2015; Craske et al., 2014). Der Abschnitt 2.1.2 bildet eine wichtige Grundlage, da hier aktuelle Entwicklungen zu den Wirkmechanismen der Expositionstherapie vorgestellt und deren Bedeutung für die therapeutische Beziehung herausgearbeitet werden. Darauf aufbauend erfolgt ein Überblick über die bisher geläufigen Messverfahren der therapeutischen Beziehung.

Abschließend werden relevante Forschungsarbeiten zum Zusammenhang der therapeutischen Beziehung und dem Therapieerfolg erläutert sowie mögliche Einfluss- und Prädiktorvariablen, die diesen Zusammenhang beeinflussen können, aufgedeckt.

2.1 Panikstörung und Agoraphobie

Die Panikstörung ist eine in der Regel schwerwiegende Erkrankung, die durch das wiederholte Auftreten von Panikattacken charakterisiert ist, die aus heiterem Himmel auftreten und zu einer Erwartungsangst führen. Das Kernmerkmal einer Panikattacke ist eine plötzliche Anflutung intensiver Angst oder intensiven Unbehagens, begleitet von körperlichen und kognitiven Symptomen, die innerhalb von Minuten einen Höhepunkt erreichen können (Falkai &

Wittchen, 2015). Die am häufigsten wahrgenommenen körperlichen Symptome während einer Panikattacke sind Herzklopfen/-rasen, Schwindel/Benommenheit und Atemnot (Margraf &

Schneider, 2009). Panikattacken können sowohl erwartet, als auch unerwartet auftreten.

Erwartete Panikattacken sind Attacken, für die es offensichtliche Hinweisreize oder Auslöser gibt, wie etwa Situationen in denen Panikattacken bereits typischerweise aufgetreten sind. Bei

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unerwarteten Panikattacken liegt kein erkennbarer Grund zum Zeitpunkt des Auftretens vor.

Darüber hinaus können Panikattacken als Zusatzmerkmal bei jeder Angststörung sowie bei anderen Formen psychischer Störungen und einigen medizinischen Krankheitsfaktoren vermerkt werden (Falkai & Wittchen, 2015).

Für die Diagnose einer Panikstörung müssen mindestens zwei Panikattacken unerwartet – d.h. wie aus heiterem Himmel – auftreten (Wittchen & Hoyer, 2011). Ferner muss nach den Diagnosekriterien des DSM-5 (Falkai & Wittchen, 2015) bei mindestens einer der Attacken einen Monat oder länger eine anhaltende Besorgnis über das Auftreten weiterer Panikattacken oder ihrer Konsequenzen bestehen (z.B. die Kontrolle zu verlieren, einen Herzinfarkt zu erleiden, verrückt zu werden) oder eine deutlich fehlangepasste Verhaltensänderung infolge der Attacken (z.B. Verhaltensweisen, um Panikattacken zu vermeiden, wie die Vermeidung körperlicher Betätigung oder unbekannter Situationen) eintreten. Das Störungsbild darf keine Folge der physiologischen Wirkung einer Substanz (z.B. Substanz mit Missbrauchspotenzial, medikamentöse Wirkstoffe) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors (z.B. Hyperthyreose, kardiopulmonale Erkrankungen) sein und auch nicht durch eine andere psychische Störung erklärt werden. Bei Patienten mit einer Panikstörung wird ein stark erhöhtes Risiko für depressive Episoden berichtet. Zudem entwickelt ein Großteil der Menschen mit einer Panikstörung zeitlich sekundär auch eine Agoraphobie (Wittchen & Jacobi, 2004).

Unter Agoraphobie versteht man eine ausgeprägte oder intensive Angst vor oder das Vermeiden von Orten oder Situationen. Typische angstauslösende Situationen sind zum Beispiel Menschenmengen, das Anstellen in einer Warteschlange, öffentliche Plätze, Reisen im Bus, Zug oder Auto sowie alleine außer Haus zu sein (Wittchen & Jacobi, 2004). Diese Situationen werden gefürchtet oder vermieden, weil im Falle der Entwicklung panikartiger Symptome oder anderer stark beeinträchtigender oder peinlicher Symptome eine Flucht schwierig oder Hilfe nicht erreichbar sein könnte (Falkai & Wittchen, 2015). Die Vermeidung bestimmter Situationen kann entweder eng umgrenzt oder so stark generalisiert sein, dass Betroffene ohne Begleitung das Haus nicht mehr verlassen können. Ähnlich wie die Panikstörung führt die Agoraphobie häufig zu dauerhaften und ohne Therapie jahrzehntelang andauernden und zunehmenden Einschränkungen in der Lebensführung (Wittchen & Jacobi, 2004). In ihrer schwersten Form kann Agoraphobie sogar dazu führen, dass Personen zur Befriedigung grundlegender Bedürfnisse auf die Hilfe anderer angewiesen sind (Falkai &

Wittchen, 2015).

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Nach den Diagnosekriterien des DSM-5 (Falkai & Wittchen, 2015) geht die Furcht oder Angst über das Ausmaß der tatsächlichen Gefahr, durch die agoraphobischen Situationen hinaus und wird im soziokulturellen Kontext als unverhältnismäßig eingeschätzt. Agoraphobie sollte nur diagnostiziert werden, wenn Furcht, Angst oder Vermeidung andauert (typischerweise über sechs Monate oder länger) und in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen hervorruft (Falkai & Wittchen, 2015). Nach der zurzeit gültigen fünften Auflage des Diagnostischen und statistischen Manuals psychischer Störungen (DSM-5) wird die Agoraphobie (F40.00) ungeachtet des Vorhandenseins einer Panikstörung (F41.0) diagnostiziert. Erfüllt eine Person die Kriterien für Panikstörung (F41.0) und Agoraphobie (F40.00) werden beide Diagnosen2 vergeben (Falkai & Wittchen, 2015).

Prävalenz und Komorbidität

Die Panikstörung und die Agoraphobie wurden in einer Reihe großer epidemiologischer Studien in Kanada, Deutschland, Italien, Korea, Neuseeland, Puerto Rico, der Schweiz und den Vereinigten Staaten untersucht (Margraf & Schneider, 2009). Dabei ergaben sich durchweg hohe Prävalenzraten. Insgesamt liegt die Lebenszeitprävalenz für die Panikstörung zwischen 0,5% und 4,7% und für die Agoraphobie zwischen 0,9% und 7,8% (Margraf & Schneider, 2009). Die 12-Monats-Prävalenz für die Panikstörung liegt nach DSM-5 Kriterien bei Erwachsenen und Jugendlichen bei etwa 2% bis 3%. Die Diagnose einer Agoraphobie weisen jährlich ca. 1,7% der Jugendlichen und Erwachsenen auf. Frauen sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer.

In klinischen Settings tritt sowohl die Panikstörung, als auch die Agoraphobie selten ohne andere psychische Störungen auf (Falkai & Wittchen, 2015). Im Querschnitt liegt bei 51%

bis 60% der Panikstörungen eine komorbide Störung vor, lebenszeitbezogen sind die Komorbiditätsraten sogar noch höher (Wittchen & Hoyer, 2011). Die häufigsten zusätzlichen Diagnosen der Panikstörung und der Agoraphobie sind andere Angststörungen, affektive Störungen, Substanzabhängigkeit und Persönlichkeitsstörungen (Wittchen & Hoyer, 2011).

2 Die Patienten der vorliegenden Untersuchung erfüllen die diagnostischen Kriterien (DSM-5, Falkai &

Wittchen, 2015) der Agoraphobie (F40.00) und der Panikstörung (F41.0). Primär handelt es sich jedoch um das Störungsbild der Agoraphobie, weshalb nachfolgend die Formulierung „Agoraphobie mit Panikstörung“

verwendet wird.

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Langfristig zeigen beide Beschwerdebilder einen ungünstigen Verlauf, bei dem eine Spontanremission nur selten vorkommt. Für Betroffene und Angehörige führen Agoraphobie mit Panikstörung ohne professionelle adäquate Hilfe meist zu massiven Beeinträchtigungen der Lebensqualität, was wiederum Folgeprobleme verursacht (Margraf & Schneider, 2009). Die Konsultation zahlreicher Spezialisten sowie aufwendige und zum Teil wiederholte differentialdiagnostische Untersuchungen verursachen erheblichen Kosten. Oft führen Dauermedikation und suboptimale Behandlungen zur Chronifizierung der Erkrankung (Chisholm et al., 2016).

Kognitive Verhaltenstherapie bei Agoraphobie mit Panikstörung

In den letzten Jahrzehnten haben sich im Rahmen der Angstbehandlung Ansätze der kognitiven Verhaltenstherapie, der Psychopharmakotherapie und deren Kombination als besonders wirksam herausgestellt (Petermann & Lang, 2009; Mitte, 2005). Bei Agoraphobie mit Panikstörung sind kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungen heute die Methode der Wahl (Gloster et al., 2011) und führen bei über 80% der behandelten Patienten zu stabilen Erfolgen (Mitte, 2005; Barnow, 2013; Wittchen & Hoyer, 2011; Margraf & Schneider, 2009).

Zahlreiche Reviews und Metaanalysen (Norton & Price, 2007; Ruhmland & Margraf, 2001;

Mitte, 2005; Bandelow et al., 2007) verweisen auf die hohe Wirksamkeit des Therapieverfahrens im Rahmen psychologischer Behandlungsmethoden. Eine umfangreiche Metaanalyse konnte zeigen, dass kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung gegenüber einer Wartekontrollgruppe nicht nur zu einer deutlichen Verbesserung der Angstsymptomatik (d = 0,87), sondern auch zu einer besseren Lebensqualität (d = 0,84) und Abnahme depressiver Symptome (d = 0,72) beitrug (Mitte, 2005). Des Weiteren hat sich gezeigt, dass die Behandlung im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie eine wirksame Alternative zur medikamentösen Behandlung von Agoraphobie mit und ohne Panikstörung darstellt (Mitte, 2005). Es gibt Hinweise, dass sich kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungen bei Agoraphobie langfristig sogar besser eignen als eine Kombinationsbehandlung mit Psychopharmaka (Benecke, 2014; Petermann & Lang, 2009). Im Vergleich mit psychologischem Placebo oder Pillen-Placebo stellen die meisten Untersuchungen ebenfalls eine Überlegenheit der kognitiven Verhaltenstherapie fest (Barlow et al., 2000). Dies ist der Grund, weshalb die kognitive Verhaltenstherapie in der Literatur häufig auch als Goldstandard

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in der psychotherapeutischen Behandlung des Störungsbildes bezeichnet wird (Margraf &

Schneider, 2009).

Im Diskurs um die zentralen Wirkfaktoren zur Optimierung der Behandlung für Agoraphobie mit Panikstörung hat sich die Exposition als Intervention der Wahl herauskristallisiert (Lang et al., 2009; Ruhmland & Margraf, 2001; Norton & Price, 2007). Das Grundprinzip der Exposition besteht darin, Patienten so lange einer angstbesetzten Situation auszusetzen, bis sich die Angst von selbst und ohne Zutun des Patienten reduziert (Wittchen &

Hoyer, 2011; Margraf & Schneider, 2009). Die Gewöhnung an die damit verbundenen Körpersymptome wird als Habituation bezeichnet (Pittig et al., 2015; Moscovitch, Antony &

Swinson, 2009). Insbesondere in Bezug auf das ausgeprägte Vermeidungsverhalten dieser Patientengruppe scheint Exposition in vivo (vgl. Kapitel 2.1.3) eine probate Technik darzustellen (Petermann & Lang, 2009; Pittig et al., 2015). Einer Studie von Öst, Thulin und Ramnero (2004) zufolge erzielt die Exposition in vivo als Einzelintervention ähnliche Behandlungserfolge wie die kognitive Verhaltenstherapie. Auch die Behandlungsdauer scheint keine Rolle in Bezug auf den Therapieerfolg zu spielen, sofern eine bestimmte Anzahl an Expositionsübungen durchgeführt wird. So hatte eine Studie von Knuts et al. (2015) zum Ergebnis, dass fünf Tage intensive Exposition in vivo im Vergleich zu zwölf Sitzungen über sechs Wochen einen ähnlich hohen Behandlungserfolg erzielen. Die Effektstärke für die intensive Durchführung der Expositionsübungen lag bei d = 0,75, was als sehr hoch zu bewerten ist.

In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zu den Wirkmechanismen der Exposition bei der Therapie von Angststörungen rückt das Prinzip des Inhibitionslernens zunehmend in den Fokus des Forschungsinteresses (Pittig et al., 2015). Basierend auf Craske et al. (2014) geht es im Rahmen einer erfolgreichen Exposition darum, die Erwartungen des Patienten möglichst groß zu verletzten, um ihm so die Möglichkeit des Neuerlernens in einer für ihn vorher stark angstbesetzten Situation zu ermöglichen. Der Lernerfolg ist demnach groß, wenn die Diskrepanz zwischen Erwartung und Neuerfahrung möglichst groß ist. Um das Extinktionslernen zu fördern und das Neugelernte möglichst langfristig im Gedächtnis zu konsolidieren und damit einen Erfolg der Exposition zu steigern, bieten sich verschiedene Strategien an. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel die zeitlichen Abstände zwischen den Expositionsübungen zu verändern oder Kontextvariablen zu variieren (Pittig et al., 2015).

Anders als bei der Habituation geht es folglich beim Inhibitionslernen nicht darum, möglichst lange in einer aversiven Situation zu verharren bis die Angst und damit die körperlichen

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Symptome sich von selbst verringern, sondern vielmehr darum, eine Lernerfahrung zu machen, die entgegen der Erwartungshaltung ist. Dieser inhibitorische Ansatz wird durch experimentelle Belege zu den neuronalen Mechanismen des Extinktionslernens gestützt. Praktische Erfahrungen zeigen jedoch, dass einige Klienten dennoch keine signifikante Symptomreduktion oder ein Wiederaufflammen der Angstsymptome nach Beendigung der Therapie erfahren. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit und immense klinische Bedeutung einer Optimierung des inhibitorischen Lernens während expositionsbasierter Interventionen (Pittig et al., 2015).

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass im aktuellen wissenschaftlichen Diskurs um die Wirkmechanismen der Exposition das Habituationsmodell an Bedeutung zu verlieren scheint, was eine geänderte Vorgehensweise in der therapeutischen Praxis nach sich ziehen könnte. Während die massierte Exposition in vivo als Intervention der Wahl bzw. zentraler Wirkfaktor der kognitiven Verhaltenstherapie bei der Behandlung von Agoraphobie und Panikstörung als empirisch gesichert erscheint, ist noch weitgehend unklar, wie sich die zeitliche Intensivierung der Exposition auf die therapeutische Beziehung bei dieser Patientengruppe auswirkt und welchen Effekt das auf den Behandlungserfolg hat. In diesem Kontext ist die empirische Befundlage noch limitiert.

Therapeutische Behandlung

Zu den zentralen Behandlungskomponenten der kognitiven Verhaltenstherapie in Bezug auf das Störungsbild Agoraphobie mit Panikstörung zählen Psychoedukation zu Angst, kognitive Interventionen, interozeptive und in vivo Exposition sowie eine Rückfallprophylaxe (Alpers, Gerlach & Heinrichs, 2011; Lang, Helbig-Lang & Petermann, 2009). Das Grundprinzip der Therapie besteht neben einer Reduktion der Angst, auch in der Vermittlung von Strategien und Fertigkeiten, welche Patienten nach Abschluss der Therapie auch ohne den Therapeuten selbstständig anwenden können (Margraf & Schneider, 2009; Benecke, 2014).

Im Rahmen der Psychoedukation wird den Betroffenen ein glaubwürdiges Erklärungsmodell für ihre Angstproblematik vermittelt, aus dem sich das therapeutische Vorgehen ableitet. Informationen und Erklärungen ermöglichen Patienten eine neue und erleichternde Sichtweise ihrer Störung. Dies trägt zur Patientenmotivation und damit zu einer erhöhten Wirksamkeit und Akzeptanz der therapeutischen Maßnahmen, zur Generalisierung des Therapieerfolgs sowie zur Vermeidung von Rückfällen bei (Margraf & Schneider, 2009).

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Grundlage des Erklärungsmodells bildet das psychophysiologische Modell. Dazu gehören insbesondere der Teufelskreis der Angst und die Zwei-Faktoren-Theorie der Angst, gegebenenfalls erweitert um Angaben zu Sicherheitssignalen, Prädispositionen und Preparedness (Margraf & Schneider, 2009). Der Teufelskreis der Angst besteht aus individuell relevanten körperlichen Symptomen, Kognitionen und Verhaltensweisen und kann sowohl für spontan auftretende Panikanfälle als auch für starke Angstreaktionen in phobischen Situationen eine Erklärung bieten (Benecke, 2014). Grundsätzlich muss das Erklärungsmodell für den Patienten plausibel sein, mit seinen Erfahrungen übereinstimmen und eine Heilungsperspektive eröffnen (Margraf & Schneider, 2009). Kern des Teufelskreismodells ist die Angst vor der Angst. Damit ist die Bewertung der erlebten Symptome als gefährlich und bedrohlich gemeint, welche zur Verschlimmerung der Symptome und damit der Angst beitragen (Benecke, 2014).

Kognitive Interventionen im Rahmen einer kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlung zielen darauf ab, typische angstauslösende Gedanken, dysfunktionale kognitive Schemata sowie Fehlinterpretationen der körperlichen Symptome während eines Angstanfalls systematisch zu erarbeiten (z.B. ich bekomme einen Herzinfarkt, ich könnte verrückt werden) (Wittchen & Hoyer, 2011). Vor allem die Fehlinterpretationen der körperlichen Empfindungen oder anderer Angstsymptome als Zeichen drohender Gefahr führen zur Aufrechterhaltung der Ängste und müssen daher verändert werden (Benecke, 2014). Nach Margraf und Schneider (2009) erfolgt dies mittels kognitiver Umstrukturierung anhand eines Korrekturschemas. Ein weiteres wichtiges Hilfsmittel zur Korrektur der Fehlinterpretationen sind sogenannte Verhaltensexperimente. Anhand derer sollen Patienten lernen, ihre Aufmerksamkeit auf unangenehme Körpersensationen zu lenken und ihre Hypothesen bezüglich gefürchteter körperlicher Zustände zu überprüfen (Wittchen & Hoyer, 2011). Sinnvolle Verhaltensexperimente sind unter anderem körperliche Belastung, Hyperventilation oder Vorstellungsübungen. Neben der Überprüfung von Fehlinterpretationen eignen sich Verhaltensexperimente auch für die Konfrontation mit gefürchteten Situationen (Benecke, 2014).

Die Exposition in vivo bietet bei agoraphobischem Vermeidungsverhalten optimale Therapiemöglichkeiten. Ein nützliches therapeutisches Mittel zur Vorbereitung ist hier die Erstellung einer Angst- und Vermeidungshierarchie. Die Anwendung von Expositionsübungen kann dann in vivo (die Patienten werden mit der tatsächlichen Situation konfrontiert) oder in sensu (die Patienten konfrontieren sich in Gedanken bzw. in ihrer Vorstellung mit den gefürchteten Reizen) erfolgen. Insbesondere für die Exposition in vivo liegen sehr hohe

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Effektivitätsnachweise von d = 1,64 vor (Margraf & Schneider, 2001). Exposition kann zudem graduiert oder massiert stattfinden. Beim graduierten Vorgehen haben die Patienten die Möglichkeit sich Schritt für Schritt dem maximalen Ausmaß der von ihnen vermiedenen Symptome zu nähern. Im Gegensatz dazu erleben die Patienten beim massierten Vorgehen (Reizüberflutung) sofort das Höchstmaß der von ihnen vermiedenen Symptome (Neudeck, 2015). Forschungsergebnisse belegen, dass die massierte Therapie langfristig eine günstigere Prognose zeigt (Wittchen & Hoyer, 2011; Margraf & Schneider, 2009). Für die Durchführung der Exposition ist die kognitive Vorbereitung des Patienten von zentraler Bedeutung. Dem Patienten muss verdeutlicht werden, dass das Vermeidungsverhalten ausschlaggebend für die Aufrechterhaltung seiner Ängste ist und diese letztendlich stabilisiert. Auch sollte der Patient darauf hingewiesen werden, dass es zu Beginn der Therapie zu einem Angstanstieg kommen kann, da bisher vermiedene Situationen nun häufiger aufgesucht und individuelle Ängste thematisiert werden (Wittchen & Hoyer, 2011). Für die Vermittlung des Zusammenhangs zwischen Vermeidung und Aufrechterhaltung der Angst in phobischen Situationen haben sich Verlaufskurven als sehr hilfreich erwiesen. Abbildung 1 verdeutlicht welchen Angstverlauf Patienten in angstbesetzten Situationen häufig befürchten und wie die Angst tatsächlich bei einer Habituation oder bei Vermeidungsverhalten verläuft.

Abbildung 1. Angstverlaufskurven (entnommen aus Margraf & Schneider, 2009, S. 23)

Expositionsübungen sollten am besten an aufeinander folgenden Tagen mit einer Dauer von mehreren Stunden durchgeführt werden (Wittchen & Hoyer, 2011). Da die ersten Übungen entscheidend für den weiteren Verlauf sind, werden diese zuvor zusammen mit dem Patienten sehr konkret und detailliert geplant. Situationen, die langanhaltende Angstreaktionen ermöglichen und in denen Patient und Therapeut möglichst ungestört sind, haben sich als besonders vorteilhaft erwiesen. Während der Übung werden regelmäßig die Angstsymptome

Angst 10

0

Zeitverlauf

Vermeidung/Ritual Habituation

Erwartung Erwartung

(18)

des Patienten und der Schweregrad der wahrgenommenen Angst erfragt und in einem Diagramm festgehalten. Der Patient kann dadurch den Verlauf seiner Angst und den Effekt der Übung sehen. Nach der durch den Therapeuten begleiteten Exposition erfolgt eine Selbstkontrollphase. Die Patienten werden instruiert, solange in den einzelnen Situationen zu bleiben, bis die Angst von alleine geringer wird. Sie sollen nicht versuchen diese zu unterdrücken oder sich abzulenken. In weiterer Folge sollte die Begleitung durch den Therapeuten sobald als möglich ausgeschlichen und die Patienten dazu angeleitet werden, alleine phobische Situationen aufzusuchen (Benecke, 2014). Diese Phase gewährleistet, dass die Patienten auch nach der Therapie die gelernten Fertigkeiten anwenden und somit trotz kurzer Behandlungsdauer langfristige und effektive Lernerfahrungen erzielen können. Für die therapeutische Beziehung und die Motivation des Patienten sollte noch einmal betont werden, dass es in der Therapie um die Vermittlung von Fertigkeiten geht, die selbstständig auch bei wieder auftretenden Ängsten eingesetzt werden können, um Rückfällen vorzubeugen (Margraf

& Schneider, 2009). Im Anschluss an die Reizkonfrontation schließt sich eine Rückfallprophylaxe an, in der die Behandlung reflektiert sowie zukünftige Stressoren und der Umgang damit identifiziert werden.

Obwohl die meisten Therapiemanuale diese Bausteine berücksichtigen, kommt es dennoch dazu, dass der Therapieerfolg von Patienten stark variieren kann (Huppert et al., 2001).

Neben der Durchführung wirksamer Interventionen haben also vermutlich auch andere Variablen einen großen Einfluss auf den Therapieerfolg. Eine mögliche Erklärung dafür ist die Qualität der therapeutischen Beziehung.

2.2 Wirkfaktoren: Therapeutische Beziehung

Im Gegensatz zur Wirksamkeit psychotherapeutischer Behandlungen ist die Frage nach den wirksamen Komponenten der verschiedenen Therapieprogramme nicht ausreichend geklärt, ebenso wenig wie die Moderatoren des Therapieerfolges. Die Frage nach der Wirkungsweise von Psychotherapie und die damit zusammenhängende Kontroverse um die therapeutische Bedeutung spezifischer Techniken gegenüber allgemeinen Wirkfaktoren ist zum Brennpunkt der Psychotherapieforschung geworden (Pfammatter et al., 2012). Die Antwort darauf teilt die Psychotherapieforscher in zwei Lager. Befürworter empirisch fundierter Psychotherapieansätze betrachten methoden- und störungsspezifischer Techniken als maßgeblich für den Therapieerfolg. Die sog. spezifischen Wirkfaktoren beschreiben demnach

(19)

Behandlungstechniken, die ausschließlich von einem bestimmten Psychotherapieverfahren angewendet werden, wie Konfrontationsverfahren bei Angststörungen in der kognitiven Verhaltenstherapie (Lang et al., 2012). Demgegenüber führen Vertreter der Annahme, dass zwischen verschiedenen Psychotherapierichtungen nur geringe Wirkunterschiede bestehen, die Wirksamkeit von Psychotherapie auf allgemeine Wirkfaktoren zurück. Als allgemeine Wirkfaktoren gelten therapeutische Methoden, die für alle Psychotherapieverfahren maßgeblich sind. Es handelt sich hier zum Beispiel um die Beziehungsgestaltung zwischen Patient und Therapeut, die Kompetenz des Therapeuten oder Persönlichkeitseigenschaften des Patienten (Ginzburg et al., 2012; Clarkin & Levy, 2003; Horvath & Symonds, 1991).

Saul Rosenzweig hat in den 1930er Jahren als Erster darauf hingewiesen, dass die Wirksamkeit verschiedener Therapien eher mit gemeinsamen, als mit theoretisch unterschiedlichen Faktoren begründet werden kann. Dieser Standpunkt wurde zu Beginn der 1960er Jahre von Jerome D. Frank aufgegriffen. Er entwickelte daraufhin das Common Component Model (Frank, 1971) und identifizierte vier Aspekte von Psychotherapie, die unabhängig von speziellen Heilverfahren und dessen Wirkung eine Remoralisierung des Patienten bewirken sollen. Hierzu zählt er (1) eine vertrauensvolle, emotional unterstützende Beziehung, in welcher der Patient den Therapeuten als kompetent und hilfsbereit erlebt, (2) Kontextbedingungen, welche beim Patienten die Erwartung entstehen lassen, qualifizierte Hilfe zu bekommen, (3) ein plausibles Erklärungsschema für die Problematik des Patienten sowie (4) die daraus abgeleiteten Vorgehensweisen, welche eine Heilung bewirken sollen (Pfammatter et al., 2012). Das Modell von Frank (1971) begründet die Wirksamkeit von Psychotherapie nicht im Inhalt der verschiedenen Theorien und Techniken, sondern in deren Funktion. Nach seiner Auffassung bilden Psychotherapiekonzepte und die damit verbundenen Therapietechniken lediglich den Rahmen für eine glaubwürdige Behandlung (Pfammatter et al., 2012).

Einige Psychotherapieforscher gehen jedoch von einem anderen Verständnis allgemeiner Wirkfaktoren aus. Eine Literaturanalyse von Grencavage und Norcross (1990) ergab, dass die meisten in der Literatur diskutierten allgemeinen Wirkfaktoren mit 41%

therapeutische Veränderungsprozesse darstellen. Bei 21% handelt es sich um Therapeuteneigenschaften, bei 17% werden Merkmale der Behandlungsstruktur genannt, 15%

beziehen sich auf die Therapiebeziehung und 6% repräsentieren Patientenmerkmale. In weiterer Folge beschrieben verschiedene Autoren eine Reihe weiterer allgemeiner Wirkfaktoren (Pfammatter et al., 2012).

(20)

Orlinsky und Howard (1987) entwickelten auf der Grundlage umfassender Analysen von Prozess-Ergebnis-Studien das allgemeine Modell der Psychotherapie (Orlinsky & Howard, 1987), welches einen wesentlichen Erkenntniszuwachs brachte. Das Modell impliziert vielfältige und komplexe Beziehungen zwischen den einzelnen Aspekten und Ebenen des Therapieprozesses. Techniken und allgemeine Wirkfaktoren sind ebenfalls Teil dieses komplexen Beziehungsgefüges (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2. Psychotherapiemodell (modifiziert nach Orlinsky & Howard, 1987)

Das Psychotherapiemodell (Orlinsky & Howard, 1987) basiert auf der Annahme, dass sich allgemeine Wirkfaktoren auf verschiedene Ebenen des Therapieprozesses beziehen können, während das spezifische technische Vorgehen des Therapeuten nur auf der Handlungsebene des

I N P U T

P R O Z E S S

O U T P U T

Behandlungskontext

Patient Therapeut

Therapievertrag

Pat.-Rolle Th.-Rolle

Therapeutische Operationen Problempräsentation – Schlussfolgerung –

Kooperation – Intervention

Therapeutische Beziehung Beziehungsverhalten von Pat. u. Th.

Selbstbezogenheit des Pat.

Aufnahmebereitschaft

Therapeutische Realisierung Fortschritte – Erfahrungen – Erkenntnisse

Postsession-Outcome Micro-Outcome: Ergebnis einer

Therapiesitzung

Therapieoutcome Macro-Outcome

(21)

Therapieprozesses lokalisiert ist (vgl. Abbildung 2). Demnach gehören Techniken und allgemeine Wirkfaktoren unterschiedlichen Prozessebenen an. Dies impliziert jedoch, dass verschiedene spezifische Techniken dieselben übergeordneten allgemeinen Wirkfaktoren anstoßen können. So kann zum Beispiel angenommen werden, dass verhaltenstherapeutische Exposition und psychodynamische Konfrontation letztlich denselben übergeordneten allgemeinen Wirkfaktor aktivieren können. Nach Sprenkle und Blow (2004) stellen Techniken ein wichtiges Vehikel zur Mobilisierung allgemeiner Wirkfaktoren dar (Pfammatter et al., 2012). Dies verdeutlicht, dass sowohl Techniken als auch allgemeine Wirkfaktoren in ihrem Zusammenspiel mit den Beziehungs- und Störungsmerkmalen des Patienten Veränderungen bewirken (Pfammatter et al., 2012). Der Zusammenhang allgemeiner Wirkfaktoren und spezifischer Techniken mit dem Therapieerfolg konnte in einer Vielzahl von Prozess-Ergebnis- Studien belegt werden. Die vorliegende Datenlage spricht damit deutlich gegen eine polarisierende Gegenüberstellung von Techniken und allgemeinen Wirkfaktoren (Pfammatter et al., 2012). Orlinsky et al. (2004) haben die Befunde dieser Prozess-Ergebnis-Studien in einer Übersicht zusammengestellt. Sie leiten für eine Reihe allgemeiner Wirkfaktoren einen konsistenten positiven Zusammenhang mit dem Therapieergebnis ab, wie zum Beispiel für die Übereinstimmung des Patienten und des Therapeuten in Bezug auf die Aufgaben und Ziele der Therapie (Pfammatter et al., 2012).

Insgesamt konnte im Rahmen der Psychotherapieforschung jedoch kein Befund so häufig bestätigt werden, wie der Zusammenhang zwischen dem allgemeinen Wirkfaktor Therapiebeziehung und dem Ergebnis von Psychotherapie (Pfammatter et al., 2012). Zahlreiche Metaanalysen bekräftigen die therapeutische Beziehung als wichtigstes Prozessmerkmal (Norcross, 2011). Der positive Zusammenhang zwischen therapeutischer Beziehung und dem Therapieerfolg lässt sich sowohl für die Therapiebeziehung, als auch für einzelne Aspekte der therapeutischen Beziehung feststellen (Pfammatter et al., 2012).

Das Konzept der therapeutischen Beziehung gehört inzwischen zu den bedeutendsten der Psychotherapie. Nach der gebräuchlichsten Operationalisierung von Bordin (1979) wird die therapeutische Beziehung durch die Übereinstimmung bezüglich der Therapieziele und der zur Zielerreichung erforderlichen Aufgaben sowie einer emotionalen Bindung zwischen dem Patienten und dem Therapeuten bestimmt (Lammers & Schneider, 2009). Horvath et al. (1993) formulierten drei schulenübergreifende Aspekte, die die Therapiebeziehung charakterisieren sollen:

(22)

(1) Die Wahrnehmung des Patienten, die angebotenen Interventionen als relevant und hilfreich zu erleben,

(2) die Verständigung zwischen Patient und Therapeut über wichtige und vernünftige Erwartungen an die Therapie sowie

(3) die Fähigkeit des Patienten, kognitiv wie emotional eine persönliche Bindung zum Therapeuten einzugehen und die Fähigkeit des Therapeuten, für den Patienten eine sorgende, empfindsame, hilfreiche und verständnisvolle Person darzustellen (Rothermundt, 2010).

So zahlreich die Befunde sind, so wenig einheitlich wird der Wirkfaktor Therapiebeziehung jedoch konzeptionalisiert. Im Laufe der Forschung wurden immer wieder unterschiedliche Konzepte zur therapeutischen Beziehung entwickelt und verschiedene Begriffe, wie therapeutische Allianz (Zetzel, 1956; Hentschel, 2005), Arbeitsbeziehung (genauer: Arbeitsbündnis oder working allianz; Greenson, 1967), hilfreiche Alliance (helping allianz; Luborsky, 1976) oder Therapiebeziehung (Pfammatter et al., 2012) geprägt. In der vorliegenden Arbeit werden diese Begriffe synonym behandelt. Trotz jahrzehntelanger Diskussion existiert bis heute keine einheitliche Operationalisierung über das Konzept der therapeutischen Beziehung (Brockmann et al., 2011).

Nachfolgend werden zentrale Konzeptualisierungen der therapeutischen Beziehung beschrieben bevor anschließend deren Bedeutung im Rahmen der kognitiven Verhaltenstherapie mit Exposition diskutiert wird. Im Zentrum dieser Arbeit steht die therapeutische Beziehung bei kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlungen, weshalb wichtige theoretische Überlegungen separat behandelt werden. Im Anschluss werden die wichtigsten Instrumente zur Erfassung der therapeutischen Beziehug kurz umrissen.

Theoretische Konzepte zur therapeutischen Beziehung

Die Anfänge einer beziehungsorientierten Therapie sind psychoanalytischer Natur und liegen bei Freuds Konzept der Übertragung (Freud, 1913). Er erkannte, dass in jeder psychoanalytischen Behandlung eine intensive Gefühlsbeziehung des Patienten zur Person des Analytikers entsteht. Diese Gefühlsbeziehung, die er bekanntlich als Übertragung bezeichnet hat, kann von leidenschaftlicher, vollsinnlicher Vieliebtheit bis hin zum extremen Ausdruck von Auflehung, Erbitterung und Haß reichen. Freud zufolge kann die Relevanz dieser

(23)

Gefühlsbeziehung, solange sie zärtlich und gemäßigt ist, zum Träger des ärztlichen Einflusses und zur eigentlichen Triebkraft der gemeinsamen analytischen Arbeit werden (Gödde & Stehle, 2016). Wird die Gefühlsbeziehung aber leidenschaftlich oder schlägt ins Feindselige um, dann kann diese zum Hauptwerkzeug des Widerstandes werden. Freud beschreibt Übertragung als

„[…] Wiederholung prägender kindlicher Beziehungserfahrungen und -schemata in aktuellen Beziehungen […] In der therapeutischen Situation wird der Therapeut von seinem Patienten in der Übertragung unbewusst wie eine wichtige Person aus seiner Vergangenheit erlebt.

Hierdurch entsteht die spezifische Möglichkeit, prägende vergangene Beziehungserfahrungen in der aktuellen therapeutischen Beziehung zu untersuchen, der bewussten Erfahrung zugänglich zu machen und hierdurch den unbewussten Zwang zur Wiederholung früherer Beziehungsschemata abzumildern oder aufzulösen“ (Boetticher, 2014, S.33). Mit der Handhabung der Übertragung entwickelt Freud erstmals einen Begriff für sein Verhalten, mit dem er die Beziehung zu seinen Patienten aktiv beeinflusste. Freud verstand eine bewusste, kollaborative und rationale Vereinbarung zwischen Patient und Therapeut als Voraussetzung für eine Heilung. „Später sah er darin das schwierigste wie das wichtigste Stück der analytischen Technik“ (Gödde & Stehle, 2016, S. 23; zitiert nach Freud, 1925, S. 68 f.).

Der Begriff der therapeutischen Allianz wurde in einer Übersichtsarbeit zum Übertragungskonzept von Zetzel (1956) eingeführt. Ihrer Auffassung nach spielt die Fähigkeit des Patienten, mit seinen gesunden und aktiven Ich-Anteilen, eine Beziehung zum Therapeuten einzugehen eine entscheidende Rolle im Übertragungsprozess. Zetzel begreift die therapeutische Allianz nach dem Muster der frühen Mutter-Kind-Bindung und betont, dass der Therapeut besonders zu Beginn der Behandlung sein Verhalten in Anlehnung an das einer guten Mutter gestalten sollte. Sie sieht die Bedeutung der Entwicklung und Aufrechterhaltung einer positiven therapeutischen Allianz als unverzichtbar für den Therapieerfolg.

In Anlehnung an Zetzels Konzept der therapeutischen Allianz und Stones (1961) Kritik am psychoanalytischen Prozess schlug der Psychoanalytiker Greenson (1965) später eine Differenzierung der therapeutischen Beziehung in Arbeitsbeziehung – bei ihm working alliance – und Übertragungsbeziehung vor. Bei der Arbeitsbeziehung geht es um eine mehr realitätsbasierte, neurosefreie Bindung des Patienten zum Therapeuten. Demgegenüber stellt die Übertragungsbeziehung eine in der Gegenwart unangemessene Wiederholung von negativ Erlebtem aus der Vergangenheit dar (Hentschel, 2005). Die Arbeitsbeziehung beschreibt im Gegensatz zur Übertragungsbeziehung die weitgehend bewussten Einstellungen, welche wesentlich zum Erfolg der Therapie beitragen. Letztere wird von unbewussten Anteilen geprägt

(24)

und ist daher dem Bewusstsein des Patienten nicht unmittelbar zugänglich (Brockmann et al., 2011). Greenson nahm an, dass der Patient im Therapieprozess zwischen diesen beiden Komponenten oszilliere (Horvath & Luborsky, 1993).

Ein anderer Zugang zu Übertragungsphänomenen findet sich bei Sandler und Rangell (1983). Während Sandler die transaktionale Übertragung, also die auf aktuelle Interaktion zwischen Patient und Therapeut bezogene Variante von Übertragung favorisiert, verweist Rangell auf die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Entscheidung zwischen einem transaktionalen und einem verinnerlichten, innerpsychischen Zugang. Beide Varianten finden sich häufig auch in empirischen Untersuchungen zur therapeutischen Beziehung (Thomä &

Kächele, 1985).

Bibring (1937) beschreibt die therapeutische Beziehung als neue Objektbeziehung. Er postulierte, dass die therapeutische Beziehung nicht wie in den bereits beschriebenen Konzepten auf frühkindlichen Erfahrungen basiert, sondern auf der Identifikation des Patienten mit dem Analytiker. Die Autoren Gitleson (1962), Horwitz (1974) und vor allem Bowlby (1988) erweiterten dieses Verständnis dahingehend, als dass sie der therapeutischen Beziehung selbst eine kurative Bedeutung beimessen. Diese kurative Bedeutung begründen die Autoren darin, dass der Patient in der Therapie eine gesündere Beziehung erlebt, als er sie aus der Vergangenheit kennt. Die Aufgabe des Therapeuten ist es daher dem Patienten gegenüber eine positive realitätsgetreue Haltung einzunehmen, um ihm die Möglichkeit zu geben über die Diskrepanzen zwischen den verzerrten und realitätsbezogenen Aspekten der Beziehung nachzudenken. Dieser von Bibring und Kollegen postulierte Unterschied zwischen der Übertragung und der therapeutischen Beziehung ist über die psychoanalytische Arbeit hinaus von großer Bedeutung (Horvath & Luborsky, 1993; Ardito & Rabellino, 2011; Rothermundt, 2010).

Auch in anderen Therapieschulen beschäftigte man sich zunehmend mit dem Aspekt der therapeutischen Beziehung. Rogers (1951) Annahmen für eine erfolgreiche Therapie unterscheiden sich zwar grundlegend von denen der Psychoanalyse, jedoch stellt auch bei ihm die therapeutische Beziehung ein zentrales Element der Behandlung dar. Seine Überlegungen gehen dahin, dass der therapeutischen Beziehung selbst eine positive und heilende Wirkung innewohnt. Auch Verhaltenstherapeuten haben wesentliche Elemente der therapeutischen Beziehung – Empathie, Wertschätzung, Echtheit, Bestätigung – aus der Gesprächspsychotherapie nach Rogers (1957) übernommen. Diese kennzeichnen im klassischen klientenzentrierten Ansatz notwendige, aber auch hinreichende Bedingungen, um

(25)

eine therapeutische Veränderung zu erreichen (Horvath & Symonds, 1991; Horvath &

Luborsky, 1993; Holm-Hadulla, 2000; Lammers & Schneider, 2009).

Die therapeutische Beziehung wurde in der Verhaltenstherapie lange wenig thematisiert, obwohl die soziale Beziehung zwischen Patient und Therapeut auch hier einen Einflussfaktor darstellt (Hentschel, 2005). Zum Beispiel wird die Therapiebeziehung in der operanten Konditionierung als Verstärker durch Therapeutenverhalten verstanden. Auch die Theorie des Lernens am Modell hat Aussagen zur Attraktivität des Modells gemacht. Darüber hinaus gibt es Versuche, konkret ausformulierte Arbeitsverträge zu schließen (Kanfer, 1977).

Dieser logisch-rationale Strukturierungsversuch kann als Bestandteil der therapeutischen Beziehung gesehen werden (Hentschel, 2005). In neueren Konzepten, in denen die Beziehung vom Therapeuten ganz gezielt in Abstimmung auf spezifische Motive des jeweiligen Patienten gestaltet wird, findet die therapeutischen Beziehung ebenfalls Verwendung. Ein Beispiel hierfür wär die bedürfnisorientierte Beziehungsgestaltung nach Caspar (2007), bei der sich Therapeuten innerhalb der therapeutischen Beziehung so verhalten, dass die wichtigsten individuellen motivationalen Ziele und Bedürfnisse des Patienten befriedigt werden. Die Grundidee hierbei ist, übergeordnete Annäherungsziele des Patienten zu unterstützen und Vermeidungsziele möglichst wenig zu aktivieren, um die therapeutische Beziehung zu verbessern und somit ein besseres Therapieergebnis zu erzielen (Caspar, 2007; Grosse Holtforth & Castonguay, 2007; Benecke, 2015). Ein weiterer, bedeutsam gewordener Zugang zur Bearbeitung der therapeutischen Beziehung, insbesondere bei der Veränderung sehr grundlegender Schemata, findet sich in den kognitiven Therapien (vgl. Kapitel 2.2.2). Die Therapie wird hier gewissermaßen als ein Set von Vorgehensweisen verstanden, welche dysfunktionale Gedanken und Schemata in systematischer Form verändern soll (Holm-Hadulla, 2000; Benecke, 2015).

Im Zuge der beginnenden empirischen Psychotherapieforschung in den 50er Jahren mit Eyseneck’s fundamentaler Kritik, dass Psychotherapie nicht wirksamer als keine oder eine unspezifische Behandlung sei, begann man sich intensiver mit allgemeinen Wirkfaktoren von Psychotherapie auseinanderzusetzen (Benecke, 2014). In diesem Zusammhang entstand auch die Einsicht über die Notwendigkeit einer pantheoretischen, therapieschulenübergreifenden Konzeption der therapeutischen Beziehung. Die Initiative die therapeutische Beziehung zu operationalisieren geht auf Bordin (1979) und Luborsky (1976) zurück. Ausgehend vom psychodynamischen Begriff des Arbeitsbündnisses formulierte Bordin ein pantheoretisches Konzept der therapeutischen Beziehung, welches durch verschiedene Therapieformen und -

(26)

verfahren untersucht und gemessen werden kann. Sein Konzept erweist sich bis heute als einflussreich, was wohl auch auf dessen schulunabhängige Sprache zurückzuführen ist. Bordin vertrat mit seiner Definition der therapeutischen Beziehung die Auffassung, dass dies das soziale Bindeglied für alle Psychotherapien sein könnte, auch wenn natürlich Unterschiede hinsichtlich der Stärke und in dem Muster von therapeutischer Beziehung bestehen (Hentschel, 2005). Er charakterisierte die therapeutische Beziehung durch drei sich gegenseitig beeinflussende Komponenten:

(1) Übereinstimmung über die therapeutischen Aufgaben: Damit sind alle Aktivitäten gemeint, welche der Patient in einer jeweiligen Therapieform ausführen muss, um von der Behandlung zu profitieren. Dazu zählen zum Beispiel in der Psychoanalyse das freie Assoziieren oder in der Verhaltenstherapie die Erledigung von Hausaufgaben.

(2) Übereinstimmung über die Therapieziele: Dies bezieht sich auf jene Zielvorstellungen, auf welche der therapeutische Prozess ausgerichtet ist, wie zum Beispiel Symptomreduktion, strukturelle Persönlichkeitsänderungen, Selbsterkenntnis oder Änderungen der äußeren Lebensumstände.

(3) Emotionale Bindung: Die emotionale Bindung beschreibt das Ausmaß, in welchem sich der Patient in der Beziehung zum Therapeuten verstanden, respektiert und wertgeschätzt fühlt (Gödde & Stehle, 2016).

Wenige Jahre vor Bordins grundlegender Arbeit zur therapeutischen Beziehung prägte Luborsky (1976) den Begriff der hilfreichen Beziehung bzw. helping allianz. Er unterschied hierbei zwischen einem Gefühl der Unterstützung und einem Gefühl der Zusammenarbeit bzw.

der gemeinsamen Verantwortung. Während der Patienten bei ersterem den Therapeuten als kompetent, unterstützend und für ihn hilfreich erlebt, soll letzteres dem Patienten das Gefühl vermitteln, dass es sich bei der Therapie um einen mit dem Therapeuten gemeinsam gestalteten Prozess handelt. Luborskys Überlegungen gehen dahin, dass das Gefühl der Unterstützung besonders zu Beginn der Therapie hilfreich ist. Das Gefühl der Zusammenarbeit bzw. der gemeinsamen Verantwortung soll vor allem später in der Behandlung hilfreich sein und zur Erreichung der Ziele beitragen (Brockman et al., 2011). Basierend auf den umfangreichen empirischen Untersuchungen zur hilfreichen Beziehung formulierte Luborsky spezifische therapeutische Interventionen zur Förderung der hilfreichen Beziehung. Dabei stehen

(27)

insbesondere Interventionen im Vordergrund, die dem Patienten Unterstützung, Hoffnung auf Veränderung, Verständnis und Akzeptanz vermitteln sollen. Luborsky empfielt den Therapeuten weiter, eine Sympathie zum Patienten zu entwickeln, seine funktionalen Abwehrformen zu stützen, realitische Ziele zu formulieren, Fortschritte in der Behandlung zu würdigen, den Patienten zur Exploration und Mitteilung seiner Gedanken und Gefühle anzuregen sowie die Therapie als gemeinsame Arbeit mit gemeinsamen Erfahrungen anzuerkennen (Boetticher, 2014).

Durch die integrativen Arbeiten von Luborsky (1976) und Bordin (1979) wurde das Modell der therapeutischen Beziehung aus dem theoretischen Kontext der Psychoanalyse herausgelöst und stellt seither, unabhängig vom Therapieverfahren, eine zentrale Bedeutung für jedes psychotherapeutische Handeln dar (Flückiger et al., 2015; Boetticher, 2014; Hentschel, 2005; Holm-Hadulla, 2000). Es gibt natürlich noch eine Vielzahl weiterer Konzepte und Überlegungen zum Begriff der therapeutischen Beziehung, teilweise mit einschneidenden Veränderungen in der Auffassung von dem, was Psychotherapie ausmacht und bewirken soll (Hentschel, 2005). Grundsätzlich scheinen – trotz all dieser Unterschiedlichkeit – alle Definitionen und Konzepte in ihrem Verständnis zur therapeutischen Beziehung drei Aspekte gemeinsam zu haben (Ardito & Rabellino, 2012; Bordin, 1979):

(1) die Übereinstimmung bezüglich der Ziele in der Behandlung, (2) die Übereinstimmung über die Aufgaben und

(3) die Entwicklung eines persönlichen Bandes zwischen Therapeut und Patient.

Vor diesem Hintergrund lässt sich Bordins Theorie (1979) als ein dominantes Konzept der therapeutischen Beziehung ausmachen und soll daher zum Gegenstand der vorliegenden Arbeit gemacht werden. Darüber hinaus basieren auf dem Konzept Bordins die verschiedenen Versionen des Working Alliance Inventorys (Horvath & Greenberg, 1986), einem des am häufigsten eingesetzten Fragebogens zur Erfassung der therapeutischen Beziehung (Kapitel 2.3.1), welcher zudem in der vorliegenden Arbeit zur Messung der therapeutischen Beziehung Anwendung findet. Dem Konzept von Bordins kommt somit auch für die Interpretation der empirischen Befunde Bedeutung zu.

Im nachfolgenden Kapitel soll auf die defizitäre Berücksichtigung der therapeutischen Beziehung im Rahmen der kognitiven Verhaltenstherapie, insbesondere der Expositionstherapie eingegangen werden. Weiterhin sollen aktuelle theoretische

(28)

Überlegungen, Entwicklungen und Konzepte zur therapeutischen Beziehung in kognitiv- verhaltenstherapeutischen Behandlungen erläuert werden.

Therapeutische Beziehung in der kognitiven Verhaltenstherapie

In der Anfangsphase der kognitiven Verhaltenstherapie wurden Beziehungsvariablen in der Forschung und in den einschlägigen Publikationen – wie bereits erwähnt – nur vereinzelt reflektiert (Stumm & Pritz, 2009). Dem Nachweis der Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Verfahren wurde vorrangige Bedeutung eingeräumt. Folglich ist zwar die Wirksamkeit der Methoden inzwischen gut abgesichert, der Beitrag der therapeutischen Beziehung zum Therapieerfolg hingegen ist in der kognitiven Verhaltenstherapie weniger gut belegt (Margraf

& Schneider, 2009). Als Konsequenz fanden sich in der verhaltenstherapeutischen Literatur lange Zeit wenig konzeptionelle Überlegungen zur Beziehungsgestaltung (Holm-Hadulla, 2000). Erst mit der kognitiven Wende kam es auch in der Verhaltenstherapie und ihren Weiterentwicklungen zu einem Anstieg des Interesses an der therapeutischen Beziehung. Die Akzentverlagerung hin zum Therapieprozess und zu Beziehungsvariablen wurde ausgelöst durch praktische Erfahrungen mit der Umsetzung verhaltenstherapeutischer Maßnahmen und dem Forschungsbefund, Therapieerfolge nicht allein durch Technik- oder Störungsvariablen erklären zu können. So berichten praktizierende Verhaltenstherapeuten, dass die Qualität der Beziehung, die zwischen ihnen und ihren Patienten besteht, einen wichtigen Einfluss auf das Therapieergebnis hat (Margraf & Schneider, 2009).

Inzwischen besteht auch in der kognitiven Verhaltenstherapie Konsens bezüglich der Bedeutung der therapeutischen Beziehung für den Veränderungsprozess (Lammers &

Schneider, 2009). Dies gilt ebenso für verhaltensmedizinische wie für Entspannungsverfahren (autogenes Training, progressive Muskelrelaxation), bei denen der Qualität der therapeutischen Beziehung und den Settingvariablen zur Behebung der relaxationsinduzierten Angst, eine entscheidende Bedeutung beigemessen wird (Holm-Hadulla, 2000). Im Rahmen effektiver Behandlung kann eine vertrauensvolle Therapeut-Patient-Beziehung dazu beitragen Selbstreflexion und Offenheit zu erleichtern und stellt somit eine essentielle Voraussetzung für die Verhaltensanalyse dar. Darüber hinaus ist eine stabile Beziehung als Motivatorvariable unerlässlich für die Arbeit mit den verschiedenen verhaltenstherapeutischen Methoden, wie der Bereitschaft sich im Rahmen der kognitiven Therapie mit automatischen Gedanken zu konfrontieren, dysfunktionale Kognitionen und Schemata bewusst werden zu lassen und

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anschließend zu verändern. Vor allem aber ist sie relevant für die Entscheidung sich belastenden Therapiemethoden auszusetzen, wie beispielsweise der Reizkonfrontation (Stumm & Pritz, 2009).

Hautzinger (1992) zufolge stellen aus Sicht der kognitiven Verhaltenstherapie das Vertrauen des Patienten sowie das Interesse und die Kompentenzen des Therapeuten wesentliche Elemente dar (Holm-Hadulla, 2000). Besonders in der expositionsbasierten kognitiven Verhaltenstherapie muss der Patient darauf vertrauen, dass der Therapeut an seinem Wohl aufrichtig Anteil nimmt. Nur ein Patient der seinem Therapeuten vertraut, wird sich in die für ihn bedrohliche Situation der Exposition begeben (Fiegenbaum, Freitag & Frank, 1992).

Dies verdeutlicht die enorme Bedeutung der Beziehung zwischen Patient und Therapeut für die Expositionstherapie, denn gerade für diese muss die Beziehung besonders belastbar sein. Neben dem Vertrauen des Patienten, stellt die Durchführung einer Expositionstherapie auch hohe Anforderungen an die Kompetenzen des Therapeuten. Anders als bei anderen Therapieformen wird der Therapeut hier sehr viel direkter mit der Angst des Patienten konfrontiert, wodurch dieser häufig sehr direktive Maßnahmen einleiten muss, ohne dabei gleichzeitig die emotionale Therapeut-Patient-Beziehung zu gefährden. Da die Expositionstherapie nicht ausschließlich in einem geschützten und automatisch distanzerzeugenden Therapieraum stattfindet, sondern auch in einem alltäglichen Umfeld, kann dies sowohl Rückwirkungen auf die therapeutische Beziehung als auch auf die therapeutischen Interventionen haben. Der Therapeut muss daher in der Lage sein schnell und flexibel zu handeln, auftretende Probleme müssen sofort besprochen werden und können nicht auf die nächste Therapiestunde verschoben werden. Die Souveränität des Therapeuten nimmt in der Expositionsbehandlung einen besonderen Stellenwert ein, da die Modellfunktion des Therapeuten eine wesentliche Bedeutung hat. Aufgrund der ungewohnten Anforderungen ist jedoch gerade diese Souveränität für den Therapeuten oft schwerer zu erreichen (Fiegenbaum, Freitag & Frank, 1992).

Insgesamt scheint die Qualität der therapeutischen Beziehung für die expositionsbasierte kognitive Verhaltenstherapie von großer Bedeutung zu sein. Da diesbezüglich nur sehr wenige Untersuchungen vorliegen, ist die Berücksichtigung der therapeutischen Beziehung im Bereich der kognitiven Verhaltenstherapie mit Exposition wünschenswert. Weitere Versuchsbedingungen sollten zudem das Prinzip des Inhibitionslernenes zunehmend berücksichtigen (vgl. Kapitel 2.1.2). Präklinischen Studien zufolge gilt das Inhibitionslernen, also die Veränderung angstfördernder neuronaler und kognitiver Strukturen als zentraler Wirkmechanismus der Expositionstherapie (Milad & Quirk,

(30)

2012; Vervliet, Craske & Hermans, 2013). Diese Ergebnisse der grundlagen- und präklinischen Forschung wurden bisher jedoch kaum in die klinische Forschung transferiert.

Methoden zur Erfassung der therapeutischen Beziehung

Es gibt inzwischen eine Vielzahl an psychometrischen Messinstrumenten und Verfahren zur Diagnostik der therapeutischen Beziehung auf der Grundlage spezifischer psychotherapeutischer oder eklektischer Ansätze (Elvins & Green, 2008; Martin et al., 2000).

Dabei dominieren standardisierte Erhebungen der Patienten- und der Therapeuten-Perspektive zur therapeutischen Beziehung. Für Forschungszwecke liegen ergänzend umfangreiche Einschätzungs- und Kodierverfahren für die Fremdbeobachter-Perspektive vor (Hank &

Krampen, 2008). Die Verfahrensentwicklung wurde zwischen den späten 1970er und den frühen 1980er Jahren vorrangig im angloamerikanischen Sprachraum vorangetrieben.

Vorläufiges Ergebnis waren fünf Verfahrensgruppen, auf denen die große Mehrheit der bis heute international publizierten psychometrischen Hilfsmittel zur standardisierten Erfassung der therapeutischen Beziehung basieren (Hank & Krampen, 2008). Heute verfügt die Psychotherapie über 30 verschiedene Verfahren zur Erfassung der therapeutischen Beziehung, Kurzversionen und kontextuelle Anpassungen nicht eingeschlossen (Flückiger et al., 2015).

In der internationalen Literatur haben sich zur Beurteilung der therapeutischen Beziehung vier englischsprachige Fragebögen durchgesetzt, die sich inhaltlich deutlich überschneiden. Dazu zählen die California Psychotherapy Alliance Scale (CALPAS; Gaston et al., 1991), der psychodynamisch fundierte Helping Alliance Questionnaire (HAQ; Luborsky, 1986), das Working Alliance Inventory (WAI; Horvath & Greenberg, 1989) und die Vanderbilt Psychotherapy Process Scale (VPPS; Suh, O’Malley, Strupp & Johnson, 1986)(Boetticher, 2014; Flückiger et al., 2015). Ein Überblick über die Messinstrumente zur therapeutischen Beziehung ist in Tabelle 1 aufgeführt. Diese vier englischsprachigen Messinstrumente, die sich inhaltlich deutlich überschneiden, wurden in zwei Dritteln der publizierten Studien eingesetzt.

Ein Drittel der Studien beschäftigte sich mit Kurzversionen des von Horvath entwickelten WAI (Horvath & Greenberg, 1989). Besonders in der letzten Dekade haben diese Kurzversionen zusätzlich an Popularität gewonnen. Martin et al. (2000) schätzen die Reliabilitätswerte der vier Hauptmessinstrumente als zufriedenstellend ein. Die Einschätzung der therapeutischen Beziehung aus Patienten-, Therapeuten- und Beurteilerperspektive korrelieren erstaunlicherweise nur moderat positiv miteinander. Dies könnte ein Hinweis dafür sein, dass

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