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Corona und Arbeit. Wie die aktuelle Krise Ungleichheiten verschärft

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Academic year: 2022

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Friedrich-Schiller-Universität Jena

DUTA 1\TD

Corona und Arbeit.

Wie die aktuelle Krise Ungleichheiten verschärft

Vortrag und Diskussion

Dr. Steffen Liebig, FSU Jena

18. August 2021, ver.di Bildungszentrum Gladenbach

,,Corona und die Folgen auf Einkommen� Vermögen und Arbeitsmarkt:

Welche Konsequenzen ziehen wir daraus?

N seit 1558

(2)

1. Die prekäre Vollerwerbsgesellschaft

2. Das Hartz-IV-Regime

3. Corona, Arbeit und Ungleichheit

4. Politische Schlussfolgerung & Forderungen

5. Diskussion

Gliederung

(3)

1. These:

In der Bundesrepublik hat sich eine prekäre Vollerwerbsgesellschaft

herausgebildet, in der unsichere Beschäftigung zur Normalität geworden ist.

Strukturveränderungen am Arbeitsmarkt:

-

Stagnation Arbeitsvolumen/steigende Erwerbsquote

-

Zunehmende Teilzeitquote

-

Abnehmende/stagnierende Lohnquote

1. Die prekäre Vollerwerbsgesellschaft

(4)

Quelle: WISO Diskurs. Flexible Arbeitszeitgestaltung. Friedrich-Ebert-Stiftung, 04/2016.

(5)

Abb. 1: Beschäftigung und Arbeitsvolumen 1991–2017 (in 1.000) ArbeitGute

1991 2000 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

Arbeitneh-

merInnen 35.227 35.922 36.533 37.014 37.500 37.869 38.306 38.721 39.288 39.983 40.660 Vollzeit 28.911 25.309 22.825 22.918 23.230 23.288 23.534 23.705 23.958 24.335 24.709 Teilzeit 6.316 10.613 13.707 14.096 14.270 14.581 14.772 15.017 15.330 15.648 15.950

Teilzeitquote 17,9% 29% 37,5% 38,1% 38,1% 38,5% 38,6% 38,8% 39,0% 39,1% 39,2%

Arbeitsvolu- men (in Mio.

Stunden)

52.089 48.837 47.845 48.665 48.785 48.871 49.726 49.741 50.308 50.930 51.849

Zahlen für 2018 sind Schätzungen; Teilzeit = inkl. geringfügige Beschäftigung Quelle: IAB Kurzberichte 6/2016, 9/2017 und 7/2018

Quelle: Gute Arbeit, Ausgabe 2019: Lothar Schröder/Hans-Jürgen Urban (2019): Transformation der Arbeit – Ein Blick zurück nach vorne, S. 284.

(6)
(7)

2. These:

Die Arbeitswelt befindet sich (weiterhin) im Umbruch; wird nicht

gegengesteuert, werden weitere neue Zonen der Prekarität entstehen.

Die Corona-Krise wirkt als Katalysator.

Strukturentwicklungen:

-

Diversifizierung der Beschäftigungsformen

-

Zunahme Niedriglohn

-

Abnehmende Tarifbindung

1. Die prekäre Vollerwerbsgesellschaft

(8)
(9)

Quelle: Gute Arbeit, Ausgabe 2019: Lothar Schröder/Hans-Jürgen Urban (2019): Transformation der Arbeit – Ein Blick zurück nach vorne, S. 287.

(10)
(11)

-

Herausbildung von drei – weitgehend getrennten – Arbeitswelten:

1. Welt: hohe Prägekraft Flächentarifverträge, funktionale Konfliktpartnerschaft, relativ hohe Löhne (Exportindustrie, Großbetriebe etc.), nicht prekär

2. Welt: mittlere Prägekraft Tarife, Haustarifverträge, situative Konfliktpartnerschaft, mittlere Löhne (öffentlicher Dienst, mittelgroße Betriebe etc.), teils prekär

3. Welt: gewerkschaftliche Repräsentation schwach oder inexistent,

Unterbietungswettbewerb (ggf. ohne Tarifvertrag), lange Arbeitszeiten und niedrige (gesetzliche Mindest-)Löhne (kleine Betriebe,

Dienstleistungsbranche, Bau etc.), prekär

Quelle: Hassel, Anke/Schroeder, Wolfgang (2018): Gewerkschaften 2030. Rekrutierungsdefizite, Repräsentationslücken und neue Strategien der Mitgliederpolitik. WSI-Report 44. Düsseldorf: WSI.

(12)

2. Das Hart-IV-Regime

Dörre, Klaus/Scherschel, Karin/Booth, Melanie/Haubner, Tine/Marquardsen, Kai/Schierhorn, Karen (2013):

Bewährungsproben für die Unterschicht? Soziale Folgen aktivierender Arbeitsmarktpolitik. Erschienen in der Reihe

International Labour Studies - Internationale Arbeitsstudien, Band 3.

Frankfurt am Main/New York: Campus.

(13)

3. These:

Das aktivierende Arbeitsmarktregime inszeniert Erwerbslosigkeit als Wettkämpf mit Bewährungsproben. Die Verantwortung für

Erwerbslosigkeit wird individualisiert.

2. Das Hart-IV-Regime

(14)

Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/politik/langzeitarbeitslose-hartz-iv-wirkt---wie-ein-stigma,10808018,23949570.html, Stand 02.09.2013

(15)

4. These:

Der bürokratische Zwangsapparat, Sanktionsmechanismen und

individualisierende Verantwortungszuschreibungen wirken als Stigma.

2. Das Hart-IV-Regime

(16)

5. These:

Prekarität, Niedriglöhne und Sanktionsdrohungen wirken bis hinein in die Mittelschicht bzw. in die erste und zweite Arbeitswelt disziplinierend und verunsichernd.

2. Das Hart-IV-Regime

(17)

6. These:

Die Corona-Pandemie wirkt wie ein Brennglas.

Die Corona-Krise macht all jene Unsicherheiten und Ungleichheiten sichtbar, die in modernen kapitalistischen Gesellschaften seit langem (re-)produziert werden.

Mit Einsamkeit und sozialer Isolation verstärkt sie aber auch

Ausprägungen von Prekarität wie Einsamkeit und soziale Isolation, die zuvor eher kaum im Rampenlicht der Öffentlichkeit standen.

3. Corona, Arbeit und Ungleichheit

(18)

7. These:

Vor dem Virus sind nicht alle gleich (dies gilt in gesundheitlicher &

sozialer Hinsicht und verstärkt sich global). Die Corona-Krise verschärft ohnehin bestehende Ungleichheiten.

3. Corona, Arbeit und Ungleichheit

(19)

Zunahme beruflicher Unsicherheit

„Ein knappes Viertel der Teilnehmer*innen der ersten Befragungswelle des Arbeitswelt-

Monitors gab explizit an, dass durch Corona ihre berufliche Zukunft unsicherer geworden ist. Auf Branchenebene zeigte sich ein

ähnliches Bild wie die bei den

Verdiensteinbußen: Gastgewerbe, Kultur, Metall- und Elektroindustrie waren relativ stark betroffen.“ (S. 25)

Holst, Hajo; Niehoff, Steffen; Fessler, Agnes (Mai 2020): Covid-19 und die Arbeitswelt. Berufliche Ungleichheiten im Arbeitserleben in der Pandemie. Ergebnisbericht zur ersten Befragungswelle (April/ Mai 2020).

(20)

Zunahme beruflicher Unsicherheit

Holst, Hajo; Niehoff, Steffen; Fessler, Agnes (Mai 2020): Covid-19 und die Arbeitswelt. Berufliche

Ungleichheiten im Arbeitserleben in der Pandemie. Ergebnisbericht zur ersten Befragungswelle (April/ Mai 2020).

(21)

Ungleiche Einkommensentwicklungen

Holst, Hajo; Niehoff, Steffen;

Fessler, Agnes (Mai 2020): Covid- 19 und die Arbeitswelt.

Berufliche Ungleichheiten im Arbeitserleben in der Pandemie.

Ergebnisbericht zur ersten Befragungswelle (April/ Mai 2020).

(22)

Ungleiche Einkommensentwicklungen

(23)

Verbreitung von Kurzarbeit

Holst, Hajo; Niehoff, Steffen; Fessler, Agnes (Mai 2020): Covid-19 und die Arbeitswelt. Berufliche

Ungleichheiten im Arbeitserleben in der Pandemie. Ergebnisbericht zur ersten Befragungswelle (April/ Mai 2020).

(24)

Ungleiche Einkommensentwicklungen

„Auch die Höhe der aufstockenden Leistungen differiert stark. Etwa die Hälfte der

Kurzarbeiter*innen mit erhöhtem Kurzarbeitergeld erhält Leistungen bis zu 80% des ausgefallenen Nettoentgelts und nur ein kleiner Anteil sogar über 90%. In tarifgebundenen Betrieben ist die

Wahrscheinlichkeit auf ein Kurzarbeitergeld

zwischen 80 und 90% höher als in den tariffreien, wobei in Rechnung zu stellen ist, dass in letzteren relativ weniger Kurzarbeiter*innen überhaupt zusätzliche Zahlungen erhalten.“

Pusch, Toralf; Seifert, Hartmut: Kurzarbeit – Mehr als eine Beschäftigungsbrücke. In: Policy Brief: Nr. 53 WSI 03/2021, S. 7.

(25)

Corona und Arbeitslosigkeit

Mehr als 1 Million Menschen durch Corona-Krise arbeitslos geworden (Vergleich 2019 zu 2020)

Davon mehr als die Hälfte vormals geringfügig Beschäftigte

Diese Menschen haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitsgeld oder ALG I

• Langzeitarbeitslosigkeit nimmt zu

Quelle: https://www.wiwo.de/politik/konjunktur/arbeitslosigkeit-mehr-als-eine-million-buerger-verlieren- ihren-job-in-der-pandemie/27128092.html & https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/corona-krise-die- langzeit-arbeitslosigkeit-steigt-a-7aff4d4b-ee0f-45ed-971a-766b9156cc3e

(26)

Ungleichheit nach Geschlecht &

Mehrbelastung von Familien

Holst, Hajo; Niehoff, Steffen; Fessler, Agnes (Mai 2020): Covid-19 und die Arbeitswelt. Berufliche

Ungleichheiten im Arbeitserleben in der Pandemie. Ergebnisbericht zur ersten Befragungswelle (April/ Mai 2020).

(27)

Ungleichheit nach Geschlecht &

Mehrbelastung von Familien

(28)

Corona & Arbeit: Zusammenfassung

Besonders belastetet Gruppen:

-

Beschäftigte in Krisenbranchen und ohne Tarifvertrag

-

Besondere Arbeitsbelastungen (z.B. Gesundheitssektor)

-

Prekär und geringfügig Beschäftigte (häufig Frauen und Migrant*innen &

Geringqualifizierte)

-

Familien, insb. Frauen, und Alleinerziehende

-

ALG II-Bezieher*innen (finanzielle Mehrbelastungen und steigendes Risiko Langzeitarbeitslosigkeit)

-

Lohnarbeitende gegenüber Gewinnen aus Kapitalerträgen

(29)

9. These:

Die gesellschaftliche und politische Linke ist in gesundheitspolitischer Prävention gefangen und sie kann sich nur schwer von der

herrschenden Corona-Politik abgrenzen.

Trotz einiger sozial- und arbeitspolitischer Erfolge, bspw.

Erhöhung & Verlängerung Kurzarbeitsgeld

Verlängerung ALG I

Aussetzung Bedürftigkeitsprüfung ALG II

Erhöhung Kinderkrankentage

gelingt es der Linken in der Corona-Krise noch zu wenig effektive

umverteilungspolitische Akzente zu setzen

(30)

Forderungen in/nach der Corona-Krise:

National:

• Förderung Binnenkonsum + Sozialpolitik: statt Steuergeschenke gezielte Unterstützung einkommensschwacher Gruppen (Erhöhung Mindestlohn, Renten, ALG I & II)

• Abschaffung Hartz IV: Sanktionsmoratorium, Abschaffung Sanktionen etc.

• Gesetzlicher Mindestlohn für alle („living wages“)

• Entprekarisierung: geringfügige in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umwandeln; sog. „systemrelevante“ Berufe materiell absichern

• Solidarische und radikale Arbeitszeitverkürzungen für besonders belastete Gruppen (insb. Eltern)

• Belastung Vermieter – Entlastung Mieter

• (vorerst) Kein Ende der kostenlosen Test

• Extrem ungleiche Vermögensentwicklung: Umverteilung

• Wirtschaftsförderung nach sozial-ökologischen Kriterien

4. Politische Schlussfolgerung & Forderungen

(31)

Forderungen in/nach der Corona-Krise:

Gewerkschaft

• politische Bildung/Überzeugung

• Politische und bewegungspolitische Allianzen bilden

• Political Organizing/Interessenvertretung auch der Prekären/Erwerbslosen

• Machtressourcen identifizieren und Organisierung stärken

• Perspektiven stärken: (sozial-ökologische) Um- und Weiterbildungen + Arbeitszeitverkürzung

• Gewerkschaften als sozial-ökologische Transformationsakteure

4. Politische Schlussfolgerung & Forderungen

(32)

Quelle: Global Policy Forum (Hrsg.): Agenda 2030: Wo steht die Welt? 5 Jahre SDGs – eine Zwischenbilanz, Bonn 2020, S. 12-13.

(33)

Forderungen in/nach der Corona-Krise:

Global:

• Patentfreigabe Impfstoffe; Ende des Prinzips Sozialisierung der Kosten für Forschung & Entwicklung – Privatisierung der Gewinne

• Umverteilung & globale Mindeststeuern

• Konsequenter Naturschutz und Klimapolitik zur zukünftigen Verhinderung von Zoonosen/Pandemien

• Schnelles Ende der Förderung fossiler Rohstoffe – Schaffung neuer Arbeitsplätze/Humandienstleistungen (Gesundheits-, Bildungs- und Betreuungsbereich)

• Gezielte und massive Investitionen in einen sozial-ökologischen Strukturwandel – dauerhaftes Ende der schwarzen Null

• Die Transformation wird kommen – proaktiv oder krisenhaft – ganze Branchen werden sich massiv und schnell wandeln

4. Politische Schlussfolgerung & Forderungen

(34)

Institut für Soziologie FSU Jena

Bachelor als Kern- und Ergänzungsfach

Master in Soziologie und Gesellschaftstheorie

Soziologie in Jena:

vielseitige Lehre

kritische Gesellschaftsanalyse

Forschung am Puls der Zeit

SFB „Strukturwandel des Eigentums“

Referenzen

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