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itte des 18. Jahrhunderts gab es in Mai- land fünf Friedhöfe, die Toten wurden meist anonym auf jenem in nächster Nähe ihrer Wohnstätte begraben. Beisetzungen in Kirchen waren Adeligen oder geist-
lichen Würdenträgern vorbehalten.
1838 schrieb dann eine Ver- ordnung den Kommunen die Ein- richtung von Friedhöfen vor, die mindestens 200 Meter von Wohn- häusern und Gemeindekirchen ent- fernt und für alle offen sein muss-
ten. Man entschloss sich deshalb in Mailand, einen neuen Friedhof zu errichten. Gut Ding braucht Weile, damals wie heute, und so be- gannen die Bauarbeiten erst 1860, mussten aber bald wieder eingestellt werden, da der Entwurf des Architekten Giulio Aluisetti der- art massive Proteste hervorrief, dass der im klassischen Stil geplante Bau nicht ausgeführt
den Wienern wird ein hang zur „schönen Leich´“
nachgesagt, Mailand steht ihnen in dieser hinsicht jedoch in nichts nach. Wer dort den Cimitero Monumentale besucht, kommt aus dem staunen nicht mehr heraus.
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KuLtuR & GeseLLsChAFt Reise
granat apfel 11|2013
werden konnte. Das Projekt musste neu aus- geschrieben werden, diese Ausschreibung ge- wann der Architekt Carlo Maciachini.
Gut Ding braucht Weile
1866 konnte der Friedhof eröffnet werden. Er erstreckt sich auf einer Fläche von 250.000 Quadratmetern (zum Vergleich – der Wiener Zentralfriedhof ist mit einer Fläche von fast 2,5 Quadratkilometern zehn Mal so groß).
Man nähert sich der Anlage über einen großen Platz, an dessen Stirnseite das Eingangsgebäu- de thront. Mit zwei Arkadengängen scheint es den Besucher zu umschließen und in die Arme zu nehmen. Das Eingangsgebäude aus Marmor und Backsteinen war ursprünglich als katholische Kirche gedacht, wurde dann aber als Ort der Erinnerung an herausragende Mai- länder Persönlichkeiten eingerichtet.
Hier kann man unter anderem das Grab des Schriftstellers Alessandro Manzoni besuchen. Ihm hat Giuseppe Verdi sein Requiem gewidmet, das 1874 an Manzonis erstem Todestag in der Kirche San Marco in Mailand uraufgeführt wurde.
Verlässt man die Ehrenhalle, so führt der Weg direkt auf das Ossarium zu, das sich auf der Sichtachse zwischen Eingangshalle und Krematorium befindet. Das Krematorium wur-
1866 konnte der
Friedhof eröffnet werden.
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Der Vorplatz des Cimitero Monu- mentale mit dem Eingangs gebäude
Letzte Größe
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wurde auf das Grab gestellt, überragt von einer riesigen Männerfigur. Es ist dies nur eines von mehreren Grabmälern, die der Bildhauer Enri- co Butti für diesen Friedhof schuf. Die Liste der berühmten Persönlichkeiten, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben, ist lang. Es finden sich darin Sportler und Künstler, Industrielle wie Politiker. Der Tenor Franco Corelli liegt hier begraben, auch der Pianist Vladimir Horo- witz und der schon erwähnte Arturo Toscani- ni ruhen hier. Der einbalsamierte Körper Evita Peróns war nach dem Sturz ihres Mannes 1955 nach Mailand gebracht und unter falschem Namen hier bis 1971 begraben. 1971 wird der Leichnam nach Madrid gebracht, 1974 nach Argentinien geflogen, wo er 1976 endlich im Familiengrab der Duartes seine nun hoffentlich letzte Ruhe gefunden hat.
Es lohnt sich, diesen Friedhof zu besu- chen, der Dienstag bis Sonntag geöffnet ist. Es ist ein Spaziergang durch die Kunstgeschichte Italiens – Werke des Realismus finden sich ne- ben Jugendstilfiguren, moderne Kunst neben nachgebauter Antike. Er gibt Zeugnis davon, wie wichtig es für Menschen ist, ihre gesell- schaftliche Stellung über den Tod hinaus dar- zustellen und der Nachwelt zu vermitteln.
Und manch einst prunkvolles, aber nun von Pflanzen überwuchertes Grab führt uns vor Augen, wie vergeblich dieses Bestreben ist.
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Reise
de vom Mailänder Seidenhändler Alberto Kel- ler initiiert und finanziert und war angeblich das erste in Europa. Die Feuerbestattung war bis ins 19. Jahrhundert verpönt, da sie dem christlichen Glauben an die leibliche Auferste- hung entgegenstand.
Das alles sind Bauwerke, die es auf anderen Friedhöfen auch zu entdecken gibt. Was aber den Cimitero Monumentale so einzigartig und sehenswert macht, sind die Grabstätten. Hier haben sich die bekannten Mailänder Famili- en Denkmäler gesetzt und wollten einander an Prunk und Pomp übertreffen. Grabstätten im Ausmaß kleinerer Einfamilienhäuser sind mit Marmor verkleidet, Gräber mit überle- bensgroßen Statuen geschmückt, ja ganze Szenen nachgestellt. So ist das Familiengrab der Camparis mit dem Letzten Abendmahl ge- schmückt. Die Figuren wurden 1939 von dem Bildhauer Giannino Castiglioni aus Bronze geschaffen. Dieselbe Szene findet sich einige Reihen weiter auf dem Grab eines finanziell weniger potenten Mailänders, der sie dort im Miniaturformat nachstellen ließ.
Berühmte Namen
Fast bescheiden nimmt sich dagegen die letzte Ruhestätte des Dirigenten Arturo Toscanini aus.
Einzigartig die Grabstätte L’Aratura der Familie Besenzanica: Ein Ochsengespann mit Führer
Fotos: Archiv, Claudio Colombo/fotolia.com
Das Grab der Fami- lie Campari zeigt das Letzte Abend- mahl in übergroßen Bronzestatuen.