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ZEITSCHRIFT FÜR PSYCHOSOZIALE PRAXIS UND FORSCHUNG

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ZEITSCHRIFT FÜR PSYCHOSOZIALE PRAXIS UND FORSCHUNG

16. Jg. n Heft 4 n September 2020

n

Deutsche Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen e. V.

n

Deutsche Gesellschaft für Sozialarbeit e. V.

n

European Centre for Clinical Social Work e. V.

Inhalt

Herausgeber

Resilienzförderung in der Klinischen Sozialarbeit

3 Editorial

4 Resilienz – was ist das?

Klaus Fröhlich-Gildhoff

8 Resilienz im Studium der Sozialen Arbeit födern Tim Middendorf

12 Resilienz von Menschen

mit psychischen Erkrankungen in der Eingliederungshilfe

Potenziale der Stärkung durch das Fachkonzept Sozialraumorientierung

Yvonne Kahl

15 Resilienzförderung junger Menschen in Zeiten der Corona-Krise

Anna Lena Rademaker

2 Zu dieser Ausgabe: Autor*innen, Termine, Informationen,

Wissenschaftlicher Beirat, Impressum

(2)

Klaus Fröhlich-Gildhoff, Prof. Dr., Dipl. Psych., Psy cho - logischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugend li - chenpsychotherapeut; Co-Leiter des Zentrums für Kin - der- und Jugendforschung an der Evangelischen Hoch - schule Freiburg.

Kontakt: froehlich-gildhoff@eh-freiburg.de

Yvonne Kahl, Prof. Dr., Fliedner Fachhochschule Düsseldorf, Lehrgebiet Sozialraumorientierung.

Kontakt: kahl@fliedner-fachhochschule.de

Tim Middendorf, Dipl.-Sozialpädagoge/Sozialarbei ter, Supervisor (Master of Arts), Promovend an der West -

Herausgeber:

DVSG – Deutsche Vereinigung für Soziale Arbeit im Ge sund heitswesen (v.i.S.d.P.)

DGSA – Deutsche Ge sellschaft für Soziale Arbeit ECCSW – European Centre for Clinical Social Work e.V.

Redaktionsteam:

Anna Lena Rademaker

(Redaktionsleitung und Heftverantwortung) Gerhard Klug , Ute Antonia Lammel Ingo Müller-Baron, Katarina Prchal Gast: Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff (Heftverantwortung)

Anzeigenakquise:

Ingo Müller-Baron,

Deutsche Vereinigung für Soziale Arbeit im Ge sund heitswesen

E-Mail: ingo.mueller-baron@dvsg.org Anschrift der Redaktion:

Redaktion „Klinische Sozialarbeit”

c/o Dr. Anna Lena Rademaker Deutsche Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen

Alt Moabit 91, 10559 Berlin

Tel.: +49 (0) 551 5032 138 (Büro Göttingen) E-Mail: anna.lena.rademaker@dvsg.org Layout, Grafik & Schlussredaktion:

Jill Köppe, Perfect Page, Karlsruhe Clarissa Rosemann, Perfect Page, Karlsruhe Druck:

Bachmann & Wenzel Offsetdruck GmbH, Karlsruhe Erscheinungsweise:

viermal jährlich als Einlege zeit schrift in:

DVSG – FORUM sozialarbeit + gesundheit ISSN: 1861-2466

Auflagenhöhe: 2.490 Exemplare

Copyright:

Nachdruck und Vervielfältigen, auch auszugsweise, sind nur mit Genehmigung der Redaktion gestattet.

Die Redaktion behält sich das Recht vor, veröffentlich- te Beiträge ins Inter net zu stellen und zu verbreiten.

Der Inhalt der Beiträge entspricht nicht unbedingt der Mei nung der Redak tion. Für unverlangt eingesandte Manu skripte, Fotos und Datenträger kann keine Gewähr übernommen werden, es erfolgt kein Rückversand. Die Redaktion behält sich das Recht vor, Artikel redaktionell zu bearbeiten.

Impressum

Prof. Dr. Peter Buttner, Hochschule München Prof. Dr. Silke B. Gahleitner, Alice Salomon Hochschule Berlin

Prof. Dr. Johannes Lohner, Hochschule Landshut Prof. Dr. Helmut Pauls, Hochschule Coburg Prof. Dr. Elisabeth Steiner,

Fachhochschule FH Campus Wien

Prof. Dr. Dr. Günter Zurhorst, Hochschule Mittweida

Wissenschaftlicher Beirat

1/2021 Sozialraumorientierung (Redaktionsschluss: 15.09.2020) 2/2021 Soziale Arbeit in Hospiz und Palliative Care

(Redaktionsschluss: 15.12.2020)

Kommende Ausgaben Zu den Autor*innen dieser Ausgabe

fälischen Wilhelms-Universität Münster und wissen- schaftlicher Mitarbeiter im Praxisreferat an der Ka tho - lischen Hochschule NRW, Abteilung Münster.

Kontakt: kontakt@ms-supervision.de

Anna Lena Rademaker, Prof. Dr., Fachhoch schu le Bielefeld, Lehrgebiet Soziale Arbeit im Gesund heits - wesen, Arbeits- und Forschungsschwerpunkt: Soziale Arbeit und Gesundheit, Lebensweltorientierte Gesund - heitsförderung insbes. in der Kinder- und Jugendhilfe, Klinische Sozialarbeit.

Kontakt: anna.lena.rademaker@dvsg.org

Fachtagung Klinische Sozialarbeit an der Hochschule Coburg

Am 6. und 7. Mai 2021 findet die 10. Fachtagung Kli - nische Sozialarbeit an der Hochschule Coburg, Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit statt. Inhaltlich werden vor allem theoretische Ansätze und empirische Be - funde rund um die Bedeutung zwischenmenschlicher Be ziehungen für die Gesundheit beleuchtet und disku- tiert. Schwerpunkt der anwendungsorientierten Work - shops wird die Förderung sozialer Einbettung durch sozialtherapeutische Interventionen sein.

Weitere Informationen:

http://www.hs-coburg.de/klinsa-fachtagung DVSG bietet Web-Seminare an

Seit Ende Juni bietet die Deutsche Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen (DVSG) Web- Seminare an. Neben den weiterhin bestehenden Prä - senz semi naren erweitert der Fachverband mit dem neu en An ge bot das Fortbildungsspektrum, unter ande- rem als Reak tion auf die Hygiene- und Abstands rege - lungen in der Corona-Pandemie. Die Themen reichen von Grundlagen gesundheitsbezogener Sozialer Arbeit bis zur Einfüh rung in die qualitative Gesund heits - forschung.

Weitere Informationen zu den Themen und Anmelde mög lich keiten finden Sie auf der Website:

https://dvsg.org/dvsg-webinare/

DVSG und DGSA leisten Fachexpertise im KIJU WE-Projekt der Aktion Psychisch Kranke e. V.

Die DVSG und die Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA) haben ihre Fachexpertise zu „Herausfor - de run gen in der Versorgung“ im KIJU WE-Projekt der Aktion Psychisch Kranke e. V. eingebracht. Das Projekt wird vom BMG gefördert und beschäftigt sich mit der Wei ter entwicklung und Verbesserung der Prävention seelischer Störungen im Kindes- und Jugendalter sowie bei jungen Erwachsenen und mit den psychi- atrisch-psychotherapeutischen Hilfen im Bereich des SGB V und Schnitt stellen zu Leistungen zur Teilhabe.

Die Positio nie rungen der beiden Fachverbände und weitere Informationen zu dem Projekt finden Sie unter:

https://www.apk-ev.de/projekte/kiju-handlungsempfeh- lungen/ueber-kiju-we/stellungnahmen/herausforderun- gen-in-der-versorgung

Psychosoziale Folgen der Corona-Pandemie Forscher*innen der Katholischen Hochschule NRW in Aachen führen eine Studie durch, die die psychosozia- len Folgen der Corona-Pandemie ermitteln möchte. Ziel der Befragung ist es, aktuelle Daten über die psychoso- zialen Folgen der öffentlichen Maßnahmen, die in Folge der COVID-19-Pandemie veranlasst wurden, zu erhe- ben. Hiermit möchten wir Sie ganz herzlich einladen, an dem Survey teilzunehmen und den Link zu dieser Befragung über Ihre Kanäle zu verbreiten!

Zur Befragung gelangen Sie über den folgenden Link:

https://t1p.de/corona-studie

Fortbildungen und Tagungshinweise

Neuerscheinung: Soziale Diagnostik in den Hand lungsfeldern der Sozialen Arbeit Herausgeber: Peter Buttner, Silke B. Gahleitner, Ursula Hochuli Freund, Dieter Röh

Der zweite Band des Handbuchs Soziale Diagnostik stellt Ansätze und Verfahren vor, die sich in der Sozialen Arbeit im deutschsprachigen Raum etabliert haben. Die Beiträge reflektieren die spezifischen Bedingungen und diagnostischen Zugänge in den wichtigsten Handlungs - feldern. Sie zeigen die für die jeweilige Praxis einschlä- gigen Verfahren, aber auch den Kern von Konzepten und Instrumenten, der handlungsfeldübergreifend Be - stand hat. Der Band mit 280 Seiten ist im Deutschen Verein erschienen (ISBN: 978-3-7841-3263-1).

DVSG-Bundeskongress 2021: Call for papers Der DVSG-Bundeskongress 2021 zum Thema „Ge sell - schaftlicher Wandel in Krisenzeiten – Heraus for de run - gen für die gesundheitsbezogene Soziale Arbeit” findet am 18. und 19 November 2021 in Kassel statt. Er wird durch Call-Beiträge mitgestaltet. Die DVSG ruft dazu auf, Vorträge und Poster zum Kon gressthema einzureichen.

Sie arbeiten in Feldern, die für die Perspektive der ge - sundheitsbezogenen Sozialen Arbeit interessant sind und kommen aus Arbeitsbereichen des Sozial- und Ge sund - heitswesen wie beispielsweisel der medizinischen Akut - versorgung, dem öffentlichen Gesundheitsdienst oder der medizinischen, beruflichen und sozialen Re ha bilitation von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Oder sie arbeiten im Kontext Gesundheitsförderung und Prä ven - tion einer Kommune oder Krankenkasse, organisieren Selbsthilfe- und Quartiersmanagementprojekte oder sind als Sozialarbeiter*in oder Sozialpädagog*in in Settings tätig, die die pflegerische Versorgung in Kom munen oder bei Leistungserbringern sichern. Sie studieren oder leh- ren an einer Hochschule/Universität oder arbeiten als Forscher*in an einem Institut. Dann beteiligen Sie sich mit einem Vortrag oder einem Poster!

Poster müssen das Format DIN A0 haben. Die Poster wer- den an beiden Kongresstagen ausgestellt und ausge- wählte Poster bei einer Poster-Session vorgestellt. Die Aus wahl der Vorträge und Poster nimmt der Vorstand der DVSG vor. Eine Rückmeldung über angenommene Beiträge erfolgt bis Anfang Mai 2021.

Ein Abstract für einen Vortrag oder ein Poster kann bis zum 15. Januar 2021per E-Mail in der Geschäftsstelle der DVSG eingereicht werden:

bundeskongress@dvsg.org Die Abstracts müssen folgende Informationen enthalten:

nEinreichung eines Vortrags oder eines Posters?

nTitel des Vortrags bzw. Posters

nAbstract (max. 2.000 Zeichen mit Leerzeichen) nListe der Autor*innen: Namen, Vornamen mit akade-

mischen Titeln (in der Reihenfolge der gewünschten Nennung), Institution/Ort

nE-Mail-Adresse u. Telefon (Hauptansprechpartner*in)

(3)

Adressat*innen mit multikomplexen Problemlagen. Ausgehend von der all- täglichen Auseinandersetzung mit den Verhältnissen ist es ihr Ziel, Adressat*

innen einerseits als eigenwillige und aktive Konstrukteur*innen ihres Lebens anzuerkennen und zu fördern. Ande - rer seits tritt die Klinische Sozialarbeit in eine kritische Distanz zu den, dieser Lebenswelt inne liegenden Verstri ckun - gen und Abhängigkeiten sowie Macht- und Ungleichheitsgefügen, um nicht nur Ressourcen zu fördern, sondern reale Handlungsoptionen der Men - schen in ihrem Alltag auf einer struk- turbezogenen Ebene im Sozialraum oder dem Gemeinwesen zu erweitern.

Resilienz wird im Sinne Klinischer Sozialarbeit zu einem relationalen Konzept, das nicht allein auf die Förderung psychosozialer Faktoren verweist. Resilienz ist eingebettet in Strukturen und kann durch ein Verste - hen des Alltags von Adressat*innen und gemeinsames Aufbrechen verun- möglichender Verhältnisse gefördert werden.

In das Schwerpunktheft einführend erläutert Klaus Fröhlich-Gildhoff die wesentlichen Resilienzfaktoren und ihre Förderung, exemplarisch am Beispiel des Settingansatzes in der Gesundheitsförderung. Zur Förderung der Teilhabe von Menschen mit kom- plexen Beeinträchtigungen hat das Konzept der „resilient community” Be - deutung: Indem die gesamte Com - munity in den Blick genommen wird und mit ihren Angehörigen gemein-

D

ie Auseinandersetzung mit Resilienz nahm ihren Anfang im Jahr 1955: Emmy Werner und Ruth Smith untersuchten in einer Langzeitstudie auf der Hawaiinsel Kauai den entsprechenden Geburts jahrgang über 40 Jahre und versuchten protekti- ve Faktoren zu erfassen, die es den überwiegend aus sozioökonomisch benachteiligten Familien stammenden Kindern ermöglichten sich gesund zu entwickeln. Die identifizierte psychi - sche Widerstandsfähigkeit bzw. Resi - lienz beschreibt die Fähigkeit, Ressour - cen zur Bewältigung alters-, situations- und entwicklungsspezifischer Heraus - forderungen – trotz widriger Umstän - de – einsetzen und sich biopsychosozi- al gesund entwickeln zu können.

Wörtlich aus dem Lateinischen ist mit Resilienz das „Abprallen” von Risiken durch entsprechende Kompensations - möglichkeiten auf der personalen und umweltbezogenen Ebene (Ressourcen) gemeint. Das Konzept weist eine Nähe zur Salutogenese und dem damit ver- bundenen Kohärenzsinn auf, einer glo- balen Ressource bzw. Ausmaß eines durchdringenden, überdauernden und dynamischen Gefühls des Vertrauens, auf das eigene Leben und die Gesund - heit Einfluss nehmen zu können.

In der Klinischen Sozialarbeit bezieht sich Resilienzförderung – neben einer Stärkung individueller psychischer Widerstandsfähigkeit – insbesondere auf die in der Lebenswelt tatsächlich zur Verfügung stehenden und mobili- sierbaren (Handlungs-)Optionen von

Mit Kraft durch die Krise – Bundesweite Woche der Seelischen Gesundheit

sam nach Entwicklungspotenzialen im Gemeinwesen gesucht wird, können Teilhabechancen erweitert werden.

Da ran anschließend beschreibt Yvonne Kahl Potenziale der Resilienzstärkung durch die Sozialraumorientierung in der Arbeit mit Menschen mit psychi - schen Erkrankungen in der Einglie de - rungshilfe. Kahl hebt hervor, dass die Förderung von Resilienz hier als Teil - ziel zu begreifen ist, das dazu beitra- gen kann, dass Betroffene einen sub- jektiv zufriedenstellenden Alltag erle- ben. Tim Middendorf befasst sich in seinem Beitrag mit der Resilienz - förderung im Studium der Sozialen Arbeit. Auf Basis qualitativer Inter - views rekonstruiert er entlang der sechs personalen Resilienzfaktoren Kompetenzen, die aus Sicht Studie - render in und durch Ausbil dungs - supervision gefördert werden sollten.

Den Abschluss der Ausgabe widmet Anna Lena Rademaker aus aktuellem Anlass Überlegungen zur Resilienz för - de rung junger Menschen in Zeiten der Corona-Krise. Rademaker verdeutlicht, dass die Lebenswelt junger Menschen zum Ausgangspunkt für Information, Aufklärung, Gesundheitsförderung und Prävention zu nehmen ist. Hierbei misst sie der Sozialen Arbeit eine besondere Bedeutung zu.

Wir wünschen Ihnen mit dem Schwer - punktheft eine spannende Lektüre!

Für die Redaktion, Anna Lena Rademaker und Klaus Fröhlich-Gildhoff

Die Woche der Seelischen Gesundheitfindet jedes Jahr rund um den internationalen Tag der Seelischen Gesundheit am 10. Oktober statt.

Eine Woche lang sind alle Bürger*innen bundesweit eingeladen, die vielfältigen ambulanten und stationären Hilfsangebote in ihrer Umgebung kennen zu lernen. Ob Vorträge, Work - shops, Fachtagungen oder Kunstaustellungen – alle Veranstaltungen tragen dazu bei, Berührungsängste abzubauen und Betroffene sowie deren Angehörige einzubinden.

Unter dem Motto „Mit Kraft durch die Krise. Gesund bleiben – auch psychisch“ widmet sich die diesjährige Aktionswoche den psychischen Auswirkungen der Pandemie. Psy cho - soziale Einrichtungen, Selbsthilfeorganisationen und Initiativen in ganz Deutschland sind aufgerufen, das Programm mit zu gestalten. Veranstaltungen können sowohl live vor Ort als auch digital im Netz durchgeführt werden, alle Formate sind willkommen.

Weitere Informationen und Anmeldung:

https://aktionswoche.seelischegesundheit.net/

(4)

D

er Begriff Resilienz wird unter - schiedlich akzentuiert und ver wendet: Es existieren in - zwischen zahlreiche Definitionen und Begriffsbestimmungen. Die Defini tio - nen lassen sich auf einem Kontinuum von sehr eng bis weit gefassten Be - griffsauslegungen wiederfinden. Wird Resilienz sehr eng definiert, wird die positive Bewältigung vor allem auf dem Hintergrund einer vorliegenden Risikosituation bewertet. Resilienz liegt demgemäß also nur dann vor, wenn eine Hochrisikosituation besser bewältigt wird, als erwartet bzw.

erwartbar ist (vgl. beispielsweise Dis - kus sionen in Opp & Fingerle 2008;

Zander 2011). In einer weitergefassten Definition wird Resilienz als eine Kompetenz verstanden, die sich aus verschiedenen Einzelfähigkeiten (den Resilienzfaktoren, siehe unten) zusam- mensetzt (Rönnau-Böse & Fröhlich- Gildhoff 2020). Diese Kompetenzen sind nicht nur relevant für Krisen situa - tionen, sondern auch notwendig, um beispielsweise Entwicklungsaufgaben und weniger kritische Alltags situa tio - nen zu bewältigen. Für die ressourcen- orientientierte Perspektive in der Klini - schen Sozialarbeit erweist sich dies als besonders anschlussfähig. Die Einzel - kompetenzen entwickeln sich im Ver - lauf der Lebensgeschichte in verschie- densten Situationen, werden unter Belastung aktiviert und manifestieren sich dann als Resilienz. Fingerle (2011) verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff des „Bewäl tigungs kapi - tals“: „Über Bewältigungskapital zu ver fügen bedeutet, Ressourcen zu identifizieren, zu nutzen und über sie zu reflektieren, um eigene Ziele zu erreichen, das eigene Potential von Problemen und Krisen weiter zu entwi- ckeln und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen“ (ebd., S. 213).

Die Bedeutung des Resilienzkonzepts für die Lebensspanne verdeutlicht die Definition von Welter-Enderlin und Hildenbrand (2006): „Unter Resilienz

wird die Fähigkeit von Menschen ver- standen, Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklung zu nut- zen“ (ebd., S. 13). Dabei stehen nicht nur Krisen und Belastungssituationen im Mittelpunkt, sondern auch die

„erfolgreiche Bewältigung von alters- spezifischen Entwicklungsaufgaben“

(Wustmann 2004, S. 20).

Insgesamt lassen sich drei charakteris- tische Merkmale für das Konstrukt Resilienz skizzieren (Wustmann 2011):

1. Resilienz ist ein dynamischer

Anpassungs- und Entwicklungsprozess Resilienz entwickelt sich aus einem Interaktionsprozess zwischen Individu - um und Umwelt und ist abhängig von den Erfahrungen und bewältigten Er - eignissen.

2. Resilienz ist eine variable Größe

Es handelt sich bei Resilienz nicht um eine stabile Einheit. Im Hinblick auf eine Resilienz über die Lebensspanne bedeutet dies, dass sich Resilienz im Laufe des Lebens eines Menschen ver- ändert und Entwicklungen in jedem Lebensabschnitt möglich sind.

3. Resilienz ist situationsspezifisch und multidimensional

Resilienz ist kein allgemeingültiges und universelles Phänomen, sondern zeigt sich eher „bereichsspezifisch“

(Pe ter mann & Schmidt 2006, S. 121).

Dies bedeutet, dass die Fähigkeit, mit belasteten Lebenssituationen umzuge- hen, sich in verschiedenen Lebens - berei chen unterscheiden kann.

Resilienzfaktoren

Es besteht eine enge Verbindung zwi- schen dem Resilienz- und dem Schutz - faktoren-Konzept: Allgemein sind Schutz faktoren Variablen, die das Auf - treten einer psychischen Störung oder einer unangepassten Entwicklung ver- hindern oder abmildern, sowie die

Wahr scheinlichkeit einer positiven Entwicklung erhöhen (Rutter 1990).

Dabei werden soziale beziehungswei- se Umwelt faktoren von solchen auf der personalen Ebene unterschieden.

Diese Schutzfaktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit, resilienter – oder allgemein: gesundheitsförderlicher – Krisen und Belastungen bewältigen zu können; daher sprechen einige Autor*

innen auch explizit von „Resilienz - fakto ren“ (beispielsweise Wustmann 2004; Luthar 2006; Fröhlich-Gildhoff &

Rönnau-Böse 2020).

Als stabilster außerpersonaler Prä - diktor für eine resiliente Entwicklung wurde eine unterstützende, haltgeben- de und emotional wertschätzende Beziehung identifiziert. Die Bedeutung dieses Schutzfaktors wird so konsis- tent in allen Studien hervorgehoben, dass Luthar (2006, S. 780) in ihrer Synthese der letzten Jahrzehnte der Resilienzforschung konstatiert: „Resi - lience rests fundamentally on rela - tionship“. Dass Resilienz also letztend- lich immer von Beziehungen abhängt, wird nicht nur von der Resilienz for - schung vertreten, sondern auch von vielen anderen Forschungsrichtungen, wie der Entwicklungspsychologie (bei- spielsweise Dornes 2009) und der Bindungsforschung (beispielsweise Grossmann & Grossmann 2012). Auch in der (Klinischen) Sozialarbeit wird diese Sicht besonders hervorgehoben (beispielsweise Gahleitner 2019). Ins - be s ondere die Bedeutung von soge- nannten kompensatorischen Bezie - hun gen, also beispielsweise Fürsor ge - personen aus dem erweiterten Fami - lien kreis, Freunde, (Ehe-)Partner oder pädagogische Fachkräfte, wird immer wieder betont. Auch Adressat*innen- Gruppen von Menschen mit Behin de - rungen, psychisch erkrankten Men - schen oder anderweitig stärker statio- när institutionell eingebundenen Men - schen verfügen in ihren sozialen Netz - werken häufig neben Familien ange hö - ri gen insbesondere noch über Fach -

Resilienz – was ist das?

Klaus Fröhlich-Gildhoff

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kräfte als Beziehungspersonen. Es zeigt sich, dass es nicht entscheidend ist, zu wem diese Beziehung be steht, sondern wie diese Beziehung ge staltet ist, damit sie sich positiv auswirkt.

Wustmann (2011, S. 352) bezeichnet diese Personen als „Schlüssel per so - nen …[die] als ‚Türöffner‘ für neue Pers pektiven und Möglichkeiten fun- gieren, Kraft und Zuversicht ausstrah- len oder Wärme und Geborgenheit geben“. Dabei geht es auch darum, soziale Netzwerke zu erweitern und da - mit zu ermutigen, sich von der Für - sorge durch Professionelle langfristig zu lösen. Positive Beziehungen haben nicht nur unmittelbare Auswirkungen, sondern tragen maßgeblich zur resi- lienten Entwicklung über die Lebens - spanne bei bzw. eröffnen spätere Entwicklungsmöglichkeiten

Eine differenzierte Analyse der Lang - zeitstudien zum Thema Resilienz so - wie der Auswertung von bedeutenden nationalen und internationalen Re - views und Überblicksarbeiten zur Thematik (beispielsweise Luthar 2006;

Bengel et al. 2009) zeigt, dass auf per- sonaler Ebene sechs Kompetenzen besonders relevant sind, um Kri sen - situationen, aber auch Entwick lungs - aufgaben und weniger kritische All -

tags situationen zu bewältigen (Rön - nau- Böse 2013; Fröhlich-Gildhoff &

Rönnau-Böse 2019). Diese können als Resilienzfaktoren bezeichnet werden.

Es handelt sich um Fähigkeiten, „die das Kind in der Interaktion mit der Umwelt sowie durch die erfolgreiche Bewältigung von altersspezifischen Entwicklungsaufgaben im Verlauf er - wirbt; diese Faktoren haben bei der Bewältigung von schwierigen Lebens - umständen eine besondere Rolle“

(Wustmann 2004, S. 46).

In einem Teil der Literatur wird zusätz- lich zu den sechs „klassischen” Re - silienz faktoren noch der Faktor Sinn - suche/Glaube bzw. Zielfindung und -anpassung beschrieben, auch auf die- sen wird im Folgenden eingegangen:

1. Selbst- und Fremdwahrnehmung

Selbstwahrnehmung umfasst vor al - lem die ganzheitliche und adäquate Wahr nehmung der eigenen Emo tio - nen, Hand lungen und Gedanken. Gleich - zeitig spielt die Selbstreflexion eine Rol le, das heißt die Fähigkeit, sich zu sich selbst in Beziehung setzen zu kön- nen. Fremdwahrnehmung meint die Fä higkeit, andere Personen und ihre Ge - fühlszustände angemessen und mög- lichst „richtig” wahrzunehmen bzw. ein- zuschätzen und sich in deren Sicht- und Denkweise versetzen zu können.

2. Selbstregulation/-steuerung

Sich selbst regulieren zu können, um - fasst die Fähigkeit, eigene innere Zu - stände, also hauptsächlich Gefühle und Spannungszustände herzustellen und aufrecht zu erhalten und deren Intensität und Dauer selbstständig zu beeinflussen bzw. kontrollieren zu kön- nen – und damit auch die begleitenden physiologischen Prozesse und Ver hal - tensweisen zu regulieren. Dazu gehört beispielsweise das Wissen, welche Strategien zur Selbstberuhigung und Handlungsalternativen es gibt und welche individuell wirkungsvoll sind.

3. Selbstwirksamkeit

Selbstwirksamkeit ist vor allem das grundlegende Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sowie die Über zeu gung, ein bestimmtes Ziel auch durch Über - windung von Hindernissen erreichen zu können. Eine große Bedeu tung ha - ben dabei die Erwartungen, ob das eige ne Handeln zu Wirkungen (und Er - folgen) führt oder nicht. Diese Er war - tungen steuern schon im Vor hinein das Heran gehen an Situationen und Auf - gaben, damit auch die Art und Weise der Bewältigung, und führen so oftmals zu einer Bestätigung des eigenen Selbst wirksamkeitserlebens. Selbst wirk - same Kinder und Erwachsene ha ben auch eher das Gefühl, Situationen be -

Abbildung 1: Resilienzfaktoren

Selbst- und Fremd - wahrnehmung

Angemessene Selbst- einschätzung und Informations-

verarbeitung

Selbst- Steuerung

Regulation von Erregungen und

Gefühlen

Selbst- Wirksamkeit

Grundüber- zeugung, Anforderungen

bewältigen zu können

Soziale Kompetenz

Konflikt lösen, Selbstbehaup-

tung, Unterstützung

holen

Problemlöse- Kompetenz

Allgemeine Strategie zur Analyse und zum

Bearbeiten von Problemen

Allgmeine Bewältigungs-

Kompetenz Fähigkeit zur flexiblen Realisierung vorhandener Kompetenzen in

der Situation

Sinnfindung und Zielanpassung

Entwickeln und Anpassung eines

„Lebenssinns” und verbundener Ziele

Bewältigung Entwicklungsaufgaben, (aktuelle) Anforderungen, Krisen

(6)

einflussen zu können (sog. internale Kontrollüberzeugungen) und können die Ereignisse auf ihre wirkliche Ur sa - che hin realistisch beziehen (realisti- scher Attributionsstil).

4. Soziale Kompetenz

Soziale Kompetenz umfasst die Fähig - keit, im Umgang mit anderen soziale Situationen einschätzen und adäquate Verhaltensweisen zeigen zu können, sich emphatisch in andere Menschen einzufühlen sowie sich selbst behaup- ten und Konflikte angemessen lösen zu können. Es geht aber auch darum, auf andere Menschen aktiv und ange- messen zugehen zu können, Kontakt aufzunehmen sowie zwischenmensch- liche Kommunikation aufrecht zu erhalten und adäquat zu beenden. Des Weiteren zählt zur sozialen Kompetenz die Fähigkeit, sich soziale Unter stüt - zung zu holen, wenn dies nötig ist.

5. Problemlösen

Unter Problemlösen wird die Fähigkeit verstanden, „komplexe, … nicht eindeu - tig zuzuordnende Sachverhalte ge - dank lich zu durchdringen und zu ver- stehen, um dann unter Rückgriff auf vorhandenes Wissen Hand lungs mög - lichkeiten zu entwickeln, zu be werten und erfolgreich umzusetzen“ (Leutner, Klieme, Meyer & Wirth 2005, S. 125).

Dabei ist es wichtig, systematisch vor- zugehen und dabei das jeweilige Problem zu analysieren, Lösungs mög - lichkeiten, -mittel und -wege abzuwä- gen und dann gleichfalls systematisch auszuprobieren. Dabei können un - terschiedliche Problemlöse strate gien – beispeislweise eine sorgfältige Ziel-/

Mittelanalyse – angewandt werden.

6. Aktive Bewältigungskompetenzen Menschen empfinden den Charakter von belastenden und/oder herausfor- dernden, als „stressig“ erlebten Situa - tionen unterschiedlich. Es geht darum zu lernen, solche Situationen ange- messen einschätzen, bewerten und reflektieren zu können – um dann die eigenen Fähigkeiten in wirkungsvoller Weise zu aktivieren und umzusetzen, um die Stress-Situation zu bewältigen.

Bedeutsam für den Umgang mit Stress ist dabei, das aktive Zugehen auf solche Situationen und das aktive

wie angemessene Einsetzen von Be - wältigungsstrategien. Zum adäquaten Umgang mit Stress gehört allerdings ebenfalls das Kennen der eigenen Grenzen und Kompetenzen – und die Fähigkeit, sich (dann) soziale Un ter - stützung zu holen.

7. Sinnfindung und Zielanpassung

Die Orientierung an persönlichen Zie - len bzw. an einem „Lebenssinn“ hat einen großen Einfluss auf die Be wäl - tigung von Herausforderungen, aber auch von Verlusten und Ein schrän kun - gen. So verweisen Bengel et al. (2009, S. 83) in ihrem Überblick darauf, dass

„realistische Selbsteinschätzung und gute Zielorientierung“ als Schutz fak - toren wirken – wenn sie situationsan- gepasst adaptiert werden.Die Be deu - tung persönlicher Ziele ist im deutsch- sprachigen Raum intensiv von der Arbeitsgruppe um Brunstein em - pirisch untersucht worden; auch im Bereich der Gesundheitswis sen schaf - ten (s. Antonovsky, 1997) und der Psy - chotherapieforschung bzw. -theoriebil- dung (beispielsweise Adler, 1982) haben einige Autor*innen den Wert der individuellen Orientierung an Zie - len oder (übergeordneten) Sinn struk - turen herausgearbeitet.

Brunstein, Maier und Dargel (2007) de - fi nieren „persönliche Ziele“ wie folgt:

„Unter dem Begriff der persönlichen Ziele wird eine Reihe von Konstrukten zusammengefasst, die die Auffassung eint, dass Men schen da nach streben, ihr Leben gemäß eigener Absichten zu gestalten und ihre All tagsaktivitäten mit persönlicher Bedeu tung zu füllen.

In der Bildung persönlicher Ziele be - weist sich die Fähigkeit von Menschen, sich selbst zu motivieren und das eige- ne Verhalten an zukünftigen und indivi- duell bedeutsamen Zuständen und Ereignissen auszurichten ... Ziele und Stra tegien bilden den Kern von Le bens - plänen” (ebd., S. 271 ff.). Dabei ist es bedeutsam, das Entwickeln von Zielen und Lebens pläne zu erlernen und zu verfestigen. In einer partizipativen Pra - xis der Sozialen Arbeit können Le bens - pläne mit Adres sat*innen ge meinsam exploriert und in der Ver wirk lichung be - gleitet werden – unter der Prä misse, die Adressat*innen nach ha l tig in ihren

eige nen Verwirk li chungs chan cen von Le bensprojekten zu stärken.

Eine wichtige Fähigkeit – insbesondere zur Sicherung des subjektiven Wohl - befindens – besteht also darin, die ei - genen Ziele mit eigenen Kompetenzen und Außenbedingungen immer wie- der zur Passung zu bringen; es kommt also auf eine „flexible Zielanpassung“

an. Gelingt diese Zielanpassung nicht, kann ein Festhalten an nicht erreichba- ren Idealvorstellungen oder das rigide Festhalten an Sinn- und Glaubens sys - temen zu einer Schwächung der seeli- schen Widerstandskraft führen (bei- spielsweise Bengel et al. 2009).

Die Resilienzfaktoren sind nur analy- tisch zu trennen und sind zum Teil deut lich miteinander verbunden: So set zen gut ausgebildete Soziale Kom - petenzen bspw. eine adäquate Selbst - regulation voraus. Die Resilienfaktoren entwickeln sich im Lebenslauf zu - nächst durch die Unterstützung von Be zugspersonen.

Resilienzförderung

Auf der Grundlage der oben genann- ten Resilienz faktoren ist es dann mög- lich, Förder strategien zu entwickeln und die Forschungsergebnisse für die Praxis nutzbar zu machen.

Es besteht inzwischen immer mehr Konsens darüber, dass eine einseitige Fokussierung auf die personalen Schutz faktoren bei der Resilienz för de - rung nicht ausreicht (Fingerle 2011;

Un gar 2011). Eine ganzheitliche sowie nachhaltige Unterstützung muss so - wohl personale als auch soziale Res - sourcen berücksichtigen, da soziale Faktoren einen großen Beitrag dazu leisten, wie und ob personale Res sour - cen als solche erkannt und genutzt werden können (Fingerle 2011).

Unter dieser Prämisse wurden Kon - zep te zur Resilienzförderung im Set - ting-Ansatz – im Sinne der WHO Stra - tegie (1986) – entworfen, realisiert und evaluiert (Rönnau-Böse 2013; Fröhlich- Gildhoff & Rönnau-Böse 2012; Fröh - lich-Gildhoff et al. 2014): Durch einen Mehrebenansatz können sich Institu - tionen wie Kindertages ein ric htungen und Schulen zu resilienzförderlichen In s ti tutionen entwickeln. Ausgehend von der Weiterqua lifizie rung der päda- gogischen Fachkräfte wer den An ge -

(7)

bote für Kinder und E ltern umgesetzt und Netzwerke mit Institutionen im Um feld der Bildungs institutionen ge - knüpft (Abb. 2).

Ein erweiterter Setting-Ansatz nimmt zunehmend stärker auf einen erweiter- ten Lebensweltbegriff Bezug, unter an - derem im Anschluss an das Lebens - welt konzept der Sozialen Arbeit (siehe hierzu beispielswesie Rademaker &

Altenhöner 2019).

Neben diesen systematischen An sät - zen gibt es eine Reihe von „Rat gebern“

oder auch Einzelkursen zur Stärkung der Resilienz für alle Alters gruppen und spezifische Zielgruppen (beispiels- weise Fröhlich-Gildhoff 2020). Das Kon - zept der „Familienresilienz“, das in den USA schon eine gewisse Verbreitung gefunden hat, wird in Deutschland erst

„entdeckt” (zu den Prinzipien: Fröhlich- Gildhoff & Rön nau-Böse, i. Dr.).

Noch expliziter wird der Kontext der individuellen Resilienzentwicklung im Konzept der „community resilience“

be rücksichtigt. So können sich Indivi - duen insbesondere dann positiv entwi- ckeln, wenn die Umwelt ihnen Res - sour cen zur Verfügung stellt, die ihren Bedürfnissen entsprechen (vgl. Ungar, Bottrell, Tian & Wang 2013). An diesen Erkenntnissen knüpfen Konzepte und Forschungen zur sogenannten „com- munity resilience“ an. Der Begriff der community ist sowohl im angloameri- kanischen Raum als auch in der deut- schen Übersetzung nicht eindeutig. In Deutschland wird damit beispielswei- se das Gemeinwesen, das Quartier oder der Sozialraum bezeichnet, aber auch im weiteren Sinne ein Netzwerk.

Hall und Zautra (2010) plädieren dafür, sehr breit alle Aspekte eines Ge mein - wesens mit einzubeziehen.

Hall und Zautra (2010) fassen sechs Kennzeichen einer resilienzförderli- chen Gemeinschaft zusammen, die auf verschiedensten Studien beruhen. Die - se Kriterien können unter dem So zia - len Kapital einer Community zusam- mengefasst werden (ebd., S. 355):

n„Nachbarn, die einander vertrauen nNachbarn, die mit einander kommu-

nizieren und interagieren

n Einwohner, die längere Zeit an einem Ort bleiben

n Einwohner, die einen Sinn für Ge- meinschaft und Zusammenhalt ha - ben

n Einwohner, die für das Allgemein - wohl zusammenarbeiten und sich in die Gemeinschaft einbringen n Formale und informale öffentliche

Versammlungsplätze beziehungs- weise Treff punk te“

Alle diese Zusammenstellungen ma - chen deutlich, dass insbesondere In - vestitionen in das Soziale Kapital einer Gemeinschaft viel zu einer resilienten Gemeindeentwicklung beitragen kön- nen. Luthar (2006) bestätigt diese Er - gebnisse in ihrer Zusammenfassung verschiedener Studien: Sozial organi- sierte Prozesse der Nachbarschaft, so - zial er Zusammenhalt, ein Gefühl der Zugehörigkeit und Begleitung von Ju - gendlichen durch Erwachsene so wie hohe Partizipations möglich keiten in lo - ka len Organisationen zeigten sich in meh reren Studien als Kennzeichen ei ner resilienten Entwicklung (ebd., S. 773).

Das Prinzip der „community resi - lience“ bietet das Potenzial, auch Grup - pen von Menschen zu erreichen und einzubeziehen, die von sich aus ent- wicklungs-stärkende und gesundheits- förderliche Angebote nicht oder nur schwer aufsuchen.

Schlusswort

Resilienz kann nicht nur die entwick- lungsförderliche Bewältigung von Kri -

sen unterstützen, sondern auch, allge- meiner, zur Stärkung seelischer Ge - sundheit beitragen. Dazu ist es nötig, dass Menschen immer wieder die Erfahrung haltgebender Bezie hungen machen können und die Re si lienz - faktoren gestärkt werden. Dies gilt für den gesamten Lebenslauf. Allerdings darf die Resilienzent wick lung nicht vor rangig individuumszentriert be - trachtet werden – zur Unter stützung der Resilienzförderung ist soziale Un - terstützung durch andere, die über aus reichende Ressourcen verfügen, nö tig und es bedarf unterstützender Um welten.

Noch ein letzter Hinweis: Resilienz ist kein „Allheilmittel“ für alle Lebens si - tua tionen. In dem Konstrukt liegen immanent zwei Gefahren, die beachtet werden müssen: Zum einen darf es nicht zu einer Individualisierung von (unaushaltbaren) Problemlagen oder einem Optimierungsdruck nach dem Motto kommen: „Nur, weil Du nicht resilient genug bist, kommst Du mit der Situation nicht zurecht“. Zum anderen darf nicht vergessen werden, dass zu vielen sehr belastenden Si - tuationen, wie beispielsweise dem Ver lust des Partners, auch Gefühle wie Trauer, Ohnmacht und manchmal auch ein (vorübergehender) innerer

„Stillstand“ gehören.

Zugleich kann das Resilienzkonzept eine Orientierung geben, die schweren Krisen zu verstehen und Wohlbefinden zu verbessern.

Abbildung 2: Prinzipien der Resilienzförderung im Setting-Ansatz

Arbeit mit den Kindern

 Training

 Verankerung im Alltag

 zielgruppenspezifische Angebote

 passgenaue Unterstützung Einzelner

Fortbildungen für die pädagogischen Fachkräfte

Leitbild (Institution)

„pädagogischer Alltag”

+ ressourcenorientierte Fallsupervision

Netzwerke

Erziehungsberatung

Soziale Dienste

Kinderärzt*innen, KiJuPT

Einrichtungen, Vereine etc.

im Sozialraum

Zusammenarbeit mit den Eltern

Information

Beratung/„Sprechstunden”

Elternkurse

(8)

S

ozialarbeiterische Praxis voll- zieht sich häufig in Span - nungs fel dern, Wider sprü chen und Am bi valenzen, die An passungs- und Wi der stands fähigkeit auf seiten der professionellen So zial arbeiter*in - nen erfordern. Thiersch be zeichnet in diesem Zu sammenhang „sozialpäda- gogische Berufsidentität als Spagat“

(Thiersch 2002, S. 198).

Anpassungs- und Widerstands fähig - keit sind eng mit dem Begriff Resilienz verknüpft. Resilienz leitet sich aus dem englischen „resilience“ ab und bedeu- tet „Spannkraft, Widerstandsfähigkeit und Elastizität“ (Wustmann 2004, S. 18). Unter vielfachen Definitionen von Resilienz im deutschsprachigen Raum hat sich die Definition von Wustmann etabliert, die Resilienz als

„die psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber biologischen, psychologi- schen und psychosozialen Ent wick - lungsrisiken“ (ebd.) beschreibt. Resi - lienz ist als multidimensionale, kon- textabhängige und situative Eigen - schaft an zwei Bedingungen geknüpft:

1. Es besteht eine Risikositua tion und 2. das Individuum bewältigt diese po- sitiv (vgl. Fröhlich-Gildhoff & Rön - nau-Böse 2019, S. 10).

Unter welchen Umständen ein Indi - viduum Risikosituationen positiv be - wältigt, hängt von verschiedenen Fak - toren ab. Umfangreiche Resilienz for - schungen haben ergeben, dass „der wesentlichste Schutzfaktor, der am stärksten zu einer gelingenden, see- lisch gesunden Entwicklung beiträgt und viele Risikofaktoren abpuffern kann, (…) eine stabile, wertschätzende, emotional warme Beziehung zu einer (erwachsenen) Bezugsperson [ist]“

(Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse 2019, S. 32). Die Erfahrung haltgebender, schützender Beziehungen ist für die Bewältigung risikobehafteter Si tua - tionen elementar. Zudem haben sich sechs Kompetenzen auf personaler Ebene (Resilienzfaktoren) zur positiven Krisenbewältigung als besonders rele- vant herausgestellt (ebd., S. 42 f.):

Resilienz im S

Tim Middendorf

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(9)

nSelbst- und Fremdwahrnehmung als die Fähigkeit der eigenen Wahr - nehmung von Emotionen und Gedan - ken, die Fähigkeit zur Selbstreflexion und die Bezugnahme von sich zu anderen (vgl. Fröhlich-Gildhoff & Rön - nau-Böse 2019, S. 43–46).

nSelbstwirksamkeit

als das „Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und verfügbaren Mittel und die Überzeugung, ein bestimmtes Ziel auch durch Überwindung von Hindernissen erreichen zu können“

(ebd., S. 46).

nSelbststeuerung und Selbstregulation

als Kompetenz, die emotionale Reak tion auf Belastungssituationen flexibel zu steuern und zu regulieren (ebd., S. 50).

nSoziale Kompetenz

als die „Verfügbarkeit und angemesse- ne Anwendung von Verhaltensweisen (…) zur Auseinandersetzung mit kon- kreten Lebenssituationen“ (Sommer 1977, S. 75; zitiert nach Fröhlich- Gildhoff & Rönnau-Böse 2019, S. 50).

nProblemlösefähigkeit

als die Fähigkeit, Anforderungen und Schwierigkeiten unter Rückgriff auf ei - genes Wissen zu bewältigen (vgl. Fröh - lich-Gildhoff & Rönnau-Böse 2019, S.

54).

nAdaptive Bewältigungskompetenz als die Fähigkeit, situationsspezifische Problemlösestrategien zu entwickeln und einzusetzen sowie sich gegebe- nenfalls notwendige Unterstützung zu holen (ebd., S. 52–54).

Kenntnisse über die interdependenten Zusammenhänge von Risiko- und Schutz faktoren sowie über Resilienz - faktoren sind für die Soziale Arbeit von hoher Bedeutung. Sozialarbeiterische Fachkräfte bewegen sich beruflich häufig in hochkomplexen Arbeits situa - tionen. Dabei wird von ihnen erwartet, dass sie ihr Handeln reflektieren, schnell verstehen und zielorientiert Ent scheidungen treffen (vgl. Effinger 2015, S. 129). Das erfordert ein hohes Maß an Spannkraft, Widerstands fähig -

keit und Elastizität. Soziale Arbeit ver- langt demnach resiliente Fachkräfte.

Resilienz im Studium der Sozialen Arbeit

Es stellt sich die Frage, wie Stu die - rende der Sozialen Arbeit im Rahmen eines akademischen Studiums wissen- schaftlich ausgebildet und zudem auf die Arbeit in spannungsgeladenen Arbeitsfeldern vorbereitet werden kön- nen. Ein Hochschulstudium vermittelt vorrangig theoretisches Fachwissen.

Sozialarbeitswissenschaft ist ebenfalls auf die Vermittlung (wissenschaftli- chen) Wissens angewiesen, allerdings umfasst Soziale Arbeit mehr als die Reproduktion und Anwendung von Theo rien. Der Qualifikationsrahmen So ziale Arbeit (QR SozArb) Version 6.0, der zahlreichen Akkreditierungen zu - grunde liegt, versucht mittels kompe- tenzorientierter Lernzielvorgaben in ver schiedenen Kategorien (u.a. Wis - sen, Planung, Forschung, Durch füh - rung Sozialer Arbeit, Persönlichkeit und Haltung) Antworten zu geben (Schäfer & Bartosch 2016).

„Wie die Studierenden Kompetenzen entwickeln, wie die Kom pe tenzent - wick lung didaktisch ge fördert und kom petenzorientiert geprüft werden kann, sind Fragen, die bei der weiteren Überarbeitung des QR SozArb einzu- beziehen sind“ (ebd., S. 4). Die Wege des Kompetenzerwerbs bleiben im Qua lifikationsrahmen vorerst eine Leer stelle.

Sozialarbeiter*innen agieren in ihrer pro fessionellen Rolle als eigene Per - sönlichkeiten mit biografischen Vor er - fah rungen und Prägungen, die sie bewusst und unbewusst in ihre Arbeit einbringen (von Spiegel 2018, S. 93).

Das sollten Professionalisierungs pro - zesse im und während des Studiums der Sozialen Arbeit berücksichtigen.

Resilienzförderung der Studierenden spielt dabei eine zentrale Rolle.

Trotzdem wird die Widerstandfähigkeit als Ausbildungsziel im Qualifikations - rahmen Soziale Arbeit nur als Rand -

aspekt erwähnt: Absolvent*innen der Sozialen Arbeit sollen „über eine stabi- le, belastungsfähige und ausgegliche- ne Persönlichkeit (…) verfügen“

(Schäfer & Bartosch 2016, S. 54). Die unspezifische Formulierung wird nicht vertiefend ausgeführt. Es ist bisher nicht ausreichend erforscht, wie Re - silienz im Hochschulstudium gefördert und trainiert werden kann. Es ist drin- gend notwendig, den Blick auf Re si - lienzförderung im Studium der Sozia - len Arbeit zu richten, da die zwei zu Beginn genannten Grundvoraus set - zungen im Studium erfüllt sind und dementsprechend Resilienzent wick - lung grundsätzlich möglich erscheint:

1. Studierende begegnen im Verlauf des Studiums zahlreichen Irrita - tionen und Risikosituationen. Vor allem in den Praxisphasen kommen Stu die rende mit risikobehafteten An for de run gen in Berührung. Sie werden mit möglicherweise für sie befremdlichen Lebens welten und Lebensentwürfen sowie Gefahren - situationen auf biologischer, psy- chologischer oder psychosozialer Ebene konfrontiert. Aufgrund der ge ringen Berufserfahrung greifen Stu die rende zur Verarbeitung in der Regel auf ein stark begrenztes (pro- fessionelles) Erfahrungswissen zu - rück, sodass die Anforderungen für sie verunsichernd wirken können (Effinger 2015, S. 129).

2. Zur Ermöglichung einer positiven Bewältigung der Risikosituationen stehen die Hochschulen vor der Auf - gabe, die Praxisphasen professio- nell zu begleiten. Inhalt und Struk tur der Begleitung sollten der Logik fol- gend eine verlässliche Be zie hungs - gestaltung und die Förde rung der Resilienzfaktoren in den Blick neh- men. Aus diesem Grund bieten eini- ge Hochschulen curricular veranker- te, studienintegrierte Supervision – sogenannte Aus bil dungs supervi - sion – als Teil der Begleitung wäh- rend der Praxis pha sen an. Der Lehr- und Lernort Ausbildungssuper vi -

Studium der Sozialen Arbeit fördern

(10)

sion bietet sich als metaperspektivi- sches Refle xions format besonders an, um die Bewältigung erlebter Ri - si ko situa tionen unter Berück sich - tigung der Resilienzfaktoren zu be - gleiten (ebd., S. 129).

Trotz der weiten Verbreitung von stu - dienintegrierter Supervision ist weitge- hend unerforscht, wie sich Ausbil - dungs supervision im Studium der So - zia len Arbeit konstatiert und was in ihr geschieht (Witte 2018, S. 465). Im Rahmen der Dissertation des Autors werden Professionalisierungsprozesse in und durch curricular verankerte Ausbildungssupervision in Studien - gän gen der Sozialen Arbeit untersucht.

Fragestellung

Für diesen Beitrag wurde der Fra - gestellung nachgegangen, welche resilienzfördernden Aspekte aus Sicht Studierender in und durch Aus bil - dungs supervision benannt werden.

Dafür wurde auf die aus der Disser - tation vorliegenden fünf Interviews mit Studierenden zurückgegriffen. Das Sample der Interviewten wurde an hand soziodemographischer Daten (Alter, Geschlecht, Vorausbildung) und Rah - men bedingungen des Super vi sions - angebots (Umfang, Ort, Teil neh men - de, Supervidierende) kontrastierend zusammengesetzt. Alle Studierenden waren zum Zeitpunkt der Erhebung Teilnehmende studienintegrierter, pra- xisbegleitender Supervisionsprozesse an verschiedenen Hochschulen in Deutschland. Die Interviews wurden im letzten Drittel der Prozesse geführt und für diesen Beitrag entlang der sechs für die Resilienzförderung be - sonders bedeutenden Kompetenzen und der Beziehungsgestaltung in der

Supervision inhaltsanalytisch (May - ring 2016) ausgewertet. Die Daten - analyse inklusive der Kategorien - bildung erfolgte rein deduktiv.

Zusammenfassung der Ergebnisse In den Interviews finden sich Aus sa - gen zu allen dargestellten Aspekten:

1.Selbst- und Fremdwahrnehmung In den Interviews sprechen alle In - terviewten von Feedbackerfahrungen und der Auseinandersetzung mit sich selbst: „Und dass man durchgehend Feedback halt von den Mitstudenten und auch von dem Supervisor be - kommt“ (ST1, Z. 104 f.) – „Okay. Jetzt geht es nur um mich“ (ST2, Z. 135).

Die Arbeit an der Selbst- und Fremd - wahrnehmung als eigene Person, in der Rolle als Studierende*r und als Fachkraft in der Praxis scheint in Ausbildungssupervision ein durchge- hendes, zentrales Thema zu sein.

2.Selbstwirksamkeit

In Ausbildungssupervision werden die erlebten Schwierigkeiten und Heraus - forderungen in der Praxis häufig in zwei Schritten bearbeitet. Zuerst wer- den die erlebten Probleme inhaltlich eingeordnet: „Was genau ist es viel- leicht, was für mich gerade schwierig ist?“ (ST4, Z. 250 f.), um im zweiten Schritt das Vertrauen in die eigenen Ressourcen und Fähigkeit zu stärken:

„auch mich zu betrachten, was kann ich gut“ (ST1, Z. 429). Selbstwirk sam - keit wird in studienintegrierter Super - vision doppelt gefördert: durch Theo - rie-Praxis-Relationierung als an ge hen - de Fachkraft in der Praxisphase sowie durch inhaltliche Mitgestaltung und Mitbestimmung in der Super vision.

3.Selbststeuerung und -regulation Durch den zeitlichen und räumlichen

Abstand von Ausbildungssupervision und Belastungsreaktionen ist es nicht möglich, in studienintegrierter Super - vision direkten Einfluss auf unmittelba- re emotionale Reaktionen zu nehmen.

Die Studierenden heben in den Inter - views vor allem die Möglichkeit der nachträglichen emotionalen Entlas - tung hervor: „Ich wusste, okay, spätes- tens in zwei Wochen kann ich bei der Supervision das dann rauslassen“

(ST1, Z. 198 f.). Das Benennen der Emo - tionen impliziert zwar die rekonstrukti- ve Reflexion des eigenen Um gangs mit emotionalen Reaktionen in Belas - tungssituationen, allerdings be sit zen Arbeitskolleg*innen, Anleiter*in nen in der Praxisstelle aufgrund der zeitlichen Nähe einen größeren Ein fluss auf die direkte Emotions regu lation der Stu die - renden als die zeitlich nachrangige Arbeit in der Aus bil dungs supervision.

4.Soziale Kompetenz

Soziale Kompetenz wirkt in alle Le - bensbereiche und lässt sich nicht ein- deutig von den weiteren Kompetenz - bereichen differenzieren. In Ausbil - dungs supervision werden in Rückgriff auf Praxiserfahrungen Grenzen der (sozialen) Kompetenz in den Blick genommen: „und man weiß nicht wohin ich damit jetzt gehen soll, wie ich mich da jetzt da verhalten soll“

(ST2, Z. 97 f.). Durch die Arbeit an for- dernden Praxiserfahrungen können Kompetenzen entwickelt werden:

„Also mit Sicherheit auch noch mal irgendwie eigene Kompetenzen – also Selbstkompetenzen, die man mitneh- men kann“ (ST4, Z. 234 f.). Gezielte soziale Kompetenzsteigerung in und durch Ausbildungssupervision ist im Interviewmaterial nicht zu identifizie- ren, es wird allerdings deutlich, dass die Arbeit in studienintegrierter Super - vision unterschiedliche Kompetenz - bereiche direkt und indirekt berührt.

5.Problemlösefähigkeit

Die Studierenden treffen in der stu dien - integrierten Supervision vor allem im beruflichen Kontext aufeinander und bearbeiten berufliche Themen felder.

Sie erlernen, reflektieren und erweitern professionelle Handlungs optio nen un - ter Rückgriff auf Fall bei spiele aus der Praxisphase: „wenn das eine aktuelle, das ist ja meist so, Problemsituation ist, um eine aktuelle Lösung dafür zu fin-

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6.Adaptive Bewältigungsk om pe tenz Individuelle, situative Coping strate gien werden in Ausbildungssuper vision ver- tiefend angeschaut: „Prob lem situa tio - nen, (…). Dass man dabei beobachtet, okay, wie gehen die damit um, kann man da für sich selber was rausneh- men?“ (ST5, Z. 132 ff.). Durch die Viel - falt der Handlungsfelder und Praxis ein - richtungen bietet studienintegrierte Supervision den Vorteil, dass Studie - rende verschiedene Problem löse stra - tegien in unterschiedlichen Kon texten erleben und reflektieren können. Sie erhalten die Möglichkeit, ihre eigenen, bekannten Coping stra tegien zu hinter- fragen und zu erweitern.

7.Beziehungsgestaltung in Supervision Studienintegrierte Ausbildungs super - vision ist durch ihren non-formellen

Cha rakter nicht in hochschulspezifi- sche Prüfungs- und Bewertungs for - men eingebunden (Witte 2018, S. 462).

Sie bietet Freiraum für einen offenen, unterstützenden und schützenden Um - gang miteinander, was in den Inter - views be stätigt wurde: „Und dann ist halt einer da, der das AUFFÄNGT, der das mitkriegt. (…) Und der Supervisor guckt halt auch, dass sage ich mal die Psyche noch im Normbereich bleibt und dass keiner zu sehr leidet“ (ST1, Z.

295–300) – „Ich kann jetzt nur von mir reden. Das hat mir gut getan an so einer Super vision teilzunehmen. Auch immer noch. Dass wir füreinander da sind“ (ST2, Z. 189 f.). Sowohl die schüt zende, stabile Beziehung zur/m Super visor*in als auch eine wohlwol- lende Unterstützung innerhalb der Studie ren dengruppe wur d e von den Stu dierenden hervorgehoben. Sofern sich die Beteiligten auf die gemeinsa- me Arbeit einlassen, kann studieninte- grierte Supervision im Hochschul sys - tem einen Ort darstellen, der schützen-

Anzeige

de, tragfähige Be zie hungs erfahrungen vorhalten kann.

Fazit und Ausblick

Es finden sich in den analysierten Interviews erste Hinweise, dass praxis- begleitende Supervision im Studien - gang der Sozialen Arbeit Bestandteile von Resilienz fördern kann. Durch die Relationierung von Theorie und Pra - xis, angereichert durch persönliche Erlebnisse der Studierenden im Lern - ort Praxis, bringt Ausbildungs super - vision die Grundvoraus setzun gen für resilienzfördernde Prozesse mit. Die Zu - sammenhänge von supervisorischer Ar beit (im Studiengang der Sozia len Arbeit) und Resilienzent wicklung sind bisher allerdings kaum erforscht. Auf - grund der dargelegten komplexen Si - tu ationen, in die sich die angehenden Sozialarbeiter*innen nach drei Jahren Studium begeben, wäre es dringend erforderlich, den Blick verstärkt auf ge - zielte Resilienzförderung im Studien - gang der Sozialen Arbeit zu richten.

Referenzen

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