Analysis II
Dr. Angela Ortega
8. April 2019
Inhaltsverzeichnis
1 Mehrdimensionale Konvergenz und Stetigkeit 3
1.1 Normen, Konvergenz von Folgen und Reihen . . . 3
1.2 Offene Mengen, abgeschlossen Mengen und Rand . . . 9
1.3 Konvergenz von Abbildungen . . . 11
1.4 Iteriere Grenzwerte und Vertauschung von Grenzwerten . . . 13
1.5 Stetige Abbildungen . . . 15
1.6 Stetige Funktionen auf kompakten Menge . . . 19
1.7 Zusammenhang und Gebiete . . . 20
2 Differentialrechnung in Rn 22 2.1 Differenzierbarkeit und Ableitungen . . . 22
2.2 Partielle Ableitungen und die Jacobi-Matrix . . . 24
2.3 Rechenregeln f¨ur differenzierbare Funktionen . . . 28
2.3.1 I Linearit¨at der Ableitung . . . 28
2.4 Reellwertige Funktionen . . . 32
2.5 Satz von Taylor . . . 35
2.6 Lokale Extrema . . . 38
2.7 Der Umkehrsatz und Satz ¨uber implizite Funktionen . . . 41
2.8 Lokale Extrema unter Nebenbedingung . . . 44
3 Mehrdimensionale Integralrechnung 48 3.1 Riemann-Integral f¨ur Quader . . . 48
3.2 Das Riemann-Integral f¨ur Jordan-messbare Mengen . . . 51
3.3 Der Satz von Fubini . . . 53
Einleitung
Diese Vorlesung besch¨aftigt sich mit Differential- und Integralrechnung f¨ur mehrdi- mensionale Funktionen, das heißt Funktionen die Vektoren auf Vektoren abbilden,
f :Rn→Rm beziehungsweise
f :XtoY,
wobeiX und Y endlichdimensionale Vektorr¨aume sind.
Obwohl der Fallf :R→R ein Spezialfall ist, handelt es sich hierbei in keinster- weise um eine Wiederholung von Analysis I. In dieser Vorlesung werden zum Beispiel die Verallgemeinerung von folgenden Konzepten behandelt:
1. Die Ableitung. F¨ur eine Funktion f :R→R ist diese wie folgt definiert als f0(x) = lim
h→0
f(x)−f(x+h)
h .
2. Der Hauptsatz f¨ur Differential- und Integralrechung. Laut diesem gilt f¨ur eine stetig differenzierbare Funktion f :R→R:
Z b a
f0(x)dx=f(b)−f(a).
3. Die Kettenregel:
(f ◦g)0(x) =f0(g(x))·g0(x).
Kapitel 1
Mehrdimensionale Konvergenz und Stetigkeit
1.1 Normen, Konvergenz von Folgen und Reihen
Um Konvergenz zu definieren, muss man zun¨achst eine Verallgemeinerung vom ,,Be- trag”finden. Hierf¨ur geben wir folgende Definition an.
Definition 1.1.1. Sei X ein endlichdimensionaler Vektorraum. Eine Abbildung || ·
||:X →[0;∞)heißt Norm in X falls f¨ur alle x, y ∈X und alle λ ∈R gilt 1. ||x||= 0 ⇒x= 0 (Definitheit),
2. ||λx||=|λ| ||x|| (Homogenit¨at),
3. ||x+y|| ≤ ||x||+||y|| (Dreiecksungleichung).
F¨ur eine fixierte Norm sagen wir (X,|| · ||) ist ein normierter Vektorraum.
Bemerkung 1.1.2. Auf einem normierten Vektorraum (X,|| · ||) erf¨ullt die Norm folgende Eigenschaften f¨ur alle a, b, c, d∈X:
1. ||a|| − ||b|| ≤ ||a+b|| (Untere Dreiecksungleichung),
2. ||a−b|| − ||c−d|| ≤ ||a−c||+||b−d|| (Vierecksungleichung).
Beweis. 1. ||a||=||a+b−b|| ≤ ||a+b||+|| −b||=||a+b||+||b|| ⇒ ||a|| − ||b|| ≤
||a+b||.
2. ||a −b|| = ||a − b + c− c+ d − d|| ≤ ||a − c|| +|| − b + c− d + d|| ≤
||a−c||+|| −b+d||+||c−d|| ⇒ ||a−b|| − ||c−d|| ≤ ||a−c||+||b−d||
Beispiel 1.1.3. • Bespiele von Normen im Rn sind 1. ||(x1, . . . , xn)||p :=
Pn
i=1|xi|p1/p
, f¨ur p∈R, p≥1. || · ||2 heißt euklidi- sche Norm in Rn.
2. ||(x1, . . . , xn)||∞= maxi∈{1≤i≤n}{|xi|}
• F¨ur Matrizen M(m, n) = (
A =
a11 . . . a1n ... ... am1 . . . amn
|aij ∈ R )
defniert man die Frobenius Norm:
||
a11 . . . a1n ... ... am1 . . . amn
||:=
m
X
j=1 n
X
k=1
|ajk|2
!1/2
Die Frobenius und euklidische Normen erf¨ullen die submultiplikativen Eigen- schaften:
1. ||Ax||2 ≤ ||A|| · ||x||2, ∀A∈M(m, n), ∀x∈Rn. 2. ||AB|| ≤ ||A|| ||B||, ∀A∈M(l, m), B ∈M(m, n), Insbesondere gilt: ||A−1|| ≥ ||A||1 , ∀A∈M(m, n),det(A)6= 0.
Definition / Bemerkung 1.1.4. Zwei Normen || · ||1 und || · ||2 sind ¨aquivalent in X, falls es Konstanten c, d >0 gibt, sodass f¨ur jedes x∈X gilt
c||x||1 ≤ ||x||2 ≤d||x||1.
In einem endlichdimensionalen Vektorraum sind alle Normen ¨aquivalent.
Definition 1.1.5. Ein Skalarprodukt in X ist eine Abbildung <·,·>:X×X →R, sodass f¨ur alle x, y ∈X und alle λ, µ∈R gilt:
1. < x, x >≥0 und < x, x >= 0 ⇔x= 0 (Definitheit), 2. < x, y >=< y, x > (Symmetrie),
3. < λx+µy, z >=λ < x, z >+µ < y, z > (Bilinerait¨at).
Proposition 1.1.6. Sei < ·,· >: X ×X → R ein Skalarprodukt in X, dann ist
||x||:=√
< x, x > eine Norm.
Bemerkung 1.1.7. Der Beweis verwendet folgende zwei Eigenschaften, die es eben- falls zu beweisen gilt.
1. |< x, y > | ≤ ||x|| · ||y|| (Cauchy-Schwarz Ungleichung) 2. ||x+y||2 =||x||2+||y||2+ 2< x, y > . (Binomische Formel) Beweis. Sei < ·,· > Skalarprodukt, ||x|| := √
< x, x > muss Definitheit, Homoge- nit¨at und Dreiecksungleichung erf¨ullen.
1. ||x||= 0 ⇒(< x, x >)1/2 = 0 ⇒< x, x >= 0⇒x= 0.
2. ||λx||= (< λx, λx >)1/2 = (λ2 < x, x >)1/2 =|λ| ||x||.
3. ||x+y||2 =||x||2+||y||2+2< x, y >≤ ||x||2+||y||2+2||x||||y||= (||x||2+||y||)2.
Beispiele 1.1.8. • Sei X = P2(R) = {p(x) = a0 +a1x +a2x2|ai ∈ R} der R-Vektorraum aller quadratischen Polynome. Dann ist
< P, Q >=
Z 1
−1
P ·Qdx ein Skalarprodukt auf X.
• Die euklidische Norm ||(x1, . . . , xn)||2 = Pn
i=1|xi|21/2
ist induziert vom eu- klidischen Skalarprodukt
<(x1, . . . , xn),(y1, . . . , yn)>:=
n
X
i=1
xiyi.
Bemerkung 1.1.9.Da alle Normen in endlichdimensionalen Vektorr¨aumen ¨aquivalent sind, bezeichnen wir fortan mit || · || eine beliebige Norm in X.
Definition 1.1.10. Sei (X,|| · ||) ein normierter Vektorraum.
• Eine Folge (xj)j∈N ⊂X heißt konvergent falls ein x∈X existiert, sodass
∀ >0 ∃j0 ∈N ∀j ≥j0 : ||xj −xj0||< .
Der Vektor x heißt Grenzwert der Folge. Man sagt die Folge konvergiert gegen x und man schreibt
x= lim
j→∞xj oder xj →x f¨ur j → ∞.
• Eine Reihe P∞
j=1xj heißt konvergent gegen x falls die Folge ihrer Partialsum- men
s1 =x1 s2 =x1+x2
... sn=
n
X
j=1
sj
konvergent gegen x ist. Man schreibt x=
∞
X
j=1
xj = lim
n→∞
n
X
j=1
xj = lim
n→∞sn.
Definition 1.1.11. Sei {b1, . . . , bn} eine Basis von X (X sei n-dimensionaler R- Vektorraum). Wir setzen
xj =
n
X
k=1
xjkbk, xj ∈N, xjk ∈R, y =
n
X
k=1
ykbk yk ∈R.
(i) Die Folge (xj)j∈N konvergiert gegen y genau dann wenn f¨ur jedes k ∈ N die Folge(xjk)j∈N gegen yk konvergiert. Es gilt
j→∞lim
n
X
k=1
xjkbk =
n
X
k=1
j→∞lim xjkbk=y.
Die Konvergenz der Vektoren ist somit die koordinatenweise Konvergenz.
(ii) Die Vektorreihe P∞
j=1xj konvergiert gegen y =
y1 y2 ... yn
, falls f¨ur jedes k ∈ N die Reihe P∞
j=1xjk gegen yk konvergiert. Es gilt
∞
X
j=1
Xn
k=1
xjk bk=
n
X
k=1
X∞
j=1
xjk bk.
Beispiele 1.1.12.
1. limj→∞
√j
j 3
1 j
=
limj→∞ j
√j limj→∞3 limj→∞ 1 j
=
1 3 0
.
2. P∞ j=0
1 j!
1 j2
= e−1
π2 6
.
3. P∞ j=0
1
2j 1 j
divergiert, das heißt konvergiert nicht, da P∞ j=1
1
j nicht konver- giert.
Eigenschaften 1.1.13.
• (Linearit¨at des Limes). Seien (xj)j∈N und (yj)j∈N konvergente Vektorfolgen in X und (λj)j∈N und (µj)j∈N konvergente Zahlenfolgen in R, dann konvergiert die Folge (λjxj+µjyj)j∈N ebenfalls und es gilt
j→∞lim λjxj +µjyj = lim
j→∞λj lim
j→∞xj+ lim
j→∞µj lim
j→∞yj.
• Seien außerdem (Aj)j∈Nund (Bj)j∈N konvergente Matrizen folgen inM(m, n), dann gilt:
(i) limj→∞Ajxj = limj→∞Ajlimj→∞xj, (ii) limj→∞(AjBj) = limj→∞Ajlimj → ∞Bj, (iii) limj→∞ < xj, yj >=<limj→∞xj,limj→∞yj > .
Beweis. Es gelte Aj →A, xj →x, es gilt zu zeigen, dass Ajxj →Ax∈Rn. Sei >0, dann existieren j1, j2 ∈N mit
||Aj−A|| ≤
2||x||, ∀j ≥j1,
||xj−x|| ≤
2M, ∀j ≥j2.
Laut nachfolgender Bemerkung ∃M > 0, sodass ||Aj|| ≤ M ∀j. Dann folgt
∀j ≥j0 := max{j1, j2}
||Axj −Ax||=||Ajxj −Ajx+Ajx−Ax||
≤ ||Aj(x−xj)||+||Aj −A||||x||
≤ ||Aj||||x−xj||+||Aj −A||||x||
≤M
2M +
2||x||||x||=, falls||x|| 6= 0, das heißt falls x6= 0.
Bemerkung 1.1.14. Jede konvergent Folge (xj) aus X ist beschr¨ankt, das heißt
∃M >0 so dass ||xj|| ≤M∀j ∈N. Satz 1.1.15. Cauchy Kriterium
1. Eine Vektorfolge (xj) aus X konvergiert genau dann wenn ∀ >0 ∃j0 ∈N so dass ∀k, j ≥j0 :||xj−xk|| ≤.
2. Eine Vektorreihe konvergiert genau dann wenn ∀ > 0∃j0 ∈ N so dass∀k, j ≥ j0 :||Pk
l=jxl|| ≤. Insbesondere gilt
∞
X
j=1
xj konvergiert⇒ ∀j ≥j0 :||xj|| ≤⇔ ||xj|| →0.
Mit dem Cauchy Kriterium kann man ¨uberpr¨ufen, ob eine Folge oder Reihe konvergent ist, ohne den Grenzwert zu kennen.
Beispiel 1.1.16 (Die Neumann Reihe). Sei A ∈ M(m, m) mit ||A|| < 1 (z.B.
mit der Frobenius Norm), dann ist I −A invertierbar (wobei mit I die m × m Identit¨atsmatrix gemeint ist) und es gilt
(I−A)−1
∞
X
j=0
Aj.
Dies ist eine Verallgemeinerung der geometrischen Reihe f¨ur n = 1. Falls |x| < 1 gilt
1 1−x =
∞
X
j=0
xj.
Beweis.
Setzen sn =
n
X
j=0
Aj ∈M(n, n)
⇒sn−Asn =
n
X
j=0
Aj −
n+1
X
j=1
Aj =I−An+1
⇒(I−A)sn =I−An+1
⇒(I−A) lim
n→∞sn lim
n→∞(I−An+1) =I− lim
n→∞An+1.
Nun gilt es zu zeigen, dass limn→∞An+1 = 0 f¨urA∈M(m, m) mit||A||<1 gilt.
Sei >0. Da||A||n→0 f¨urn → ∞,∃n0 ∈N, so dass∀n ≥n0 :||A||n ≤. Dann folgt mit den submultipikativen Eigenschaften der Matrixnorm: ∀n≥n0 gilt
||An−0||=||An|| ≤ ||A||n ≤. Und somit folgtAn→0 f¨urn → ∞.
Exponentialfunktion f¨ ur Matrizen
Definition 1.1.17. Sei A∈M(n, n). Dann konvergiert die Reihe exp(A) :=
∞
X
j=0
Aj j!
und die Abbildung A7→exp(A) wird Exponentialfunktion f¨ur Matrizen genannt.
Zur Konvergenz. Sei >0, dann gilt nach dem Cauchy-Kriterium :
∃j0 ∈N,∀k, j ≥j0 :||
k
X
l=j
||A||l l! ≤, da exp(||A||
|{z}
∈R
) =P∞ l=0
||A||l
l! konvergiert.
Eigenschaften 1.1.18. ∀A, B ∈M(n, n) gilt:
1. exp(A+B) = expAexpB, falls AB=BA 2. exp(BAB−1) =BexpAB−1, falls det(B)6= 0, 3. expA= limj→∞(I+ Aj)j,
4. deteA=6= 0 und (eA)−1 =e−A. Beispiele 1.1.19.
1. exp a 0
0 b
= 1 0
0 1
=
a 0 0 b
+ 2!1
a2 0 0 b2
+· · ·=
ea 0 0 eb
,
2. exp 0 a
0 0
= 1 0
0 1
+ 0 a
0 0
+ a 0
0 b 2
| {z }
=0
+0 =
1 a 0 1
,
3. exp
0 −ϕ
ϕ 0
=
P∞
j=0(−1)j ϕ(2j)!2j −P∞
j=0(−1)j ϕ(2j+1)!2j+1 P∞
j=0(−1)j ϕ(2j+1)!2j+1 P∞
j=0(−1)j ϕ(2j)!2j
!
=
cosϕ −sinϕ sinϕ cosϕ
.
1.2 Offene Mengen, abgeschlossen Mengen und Rand
Sei (X,|| · ||) ein normierter Vektorraum und M ⊆X eine Teilmenge von X.
Definition 1.2.1. Seien x∈X, r >0, r ∈R.
• Die Mengen
Kr(x) := {y∈X| ||x−y||< r}
bzw.
Kr(x) := {y∈X| ||x−y|| ≤r}
heißen offene bzw. abgeschlossene Kugel um x mit Radius r.
• Ein Punkt x∈M heißt innerer Punkt von M wenn ∃r >0 mit Kr(x)⊆M.
• Die Menge aller inneren Punkte von M heißt innerer Kern von M und wird mit intM oder M˚ bezeichnet. Es gilt M˚ ⊆M.
• M ist offen, wenn M = ˚M.
• x∈X heißt Randpunkt von M, wenn∀r >0 giltKr(x)∩M 6=∅ und Kr(x)∩ (X\M)6=∅, wobei X\M :={x ∈X| x /∈ M}(=Mc) das Komplement von M in X bezeichnet.
• Die Menge aller Randpunkte von M heißt Rand von M und wird mit ∂M bezeichnet. z.B: ∂Kr(x) = {y∈X| ||x−y||=r}.
• Die Menge M ∪∂M =:M heißt abgeschlossene H¨ulle von M oder Abschluss von M. Allgemein gilt M ⊆M.
• M ist abgeschlossen, wenn M =M. Beispiele 1.2.2.
1. Endliche Mengen M = {x1, . . . , xn} sind abgeschlossen, da ∂M = M, weil
∃r >0 mit Kr(xi)∩(X∩M)6=∅∀i= 1, . . . , n.
2. X und die leere Menge ∅ sind die einzigen Mengen, die gleichzeitig offen und abgeschlossen sind.
3. X = R, ∀a < b gilt: (a, b) ist offen, [a, b] ist abgeschlossen [a, b) ist weder abgeschlossen noch offen. ∂(a, b) = ∂[a, b) = ∂[a, b]) = {a, b} und int[a, b] = (a, b).
4. X =R2. Sei M die x-Achse, dann ist M abgeschlossen mit der leeren Menge als innerer Kern. Das gleiche gilt falls M = [a, b]⊂R2.
5. Betrachten Q⊂R, dann gilt ˚Q=∅ und ∂Q=Q=R. Lemma 1.2.3 (Dualit¨at von Offenheit und Abgeschlossenheit).
1. Eine Menge M ⊂X ist offen genau dann, wenn X\M abgeschlossen ist.
2. Der Durchschnitt beliebig vieler und die Vereinigung endlich vieler abgeschlos- sener Mengen ist wieder abgeschlossen.
3. Die Vereinigung beliebig vieler und der Durchschnitt endlich vieler offener Mengen ist wieder offen.
4. Eine Menge ist abgeschlossen genau dann, wenn sie all ihre Randpunkte enth¨alt.
5. Eine Menge ist offen genau dann, wenn sie keinen ihrer Randpunkte enth¨alt.
6. Die Morganschen Regeln : Seien Mi ⊂X, i∈I ⊂N, dann
• X\ ∪i∈IMi
=∩i∈I X\Mi
,
• X\ ∩i∈IMi
=∪i∈I X\Mi),
• X\X =∅.
Gegenbeispiele 1.2.4.
• F¨ur jedesj ∈N∗ ist −1j,1j
⊂R eine offene Menge, aber ∩∞j=1 −1j,1j
={0}
ist nicht offen.
• F¨ur jedes j ∈ N∗ ist
−1 + 1j,1− 1j
⊂ R eine abgeschlossene Menge, aber
∪∞j=1
1− 1j,1 + 1j
= (−1,1) ist nicht abgeschlossen (sogar offen).
Beweis. Wir beweisen nur den dritten Punkt von 1.2.3. Zu zeigen: Die Vereinigung
∪i∈IMi beliebig vieler offener Mengen Mi, i∈I ist offen.
Sei x ∈ ∪i∈IMi, dann ∃i0, so dass x ∈ Mi0. Da Mi0 offen ist ∃r > 0, so dass Kr(x)⊆Mi0 ⊆ ∪i∈IMi, alsoKr(x)⊆ ∪i∈IMi undx∈int ∪i∈IMi
. Also ist∪i∈IMi offen.
Zu zeigen: Der Durchschnitt ∩nj=1Mi endlich vieler offener Mengen Mi, i = 1, . . . , n ist offen.
Sei x ∈ ∩nj=1Mi, dann ist x ∈ Mi, ∀i = 1,2, . . . , n und ∃ri > 0 mit Kri(x) ⊆ Mi,
∀i = 1,2, . . . , n, da die Mi’s offen sind. Man setzt r = min1≤i≤n{ri} somit ist Kr(x) ⊂ Mi, ∀i = 1, . . . , n. Es folgt Kr(x) ⊆ ∩nj=1Mi und x ∈ int(∩nj=1Mi), so- mit ist∩nj=1Mi offen.
Satz 1.2.5.
1. Die Menge M˚ ist die gr¨oßte offene Teilmenge von M, d.h. f¨ur jede offene Teilmenge A⊆M gilt A⊆M.˚
2. Die Menge M ist die kleinste abgeschlossene Menge die M enth¨alt, d.h. f¨ur jede abgeschlossene Teilmenge A⊆X mit M ⊂A gilt M ⊆A.
3. Ein Element x ist im Rand von M, ∂M genau dann, wenn Folgen (yj) ⊂M und (zj)⊂X\M exisitieren, sodass yj →x und zj →x f¨ur j → ∞.
4. M ist genau dann abgeschlossen, wenn der Grenzwerter jeder konvergenten Folge in M ebenfalls in M liegt, das heißt f¨ur (xn) ⊆ M konvergent gilt limn→∞xn∈M.
1.3 Konvergenz von Abbildungen
Abbildungen in mehrdimensionalen Vektorr¨aumen haben verschieden Bezeichnun- gen, zum Beispiel:
• Skalare Felder sind Abbildungen Rn→R, z.B.T :R4 →R,T(x1, x2, x3, t) ist die Temperatur am Ort (x1, x2, x3) am Zeitpinktt.
• Vektorfelder sind Abbildungen Rn → Rn, z.B. v : R3 → R3, v(x1, x2, x3) ist die Geschwindigkeit einer Fl¨ussigkeit am Ort (x1, x2, x3).
• Tensorfelder sind Abbildungen Rn → M(k, l), z.B. die Spannungen in einem elastischen K¨orper M ⊆ R3 kann man durch eine Abbildung M → M(3,3) beschreiben.
• Der zeitliche Ablauf eines Teilchens wird durch eine Abbildung x : R → R3 beschrieben.
Im Folgenden seien X, Y normierte Vektorr¨aume, M ⊆X und f : X → Y eine Abbildung.
Definition 1.3.1.
1. Ein Element x0 ∈X heißt H¨aufungspunkt von M, wenn
∀δ >0∃x∈X : 0<||x−x0||< δ, das heißt es gibt eine Folge (xj)⊂M \ {x0} mit xj →x.
2. Sei x0 ein H¨aufungspunkt von M, y0 ∈Y und es gelte
∀ >0∃δ >0 :∀x∈M,0<||x−x0|| ≤δ⇒ ||f(x0)−y0|| ≤. (1.1) Dann nennt man f konvergent f¨ur x gegen x0, y0 heißt Grenzwert von f f¨ur x gegen x0 und man schreibt limx→x0f(x) =y0 oder f(x)→y0 f¨ur x→x0. Bemerkungen 1.3.2.
a 1.1 h¨angt nicht davon ab, ob f in x0 definiert ist oder nicht.
b Weil x0 H¨aufungspunkt vonM ist, ist y0 durch 1.1 eindeutig bestimmt.
c Die folgenden Aussagen sind ¨aquivalent:
(a) limx→x0f(x) =y0.
(b) F¨ur jede Folge x1, x2,· · · ⊂M \ {x0} mit xn→x0 gilt f(xn)→y0. Beispiele 1.3.3.
1. Sei A(M) die Menge aller H¨aufungspunkte von M ⊆R, dann ist A(N) = ∅, A(Q) = R, A({1 + 1
n|nN) = {1}
2. Der Limes lim(x,y)→(0,0) x−y
x2+y2 existiert nicht f :R2 → R, (x, y)7→ xx−y2+y2. Man betrachte hierf¨ur den Weg entlang der y-Achse: (xn,0)→ (0,0) mit xn → ∞ f¨ur n→ ∞. Es muss gelten :
n→∞lim f(xn,0) = lim
(x,y)→(0,0)f(x, y), aber
n→∞lim f(xn,0) = lim
n→∞
xn
x2n+ 0 = lim
n→∞
1 xn =∞ existiert nicht.
3. f :R2 →R, f(x, y) = xx22+yy22. F¨ur (x, y)6= (0,0) gilt 0≤ x2y2
x2+y2 =x2 y2 x2+y2
≤x2
⇒0≤ lim
(x,y)→(0,0)f(x, y)≤ lim
(x,y)→(0,0)x2 = 0
⇒ lim
(x,y)→(0,0)f(x, y) = 0.
In ”δ-Sprache”: Sei >0, es gilt
| x2y2
x2+y2 −0|=|x2|| y2
x2 +y2| ≤ |x2| ≤, falls
|x| ≤ ||(x, y)−(0,0)||=p
x2+y2 ≤δ und wir δ=√
setzen.
4. fR2 → R, f(x, y) = x−1y . lim(x,y)→(1,0)f(x, y) existiert nicht. Sei (xn,0) → (1,0) mit xn→1 eine Folge in R2. Dann ist
(x,y)→(1,0)lim = lim
n→∞f(xn,0) = lim
n→∞0 = 0, aber f¨ur (xn, xn−1)→(1,0) mit xn→1 gilt
(x,y)→(1,0)lim = lim
n→∞f(xn, xn−1) = lim
n→∞
xn−1 xn−1 = 1.
”Konvergenz ist koordinatenweise Konvergenz”
Sei b1, . . . , bn eine Basis inX und f(x) = Pn
k=1fk(x)bk, ∀x∈M ⊂R. Dann heißen die fk : M → R die Koordinatenfunktionen zu f bez¨uglich der Basis {b1, . . . , bn}.
Wennx0 H¨aufungspunkt von M ist, so gilt:
x→xlim0
f(x) = lim
x→x0
n
X
k=1
fk(x)bk
=
n
X
k=1 x→xlim0
fk(x) bk,
wobei der Grenzwert von f auf der linken Seite existiert genau dann, wenn der Grenzwert allerfk auf der rechten Seite existiert.
Beispiele 1.3.4. Sei X =Rn mit der kanonischen Basis in Rn. f :Rn→Rm, x= (x1, . . . , xn)→(f1(x), . . . , fm(x))
x→xlim0
(f1(x), . . . , fm)(x) = ( lim
x→x0
f1(x), lim
x→x0
. . . , fm).
1. f :R2 →R3,(x, y)7→(sin(x),cos(y),exp(x+y), dann istlim(x,y)→(0,0)f(x, y) = (0,1,1).
2. f :R2 →R2, (x, y)7→(y2x−13 ,x−1y ). lim(x,y)→(1,0)f(x, y) existiert nicht.
3. f :R2 →R3,(x, y)7→(x2y3+2,sin(xy),xx22+yy22), dann istlim(x,y)→(0,0)f(x, y) = (2,0,0).
Eigenschaften 1.3.5. Seien M ⊂ X, λ, µ : M → R, f, g : MRn, A : X → M(m, n), B : X → M(n, l) Abbildungen und x0 ∈ X ein H¨aufungspunkt von M, dann gilt:
1. limx→x0(λ(x)f(x)+µ(x)g(x) = limx→x0λ(x)
limx→x0f(x)
+ limx→x0µ(x)
limx→x0g(x) . 2. limx→x0(A(x)f(x)) = (limx→x0A(x))(limx→x0f(x)).
3. limx→x0(A(x)B(x)) = (limx→x0A(x))(limx→x0B(x)).
4. limx→x0 < f(x), g(x)>=<limx→x0f(x),limx→x0g(x)>.
Hierbei existieren die Grenzwerte auf der linken Seite genau dann, wenn die Grenz- werte auf der jeweiligen rechten Seite existieren.
Beweis. Der Beweis benutzt die Eigenschaften 1.1.13.
1.4 Iteriere Grenzwerte und Vertauschung von Grenz- werten
Sei f : R2 ⊃ M → R eine Abbildung und (x0, y0) ∈ R2. Wir betrachten den allgemeinen Grenzwert
(x,y)→(xlim0,y0)f(x, y) (1.2)
und die iterierten Grenzwerte
y→ylim0
x→xlim0
f(x, y)
, (1.3)
x→xlim0
y→ylim0f(x, y)
. (1.4)
Nun k¨onnen wir uns zwei Fragen stellen. Folgt aus der Existenz von 1.3 und 1.4 die Existenz von 1.4 ? Falls 1.3 und 1.4 existieren, sind die Grenzwerte dann gleich
? Es stellt sich heraus, dass beide Fragen eine negative Antwort haben.
Gegenbeispiele 1.4.1.
1. Sei M = [0,∞)×[0,∞)
\ {(0,0)} ⊆R2 und f(x, y) = x2x+y2 2, dann
y→0lim lim
x→0f(x, y)
= lim
y→00 = 0 und
x→0lim lim
y→0f(x, y)
= lim
y→01 = 1.
lim(x,y)→(0,0)f(x, y) existiert nicht, weil entlang des Weges y= 0 gilt
(x,y)→(0,0),y=0lim = lim
x→0
x2
x2+ 0 = lim
x→01 = 1 , aber entlang des Weges y=x gilt
(x,y)→(0,0),y=xlim = lim
x→0
x2 x2 = 2. Also existiert lim(x,y)→(0,0)f(x, y) nicht.
2. Sei f(x, y) = x2xy+y2, dann
y→0lim lim
x→0f(x, y)
= lim
x→0 lim
y→0f(x, y)
= 0, aber lim(x,y)→(0,0)f(x, y) existiert nicht, da
lim
(x,y)→(0,0),y=0f(x, y) = lim
x→00 = 0, lim
(x,y)→(0,0),y=xf(x, y) = lim
x→0
x2 2x2 = 1
2.
Lemma 1.4.2. Hinreichende Bedingung daf¨ur, dass 1.2 nicht existiert sind:
1. Die Limes 1.3 und 1.4 existieren, aber sind ungleich.
2. Es existieren Folgen, xj → x0, yj → y0, so dass die Folge f(xj, yj) nicht konvergiert.
3. Es existieren Folgen xj →x0, x˜j →x˜0 , yj →y0 und y˜j →y˜0 sodass f(xj, yj) und f(˜xj,y˜j) konvergieren, aber verschieden Grenzwerte haben.
Bemerkung 1.4.3. Der Limes 1.3 existiert und ist gleichz0 genau dann, wenn ein r >0und eine Abbildungg : (y0−r, y0+r)→Rexistieren, so dass∀y∈(y0−r, y0+r) f(x, y)→g(y) f¨ur x→x0 und g(y)→z0 f¨ur y→y0 gilt.
Definition 1.4.4. F¨urx→x0 konvergiert die Funktionf(x,·)gleichm¨aßig gegeng auf (y0−r, y0+r), wenn
∃ >0 :∀y∈(y0−r, y0+r)∃δ >0,∀x∈Kδ(x0) :|f(x, y)−g(y)| ≤.
Satz 1.4.5 (Hinreichende Bedigung f¨ur die Existenz von 1.2). Wenn f(x,·) f¨ur x → x0 gleichm¨aßig gegen g auf (y0 −r, y0 +r) konvergiert und g(y) → z0 f¨ur y→y0, dann existiert der Limes 1.2 und
(x,y)→(xlim0,y0)f(x, y) =z0. Beispiel 1.4.6. Sei f(x, y) = x1sin xy sin(y)
und (x0, y0) = (0,0). Nach der Regel von l’Hospital gilt
x→0lim 1 xsin x
y sin(y)
= lim
x→0
cos(xy sin(y))sin(y)y
1 = sin(y)
y .
Also konvergiert f(x,·) punktweise gegen sin(y)y f¨ur x→0. Die Konvergenz ist auch gleichm¨aßig. Wir betrachten hierf¨ur die Taylor-Entwicklung von sin(u) um 0:
sinu=u− u3 3! + u5
5! +· · · F¨ur u= xysiny gilt
sin(x
y sin(y))≈ x
ysin(y)−1 6(x
ysin(y))3+· · · Also folgt mit >0
|1 xsin(x
ysin(y))− 1
ysin(y)|=|sin(y)
y − 1
6x(x
ysiny)3− 1 ysiny|
=|x2
6 (sin(y) y )3|
≤ |x2
6| sin(y)≈y f¨ur kleine y
≤ falls x∈(−√ 6,√
6) Und aus limy→0 sin(y)
y = 1 folgt lim(x,y)→(0,0) 1
xsin xysin(y)
= 1.
1.5 Stetige Abbildungen
SeienX, Y normierte Vektorr¨aume, M ⊆X und f :M →Y eine Abbildung.
Definition 1.5.1. Die Abbildung f heißt stetig in x0 ∈M, wenn folgendes gilt:
∀ >0∃δ >0 :∀x∈M,||x−x0|| ⇒ ||f(x)−f(x0)|| ≤. Die Abbildung heißt stetig, falls sie in jedem Punkt x0 ∈M stetig ist.
Bemerkung 1.5.2.
• Wenn x0 ∈M kein H¨aufungspunkt von M ist (d.h. x ist ein isolierter Punkt), dann ist jede Abbildung f :M →y stetig in x0.
• Wenn x0 H¨aufungspunkt von M ist , dann ist f :M → Y stetig in x0 genau dann, wenn limx→x0f(x) = f(x0)
• Wenn x0 H¨aufungspunkt von M ist , dann ist f :M → Y stetig in x0 genau dann, wenn f¨ur jede Folge (x)n∈N ⊂ M aus limj→∞xj limj→∞f(xj) = f(x0) folgt.
Beispiele 1.5.3.
1. Jede konstante Funktion f :X →Y ist stetig.
2. id : X →X, x7→x ist stetig.
3. Jede lineare Abbildung A : Rn → Rm, x 7→ Ax, A = (aik) ∈ M(m, n), ist stetig. Wir haben ||Ax||2 ≤ ||A||2||x||2. Sei >0 und
||Ax−Ay||=||A(x−y)|| ≤ ||A||||x−y||, dann setzen wir δ:= ||A|| ≥ ||x−y||.
4. Eine Abbildung f : Rn → Rm heißt Vektorpolynom (oder einfach Polynom), mit n Variablen, wenn f von folgender Form ist
f = (f1, . . . , fm), fi :Rn→R, fi(x) =
si
X
j1,...,jn
cij1,...,jnxj11. . . xjnn, cij1,...,jn ∈R, ∀x= (x1, . . . , xn)∈Rn. Polynome sind stetig.
Zum Beispiel ist die Determinantenabbildung det :M(n, n)→R, A= (aij)7→
detAein Polynom inn2 Variablen. In der Tat ist diese mit der Leibniz-Formel:
det((aij)) =
n
X
j1,...,jn
j1,...,jn
| {z }
∈{1,−1,0}
a1j1. . . anjn.
5. Die Exponentialfunktion M(n, n)→M(n, n), A7→eA ist stetig.
Satz 1.5.4. Seien X, Y, Z normierte Vektorr¨aume M ⊆ X, N ⊆ Y, f : M → Y, g : N → Z mit f(M) ⊆ N. Wenn f in x0 ∈ M und g in y0 = f(x0) stetig sind, dann ist
g◦f :M →Z stetiginx0.
Beweis. Sei >0. Da g stetig iny0 =f(x0) ist, ∃δ1 >0, so dass ,
||g(f(x))−g(y0)|| ≤
∀f(x)∈M :||f(x)−y0|| ≤δ
Da f stetig in x0 ist ∃δ > 0, sodass 1.5 gilt, ∀x ∈ M mit ||x−x0|| ≤ δ. Es folgt, dass g◦f stetig in x0 ist.
Beispiele 1.5.5.
1. f(x, y) = (y2
x, x6= 0
0, x= 0 ist nicht stetig in x0, da die Folge (1n,√1n → 0, f¨ur n → ∞, aber f(n1,√1n = 1, ∀n. Somit gilt
n→∞lim f(1 n, 1
√n = 1 6=f(0,0) = 0.
2. f(x, y) =
(sin(xy)
xy , (x, y)∈R\ {0} ×R\ {0}
1 sonst . Wir setzen u=xy, h:R
mathbbR,
(u7→ sin(u)u , u6= 0
07→1 . Man bemerkt limu→0sin(u)
u = 1. Das heißt h ist stetig in u= 0 und somit in ganzR. Sei g :R2 →R, (x, y) 7→xy, dann ist g stetig ∀(x, y)∈ R2, da g ein Polynom ist. Und somit ist f =h◦g stetig auf R2.
Satz 1.5.6. Aus der Stetigkeit der Funktionen f, g : M → Y, M ⊆ X folgt die Stetigkeit von
af+bg:M →Y ∀a, b∈R.
Beweis. Sei > 0 und angenommen a, b 6= 0. Da f und g stetig sind ∀x0 ∈ M.
∃δ1 >0, δ2 >0, sodass
||f(x)−f(x0)|| ≤
2|a| ∀xmit||x−x0|| ≤δ1,
||f(x)−f(x0)|| ≤
2|b| ∀xmit||x−x0|| ≤δ2. Sei δ= min{δ1, δ2}. Dann gilt∀x∈M mit ||x−x0|| ≤δ
||(af −bg)(x)−(af +bg)(x0)||=||a(f(x)−f(x0))−b(g(x)−g(x0))||
≤ |a|||f(x)−f(x0)||+|b|||g(x)−g(x0)
≤ 2 +
2 =.
Satz 1.5.7. Sind f, g :M →R stetige Funktionen, so ist das Produkt f g:M →R ebenfalls stetig auf M.
Beweis. Dies folgt aus 1.3.5, ∀x0 ∈M gilt
x→xlim0
f(x)g(x) = lim
x→x0
f(x) lim
x→x0
g(x) =f(x0)g(x0) = (f g)(x0).
Wir erinnern an die Definition des Urbilds einer Abbildung. Seien f : M →Y, M subsetX, B ⊆Y, dann ist das Urbild von B
f−1(B) = {x∈M|f(x)∈B}.
Satz 1.5.8. F¨ur eine stetige Funktion f :M →Y gilt
1. Ist M offen, so ist f−1(B) offen f¨ur jede offene Menge B ⊆Y.
2. Ist M abgeschlossen, so istf−1(B)abgeschlossen f¨ur jede abgeschlossene Men- gen B ⊆Y.
Beweis.
1. Sei B ⊂ Y offen, dann gilt y0 = f(x0) ∈ B,∀x0inf−1(B) und ∃ > 0, sodass K(y0)⊂B.f ist stetig, also,∃δ >0 mit
f(M ∩Kδ(x0)⊂K(y0).
Da M offen ist, kann δ > 0 so klein gew¨ahlt werden, dass Kδ(x0) ⊂ M und f(Kδ(x0))⊂Kepsilon(y0)⊂B. Damit folgt
Kδ(x0)⊂f−1(B).
2. Sei B abgeschlossen und (xn) Folge in f−1(B) mit xn →x f¨ur n → ∞, dann ist x ∈ M, da M abgeschlossen ist. Wir wollen nun zeigen, dass x∈ f−1(B).
Aus der Stetigkeit von f folgt limn→∞f(xn) = f(x). Da f(xn) ∈ B∀n, folgt aus der Abgeschlossenheit f(x)∈B und somit x∈f−1(B).
Beispiele 1.5.9. Seien f, g :M →R, M ⊆X stetige Funktionen.
• {x∈M|f(x)≥0}=f−1([0,∞)) ist abgeschlossen, falls M abgeschlossen ist.
• {x∈M|f(x)< g(x)}= (g−f)−1((0,∞)) ist offen, falls M offen ist.
• {x ∈ M|f(x)g(x) = c} = (f g)−1(c) ist abgeschlossen, falls M abgeschlossen ist.
Bemerkung 1.5.10. Aus 1.5.6 und 1.5.7 folgt die Stetigkeit von Polynomen.
1.6 Stetige Funktionen auf kompakten Menge
Definition 1.6.1. Eine Teilmenge M ⊆ X heißt kompakt, wenn jede Folge aus M eine konvergente Teilfolge mit Grenzwert in M enth¨alt.
Satz 1.6.2. In einem endlichdimensionalen VektorraumX ist eine Teilmenge M ⊆ X kompakt genau dann, wenn M beschr¨ankt und abgeschlossen ist.
Beweis. (⇒): Zur Abgeschlossenheit. Sei (xn)⊂M eine konvergente Folge mitxn→ x. Nach 1.6.1 besitzt (xn) eine konvergente Teilfolge (xnk) mit Grenzwert y ∈ M.
Es folgt (siehe ¨Ubungsblatt 3), dassy=x∈M und somit istM abgeschlossen.
Zur Beschr¨ankheit. Angenommen M sei nicht beschr¨ankt, dann existiert zu je- dem n ∈ N ein Folgenglied xn mit ||xn|| > n. Dann ist jede Teilfolge von (xn) unbeschr¨ankt und somit (siehe ¨Ubungsblatt 1) auch nicht konvergent, was ein Wie- derspruch zur Kompaktheit vonM ist.
(⇐): IstM beschr¨ankt so besitzt jede Folge ausM nach dem Satz von Bolzano- Weierstrass eine konvergente Teilfolge. IstM dazu auch abgeschlossen, so geh¨ort der Grenzwert zuM.
Bemerkung 1.6.3.
• Der Satz von Bolzano-Weierstrass in Rn: Jede beschr¨ankte Folge in Rn (mit unendlich vielen Gliedern) enth¨alt (mindestens) eine konvergente Teilfolge.
• (⇒) gilt auch in nicht endlichdimensionalen Vektorr¨aumen.
Beispiele 1.6.4.
1. [a, b]⊂R ist kompakt ∀a, b∈R, a≤b.
2. Kr(x)⊂X ist kompakt.
3. [a1, b1]×[a2, b−2]⊆R2 ist kompakt.
Satz 1.6.5. Istf :M →X, M ⊆X und K ⊂M kompakt, dann ist f(K) ebenfalls kompakt.
Beweis. Sei (yn) eine Folge in f(K), d.h. yn = f(xn) mit xn ∈ K, ∀n ∈ N. Da K kompakt ist existiert eine konvergente Teilfolge xnk mit xnk → x ∈ K. Da f stetig ist, folgtynk =f(xnk)→f(x)∈f(K).
Satz 1.6.6. Sei f : KR eine stetige Funktion auf einer kompakten Menge K 6= ∅.
Dann besitzt f ein Maximum und ein Minimum.
Beweis. Sei f :K →R stetig, M kompakt. Nach 1.6.5 ist f(K)⊆R kompakt und somit beschr¨ankt und abgeschlossen. Setzen
s= supf(K)∈R.
Dann existiert eine Folge (sn) aus f(K) mit sn → s. Da f(K) abgeschlossen ist, gilt s ∈ f(K), das heißt s = f(x0) f¨ur ein x0 ∈ K und somit ist x0 ein Maximum (f(x)≤f(x0), ∀x∈K).
F¨ur das Minimum betrachtet man −f.
1.7 Zusammenhang und Gebiete
Definition 1.7.1.
1. Eine stetige Abbildung ϕ: [a, b] →X, t 7→ϕ(t) definiert einen Weg in X mit Endpunkten ϕ(a) und ϕ(b).
2. Eine Menge M ⊆ X heißt wegzusammenh¨angend, wenn sich je zwei Punkte von M durch einen Weg verbinden lassen.
Bemerkung 1.7.2. Sind ϕ1 : [a, b] → X und ϕ2 : [c, d] → X Wege mit ϕ1(b) = ϕ2(c), so liefert
Ψ(t) =
(ϕ1(t) t∈[a, b]
ϕ2(c+ (t−b)) t ∈[b, d+b−c] . einen Weg Ψ : [a, b+d−c]→X.
Beispiele 1.7.3.
1. F¨ur x, y ∈ X liefert ϕ:t7→ x+t(y−x) die (stetige) Strecke zwischen x und y. Somit ist jeder endlichdimensionale Vektorraum wegzusammenh¨angend.
2. Kr(x0)⊂X ist wegzusammenh¨angend.
3. In R sind die wegzusammenh¨angenden Mengen die Intervalle.
4. M = {(x, y) ∈ R2|(x− 1)2 +y2 < 1} ∪ {(x, y) ∈ R2|(x + 1)2 + y2 < 1}
ist nicht wegzusammenh¨angend. Jeder Weg mit Endpunkten in verschiedenen Kreisscheiben muss M verlassen.
5. M ={(x, y, z)∈R3|x2+y2 = 1} ist wegzusammenh¨angend.
Satz 1.7.4. Sei f : M → Y stetig, M ⊂ X wegzusammenh¨angend, so ist auch f(M) wegzusammenh¨angend.
Beweis. Seieny1, y2 ∈f(M) dann w¨ahlen wirx1, x2 ∈M mitf(x1) =y1, f(x2) = y2. Nach Voraussetzung existiert dann ein Weg ϕ : [a, b] → M mit ϕ(a) = x1 und ϕ(b) = x2. Dann ist
Ψ :=f ◦ϕ: [a, b]→f(M)⊂Y ein Weg mit Ψ(a) =y1 und Ψ(b) =y2.
Definition 1.7.5. Eine offene wegzusammenh¨angende Menge∅ 6= Ω⊆Rn heißt ein Gebiet.
Satz 1.7.6. In einem Gebiet Ω lassen sich je zwei Punkte durch einen Polynomzug verbinden, der durch ganz Ω verl¨auft.
Aneinandersetzen von Strecken. F¨ur x1, x2, . . . xn liefert
ϕ(t) =
(x1+t(x2−x1) t∈[0,1], x2+ (t−1)(x3−x2) t ∈[1,2], ...
xn−1+ (t−(n−2))(xn−xn−1) t∈[n−2, n−1]
einen Polynomzug.
Gegenbeispiel 1.7.7.
A={(x, y)∈R2|||(x, y)−(0,4)|| ≤4,||(x, y)−(0,2)|| ≥2,0≤y≤2}.
Obwohl ein Weg in A von (−2,2) bis (2,2) existiert, gibt es keinen Polynomzug zwischen den beiden Punkten.
Kapitel 2
Differentialrechnung in R n
2.1 Differenzierbarkeit und Ableitungen
Notation 2.1.1.
• Ω⊂Rn ist ein Gebiet.
• Eine Umgebung eines Punktes a ist eine Gebiet Ω mita ∈Ω.
• |t|<<1 bedeutet ,,f¨ur alle hinreichend kleine t”.
• f : Rn ⊃ Ω → Rm, x = (x1, . . . , xn) ∈ Rn, f(x) = (f1(x), . . . , fm(x)), mit fk : Ω→R Komponentenfunktionen.
• Wir verwenden das Standardskalarprodukt und die euklidische Norm auf auf Rn.
• Das kartesische Produkt zweier Mengen A⊂Rn, B ⊂Rm ist A×B :={(x, y)∈Rn×Rm|x∈A, y ∈B} ⊂Rm+n. Definition 2.1.2.
• Eine Abbildung f : Rn ⊃ Ω → Rm heißt an der Stelle a ∈ Ω differenzierbar, wenn ∃A :Rn →Rm lineare Abbildung, so dass f¨ur jedes xin einer Umgebung U von a gilt
f(x) =f(a) +A(x−a) +R(x−a), und lim
xtoa
R(x−a)
||x−a|| = 0.
Das heißt f kann in einer Umgebung von a durch eine affine Abbildung x7→
f(a) +A(x−a) gut approximiert werden.
• Aquivalent ist:¨ f ist an der Stelle a ∈ Ω differenzierbar, wenn eine lineare Abbildung A existiert, so dass
f(a+h) = f(a) +Ah+R(h) f¨ur ||h||<<1, wobei
h→0lim R(h)
||h|| = 0.
• f heißt im Gebiet Ωdifferenzierbar, wennf an jeder Stellea∈Ωdifferenzier- bar ist.
• Die Abbildung A ist durch diese Bedingung eindeutig definiert und heißt Ab- leitung von f an der Stelle a und wird mitdf(a), f0(a)oderDf(a)bezeichnet.
Beispiele 2.1.3.
1. Eine affine Abbildungf :Rn→Rm, x7→c+Ax ist ¨uberall differenzierbar und es gilt f0(a) =A ∀a∈Ω, weil f(x) = f(a) +A(x−a) mit R= 0.
2. Eine quadratische Form Q(x) =< x, Ax > auf Rn mit At = A ist ¨uberall differnzierbar.
Q:Rn→R ⇒dQ(a)∈M(1, n)∀a∈mathbbRn. Q(a+h) =< a+h, A(a+h)>
=< a, Aa >+< h, Aa >+< a, Ah >+< a, Ah >
| {z }
=<Ata,h>
+< h, Ah >
=Q(a) + 2< Aa, h >+< h, Ah >
| {z }
=R(h)
.
Also gilt f¨ur h ∈ Rn: dQ0(a)· h = 2 < Aa, h > und limh→0R(h)
||h|| = 0, da
|< h, Ah >| ≤ ||h||||Ah|| und R(h)||h|| ≤ ||Ah|| ≤ ||A||||h|| →0 f¨ur h→0.
3. f : R2 →R3,(x1, x2)7→ (x21 +x22, x1, x2) ist differenzierbar auf R2. Die Ablei- tung ist, mit x= (x1, x2)∈R2
df(x) =
2x1 2x2
1 0
0 1
∈M(3,2).
Dies kann man anhand der Definition beweisen. Es gilt zu zeigen
||R(h)||
||h|| =||f(x+h)−f(x)−
2x1 2x2
1 0
0 1
·h→0 mit ||h|| →0.
Es gilt 1
||h||||f(x+h)−f(x)−
2x1 2x2
1 0
0 1
h1
h2
||
= 1
||h||||
(x1+h1)2 (x2+h2)2 x1+h1
x2+h2
−
x21+x22 x1 x2
−
2x1h1 + 2x2h2 h1 h2
||
= 1
||h||||
h21+h22 0 0
||
= 1
(h21+h22)1/2 (h21+h22)2+ 01/2
=(h21+h22)1/2 =||h|| →0
2.2 Partielle Ableitungen und die Jacobi-Matrix
Definition 2.2.1. Sei f :Rn ⊃Ω→R und a= (a1, . . . , an)∈Rn, v = (v1, . . . , vn).
Wir betrachten die Funktion
Φv :R→R. t7→f(a+tv)
Falls Φv an der Stelle t= 0 differenzierbar ist, nennen wir Dvf(a) := d
dtΨv|t=0 = lim
t→0
f(a+tv)−f(a) t
Die Richtungsableitung von f in Richtung v an der Stelle a.
Falls v =ek = (0, . . . ,0, 1
|{z}
k
,0, . . . ,0) der k-te kanonische Basisvektor ist, nen- nen wir
Dekf(a) =: ∂f
∂xk(a) = lim
t→0
f(a+tek)−f(a) t
die partielle Ableitung vonf nach der Variable xk an der Stelle a.
Wir bezeichnen diese mit ∂f∂x(x, y, z)oder∂xf(x, y, z), ∂f∂y(x, y, z)oder∂yf(x, y, z), usw.
Beispiele 2.2.2.
1. f(x, y, z) =x2ey + sin(z),
∂f
x (x, y, z) = 2xey, ,∂f
∂y(x, y, z) = x2ey, ,∂f
∂z(x, y, z) = cosz.
2. f(x, y) = (x2+y2, x, y) = (f1, f2, f3),
∂f1
x 2x, ,∂f1
y = 2y, ,∂f2
x = 1, ,∂f2
y = 0, ,∂f3
x = 0, ,∂f3 y = 1.
Satz 2.2.3. Ist f :Rn ⊃Ω→Rm an der Stelle a∈Ω differenzierbar, so ist f dort stetig.
Beweis. Da limh→0 ||R(h)||
||h|| = 0 gilt, existiert f¨ur = 1 ein δ > 0, sodass Kδ(a) ⊂ Ω und ||R(h)||||h|| ≤= 1, ∀h mit 0<||h||< δ. Es gilt also
||f(a+h)−f(a)||=||f(a)h+R(h)||
c≤ ||df(a)|| · ||h||+||R(h)||
≤ ||df(a)|| · ||h||+||h||
= (||df(a)||+ 1)· ||h|| →0, ||h|| →0.
Satz 2.2.4. Istf :Rn ⊃Ω→Rm in a∈Ωdifferenzierbar so sin die Komponenten- funktionen f1, . . . , fm in a partiell differenzierbar und die Ableitung df(a) hat, bzgl der kanonischen Basen von Rm und Rn die Jacobi-Matrix
df(a) =
∂f1
∂x1a . . . ∂x∂f1
n(a) ... ...
∂fm
∂x1 . . . ∂f∂xm
n
= (∂fi
∂xk(a))
1≤i≤m 1≤k≤n
=
∂kfi(a)) .
Insbesondere ist die Ableitung durch f und a eindeutig bestimmt.
Beispiele 2.2.5. Sei f : R2 → R2, (x, y) 7→ (ex+y +y, y2x), dann ist die Jacobi- Matrix
df(x, y) =
∂f1
∂x
∂f1
∂y
∂f2
∂x
∂f2
∂y
!
=
ex+y ex+y + 1 y2 2xy
Beweis. Seien e1, . . . , en und e01, . . . , e0m die kanonischen Basen von Rn und Rm. Nach der Definition der Matrix einer linearen Abbildung ist zu zeigen:
df(a)ek=
m
X
i=1
∂fi
∂xke0i, k = 1, . . . , n.
Wir haben∀i, k
∂fi
∂xk(a) = d
dtfi(a+tek)
| {z }
Φek(t)
|t=0 = lim
t→0
fi(a+tek)−fi(a)
t .
Dann ist
m
X
i=1
fi(a+tek)−fi(a) t
e0i = f(a+tek t
=df(a)(tek)−R(tek)
t =df(a)(ek)±R(tek)
||tek|| .