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Archiv "Privatschulen: Vertreibung aus dem Paradies" (30.01.1998)

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E

rst 80 Schüler hat die Schweriner Privatschule

„Pädagogium“. Ausge- legt ist sie als „Kooperative Gesamtschule“ mit Haupt- schule, Realschule und Gym- nasium als unter einem Dach zusammengefaßten Institutio- nen. Die Schülerzahl ist noch winzig, weil das Haus erst im August vergangenen Jahres gegründet wurde. Derart große Publizität wie das

„Pädagogium“ hat jedoch noch nie eine Schule in so kur- zer Zeit erfahren. Denn pra- xisnahes Lernen hat in Schwe- rin eine ganz neue Dimension:

Wenn sich, so Geschäftsführer Jörg Krause-Dünow von der Betriebs-GmbH des Instituts,

„interessierte Schüler vor Ort in einem unabhängigen Medi- zinlabor einmal selbst an- schauen, wie Urintests auf Drogen getestet werden“, dürfte es sich vorzugsweise um ihre eigenen Tests handeln – zwangsweise abgeliefert nach einer Zufallsauswahl durch die Schulleitung.

Anstieg des

Drogenmißbrauchs Das Verfahren hat Ähn- lichkeit mit den Doping-Kon- trollen im Leistungssport.

Schulleiterin Regina Frank wählt „auch ohne konkrete Verdachtsmomente“ jeden Monat vier bis sechs Schüler zur Kontrolle aus. Auslöser für die vertragliche Verpflich- tung aller Schüler zur Teilnah- me an den Tests ist der An- stieg des Drogenmißbrauchs im hohen Norden der Repu-

blik. Vom Landeskriminalamt hat sich Krause-Dünow beun- ruhigende Zahlen schicken lassen: Von 1996 auf 1997, so die Statistik, haben sich die re- gistrierten Fälle von Drogen- mißbrauch von 730 auf 1 400 Fälle im Ostsee-Bundesland verdoppelt, davon 30 Prozent Jugendliche zwischen 13 und 20 Jahren. Krause-Dünow:

„Da wollten wir zeigen, daß man etwas dagegen tun kann, und die Initiative ergreifen.“

Positive Tests waren seit Beginn der Kontrollen im De- zember noch nicht zu ver- zeichnen, die Maßnahme ist

„rein präventiv“. Auch habe es noch keine bekanntgewor- denen Fälle von Drogenkon- sum oder gar -handel auf dem Schulgelände gegeben. Sollte jedoch der erste Schüler des Konsums von Amphetami- nen, Opiaten, Kokain oder Cannabis überführt werden, ist zunächst ein klärendes Ge- spräch mit den Eltern geplant.

In diesem Gespräch, so die Theorie, erhellt sich die Ursa- che des Konsums, und geeig- nete psychosoziale Hilfen werden gesucht. Gleichzeitig wird der Delinquent für einen weiteren Test innerhalb von drei Monaten vorgemerkt.

Erst wenn auch dieser positiv ist, muß der Schüler die Schu- le verlassen. Die Boulevard- presse verkürzte dies, ärgert sich der Geschäftsführer, auf die flotte Formel: „Wer posi- tiv ist, fliegt.“

Überhaupt, die Öffentlich- keit: Während nach einer Aufklärungsaktion über die Hintergründe sowohl die

Privatschulen

Vertreibung aus dem Paradies

Privatschulen und Internate sind auf das Image bedacht, problem-

freie Schutzzonen zu sein. Doch die Wirklichkeit holt sie ein: Weil der

Drogenkonsum in Mecklenburg-Vorpommern sprunghaft angestie-

gen ist, will eine Schweriner Privatschule ihre Schüler mit obligatori-

schen Urintests suchtfrei halten. Wer wiederholt positiv ist, muß die

Schule verlassen. Prompt sorgt die Initiative für politische Unruhe.

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Schüler als auch ihre Eltern schriftlich in den Test einwil- ligten – kommende Schülerge- nerationen werden die Klau- sel von Anfang an im Schul- vertrag vorfinden –, be- gannen in Zeitungen und Fernsehbeiträgen zunächst re- gional und bald auch bundes- weit erregte Diskussionen über Sinn und Rechtmäßig- keit des Konzepts. Das wie- derum rief schnell die Politik auf den Plan, die sich über Parteigrenzen hinweg als Ver- fechter von Bürgerrechten zu profilieren suchte. Niemand Geringeres als die Bonner Ju- gendministerin Claudia Nolte (CDU) ließ sich vernehmen:

„Durch die Schule erpreßte Urinproben von Schülern sind ganz bestimmt kein sinnvoller Beitrag zur Drogenpräventi- on.“ Und die Schweriner SPD-Kultusministerin Regine Marquardt assistierte: „Ich halte den Zwang, sich regel- mäßig per Urinprobe untersu- chen zu lassen, nicht für geeig- net, um wirksam dem Drogen- konsum vorzubeugen.“

Anders die Stimme des Volkes. Eine TED-Umfrage der Schweriner Volkszeitung ergab, daß drei Viertel der Anrufer dem Drogentest des

„Pädagogiums“ Vorbildcha- rakter für alle Schulen atte- stierten. Doch das ist nicht so einfach. Denn der Besuch ei- ner Privatschule ist freiwillig;

die Bedingungen sind insofern eine privatrechtliche Ver- tragsangelegenheit zwischen Anbieter und Nachfrager. An

öffentlichen Schulen dagegen sind obligatorische Drogen- tests rechtlich ausgeschlossen, denn, so Kultusministerin Marquardt, „wo sollen positiv getestete Kinder hinverwie- sen werden?“.

Zwei bis drei positive Tests Indes ist der Wirbel der öf- fentlichen Debatte manchem völlig unverständlich. „Wir machen das schon seit Jah- ren“, sagt der Jurist Mario Lehmann, Sohn des Schulträ- gers Helge Lehmann, der das Kurpfalz-Internat Bammertal und das elitäre private Inter- natsgymnasium Schloß Tor- gelow betreibt. Von hier habe das „Pädagogium“ die Anre- gung zum Test, so Lehmann.

In seinen beiden Instituten habe stets einhellige Teilnah- mebereitschaft von Schülern und Lehrern bestanden, die Öffentlichkeit habe nie ir- gendwelche Notiz genom- men. Am Bammertaler Inter- nat gebe es bei 118 Schülern jährlich etwa zwei bis drei po- sitive Tests. „Die Betroffenen fliegen dann ohne Ausnahme.

Sonst könnten sie ja denken, bei Drogen ist einmal kein- mal.“ Meist werde Marihuana oder Ecstacy nachgewiesen.

Ob die Drogen „hart“ oder

„weich“ seien, interessiert Lehmann nicht; schließlich seien sie alle illegal. Das Pro- blem sei indes nicht abhängig von der sozialen Schicht: Fün- dig werden die Tester auch

A-230 (58) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 5, 30. Januar 1998

Steuervorteile durch

anerkannte Privatschulen

In mehreren Urteilen hat der Bundesfinanzhof entschie- den, in welchen Fällen 30 Prozent des Schulgeldes für den Besuch von Privatschulen steuerlich absetzbar sind. Das höchste deutsche Finanzgericht urteilte, daß die Schule dafür nach Landesrecht als Ersatzschule oder allgemeinbil- dende Ergänzungsschule anerkannt sein muß. Wenn das Landesrecht eine Anerkennung als Ergänzungsschule nicht vorsieht, darf das Schulgeld nicht vom zu versteuernden Einkommen abgesetzt werden (Az.: X R 144/95). Dies gilt ebenfalls, wenn die Schule nicht nach Landesrecht als Er- satzschule anerkannt ist (Az.: X R 77/94). Ausländische Schulen sind beim Schulgeld generell nicht steuerabzugs-

fähig (Az.: X R 74/95). PT

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DÄ: Hat politische Bil- dung in der Bundeswehr ei- nen anderen Auftrag als in der Schule?

Reichardt: Der Zweck der Streitkräfte ist nicht in erster Linie, jungen Menschen poli-

tische Bildung zu vermitteln, sondern sie auszubilden zum Soldaten. Aber das Soldaten- gesetz sieht zugleich auch vor, daß alle Soldaten staatsbür- gerlichen Unterricht erhal- ten. Und diese Pflicht nimmt

die Bundeswehr außeror- dentlich ernst.

DÄ: Haben Sie die Hoff- nung, daß sich durch den poli- tischen Unterricht für Solda- ten eine politisch rechtsradi-

Bundeswehr

„Natürlich gibt es Themen, die man scheut“

Die Bundeswehr bildet Soldaten aus – militärisch wie politisch. Doch auch die Vermittlung politi- scher Bildung für Soldaten ist durch das Bekanntwerden rechtsradikaler Vorkommnisse in der Armee im vergangenen Jahr in die Diskussion geraten. Generalmajor Jürgen Reichardt, 59, ist Absolvent der Führungsakademie der Bundeswehr und war in seiner Karriere unter anderem Pres- sesprecher der Hardthöhe. Heute ist er Chef des Heeresamts und damit aller Schulen des Heeres.

auf Schloß Torgelow, bei den Söhnen und Töchtern der Besserverdienenden.

Das Suchtproblem selbst, räumt auch der Jurist Leh- mann ein, könne man mit der Vertreibung aus dem drogen- freien Internats-Paradies nicht lösen, schließlich kämen ja immer wieder neue Schüler nach. „Aber sie machen sich mehr Gedanken über Dro- gen, denn sie wollen ja nicht von der Schule fliegen.“

Außerdem arbeite man das Thema klassenübergreifend im Unterricht und bei Schul- projekten auf. Im vergange- nen Sommer etwa diskutier- ten die Schüler mit ehemali- gen Junkies über Wege in die Sucht – und über die rechtli- chen Folgen. Oliver Driesen

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kale Grundeinstellung än- dern läßt?

Reichardt: Das ist nicht nötig, denn die Soldaten ha- ben durchweg eine Grund- einstellung, die erwünscht ist, mit der wir sehr zufrieden sind. Sie spielen auf die ganz wenigen Ausnahmen an, die es in unserer Gesellschaft gibt, die es in allen Berufs- gruppen gibt, und die zwangs- läufig auch irgendwann als Wehrpflichtige oder Freiwil- lige in die Streitkräfte kom- men. Das ist im politischen Unterricht nicht das zentrale Problem. Ich glaube aller- dings, daß man auch solche Soldaten durch staatsbürger- lichen Unterricht und politi- sche Bildung in ihren Auffas- sungen positiv beeinflussen kann.

DÄ: Aber haben Sie nicht den Eindruck, daß durch die- sen Unterricht eine politische Grundhaltung nicht zu än- dern ist?

Reichardt: Ich muß wie- derholen, daß die politische Grundeinstellung der Wehr- pflichtigen und Soldaten in Ordnung ist und gar nicht verändert zu werden braucht. Das ist auch nicht Zweck der politischen Bil- dung. Es gibt im Gegenteil sogar eine Vorschrift des Sol- datengesetzes, daß der Vor- gesetzte seine Untergebenen nicht zugunsten oder zuun- gunsten einer politischen Richtung beeinflussen darf.

Insofern kann nicht das Ziel sein, politische Ansichten zu ändern. Aber wenn wir es mit Einzelfällen zu tun ha- ben, deren Auffassungen nicht zu billigen sind, wird durchaus versucht, diese po- sitiv zu beeinflussen. Wie- weit das gelingt, ist eine Fra- ge, die in jedem Einzelfall neu beantwortet werden muß.

DÄ: Was bedeutet „posi- tive Beeinflussung“?

Reichardt: Sehr einfach:

Radikale Gesinnungen sind immer unerfreulich und nicht zu dulden. Wenn es gelingt, aus einer radikalen Auffas- sung eine tolerantere und

maßvollere zu machen, ist dies positiv.

DÄ: Was für Unterschie- de werden im politischen Un- terricht gemacht zwischen Wehrpflichtigen und Länger- dienenden?

Reichardt: Der Grund- wehrdienst von zehn Mona- ten entspricht auch dem Dienst, den die längerdienen- den Soldaten als Mann- schaftsdienstgrade in der Truppe zubringen. Im ersten Jahr ist er also gleich. Die Grundwehrdienstleistenden verlassen dann die Armee, die Längerdienenden begin- nen die Ausbildung für Un- teroffiziere oder Offiziere.

Im Rahmen dieser Ausbil- dung erhalten sie auch sehr intensive politische Bildung und staatsbürgerlichen Un- terricht.

DÄ: Gibt es in der politi- schen Bildung für Soldaten

„Tabu-Themen“, die im Un- terricht ungern angesprochen werden? Bestehen zum Bei- spiel in der Auseinanderset- zung mit rechten Thesen De- fizite?

Reichardt: Es gibt natür- lich Themen, über die im po- litischen Unterricht nicht ge- sprochen wird. Vor allem auch, weil die Themenkreise vorgegeben sind. Es wird nicht dem einzelnen Unter- richtenden oder Einheitsfüh- rer überlassen, welche The- men er behandelt. Für be- stimmte, ausgewählte The- A-232 (60) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 5, 30. Januar 1998

Generalmajor Jürgen Reichardt

Foto: Heeresamt

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menkreise werden Unterla- gen und Unterrichtshilfen be- reitgestellt. Diese Themen werden nicht von den vor- gesetzten Kommandobehör- den ausgesucht, sondern vom Verteidigungsministeri- um. Sie werden vom Parla- ment zur Kenntnis genom-

men und beeinflußt durch den Beirat für Innere Führung. Und es werden zahlreiche renommierte In- stitutionen beteiligt bei der Auswahl und Gestaltung die- ser Themenkreise. Das heißt aber nicht, daß der Wortlaut des Unterrichts vorgegeben

wird. Die Durchführung die- ser Ausbildung ist dem Vor- gesetzten überlassen.

DÄ: Besteht generell im politischen Unterricht so viel Offenheit zwischen Unterge- benen und Ausbildern, daß ein wirklich offener politi-

scher Diskurs geführt wird, oder muß an diesem Vertrau- en etwas verbessert werden?

Reichardt: Es wird kein konkurrierender Wettbe- werb der Ideen im politi- schen Unterricht gepflegt.

Es werden auch nicht die Thesen von Parteien oder

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politischen Richtungen dar- gestellt, um dann zur Debat- te gestellt zu werden oder gar, um darüber abzustim- men. Das ist nicht Inhalt der politischen Bildung. Aber natürlich gibt es Themen, die man auch scheut. Das sind alle Themen, die entweder sehr ins Persönliche gehen, oder es sind Themen, die sehr in Bereiche gehen, die sich der politischen Bildung entziehen. Dazu gehören viele Gebiete, etwa Religion.

Und es gibt natürlich auch eine deutliche Scheu, sich mit inhaltlichen Themen des Rechtsradikalismus zu be- fassen.

DÄ: Ist eine solche Scheu beim Rechtsradikalismus gut?

Reichardt: Sie ist ganz zwangsläufig. Weil in unserer gesamten Gesellschaft genü- gend Sicherungen eingezo- gen sind, um nicht zu einer ausführlichen Diskussion mit extremen Positionen anset- zen zu müssen.

DÄ: Man könnte einwen- den, daß es gut wäre, sich of- fensiv mit diesen Thesen auseinanderzusetzen, um sie dann im nachhinein wider- legen zu können – statt eine Subkultur zu schaffen, in der sich diese Thesen erhal- ten.

Reichardt: Das ist richtig.

Aber es handelt sich ja hier

nicht um ein geschlossenes politisches Programm, mit dem man sich auseinander- setzen kann. Sondern es han- delt sich um eine Vielzahl von Ansichten. Die sind emotio- nal, zum geringsten Teil poli- tisch, meistens auch wirr. Es wird wenig nützen, sie zu sammeln, mit eigenen Wor- ten wiederzugeben, um dann darüber zu sprechen. Aber man kann insgesamt eine At- mosphäre schaffen, in der sich die Untergebenen ge- trauen, ihre Ansichten über- haupt einmal vorzubringen.

Das halte ich für notwendig, damit man dann darauf ein- gehen kann und ihnen klar- machen kann, wo vielleicht Denkfehler sind, wo verwerf- liche Auffassungen vermischt werden mit möglicherweise vertretbaren. Und warum be- stimmte Ansichten einfach nicht zu billigen sind.

DÄ: Lassen sich mit Hilfe intensivierter politischer Bil- dung extremistische Vorfälle wie die in jüngerer Zeit bekanntgewordenen absolut ausschließen?

Reichardt: Das kann ich definitiv verneinen. Aber das heißt nicht, daß es nicht lohnt, den Versuch zu ma- chen, mit allen vernünftigen Methoden einzuwirken auf junge Menschen, um solche Vorfälle möglichst zu redu- zieren.

Interview: Oliver Driesen

A-234 (62) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 5, 30. Januar 1998

Zum Medizinstudium nach Italien

Auf die Aufnahmeprüfungen an Tier-, Human- und Zahnmedizinischen Fakultäten italienischer Universitäten können sich interessierte deutsche Studienbewerber mit Hilfe des gemeinnützigen Kultur-Vereins „Italkontakt“

e.V. vorbereiten. Diese Studiengänge sind bei Deutschen eine beliebte Alternative, da in Italien nicht die Abiturno- te über das Medizinstudium entscheidet. Der Göttinger Verein informiert unentgeltlich über die Studienvorausset- zungen, Kosten und Zuschüsse. Außerdem vermittelt er Sprach- und Trainingskurse und organisiert Mitte März an verschiedenen deutschen Universitäten Informationsver- anstaltungen zum Studium in Italien. Nähere Auskunft er- teilt „Italkontakt“ e.V., Am Brachfelde 14, 37077 Göttin- gen, Tel 05 51/2 47 18, Fax 2 52 62. OD

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W

äre der Schuldezer- nent nicht früher selbst auf Kaltblütern geritten, die Realschule des Internats Schloß Wittgen- stein hätte eine bundesweit einzigartige Attraktion weni-

ger. Die persönliche Reiter- fahrung des Dezernenten je- doch gab bei der zuständigen Bezirksregierung am Rande des Rothaargebirges den Ausschlag, die erste Pflicht- Arbeitsgemeinschaft „Rei- ten/Pferdepflege“ an der Re- alschule des Instituts zu ge- nehmigen. „Es war ein harter Kampf, das durchzusetzen – auch beim Direktor“, erin- nert sich Schulträgerin Gud- run Kämmerling. Die verset- zungsrelevante AG besteht nun schon im zweiten Jahr, und die Teilnehmer der Klassen 9 und 10 tun gut dar- an, sich beim Voltigieren (Kunstreiten ohne Sattel) oder Longieren (kreisförmi- ges Führen des Pferdes an ei- ner Leine) keine Fünf zu lei- sten: Wer die nicht ausglei- chen könnte, dem droht Sit- zenbleiben wegen mangel- hafter Pferdeführung.

Der Bezug zu Tieren bil- det laut Selbstdarstellungs-

prospekt auf Schloß Wittgen- stein „einen wichtigen Erfah- rungsschatz für Jugendliche“.

Im „ehrwürdigen Reitstall aus dem 18. Jahrhundert“ ste- hen außer den Privatpferden der Kinder aus reichem Hau- se auch acht Schulpferde. In Kooperation

mit einer Reit- schule lernen die Teilnehme- rinnen – einen Jungen sucht man vergebens in der AG – das ganze Reper- toire des Um- gangs mit Pfer- den, von der Trense über die geeigneten Freßpflanzen bis hin zum offi- ziell anerkannten Reiterpaß.

Schwer zu ergründen, aber unbestritten, ist der Reiz der „Pferde-Pädagogik“, die nach wie vor zu den Privilegi- en von Privatschulen gegen- über öffentlichen Einrichtun- gen gehört. „Wir hatten hier mal einen Jungen, der war im Umgang mit Menschen ge- hemmt, gegenüber den Pfer- den dafür um so aggressiver“, sagt Gudrun Kämmerling.

„Aber das Pferd brachte ihm bei, sich zu ändern. Und die Mädchen klagen den Tieren sogar ihr Leid; die Pferde hören ihnen dabei regelrecht zu.“

Daß die Reit-AG eine Mädchendomäne ist, hat Schloß Wittgenstein mit an- deren Internaten gemeinsam, an denen Reiten und Pferde- haltung zu den beliebtesten Freizeitangeboten vorzugs- weise teurer und namhafter

Internate

Geschichten vom Pferd

Zu den Beschäftigungen, die gehobene Internate ihren Zöglingen ger- ne bieten, gehört neben dem Fechten und Rudern vor allem auch das Reiten. Besser als andere Tätigkeiten gilt der Umgang mit Pferden als geeignet, Schülern Verantwortung beizubringen – Statussymbol ist die Reiterei ohnehin. Was macht den Reiz der „Pferdepädagogik“ aus?

Reiten ist oft eine Mädchendomäne. Fotos (2): Institut Schloß Wittgenstein

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Institute gehört. „Bei uns“, schätzt Josef Drüke vom Pri- vatschulinternat Schloß Va- renholz, „haben am Reiten zwei Drittel Mädchen und ein Drittel Jungen Interesse.“ In einem Fragebogen zu rund 35 Sportarten stand Reiten bei den Mädchen meist an vorde- rer Stelle der Beliebtheit, bei den Jungen waren kampfbe- tonte Sparten wie Fußball oder Fechten vorrangiger.

Gezielt wurde der Pferde- sport ins pädagogische Rah- menprogramm aufgenom- men, um mehr

Mädchen ans Internat zu locken. Drüke vermutet die Faszination des Pferdes für Mädchen darin,

„daß sie gerne jemanden ver- sorgen“. Das können sie in Varenholz zwar noch nicht, aber

wenn nach den Sommerferi- en mit dem benachbarten Reitstall gute Erfahrungen gemacht werden, könnte der schuleigene Stall eine Frage der Zeit sein.

Auch wissenschaftliche Studien belegen laut Edel- traud Buurman vom Land- schulheim Steinmühle, daß Mädchen „in der Pubertät ein geradezu erotisches Verhält- nis zu Pferden“ haben. An dem idyllisch in einer Schleife der Lahn nahe Marburg gele- genen Institut trifft es sich, daß die Gründer-Familie Buurman Reiterei und Pfer- dezucht als Hobby betreibt – mitten auf dem Internats- gelände. Als Anhänger der Reformpädagogik von Her- mann Lietz wollen die Buur- mans ihren Schülern Naturer- fahrung vermitteln. Von den über 30 Pferden auf dem Gelände gehört ein Drittel der Schule. Früher gab es in der Steinmühle sogar die Möglichkeit zum Sportabitur im Reiten, doch der Schulauf- sicht schien diese Prüfung, weil „zu elitär“, eines Tages nicht mehr zeitgemäß.

Der elitäre Touch der Rei- terei ist nicht nur Vorurteil;

bei Anschaffungskosten von 50 000 DM aufwärts für ein gutes Reitpferd speist sich die Klientel hauptsächlich aus wohlhabenden Familien, für die es zu den ersten Fragen bei der Internatsauswahl gehört, ob der Sohn oder die Tochter das Privatpferd denn auch in einer Box auf dem Kampus unterbringen darf.

Der Klassengesellschaft auf dem Pferderücken versuchen viele Internate dadurch ge- genzusteuern, daß sie gegen geringe Gebühren auch weni-

ger gut Betuchten das Reiten auf schuleigenen Pferden er- möglichen – in der Steinmüh- le etwa für 270 DM im Halb- jahr bei täglicher Unterrichts- möglichkeit.

Eine Selbstverständlich- keit ist die „klassenlose Rei- tergesellschaft“ vor allem an der Christophorusschule in Elze bei Hannover. Als ei- nes der Internatsgymnasien des Christlichen Jugenddorf- werks Deutschland beher- bergt die Christophorusschu- le neben Kindern aus gut- betuchten Familien auch vie- le Schüler, bei denen das Jugendamt Kostenträger ist.

Gemeinsam finden sie in der Reit-AG den „Zugang zum Lebewesen Pferd“, wie es der Reitpädagoge und Pächter des kooperierenden Reit- stalls, Alexander Roland, for- muliert: „Das Pferd ist ein Fluchttier, also sensibel.“

Arm und reich lernen dabei, laut Roland, vor allem auch Geduld. Während gerade diese Tugend eher als weib- lich gilt, wartet die Elzer Christophorusschule mit Überraschendem auf: Hier sind die Jungen beim Reiten in der Überzahl. Peter Tuch A-236 (64) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 5, 30. Januar 1998

Beim Reiten lernen die Schüler auch Geduld.

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