Paper-ID: VGI 199310
Eine Methode zur Visualisierung von Formen auf beliebigen Oberfl ¨achen mittels photogrammetrischer B ¨ undel
Klaus Hanke
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Universit ¨at Innsbruck, Institut f ¨ur Geod ¨asie, Technikerstraße 13, A-6020 Innsbruck
Osterreichische Zeitschrift f ¨ur Vermessungswesen und Photogrammetrie ¨ 81 (4), S.
159–164 1993
BibTEX:
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Title = {Eine Methode zur Visualisierung von Formen auf beliebigen Oberfl{\"a}
chen mittels photogrammetrischer B{\"u}ndel}, Author = {Hanke, Klaus},
Journal = {{\"O}sterreichische Zeitschrift f{\"u}r Vermessungswesen und Photogrammetrie},
Pages = {159--164}, Number = {4},
Year = {1993}, Volume = {81}
}
Eine Methode zur Visualisierung von Formen auf beliebigen Oberflächen mittels
photogrammetrischer Bündel
von Klaus Hanke, Innsbruck
Zusammenfassung
Es wird eine allgemeine Lösung des Problems der Bestimmung von Absteckdaten von allgemei
nen Formen auf beliebigen Oberflächen mit vorgegebener Betrachtu ngsrichtung m ittels photogram
m etrischer Bündel gegeben. Anhand des Beispiels einer Visualisierung des Copyrightzeichens auf einem Berghang wird die D u rchführbarkeit des Ansatzes demonstri e rt.
Abstract
A solution of visualizing any sign on a surface using photogrammetric bundles intersecting the terrain is described . As an example the setting out of a copyright-sign on a steep slope in the moun
tains near I n nsbruck is shown.
1. Problemstellung
Die Visualisierung von Symbolen und Formen auf Oberflächen, i nsbesondere auch auf Geländeteilen für Zwecke der Werbung bis zum "Setzen von Zeichen" von pol itischen und religiösen G ruppen hat eine lange Tradition bei allen Ku ltu rvölkern. U m ein sicheres E rkennen zu gewäh rleisten, ist es notwendig, das Symbol aus einer bestimmten räu mli
chen Richtung oder von einem P u n kt aus i n u nverzerrter Weise sichtbar zu machen . Die Berechnung der räuml ichen Koordinaten sowie die Absteckung einer solchen Form auf einer Oberfläche ist als Vermessungsaufgabe anzuspreche n . Bei ei nfach besch reibbaren Flächen wie Ebenen, Zyl i nder- und Kugelkalotten etc. sowie f ü r einfache geometrische Formen von Symbolen kan n i n vielen Fällen mit den M itteln der darstel len
den Geometrie das Auslangen gefunden werden. Im G rund-, Auf- und Seitenriß werden entsp rechende P u n kte konstruiert und damit deren räum liche Lage ermittelt. Bei beliebig geformten Flächen und unbesch rän kter Form des Symbols wird damit i m allgemeinen kei n e befriedigende Lösung zu finden sei n .
2. Lösungsstrategie
Der Vorgang bei einer photog rammetrischen Ei nzelbildaufnahme läßt sich bekan nt
lich beschreiben als
reales Objekt (eventuell:+ reales Gelände)� reales Photo�
Schnittberechnu ngen � Rekonstruktion des Objektes Die i nverse Photog rammetrie wiederum geht von einem fiktiven Objekt aus:
fiktives Objekt (eventuell: + reales Photo)� Umbildung des Objektes�
fiktives Photo eines Objektes
Die Lösung der oben angefüh rten Problemstellung wird d u rch eine weitere Variation d ieser Abläufe möglich. Der künftige Betrachter erwartet ein Bild des Symbols zu sehen,
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das unverzerrt die Sollform wiederg i bt. Die i n der Fläche abzusteckende Figur definiert also m it dem vorgegebenen Betrachtu ngspunkt e i n Strah lenbündel, das - auf eine zur Blickrichtung senkrechte Ebene p rojiziert - die Sol lform erzeugt.
Den Ansatz für die Lösung bietet die gedan kliche U m kehrung dieser Betrachtungs
situatio n . Der künftige Betrachter defi niert in seinem Standp u n kt X0 d u rch ein fi ktives Meß
bild i n Positivstellung und den Betrachtungsabstand c ein Strahlenbündel, das m it dem Gelände zum Schn itt gebracht wird. Die D u rchstoßpunkte d ieser Strahlen d u rch die Gelän
defläche l i efern dann die räu m l ichen Koordinaten X der abzusteckenden P u n kte.
Dieser Ablauf wird besch rieben d u rch
fiktives Photo (+ reales Gelände)� Sch n ittberech n u ngen�
fiktives Objekt � Absteckung � reales Objekt
Einerseits ist dieser Vorgang ebenfalls eine U m kehrung der photog rammetrischen Aufnahmesituation, andererseits u nterscheidet er sich aber von der i nversen Photogram
metrie dad u rch, daß dort gerade die Ansicht des Objektes als E rgebnis gesucht ist, wäh rend hier die Ansicht vorgegeben und die geometrische Form des Objektes gesucht ist.
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Abb. 1: Das photogrammetrische Bündel projiziert eine Form auf eine Fläche
Die Beschreibung der P rojektionsfläche kan n als digitales Flächenmodell entweder d u rch Vermasch ung diskreter P u n kte, ein Raster m it einer adäquaten l nterpolationsvor
sch rift oder d u rch eine gesch l ossene mathematische Darstellung vorliegen. Die Wah l wi rd in erster Linie d u rch den Charakter der Fläche, i h re Regularität und natürlich d u rch das vor
l iegende Datenmaterial bestim mt sein .
D i e Änderung d e r G röße d e r P rojektion ist d u rch Veränderung des Betrachtungsab
standes (de r "Bildweite") möglich. Die Lage des Abbildes auf der Fläche kan n d u rch geeig
nete Wah l der räu m l ichen P rojektionsrichtun g , also der Variation der Rotationsmatrix R in der photog ram m etrischen G rundgleichung (1 ), verändert werden.
( 1 ) Bri ngt man n u n die abbildenden Strahlen d u rch die diskreten P u n kte des fiktiven Photos m it der i nterpolierten oder approximierten Geländefläche zum Schnitt, erhält man die Lage der gesuchten Punkte auf dieser Oberfläche. Je nach Aufgabenstellung können aus den so gewonnenen Koordinaten der Durchstoßpunkte i n einem beliebigen Objekt
koordinatensystem räu m l iche Absteckelemente abgeleitet werden.
3. Beispiel
I m Zuge des "l nnsbrucker Kultursommers 1 992" sollte an der Nordkette, einem Gebirgszug nörd l ich von I n nsbruck, ein "Copyright-Zeichen" instal liert werden, das die Schützenswertigkeit und E i n maligkeit der Gebirgslandschaft besonders hervorheben sol lte.
D ieses Zeichen, bestehend aus einem C mit umschließendem Kreis, m u ßte in einem vorbezeichneten Gebiet derart abgesteckt werden, daß es vom Stadtzentru m aus "mög
l ichst g roß" und unverzerrt, also kreisförm ig , gesehen werden kon nte. Die Form sol lte anschl ießend d u rch Auslegen von weißen Platten und d u rch Anbringen von Leuchten bei Tag und Nacht den Som mer über sichtbar sein und so ein temporäres Wah rzeichen der Stadt I nnsbruck darstellen.
Die vorgesehene Geländefläche umfaßte ein Gebiet von ca. 40 m x 1 00 m u n d lag auf einer Höhe zwischen 1 830 m und 1 900 m in der Nähe der Seilbahntrasse u nterhalb der sogenannten "Seegrube". Die d u rchschnittliche Geländeneigung des Hanges betrug ca.
70 P rozent.
3. 1 Vorbereitungen
Als erster Sch ritt wurden die Geländeoberfläche und alle für die Sichtbarkeit sowie die fü r eine I nstal lation des Symbols relevanten Details erfaßt. Das bein haltete also auch den oberhalb der Baumgrenze teilweise vorhandenen Bewuchs d u rch Legföh ren sowie g rößere Steinblöcke. Trotz der Steilheit und U nwegsamkeit des Geländes erfolgte die E rfassung d u rch tachymetrische Vermessung vor Ort, da diese Methode die erforderliche Vollständigkeit und Genauigkeit garantieren kon nte. Die Verwendung des Digitalen Höhen
modells von Österreich m it seiner Rasterweite von 30 m war aus den angefüh rten G ründen n icht möglich.
Abb. 2:
Das fiktive "Meßbild"
des Copyright-Zeichens
3.2 Fiktives Meßbild
Die Gesamtfig u r sollte von der Stadt aus zwar als d u rchgehende Linie sichtbar sei n , m u ßte aber sowohl für die Berechn ungen als auch für die beleuchtungstechn ische Realisierung i n diskrete P u n kte aufgelöst werden. Der Abstand der P u n kte wurde von den Beleuchtungstechnikern empirisch an einer Versuchsanordnung mit ca. 0,5 m ermit
telt. Als "Meßbild" wurde eine fiktive Aufnahme im Format 6 cm x 6 cm m it einer Bildweite von 400 mm gewählt. Bei einer E ntfernung des Betrachtungsp u n ktes von der abzustecken
den Figur von ca. 4 km und einem D u rchmesser der Projekti
onsfläche in der Natur von etwa 40 m ergab sich somit e i n Bildmaßstab v o n c a . 1 : 1 0 0 0 0 sowie ein P u n ktabstand i m
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Bild von 0,05 m m . Da n u r die räu m liche Lage jedes vierten Punktes benötigt wurde, konnte die Anzahl der abzusteckenden Punkte m it ca. 65 für den U m kreis und ca. 30 P u n kten fü r das mit etwa halbem Radius und einem Öffnungswi n kel von 300 gon ei ngeschriebene C festgesetzt werden. Da die Festlegung der P u n kte in der Betrachtungsebene (und n icht i m Gelände) als gleichabständig erfolgte, kon nte e i n e quasi u n unterbrochen sichtbare Linie für den Betrachter erreicht werden.
3. 3 Geländemodellierung
Da das Gelände einen gleichförmigen Verlauf hat, der d u rch kei n e B ruch kanten gestört wird, wurde zur Approximation ein Flächenpolynom z=f(x,y) verwendet. Der erste Versuch einer Modellierung der Geländeoberfläche wurde aufg rund der Sch ichtenplandar
stellung des projektierten Geländes mit einer allgemeinen Ebene i m Raum (2) d u rchge
füh rt.
1 1 1 1 - r -
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Abb. 3: Die Durchstoßpunkte des Strahlenbündels mit dem Gelände
(2) Die m ittlere Abweichung der Geländep unkte von dieser Ebene betrug etwa 0,6 m m it einem Maxi malbetrag von über einem Meter. Diese Abweichungen aber hätten vor allem zu einer systematischen Deformation des Symbols gefü h rt, die von i h rer G rößenordnung her für den Betrachter störend gewesen wäre n . Daher wurde i n einem zweiten Ansatz ein Flächenpolynom 2 . Ordnung (3) verwendet und damit die Geländeoberfläche i m Zielgebiet approximiert.
z = Ca + C10 . X + Co1 . y + C20 . x2 . + C11 . xy + Co2 . y2 (3) Die m ittlere Abweichung der Geländepunkte von dieser Fläche verringerte sich dadu rch auf 0,25 m , die maxi male Abweichung von diesem Model l betrug nur mehr 0,37 m . D a d ieser Wert einer Ablage d e r Punkte i m Meßbild von unter 0,03 m m entspricht, war die verwendete Approximation für diesen Zweck als ausreichend anzusehen und es bestand kei n e Notwendigkeit auf eine andere Flächenbesch reibung überzugehe n . Die Gelände
fläche kon nte somit als geschlossene Funktion nach (3) dargestel lt werden, was die nach
folgende analytische Berech nung der Durchstoßpunkte ohne weitere I nterpolation ermög
l ichte.
3.4 Einpassen der Projektion und Berechnung der Durchstoßpunkte
N u n wurde m ittels der aus der Österreichischen Karte 1 :50 000 (ÖK 50) entnomme
nen Näherungswerte für den Betrachtu ngsstandpunkt i m Stadtgebiet sowie für die räumli
che P rojektionsrichtu ng ("die äußere Orientierung") eine erste Lösung für die gesuchten P u n kte gerechnet. Die Schnittberechnungen erfolgten , wie auch die Geländeflächenmo
dellierung, mit dem, für diese Aufgabenstellung aufg rund seiner Flexibil ität und Mächtigkeit hervorragend geeigneten, photog rammetrischen Bündelausgleich ungsprogram m ORI ENT
Abb. 4: Das Ergebnis aus der Sicht des Betrachters
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[1 ]. Nach einer graphischen Kontrolle der Lage der Schnittp u n kte i m Detai lplan des Gelän
des kon nte m it der Feinj ustierung der Orientierung begonnen werden. Dabei wurde d u rch Veränderung der "Bildweite" die G röße der P rojektion vari iert und d u rch differenzielle Kor
rektu ren der P rojektionsrichtung der z u r Verfügung stehende Bereich im Absteckungsge
biet opti mal genützt (siehe Abbildung 3) . Hier zeigte sich auch der Vortei l der detail reichen Geländeaufnahme, da es so möglich war, Felsblöcke und einzelne Legföhre n , welche das Anbringen der Platten und Beleuchtungse i n richtungen u nmöglich gemacht oder zumi ndest wesentlich erschwert hätten , bei der Schn ittberechnung zu berücksichtigen und vom P ro
jektionsbereich auszuklammern.
3.5 Ergebnis
Das Symbol wurde i n der Folge polar abgesteckt, was i n d iesem extremen Gelände sehr zeit- und personali ntensiv war. Z u r Kontrolle wurde das E rgebnis vom vorgegebenen Betrachtungspunkt i n der Dämmerung bei sehr schwierigen Lichtverhältn issen m ittels Tele
objektivs photog raphiert. Ein "Meßbi ld" - ausnah msweise nach der Berechnung (Abbildung 4) .
Literatur
[1 ] Kager H., Waldhäusl P.: Das interaktive P rogrammsystem O R I ENT im Einsatz. Presented Paper, 1 4. I S P-Kongreß, Hamburg 1 980.
[2] Kraus K.: Photog rammetrie. Band 1 und 2 , Dümmler-Verlag.
[3] Waldhäusl P., Hochstöger F: Monoplotti ng. Mitteilungen des I nstituts für Geodäsie der U n iversität 1 n nsbruck, H eft 1 4, 1 993.
Anschrift des Autors:
Hanke Klaus, Dipl . - I n g . , D r. , Ass. P rof. , U n iversität I n nsbruck, I nstitut für Geodäsie, Technikerstraße 1 3, A-6020 I nnsbruck.