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Die Rolle als Mutter

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Academic year: 2022

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Rollenbilder Vor 60 Jahren wurde der Be-

rufswahl nicht so viel Beach- tung geschenkt wie heute. Die meisten der Schule entlassenen Bauerntöchter blieben vorerst zu Hause und stellten «ihren Mann» auf dem elterlichen Hof.

So war es auch bei Rosemarie Balimann-Jordi.

Sie wuchs als ältestes von fünf Kindern in Treytorrens VD auf.

Zu Hause wurde berndeutsch gesprochen und in der Schule französisch. Nach dem Schul- austritt 1952 ging sie in das Lehrjahr, und anschliessend durfte sie zu Hause anpacken.

Im Jahr 1960 heiratete Rose- marie Jordi in das benachbarte Freiburgerland. Der Hof lag ab- seits, aber hat eine wunderschö- ne Aussicht auf den Neuenbur- gersee und die Jurakette

Mann plus Frau

Sie durfte in ein neues Wohn- haus einziehen. Für die damali- ge Zeit war es sehr fortschritt- lich, dass die Schwiegereltern nicht unter dem gleichen Dach wohnten. Gern erinnert sich Rosemarie Balimann, wie sie voller Tatendrang selbstständig

Das Bauernleben vor 50 Jahren war von harter Ar- beit geprägt. Bäuerin Ro- semarie Balimann-Jordi erinnert sich.

ELSBETH SCHÄR

schalten und walten konnte, «in dieser Zeit konnte ich dann all das praktizieren was ich im Winterkurs in der Bäuerinnen- schule Uttewil gelernt hatte!»

Der Ehemann Heinz Bali- mann war voller Pläne. Ge- meinsam haben sie den Hof nach und nach zusammen mo- dernisiert. Alles mit Eigenleis- tung: Mann plus Frau.

Die Rolle als Mutter

Nach und nach wurde die Fa- milie grösser. Es kamen die Kin- der Michel, 1961, Erwin 1962, Bernard 1964 und Catherine 1967 auf die Welt. Jedoch viel Zeit für die Kinder blieb der jun- gen Mutter nicht. Aber sie konnten immer in ihrer Nähe sein. Spielerisch wurden die Kinder von klein an in die Ar- beiten integriert. Sie hatten Spass, wenn sie Kartoffeln und Rübli rüsten konnten, sie lern- ten Brote formen, Zwiebeln set- zen und waren auch bei den Feldarbeiten immer vor Ort.

«Unsere Kinder konnten sich von ganz klein an selber be- schäftigen, und es klappte, den keines möchte anders aufge- wachsen sein», erklärt Rosema- rie Balimann. Damit die Jungs auch jedem Wetter trotzen konnten, nähte sie ihnen aus ausgedienten Regenmänteln wetterfeste Overalls. «So waren sie eingepackt, und weder Re- gen noch Wind konnten sie da-

von abhalten, draussen etwas zu unternehmen.» Obwohl die Kinder schon früh mithelfen mussten, blieb ihnen genug Zeit zum Spielen, und der Hof und die Umgebung waren ja ideal.

Die jetzt mehrfache Gross- mama stösst sich ein wenig dar- an, dass die Kinder von heute sich nicht mehr selber beschäf- tigen können.

Die Getreideernte wie das Kartoffelgraben waren mit viel Hand- und Knochenarbeit ver-

bunden, die an der jungen Bäue- rin nicht vorbeigingen. Das Ge- treide wurde mit dem Bindemä- her gemäht, und mit den Gar- ben wurden «Puppen» gestellt.

Wenn diese abgetrocknet wa- ren wurden sie auf die «Reiti»

geführt, wo dann Rosemaries Geschick gefragt war, einen exakten Garbenstock zu ti- schen. Anfang Winter stand dann der «Dreschtag» an.

«Beim Dreschen halfen sich die Nachbarn gegenseitig aus», er-

zählt die heute pensionierte Bäuerin. Und weiter: «Da muss- te ich jeweils ein reichhaltiges Mittagessen auftischen, und das Zvieri durfte ja nicht knauserig sein!»

Der erste Samro

Auch die Kartoffeln erforder- ten damals viel Handarbeit. Es sei eine enorme Erleichterung gewesen, als der erste Samro in die Furche fuhr! «Diese Kartof- felerntemaschine kam mir da- mals fast wie ein Wunder vor», gibt Rosemarie Balimann zu be- denken, «sitzend Kartoffeln graben, das kam ja fast einer Er- holung gleich.» Was Rosemarie Balimann auch in Erinnerung blieb, ist aber der Stress neben dem Kartoffelgraben: Um 9 Uhr startklar auf dem Samro, um et- wa 11.15 Uhr durften die Frau- en ab in die Küche, damit das Mittagessen pünktlich auf dem Tisch stand, dann das Zvieri richten zum Mitnehmen und die Kinder «einpacken» und um 13.15 Uhr wieder auf dem Sam- ro.

Neue Einnahmenquelle

Als die Kinder heranwuch- sen, musste die tüchtige und in- novative Bäuerin immer mehr feststellen, dass die Familie in einen finanziellen Engpass schlitterte. Als neuen Betriebs- zweig pflanzten Balimanns eine Himbeer-Plantage an. Diese

brachte wohl viel Arbeit, aber auch einen willkommenen Zu- stupf in die Kasse. Eine neue Einnahmequelle waren im Jahr 1975 die 1200 Legehennen, oder «Batterie-Hühner» wie es damals genannt wurde. Mit den Ausschuss-Eiern entdeckte Ma- dame Balimann eine Marktlü- cke. Sie baute mit diesen einen Hauslieferdienst bei Bäckern und Privatkunden auf. Wö- chentlich war die aktive Bäue- rin in Cheyres und Umgebung mit Eiern unterwegs. Im Som- mer lud sie auch Himbeeren in das Auto und bot diese nebst ih- ren Eierkunden auch den Feri- engästen am Ufer des Neuen- burgersees an.

Obwohl Rosemarie Balimann auf eine strenge Zeit zurück- schaut, möchte sie diese nicht missen und ist überzeugt, dass es wertvolle Jahre waren.

Immer wieder nahm sie Zeit, sich weiterzubilden. Sie enga- gierte sich sehr für die Rechte der Bäuerinnen und der Frauen.

Die weite Welt holten sich Bali- manns nach Hause, indem sie ausländische Studentinnen bei sich aufnahmen, die einen Sprachaufenthalt absolvierten.

Sie gönnte sich als pensionierte Bäuerin nun auch Reisen und Ferien in Afrika, in Fernost oder Amerika. Trotz all der harten Arbeit ist sie jung geblieben und steht mit 78 Jahren voller Taten-

drang im Leben! ●

Die Ansprüche und Erwartun- gen der Gesellschaft an die Landwirtschaft sind in den letz- ten zwanzig Jahren stark gestie- gen und haben den Leistungs- druck auf die bäuerlichen Fami- lienbetriebe erhöht. Die gesell- schaftlichen und wirtschaftli- chen Rahmenbedingungen ha- ben sich verändert und verlangen vermehrt Flexibilität und Innovationsgeist, welche den bisherigen Rahmen der bäuerlichen Lebens- und Pro- duktionsgemeinschaft spren- gen: Dienstleistungen und öko- logische Leistungen für die Ge- sellschaft anstelle von aus- schliesslich landwirtschaftli- cher Produktion von Nahrungs- mitteln werden verlangt. Im Kontext der Entwicklung von bäuerlichen Familienbetrieben muss deshalb auch die bisherige Rollenverteilung zwischen Mann und Frau hinterfragt und allenfalls durch eine flexible, der Situation angepasste Vertei- lung der Rollen abgelöst wer- den.

Motivation ist wichtig

In einer früheren For- schungsarbeit untersuchte Ag- roscope (Rossier 2004) die so- zialen Beziehungen innerhalb von sieben Bauernfamilien. Im Zentrum der sich an der Famili- enforschung orientierenden Untersuchung stand ein famili- engeschichtliches Interview mit möglichst vielen Familienange-

Ein Verharren in starren Rollenbildern kann zu Überlastung, Ineffizienz und Unzufriedenheit füh- ren. Eine flexible Rollen- teilung hingegen, welche die Ressourcen der Fami- lienmitglieder nutzt, kann Chancen eröffnen.

RUTH ROSSIER

hörigen. So zeigten die Ergeb- nisse, dass eine gute Bildung und eine hohe Motivation der Bauernfamilie sehr förderlich für das Fortkommen eines Be- triebs sind. Der Zuzug eines Ehepartners aus nichtbäuerli- chen Kreisen kann zum Beispiel neue Perspektiven für Familie und Betrieb eröffnen. Insgesamt ist das Entwicklungspotenzial eines bäuerlichen Familienbe- triebes in hohem Masse abhän- gig von der gelebten Rollenver- teilung. Eine flexible Rollenver- teilung, in denen die Rollen im Betrieb nach Interessen und Fä- higkeiten der Partner verteilt und die Frauen voll integriert

und entsprechend honoriert werden, sind einer zukunfts- trächtigen Betriebsentwicklung förderlich. Bauernfamilien mit einer starren Rollenverteilung, bei welchem Frauen- und Män- nerrollen unveränderlich fest- gelegt sind, verfügen über wenig Entwicklungspotenzial.

Prinzip Aufgabenteilung

In der Schweiz findet die Rol- lenverteilung auf den bäuerli- chen Familienbetrieben mehr- heitlich nach dem Prinzip der Aufgabenteilung von Landwirt (Betrieb, Nebenerwerb) und Bäuerin (Haushalt, Familie, Be- trieb) statt. Die Rolle der Bäue-

rin wird erst in der jüngsten Ge- neration durch die Berufsfrau ausserhalb der Landwirtschaft teilweise abgelöst, aber nicht selten nimmt die Bäuerin alle Rollen gleichzeitig wahr, als Hausfrau, Mutter, Mitarbeiterin im Betrieb und auch noch als Berufsfrau. Die Arbeitsbelas- tung erhöht sich entsprechend, wenn sie keine ihrer zahlrei- chen Rollen abgeben kann. Die Arbeitsbelastung der Frauen dürfte in diesem Falle weiter zu- nehmen. Eine flexible Rollen- teilung heisst deshalb nicht ein- fach noch mehr, sondern die Rollen müssen zwischen den Partnern auf dem bäuerlichen

Familienbetrieb neu verteilt werden.

«Nicht-Erwerbstätige»

Obwohl Männer allgemein die eingetragenen Betriebsleiter sind, sehen sich Frauen heute nicht mehr einfach als Hilfs- kräfte, sondern sind der An- sicht, dass sie den Betrieb zu- sammen mit ihrem Partner ge- meinsam leiten (Agrarbericht 2012). Trotzdem ist die Stellung der Frauen in der Landwirt- schaft nicht unproblematisch, da Bäuerinnen als mitarbeiten- des Familienmitglied keine ei- genständige finanzielle und so- ziale Absicherung geniessen, sondern als Nicht-Erwerbstäti- ge gelten. So hat – laut der Um- frage von BLW und Agroscope (2012) – nur jede zehnte Mitar- beiterin auf dem Betrieb einen Angestelltenstatus mit eigener AHV-Abrechnung, was ein- schneidende Folgen im Hin- blick auf schwierige Situationen wie beispielsweise Ausfall des Bewirtschafters, Krankheit oder Trennung haben kann.

Anerkennung auswärts

Eine ausserbetriebliche Er- werbstätigkeit ist, im Gegensatz zur oft wenig honorierten Leis- tung als Bäuerin, eher mit Aner- kennung verbunden. Sie leistet einen Beitrag zur Existenzsi- cherung des bäuerlichen Fami- lienbetriebs. Zudem macht eine bezahlte Arbeit im Vergleich fi- nanziell und sozial unabhängi- ger, was auch die Position in- nerhalb des Familienbetriebs festigen kann. Deshalb steht die Rolle der Frau als landwirt- schaftliche Mitarbeiterin auf dem Betrieb vermehrt auch in Konkurrenz zu einer ausserbe- trieblichen Erwerbstätigkeit.

Nebenerwerb

Studien aus dem Ausland zei- gen, dass die Rollen sich auch

mit dem Anstieg und der Ver- breitung der Mechanisierung, dem technischen Fortschritt und der Spezialisierung der landwirtschaftlichen Produkti- on verändern. Frauen von hoch spezialisierten und technisier- ten Betrieben sind oft ausserbe- trieblich erwerbstätig. Familie und Betrieb werden dort eher als getrennte Arbeitsorte auf dem Betrieb wahrgenommen.

Männer verstärken damit ihre Position als alleinig verantwort- liche Betriebsleiter, Frauen können immer weniger mitre- den und mitentscheiden. Da wir es in der Schweiz jedoch mit ei- ner nachhaltigen und multi- funktionalen Landwirtschaft zu tun haben, sind Frauen präsent, und zwar nicht nur als mitarbei- tende Familienarbeitskraft im Betrieb, sondern auch in neuen Arbeitsgebieten auf dem Hof.

Frauen punkten

Ein Vergleich von bäuerli- chen Familienbetrieben mit und ohne Frauen (Rossier 2011) zeigt, dass Frauen insbesondere bei den Dienstleistungen für die Gesellschaft punkten. Frauen haben einen Einfluss auf die landwirtschaftsnahe Produkti- on wie den Direktverkauf von landwirtschaftlichen Produk- ten, Agrotourismus, Gästebe- wirtung oder soziale Betreuung auf dem Bauernhof. Oft kom- men diese Angebote erst mit den Frauen auf den Betrieb.

Es bleibt die Frage, ob sich Frauen zukünftig weiterhin so stark in der Landwirtschaft en- gagieren und mit dem bäuerli- chen Familienbetrieb identifi- zieren. Dies hat sicher auch da- mit zu tun, ob sich das Rollen- verständnis in der Landwirt- schaft verändert und den Frau- en einen Platz auf den Familienbetrieben zugesteht, indem ihre Leistungen hono- riert und anerkannt werden. ● Samstag, 25. Mai 2013

D O S S I E R • 15

«Trotz harter Arbeit war es eine wertvolle Zeit»

Flexible Rollenverteilung bringt Erfolg

Rosemarie Balimann-Jordi ist immer noch aktiv.(Bild: es) Wer was macht, sollte eher vom individuellen Können abhängen als von althergebrachten Rollenbildern.(Bild: Fotolia)

Referenzen

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