Veranstaltungsort:
RONCALLI-HAUS
Friedrichstraße 26-28 65185 Wiesbaden Telefon 0611 1740
Bitte wenden Sie sich an uns, wenn Sie Fragen zur barrierefreien Durchführung der Veranstaltung haben.
Verantwortlich:
Nicole Nestler
Leiterin Landesbüro Hessen, Friedrich-Ebert-Stiftung
Dr. Rabea Krätschmer-HahnLandeshauptstadt Wiesbaden, Amt für Soziale Arbeit
Organisation:Gunnhild Meier
Friedrich-Ebert-Stiftung Landesbüro Hessen Tel. 0611 341415 - 0 Fax 0611 341415 - 29 landesbuero.Hessen@fes.de
Anmeldung:
Wir bitten bis zum 4.5.2015 um Ihre verbindliche Anmeldung über das Anmeldeformular.
Anmeldebestätigungen werden nicht versandt. © dpa Picture Alliance
Von der Aktivierung zur 13. Mai 2015, Wiesbaden Befähigung und sozialen T eilhabe
Die Fachtagung zum 10-jährigen Bestehen des SGB II setzt sich mit den Herausforderungen und den zukünftigen Risiken und Chancen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auseinander.
Eine der größten Herausforderungen ist die verfestigte Armut, die im Jobcenter als Langzeitleistungsbezug auftritt: Fast zwei Drittel aller Leistungsberechtigten im SGB II beziehen länger als 2 Jahre Grundsicherungsleistungen – und sogar knapp die Hälfte aller Leistungsberechtigten ist schon länger als 4 Jahre abhängig von diesen Transferleistungen.
Die Tagung widmet sich deshalb der Frage, wie verfestigt Armut ist und ob die bisherigen Handlungsansätze und Instru- mente taugen, mit diesem strukturellen Problem im Kontext des SGB II umzugehen.
Ziel der Veranstaltung ist es, einen Austausch zwischen Wissenschaft, Politik und den Expert_innen aus den Jobcentern zu ermöglichen, um gemeinsam zu erörtern, wie mit dem Phänomen des Langzeitbezugs umgegangen werden kann: Bedarf es einem Perspektivenwechsel von einer Aktivierungspolitik hin zu einer Befähigungspolitik?
Und wie kann die soziale Teilhabe der Menschen im Arbeitsmarkt und darüber hinaus gestaltet werden?
Im Blickpunkt stehen dabei sowohl gesamtdeutsche Entwicklungen als auch die Zuspitzung auf die spezifische Lage des
kommunalen Jobcenters in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden.
PROGRAMM
9.30 Uhr Begrüßung
Nicole Nestler
Leiterin Landesbüro Hessen, Friedrich-Ebert-Stiftung
Arno GoßmannBürgermeister Wiesbaden
9.45 Uhr Die Verfestigung der Armut in Deutschland Prof. Dr. Olaf Groh-Samberg
Bremen Intern. Graduate School of Social Sciences, University of Bremen
KommentierungDr. Rabea Krätschmer-Hahn
Amt für Soziale Arbeit, Sozialplanung: SGB II-Langzeitbezug in Wiesbaden
11.00 Uhr Kaffeepause11.15 Uhr Von der Aktivierung zur Befähigung in der Arbeitsmarktpolitik Prof. Dr. Matthias Knuth
Universität Duisburg-Essen
KommentierungAchim Gleissner
Kommunales Jobcenter: Strategien und Wirkungen des Fallmanagements und der Fördermaßnahmen des Kommunalen Jobcenters Wiesbaden
12.30 UhrMittagessen im Haus
13.15 Uhr Notwendigkeiten und Möglichkeiten einer breiten Teilhabepolitik durch lokale Netzwerke Prof. Dr. Claus Reis
Frankfurt University of Applied Sciences, Frankfurt am Main
KommentierungBeate Lunk, Wolfgang Werner
Kommunales Jobcenter: Teilhabepolitik im lokalen Netzwerk am Beispiel der Mütter im SGB II
14.30 Uhr Kaffeepause14.45 Uhr Abschließende Diskussionsrunde mit den Referentinnen und Referenten
Moderation:
Heiner Brülle
Landeshauptstadt Wiesbaden, Amt für Soziale Arbeit
15.30 Uhr Ende der VeranstaltungDie Verfestigung der Armut in Deutschland
Olaf Groh-Samberg, Universität Bremen
Fachtagung zum 10-jährigen Bestehen des SGB II
„Von der Aktivierung zur Befähigung und sozialen Teilhabe“
13. Mai 2015, Wiesbaden
Thesen
• Der Anstieg der Armut in Deutschland ist das Ergebnis ihrer Verfestigung
– keine „Verzeitlichung“ und „Individualisierung“ der Armut, sondern strukturelle Verfestigung
– weniger Zunahme von Abstiegen in Armut als Abnahme von Aufstiegen aus Armut
• Die Verfestigung der Armut ist ein sich selbst verstärkender, dynamischer Prozess
– Kumulationen und Verstetigung von materiellen
Problemlagen: Armut ist „mehr als die Summe ihrer Teile“
– Wechselwirkungen individueller und kontextueller
Verfestigungen: Festsetzen von Armut in Biographien,
Familien, Stadtteilen und Milieus
Dimensionen der Verfestigung
Verfestigung von Armut
Sozial-
räumliche
Segregation
Dimensionen der Verfestigung
Verfestigung von Armut
Kumulation von Problem-
lagen
Dimensionen der Verfestigung
Verfestigung von Armut
Dauer- haftigkeit Kumulation
von Problem-
lagen
Dimensionen der Verfestigung
Verfestigung von Armut
Dauer- haftigkeit
Sozial- strukturelle
Konzentra- tion Kumulation
von Problem-
lagen
Dimensionen der Verfestigung
Verfestigung von Armut
Dauer- haftigkeit
Sozial- strukturelle
Konzentra- tion Sozial-
räumliche Segregation
Kumulation von Problem-
lagen
Dimensionen der Verfestigung
Verfestigung von Armut
Dauer- haftigkeit
Sozial- strukturelle
Konzentra- tion Sozial-
räumliche Segregation Intergene-
rationale Transmission
Kumulation von Problem-
lagen
Gliederung
• „Kombinierter“ Armutsindikator:
Multidimensionalität und Zeitlichkeit
– Armutsdefinition und –messung – Trendanalysen
• Aspekte von Verfestigung
– Dauerhaftigkeit – Kumulation
– Sozialstruktur
– Intergenerationale Transmission
Ein multidimensionaler &
längsschnittlicher Armutsindikator
Definition von Armut
Armutsdefinition des EU-Ministerrates von 1984:
„Als verarmt sind jene Einzelpersonen, Familien und Personen-
gruppen anzusehen, die über so geringe (materielle, kulturelle und soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausge-
schlossen sind, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist.“ (zit. nach BMAS 2001: XIV)
Implikationen:
• Kausaler Effekt: Ausschluss aufgrund von Ressourcenmangel
• indirekte Messung von Armut: (relative) Einkommensarmut
• direkte Messung von Armut: Deprivations-/Lebenslagenarmut
• implizit: erst dauerhafte Ressourcenauszehrung führt zu Armut
• grundsätzlich: relatives Armutskonzept
Armutsmessung
• Grenzen einkommensbasierter Armutskonzepte
– Schulden, Vermögen, nicht-monetäre Einkommenskomponenten nicht erfasst
– Messfehler: Problem bei dynamischen Analysen!
– Einkommensverwendung, Haushaltsausstattung, besondere Bedarfslagen (Krankheit)
– nicht-monetäre Dimensionen sozialer
Ausgrenzung: Arbeitslosigkeit
Armutsmessung
• Probleme „direkter“ Armutsmessung
– Auswahl der Lebenslagen/-bereiche
Nexus ökonomischer und materieller Lebenslagen wichtig: Einkommen, Rücklagen, Arbeitslosigkeit, Wohnbedingungen
– Schwellenwerte und Aggregation – „Mismatch“ von Einkommens- und
Deprivationsarmut
Theoriegeleitete Typologie
Daten und Indikatoren
• Daten: Sozio-oekonomisches Panel (SOEP), v30, 1984-2013
• Einkommen:
- Haushaltsnettoeinkommen (Vorjahr), inkl. Mietwert selbstgenutzten Wohnraums, bedarfsgewichtet (neue OECD-Skala)
- 3 Einkommensgruppen: <50% | 50%-75% | >75% mean
• Lebenslagen:
- Finanzielle Rücklagen (Wertanlagen, Vermögenseinkünfte, regelmäßige Sparbeträge, Transferbezug)
- Wohnung (Wohnungsgröße, sanitäre Ausstattung, baulicher Zustand, Zentralheizung, Erholungsbereich, Eigentümerstatus, Sozialwohnung)
- Arbeitslosigkeit (mindestens eine Person im HH länger als 2 Monate arbeitslos gemeldet)
- 3 Deprivationsniveaus: 0 von 3 | 1 von 3 | 2-3 von 3
• Zeit: 5-Jahres-Panels (balanciert)
– sukzessive 5-Jahres-Perioden: 1984-1988, 1985-1989, ..., 2009-2013
– Region: getrennt für West- und Ostdeutschland
Kategorialer Armutsindikator
verfestigte Armut Prekarität
instabiler Wohlstand gesicherter Wohlstand
inkonsistente
Armut temporäre
Armut
Kategorialer Armutsindikator
verfestigte Armut Prekarität
instabiler Wohlstand gesicherter Wohlstand
inkonsistente
Armut temporäre
Armut
extreme
Pole
Kategorialer Armutsindikator
verfestigte Armut Prekarität
instabiler Wohlstand gesicherter Wohlstand
inkonsistente
Armut temporäre
Armut
„Zwischen“
Armut und
Wohlstand
Kategorialer Armutsindikator
verfestigte Armut Prekarität
instabiler Wohlstand gesicherter Wohlstand
inkonsistente
Armut temporäre
Armut
„wider-
sprüchliche“
Typen
Kategorialer Armutsindikator
SOEPv29, 2008-2012, balancierte s5-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
2008-2012 Westdeutschland Ostdeutschland
Anteil in %
Einkom- men 1
Lebens- lagen 2
Anteil in %
Einkom- men 1
Lebens- lagen 2 gesicherter Wohlstand 43.2 1.36 0.36 41.2 1.26 0.52 instabiler Wohlstand 29.0 0.86 2.24 27.0 1.01 3.35
Prekarität 11.3 0.61 5.70 11.5 0.63 6.27
verfestigte Armut 10.3 0.44 10.13 12.4 0.50 10.87
temporäre Armut 4.0 0.66 4.89 4.4 0.69 6.16
einseitige Armut 2.3 0.71 5.27 3.6 0.90 8.41
Total 100.0 1.00 2.80 100.0 1.00 3.76
1 mittlere relative Einkommensposition über fünf Jahre
2 Summe auftretender Deprivationen über fünf Jahre (maximal 5*3=15)
Trendanalysen 1984-2013
• Strukturierung vs. Ent-Strukturierung von Armut?
– Verzeitlichung: Zunahme temporärer Armut – Status-Inkonsistenz: Zunahme inkonsistenter
Armutslagen
– Prekarisierung (“bröckelnder Wohlstand”):
Zunahme prekärer Zwischen-Lagen
– Polarisierung: Zunahme an den „Polen“
– Verfestigung: Zunahme verfestigter Armut
Trends: Armut, Prekarität, Wohlstand
SOEPv30, 1984-2013, balancierte 5-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
Verfestigte Armut vs. Armutsrisikoquote
(<60% Median, gleitender 5-Jahres-Durchschnitt)
SOEPv30, 1984-2013, balancierte 5-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
Verfestigte Armut vs. Armutsrisikoquote – Index (2000/04 = 1)
SOEPv30, 1984-2013, balancierte 5-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
Trends: Armut, Prekarität, Wohlstand
SOEPv30, 1984-2013, balancierte 5-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
Trends: Armut, Prekarität, Wohlstand
SOEPv30, 1984-2013, balancierte 5-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
?
Langfristige Armutsmobilität
• Übergänge von einer 5-Jahresperiode (t 1 -t 5 ) zur nächsten 5-Jahresperiode (t 6 -t 10 )
2009-13 2004-08
Gesicherter Wohlstand
Instabiler Wohlstand
Prekarität Verfestigte Armut
Gesamt Gesicherter
Wohlstand 76% 21% 3% 0% 100%
Instabiler
Wohlstand 30% 47% 22% 2% 100%
Prekarität (inkl.
temporäre und
inkonsistente Armut)
5% 22% 50% 24% 100%
Verfestigte Armut
0% 1% 32% 67% 100%
SOEPv30, 2004-2013, Westdeutschland, balanciertes 10-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
Trends: „Abstrom“ aus gesichertem Wohlstand
SOEPv30, 1984-2013, balancierte 10-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
Trends: „Abstrom“ aus instabilem Wohlstand
SOEPv30, 1984-2013, balancierte 10-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
Trends: „Abstrom“ aus Prekarität
SOEPv30, 1984-2013, balancierte 10-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
Trends: „Abstrom“ aus Verfestigter Armut
SOEPv30, 1984-2013, balancierte 10-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
Trends: „Abstrom“ aus Verfestigter Armut
SOEPv30, 1984-2013, balancierte 10-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
Zwischenfazit
• Der Anstieg der Armut in Deutschland ist das Ergebnis ihrer Verfestigung
– keine „Verzeitlichung“ und „Individualisierung“ der Armut, sondern strukturelle Verfestigung
– weniger Zunahme von Abstiegen in Armut als
Abnahme von Aufstiegen aus Armut
Dimensionen der Verfestigung
von Armut
Trends Einzelindikatoren
Trends Einzelindikatoren
Trends Einzelindikatoren
Persistenz von Armut und Deprivation
SOEPv30, 1984-2013, balancierte 5-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
Anteile 4-5 Jahre von mind. 1
Jahr arm/depriviert, in %
Sozialstrukturelle Verfestigung:
Risikogruppen der
„verfestigten Armut“
Risiken verfestigter Armut nach Klassenlage
SOEPv30, 1984-2013, balancierte 5-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
Risiken verfestigter Armut nach Bildung
SOEPv30, 1984-2013, balancierte 5-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
Risiken verfestigter Armut nach Region und Migrationshintergrund
SOEPv30, 1984-2013, balancierte 5-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
Risiken verfestigter Armut nach Altersgruppe
SOEPv30, 1984-2013, balancierte 5-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
Risiken verfestigter Armut nach Haushaltstyp
SOEPv30, 1984-2013, balancierte 5-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
Intergenerationale Transmission von Armut
Armut von Kindern (12-16 Jahre)
Armut im (jungen) Erwachsenenalter (22-26 Jahre) mind. 15 Jahre im SOEP
Alter 22-26 Alter 12-16
Gesicherter Wohlstand
Instabiler Wohlstand
Prekarität Verfestigte Armut
Gesamt Gesicherter
Wohlstand 57.0% 21.7% 18.3% 3.0% 100%
(n=431)
Instabiler
Wohlstand 38.5% 39.3% 18.1% 4.1% 100%
(n=317)
Prekarität (inkl.
temporäre und
inkonsistente Armut) 18.5% 25.9% 41.0% 14.7% 100%
(n=251)
Verfestigte
Armut 2.5% 15.0% 46.3% 36.2% 100%
(n=127)
SOEPv30, 1984-2013, Längsschnittpopulation (min. 15 Jahre im SOEP), gewichtete Ergebnisse, N (ungewichtet)=1126
Zusammenfassung
• anhaltender Trend der Verfestigung von Armut:
– zunehmende Persistenz und Kumulation von materiellen Problemlagen
– weitgehend konstante sozialstrukturelle Konzentration
– starke intergenerationale Transmission von Armut
Zusammenfassung (Thesen)
• Der Anstieg der Armut in Deutschland ist das Ergebnis ihrer Verfestigung
– keine „Verzeitlichung“ und „Individualisierung“ der Armut, sondern strukturelle Verfestigung
– weniger Zunahme von Abstiegen in Armut als Abnahme von Aufstiegen aus Armut
• Die Verfestigung der Armut ist ein sich selbst verstärkender, dynamischer Prozess
– Kumulationen und Verstetigung von materiellen
Problemlagen: Armut ist „mehr als die Summe ihrer Teile“
– Wechselwirkungen individueller und kontextueller
Verfestigungen: Festsetzen von Armut in Biographien,
Stadtteilen und Milieus
Fazit
• Die Verfestigung von Armut markiert eine der dramatischsten Veränderungen der
Sozialstruktur im wiedervereinigten Deutschland
• „Verfestigung“ ist zu verstehen als komplexe soziale Dynamik des „Festsetzens“ von Armut in Biografien und Stadtteilen
es ist ein träger, schwer umkehrbarer Prozess!
• Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
• Kontakt:
Olaf Groh-Samberg, Universität Bremen
ogs@bigsss-bremen.de
Anhang
Zum Einstieg:
Langfristiger Anstieg der Armut in
Deutschland
Beschleunigter
Anstieg 1999-2005:
Entkopplung von Armuts- und
Konjunktur-
entwicklung???
Ursachenanalysen
• „Tübinger Gutachten“ zum 4. A+R: Anstieg der Einkommensungleichheit 1999-2005 erklärt sich zu:
– 20-30% Arbeitslosigkeit und Beschäftigung – 40-50% Zunahme von Lohnungleichheiten – 20-30% Änderungen im Steuerrecht
– geringer Einfluss: demographische
Veränderungen, Hartz-Reformen
Trends Einzelindikatoren
Kumulation von Problemlagen
• Zusammenhang von Einkommenslage, Rücklagen, Wohnen und Arbeitslosigkeit
• Log-lineare Analyse: Stärke der Kumulation von
Problemlagen unabhängig von der Häufigkeit einzelner Problemlagen
• West: Zunahme der Kumulation von
– Arbeitslosigkeit+Rücklagenarmut, – Einkommens-+Rücklagenarmut,
– Wohndeprivation+Einkommensarmut
• Ost: Zunahme der Kumulation von
– Arbeitslosigkeit+Rücklagenarmut,
– Rücklagenarmut+Wohndeprivation,
– Arbeitslosigkeit+Einkommensarmut
Kumulation von Problemlagen
• Zusammenhang von Einkommenslage, Rücklagen, Wohnen und Arbeitslosigkeit
• Log-lineare Analyse: Stärke der Kumulation von
Problemlagen unabhängig von der Häufigkeit einzelner Problemlagen
• West: Zunahme der Kumulation von
– Arbeitslosigkeit+Rücklagenarmut, – Einkommens-+Rücklagenarmut,
– Wohndeprivation+Einkommensarmut
• Ost: Zunahme der Kumulation von
– Arbeitslosigkeit+Rücklagenarmut,
– Rücklagenarmut+Wohndeprivation,
– Arbeitslosigkeit+Einkommensarmut
Kumulation von Problemlagen
• Zusammenhang von Einkommenslage, Rücklagen, Wohnen und Arbeitslosigkeit
• Log-lineare Analyse: Stärke der Kumulation von
Problemlagen unabhängig von der Häufigkeit einzelner Problemlagen
• West: Zunahme der Kumulation von
– Arbeitslosigkeit+Rücklagenarmut, – Einkommens-+Rücklagenarmut,
– Wohndeprivation+Einkommensarmut
• Ost: Zunahme der Kumulation von
– Arbeitslosigkeit+Rücklagenarmut,
– Rücklagenarmut+Wohndeprivation,
– Arbeitslosigkeit+Einkommensarmut
Persistenz von Armut und Deprivation
Anteil 3-5 von 5 Jahren arm/depriviert, in %
SOEPv30, 1984-2013, balancierte 5-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
Persistenz von Armut und Deprivation
Anteil 3-5 von 5 Jahren arm/depriviert, in %
SOEPv30, 1984-2013, balancierte 5-Jahres-Panel, gewichtete Ergebnisse
Verfestigung über Generationen
• Zukunftshypothek I: Erwartbarer Anstieg der Altersarmut
• Zukunftshypothek II: Starke Zunahme der
Armut bei jungen Erwachsenen (18-25 Jahren)
• intergenerationale Transmission
Einkommensarmut* nach Alter
* Schwelle: 60% Median, Gesamtdeutschland; SOEPv28
Einkommensarmut* nach Alter
15 - 27
20 - 25
* Schwelle: 60% Median, Gesamtdeutschland; SOEPv28
Einkommensarmut* nach Alter
* Schwelle: 60% Median, Gesamtdeutschland; SOEPv28
Intergenerationale Transmission
• Extrem starke Zunahme der Armut bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen
• teilweise jedoch „Artefakt“:
Einkommensarmut von alleinlebenden Studierenden mit „reichen“ Eltern
• Möglichkeit des virtuellen Pooling der Einkommen von Eltern und ihren
ausgezogenen Kindern
Trends der Jugendarmut
standard measure
family adjusted measure
OLS: Einkommensarmut (korrigiert), Alter 15-30
1995-2000 2001-2006 2007-2011
Geschlecht (Ref: Männer) Frauen 0.00108 0.000456 0.00857
(0.00631) (0.00600) (0.00690)
Migrationshintergrund (Ref: keinen) direkt 0.111*** 0.101*** 0.0750***
(0.0141) (0.0158) (0.0197)
indirekt 0.0297*** 0.0134 0.0251**
(0.00982) (0.0103) (0.0105)
Region (Ref: Westdeutschland) Ostdeutschland 0.0598*** 0.0814*** 0.0964***
(0.00806) (0.00804) (0.00996) Bildung der Eltern (Ref: max. Hauptschule) HauptSch+Ausbildung -0.0325** -0.0389* -0.127***
(0.0140) (0.0205) (0.0310) RealSch+Ausbildung -0.0471*** -0.104*** -0.230***
(0.0154) (0.0202) (0.0303) Abitur+Ausbildung -0.0782*** -0.129*** -0.232***
(0.0183) (0.0221) (0.0315)
FH/Universität -0.119*** -0.149*** -0.266***
(0.0153) (0.0205) (0.0306) Klassenlage der Eltern (Ref: Obere Dienstklasse) Untere Dienstklasse -0.00311 -0.00168 0.0138**
(0.00666) (0.00605) (0.00698) Einfache nicht.manuelle Berufe 0.0287** 0.0451*** 0.0211**
(0.0124) (0.0126) (0.0107)
Kleine Selbständige 0.0296** 0.00283 0.0120
(0.0118) (0.00766) (0.00917)
FacharbeiterIn 0.00578 0.0215*** 0.0330***
(0.00816) (0.00795) (0.00978) Einfache ArbeiterIn 0.0705*** 0.0900*** 0.109***
(0.00998) (0.00990) (0.0128)
(Fortsetzung nächste Folie)
OLS: Einkommensarmut (korrigiert), Alter 15-30
1995-2000 2001-2006 2007-2011
Auszug aus Elternhaus (Ref: bei Eltern) Auszug 0.0651*** 0.0832*** 0.0760***
(0.0111) (0.0101) (0.0115)
Partner (Ref: kein Partner) Partner -0.0475*** -0.0635*** -0.0586***
(0.0110) (0.0104) (0.0127)
Kinder (Ref: keine Kinder) Kinder 0.000304 0.0170 0.0123
(0.00961) (0.0140) (0.0191) Bildungsbeteiligung (Ref: Nicht in (Aus-)Bildung) in Schule -0.00199 -0.0233* -0.0239
(0.0147) (0.0121) (0.0149) in Berufsausbildung -0.0243** -0.0131 -0.0303***
(0.0112) (0.00943) (0.0116)
in Studium -0.0122 -0.00411 -0.0196
(0.0118) (0.0100) (0.0136)
Erwerbsbeteiligung (Ref: NEW) arbeitslos 0.0257* 0.0769*** 0.143***
(0.0155) (0.0159) (0.0221)
EW: prekär -0.0116 0.00808 -0.0148
(0.0144) (0.0132) (0.0157)
EW: mittel -0.0636*** -0.0561*** -0.0717***
(0.0105) (0.00963) (0.0138)
EW: höher -0.0819*** -0.0706*** -0.0914***
(0.0106) (0.0102) (0.0138) Alter (Ref: 15)
Jahr
Konstante 0.159*** 0.228*** 0.324***
(0.0233) (0.0259) (0.0355)
Personen 17,675 23,385 15,990
R2 0.090 0.115 0.150
(Fortsetzung der Tabelle)
Amt für Soziale Arbeit
Kommentierung:
SGB II-Langzeitbezug in Wiesbaden
Fachtagung zu 10 Jahre SGB II:
„Von der Aktivierung zur Befähigung und sozialen Teilhabe“
13. Mai 2015 im Roncalli-Haus Wiesbaden
Rabea Krätschmer-Hahn
Amt für Soziale Arbeit
22,4%
23,9%
21,6%
17,4%
10,3%
11,5%
9,0%
5,1%
22,7%
24,0%
22,4%
17,9%
10,5%
11,7%
9,0%
5,8%
23,0%
25,4%
22,5%
18,4%
10,7%
12,1%
8,9%
6,0%
0% 5% 10% 15% 20% 25% 30%
unter 3 Jahre 3 bis 6 Jahre 7 bis 14 Jahre 15 bis 17 Jahre 18 bis 24 Jahre 25 bis 49 Jahre 50 bis 64 Jahre 65 Jahre und älter
(SGB XII)
2014 2013 2012 Durchschnitt 13,1 %
Eine andere Armutsdefinition: der SGB II-Leistungsbezug
SGB II-Dichte nach Altersgruppen in der Wiesbadener Bevölkerung 2012, 2013 und 2014
Quelle: Amt für Strategische Steuerung, Stadtforschung und Statistik: Einwohnerzahlen / Amt für Soziale Arbeit Wiesbaden; OPEN/Prosoz; Geschäftsstatistik; eigene Berechnungen
Amt für Soziale Arbeit
36%
18%
46%
unter 2 Jahren im Bezug 2 bis unter 4 Jahren im Bezug 4 Jahre und länger im Bezug
Dauern des SGB II-Leistungsbezugs
Verweildauern von Leistungsberechtigten im SGB II
(mit Unterbrechungen von bis zu 31 Tagen) - Wiesbaden, Juni 2014
Quelle: BA; Verweildauern im SGB II; Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II; eigene Darstellung; N=31.547
Amt für Soziale Arbeit
Langzeitbeziehende (LZB) im SGB II in Wiesbaden
Verweildauern von erwerbsfähigen LZB im SGB II, Wiesbaden, Juni 2014 (links: mit Unterbrechungen von bis zu 31 Tagen; rechts: Nettobezugsdauern)
Quelle: BA; Verweildauern im SGB II; Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II; eigene Darstellung; N=13.817
32%
68%
15%
85%
2 bis unter 4 Jahre im Bezug
länger als 4 Jahre im Bezug
Amt für Soziale Arbeit
0 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000 12.000 14.000
unter 7 Jahren
7 bis unter 15 Jahren
17-24 Jahre 25-49 Jahre 50-64 Jahre 46 %
69 %
LZB 81 %
LZB 77 %
52 % LZB
Wer sind die Langzeitleistungsbeziehenden (LZB)?
Anteil der LZB unter den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach Altersklassen, Juni 2014, Wiesbaden
Quelle: BA; Langzeitbezieher - Strukturen; Amt für Soziale Arbeit; OPEN7Prosoz; eigene Auswertung und Darstellung; N=20.513 bzw. 13.817
BA; Report für Kreise und kreisfreie Städte, Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, eigene Darstellung; N=9.510 bzw. N=6.098 (Kinder)
Amt für Soziale Arbeit
Leistungsbezug ist nicht nur eine einmalige Episode
Zugang erwerbsfähiger Leistungsberechtigter nach Vorbezug, 1. Halbjahr 2014, Wiesbaden
Quelle: BA; Report für Kreise und kreisfreie Städte; Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II; eigene Darstellung; N=4.826
28%
35%
37% ohne
Leistungsvorbezug SGBII
Vorbezug länger als 3 Monate zurück
Vorbezug innerhalb
der letzten 3 Monate
Amt für Soziale Arbeit
Integration in Erwerbstätigkeit und nachfolgende Beschäftigung
Integrationen von erwerbsfähiger Leistungsberechtigter in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und nachfolgende Beschäftigung, Mai-September 2013, Wiesbaden
Quelle: BA; Integrationen und Verbleib von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten; eigene Berechnung und Darstellung; N=1.911 bzw. 944
74%
65% 65%
51%
73%
64% 65%
51%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
nach 3 Monaten in Beschäftigung
nach 6 Monaten in Beschäftigung
nach 12 Monaten in Beschäftigung
darunter an allen drei Zeitpunkten erwerbstätig
sv-pflichtige Integrationen von eLb darunter eLb mit Langzeitleistungsbezug
Amt für Soziale Arbeit
Ausstiege aus dem SGB II-Bezug nach einer Integration
Verbleib von erwerbsfähiger Leistungsberechtigter mit einer Integration in Erwerbstätigkeit nach bis zu 12 Monaten, Mai-September 2013, Wiesbaden
Quelle: BA; Integrationen und Verbleib von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten; eigene Berechnung und Darstellung; N=2.459 bzw. 1.264
36% 38%
43%
26% 27% 26%
33%
18%
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
35%
40%
45%
nicht mehr im Bezug
nach 3 Monaten
nicht mehr im Bezug
nach 6 Monaten
nicht mehr im Bezug
nach 12 Monaten
an allen drei Zeitpunkten
Integrationen von eLb insgesamt darunter eLb mit Langzeitleistungsbezug
Amt für Soziale Arbeit Grundbedarfe und notwendiges Bruttoarbeitsentgelt beim Bezug vorrangiger Leistungen, um keine Grundsicherungs-
leistungen gemäß SGB II zu beziehen (Wiesbaden 2015, nach bestimmten Haushaltskonstellation, bei Medianmiete)
Quelle: Amt für Soziale Arbeit, OPEN/Prosoz 12/2014 (Mieten), eigene Auswertungen; Nettolohnrechner 2015; Wohngeldrechner 2015; SGB II-Rechner 2015 Bundesagentur für Arbeit: Sozialversicherungspflichtige Bruttoarbeitsentgelte - Entgeltstatistik - Stichtag 31.12.2013; Grenze zw. 1. und 2. Quintil +
eingerechnete Steigerungen je Branche, analog zu den Steigerungen von 2012 nach 2013 (durchschnittlich 3,9 %); eigene Berechnungen und Darstellung
Ausstiege aus dem SGB II-Bezug möglich?
Alleinstehend
Ehepaar mit 2 Kindern
Alleinerziehende mit 1 Kind
zum Vgl. empirische Bruttoentgelte 2014
Grundsicherungsbedarf 816 1.946 1.310 Einzelhandel
darunter KdU (inkl. NK + Heizung) 417 725 596 1.738 €
Zeitarbeit
Bruttoentgelt 1.550 1.700 1.700 1.421 €
Nettoentgelt 1.124 1.357 1.244 Wach- und Sicherheitsdienste
+ Wohngeld 0 283 56 1.682 €
+ Kindergeld 0 368 184 Reinigungsbranche
+ Kinderzuschlag 0 280 135 1.614 €
- Erwerbstätigenfreibetrag 300 330 330 Gastronomie
= anrechenbares Einkommen auf
SGB II-Anspruch 824 1.958 1.289 1.247 €
Amt für Soziale Arbeit
Dr. Rabea Krätschmer-Hahn Landeshauptstadt Wiesbaden
Der Magistrat - Amt für Soziale Arbeit Abteilung Grundsatz und Planung Konradinerallee 11
65189 Wiesbaden 0611-31-5449
sozialplanung@wiesbaden.de
Matthias Knuth
Von der Aktivierung zur
"Befähigung" – oder wie sollen wir die "Aktivierung 2.0" nennen?
Von der Aktivierung zur Befähigung und sozialen Teilhabe, Friedrich-Ebert-Stiftung
Hessen, Wiesbaden, 13.5.2015
Übersicht
• Der deutsche Arbeitsmarkt nach 10 Jahren "Hartz IV"
• Grenzen des Aktivierungsparadigmas
• 'Capabilities-Approach': Anregungen für Erweiterungen
• exemplarische Vorschläge zur "Reform der Reform"
2
-6 -4 -2 0 2 4 6 8
0 2 4 6 8 10 12 14
19 71 19 73 19 75 19 77 19 79 19 81 19 83 19 85 19 87 19 89 19 91 19 93 19 95 19 97 19 99 20 01 20 03 20 05 20 07 20 09 20 11 20 13 V er änder ung de s B IP ge ge nübe r V o rjahr ( P ro ze nt )
A rbe its los enquo te ( P ro ze nt )
BIP-
Veränderungsrate Arbeitslosenquote
durchschnittliche BIP-
Veränderungsrate
Arbeitslosenquoten und BIP-Veränderung
3
25 30 35 40 45 50 55 60
25.000 30.000 35.000 40.000 45.000 50.000 55.000 60.000
(Mi lliar de n) S td.
i. Taus end
Bevölkerung 15 - 64
Erwerbstätige
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
Arbeitsvolumen (rechte Skala)
durchschnittliche Wochenarbeitszeit Beschäftigte
Basisdaten des Erwerbssystems
4
25.000 27.000 29.000 31.000 33.000 35.000 37.000 39.000 41.000 43.000 45.000
2.500 2.700 2.900 3.100 3.300 3.500 3.700 3.900 4.100 4.300 4.500
1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
Er w e rb st äti ge (T au send )
Ü ber gä ng e (T ausend)
Erwerbstätige
Arbeitslosigkeit --> Erwerbstätigkeit Erwerbstätigkeit --> Arbeitslosigkeit
Jährliche Übergänge aus Arbeitslosigkeit in Erwerbstätigkeit *) und umgekehrt, 1998-2012
*)
einschl. 2. Arbeitsmarkt, ohne Berufsausbildungsverhältnisse 5
Abgangsraten aus Arbeitslosigkeit in Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt nach Dauer vorangegangener Arbeitslosigkeit –
Westdeutschland, 1998 – 2011
Quelle: Ursula Jaenichen / Thomas Rothe, Beschäftigungsstabilität und Entlohnung nach Arbeitslosigkeit 1998 bis 2010, WSI- 6
Mitteilungen 3/2014 (im Erscheinen) - Arbeitslose zwischen 25 und 54 Jahren, gleitender 3-Monatsdurchschnitt saisonbereinigter Monatswerte, ohne Daten der zkT
0%
2%
4%
6%
8%
10%
12%
14%
bis 6 Mon 6-9 Mon 9-12 Mon
1 - unter 2 Jahre 2 Jahre und länger
Linear (1 - unter 2 Jahre)
Linear (2 Jahre und länger)
Vergleich der Verweildauer von Sozialtransferbeziehern in Arbeitslosigkeit vor und nach Hartz IV
Quelle: Fehr, Sonja; Vobruba, Georg (2011): Die Arbeitslosigkeitsfalle vor und nach der Hartz-IV-Reform. In: WSI-Mitteilungen 7
64 (5), S. 211–217.
Jährliche Abgangsraten aus Arbeitslosigkeit in Erwerbstätigkeit am 1. Arbeitsmarkt (o. Ausbildung), nach Rechtskreisen
8
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4 1,6 1,8 2
2008 2009 2010 2011 2012 2013
Abgangsrate SGB III
Abgangsrate SGB II
Langzeit-Erwerbslose als Anteil an allen Erwerbslosen
9
0 10 20 30 40 50 60 70
Europäische Union (27 Länder) Belgien
Dänemark Deutschland Griechenland Spanien Frankreich Italien Niederlande Österreich Polen Portugal Finnland Schweden
Vereinigtes Königreich Norwegen
Bestand und Veränderung von Personen in der Grundsicherung 2005 – 2012
10
0 1.000.000 2.000.000 3.000.000 4.000.000 5.000.000 6.000.000 7.000.000 8.000.000
200501 200507 200601 200607 200701 200707 200801 200807 200901 200907 201001 201007 201101 201107 201201 201207
Durchgehender Leistungsbezug Abgang oder Unterbrechung vom Bestand Januar 2005
Zu- und Abgang Zugang mit Verbleib bis Dezember 2012
Quelle: Koller-Bösel, Lena; Lietzmann, Torsten; Rudolph, Helmut (2014): Bestand und Turnover in der Grundsicherung. In: WSI- Mitteilungen (6), S. 450–458.
1,35 Mio. (=22,3% des Bestandes 12/2012)
4,69 Mio.
– 8,0 – 6,0 – 4,0 – 2,0 0,0 2,0 4,0 6,0 8,0
0,050 0,055 0,060 0,065 0,070 0,075 0,080 0,085 0,090
123 412 34 123 412 341 234 123 412 34 123 412 341 234 123 412 34 123 412 341 234 123 412 34 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
BIP V e rä nder ungsra te gg. V orj a hre s quar tal
Labour -T urnov e r- Rate
BIP Veränd. Rate gg.
Vorjahresquartal
Labour-Turnover-Rate (quartalsweise)
Arbeitskräftefluktuation und BIP-Veränderungsraten
11
Quelle: Giannelli, Gianna Claudia; Jaenichen, Ursula; Rothe, Thomas
(2013): Doing well in reforming the labour market? Recent trends in
job stability and wages in Germany (IZA Discussion Paper, 7580).
Medianlöhne pro Tag in neu begonnenen Vollzeit-
Arbeitsverhältnissen, Westdeutschland (Preise von 2005)
12
40 45 50 55 60 65 70 75 80 85
Me dianlohn
Männer, alle
Frauen, alle
Männer, vorher arbeitslos
Frauen, vorher arbeitslos
Quelle: Jaenichen, Ursula; Rothe, Thomas (2014): Beschäftigungsstabilität und Entlohnung nach Arbeitslosigkeit 1998 bis 2010,
WSI-Mitteilungen 3/2014 (im Erscheinen).
Fluktuation sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung 2007-2014
13
0,07 0,08 0,09 0,1 0,11 0,12 0,13
I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II
2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
Eintrittsrate Austrittsrate Fluktuationsrate
Poly. (Eintrittsrate) Poly. (Austrittsrate) Poly. (Fluktuationsrate)
Quelle: BA-Beschäftigtenstatistik
Zwischenfazit –
Grenzen des Aktivierungsparadigmas
• "Aktivierungsregime" wirkt eher auf kurzzeitig Arbeitslose:
• Vermeidung von "Hartz IV" statt wirksame Hilfe durch "Hartz IV"
• Aktivierung funktioniert nur, soweit reale
Handlungsmöglichkeiten gegeben und für das Individuum einsehbar sind
• zunehmende Lohnspreizung und sinkende Fluktuation verringern Integrationschancen
• herkömmliche Aktivierung hat bei derzeitiger
Arbeitsmarktlage und Sozialstruktur ihre Grenzen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik weitgehend erreicht
14
'Capabilities '-Ansatz: Anstöße für Aktivierungsdiskurs?
15
Verwirk- lichungen
(functionings)
Teilhabe
Arbeit
menschenwürdiges Existenzniveau
soziale Interaktion Anerkennung
freier Wille
Verwirklichungs- bedingungen
('capabilities')
in der Person liegende
außerhalb der Person liegende
"keine
Verantwortlich- keit ohne Entscheidungs-
freiheit"
Alternative arbeitsmarktpolitische Philosophien
Aktivierung Erweiterung von
Verwirklichungsbedingungen
Menschenbild homo oeconomicus Mensch als soziales Wesen mit Entwicklungsbedürfnissen
Interessen Eigeninteresse Interesse an Anderen / an der Anerkennung durch Andere
Biografie Vergangenheit und Zukunft
sind irrelevant menschliches Handeln ist eingebettet in Lebensverlauf und Geschichte
menschliches Handeln
wird gesteuert durch… … Anreize und Zwänge
('carrots and sticks') … den Wunsch nach Teilhabe ('Dazugehören')
Sozialtransfers… …verführen zum Nichtstun …sind Voraussetzung der
Handlungsfähigkeit (wenn andere Einkommensquellen fehlen)
Arbeit Negativ-Nutzen ('disutility'), Mittel zum Gelderwerb
sowohl Mittel als auch Medium der Teilhabe; Erfahrung der
Selbstwirksamkeit Qualifikation Humankapital sozialer Status Lernen, Qualifizierung Investition Selbstentfaltung
16
Beispiel: Bedingungen für die Verwirklichung "Rad fahren"
• Rad fahren können: personale Ressource – körperliche Unversehrtheit, Gesundheit / Qualifikation, Fähigkeit, Kompetenz….
• Rad fahren dürfen – es ist (für diese Kategorie von Personen) erlaubt: Freiheiten
• Vorhandensein von Straßen oder Radwegen (und Anspruch auf ihre Nutzung): gesellschaftliche Infrastruktur –
extrapersonale, allgemein verfügbare Ressource
• ein Fahrrad zur Verfügung haben: extrapersonale, individuell verfügbare Ressourcen
• Rad fahren wollen
• "Aktivierung": aufgrund von Überredung, Anreizen oder unter Sanktionsdrohung zum Rad fahren bereit sein = Wollen?
17 frei nach Bonvin, Jean-Michel (2006): Employment and Labour Market Regulation – A Capability Approach.
In: Peter Bartelheimer, A. Boes und Tatjana Fuchs (Hg.): Berichterstattung zur sozioökonomischen
Entwicklung Deutschlands. Zweiter Bericht. Zwischenbericht Teil I, Werkstattberichte. SOFI. Göttingen, S. 64–
68. Berichtet von Bartelheimer, Peter (2007): Politik der Teilhabe. Ein soziologischer Beipackzettel. Fachforum
Analysen und Kommentare. Friedrich-Ebert-Stiftung.
18
Aktivierung
"Verhaltensintervention ohne
Verhältnisintervention"
'Capabilities ': Lücken des Aktivierungsansatzes
19
Verwirklichungs- bedingungen
in der Person liegende
außerhalb der Person liegende
"Wollen"
"Können"
Gelegenheiten Möglichkeiten
"Dürfen"
Streben nach selbständiger Lebensführung
unterstützen
Qualifizierung auch von Bildungsfernen
Gesundheits- förderung
Anspruchsleistungen
"EGV 2.0" als Vertrag unter
Gleichberechtigten
"Sozialer Arbeitsmarkt"
Jobcenter als
"Makler"
'Capabilities' - Fördern über "Aktivieren" hinaus - Probleme der Sprachwahl
• "Befähigung": Geht es also doch nur um Fähigkeiten, insbes. "Beschäftigungsfähigkeit"?
• "Verwirklichungschancen": Geht es also nur um Angebote – wer seine Chance nicht nutzt, ist selbst schuld?
• Vorschlag: "Erweiterung von Verwirklichungsbedingungen"
• oder: "Erweiterung von realen Handlungsmöglichkeiten"
20
Schlussfolgerungen für die Arbeitsmarktpolitik
• "Kunden" wissen nicht immer, was gut für sie ist – aber wissen es die Jobcenter-Mitarbeiter?
• Kundenstatus ernst nehmen = Wünsche berücksichtigen, Wahlfreiheit respektieren
• mehr Phantasie bei der Schaffung von Gelegenheiten
• mehr in das Können investieren
• Potenziale entdecken statt Defizite bearbeiten
• Teilhabe sowohl als Voraussetzung wie als Ergebnis der Arbeitsmarktintegration
• Unklar: Ist eine "Grundsicherung für Erwerbsfähige" auch zuständig für die Förderung der Teilhabe ohne
Erwerbsarbeit – und wenn ja, wie macht man das?
21
Amt für Soziale Arbeit
„ Von der Aktivierung zur Befähigung und sozialen Teilhabe“
Fachtagung 10 Jahre SGB II 13.Mai 2015
1 Kommunales Jobcenter: Strategien und Wirkungen des Fallmanagements und der
Fördermaßnahmen des Kommunalen Jobcenters Wiesbaden
Amt für Soziale Arbeit
Kernziele des SGB II
2
Eine menschenwürdige Lebensführung ermöglichen
Eigenverantwortung stärken
Unabhängigkeit von sozialen Transferleistungen ermöglichen
Amt für Soziale Arbeit
Handlungsfelder des Fallmanagements
3
1. Soziale Stabilisierung der Leistungsbeziehenden 2. Gesundheitliche Stabilisierung
3. Arbeitsmarktintegration
Amt für Soziale Arbeit
Ressourcen des Jobcenters
Fallmanagement
Soziale Komplementärleistungen - § 16a SGB II
Arbeitsmarktpolitische Instrumente des SGB II und SGB III
Kommunale Programme zur Qualifizierung und Beschäftigung
4
Amt für Soziale Arbeit
Ressource Fallmanagement
Wichtigste Ressource und von zentraler Bedeutung für die Zielerreichung – Fallmanagement ist mehr als Arbeitsvermittlung
Fachliche Qualifizierung aller Mitarbeitenden im Fallmanagement in einer 13-tägigen Fortbildung mit 7 Modulen
„Fördern und Fordern“ benötigt ein vertrauensvolles und belastbares Arbeitsbündnis zwischen Fallmanagement und Leistungsbeziehenden
Ressourcenorientierte Hilfeplanung mittels aufeinander aufbauender Strategietypen zur schrittweisen Verbesserung der individuellen
Ressourcen – falls erforderlich mit Bildung von Förderketten
Ziel: nachhaltige Integration in Erwerbsarbeit
5
Amt für Soziale Arbeit
Ressource soziale Komplementärleistungen
Kinderbetreuung – Priorität auf dem Regelangebot, im Bedarfsfall
Zugriffsmöglichkeit des Fallmanagements auf SGB II – Kontingente in
Krippen, Betreuenden Grundschulen oder mit Dringlichkeitsbescheinigung für KiTa, Tagespflege
Schuldner- und Budgetberatung – Nutzung des Regelangebots bei freien Trägern, ergänzt durch ein SGB II–spezifisches Angebot mit dem
Schwerpunkt Budgetberatung (Präventivcharakter)
Suchtberatung – enge Kooperation mit freien Trägern durch
Ressourcenfinanzierung in der Beratung für Konsumenten von legalen und illegalen Drogen
Psycho-soziale Betreuung – in Vernetzung mit dem Gesundheitsamt und der Tagesklinik der gemeindenahen Psychiatrie, sowie der Werkgemein- schaft Reha Wiesbaden und dem begleitenden Integrationsfachdienst
6
Amt für Soziale Arbeit
Ressource Komplementärleistungen
Gesundheitsberatung – integrierter Bestandteil in ausgewählten Maßnahmen wie dem Projekt Perspektive 50plus und Trainings- zentren. Professionelle Hilfe durch Sozialmediziner und
Psychologen.
7
Amt für Soziale Arbeit
Ressource arbeitsmarktpol. Maßnahmen
Trainingszentren – Maßnahmen nach § 45 SGB III
- Neuorientierung unter Einbeziehung der Lebenswelten - Kreative und motivierende Elemente, Stärkung des Selbstbewusstseins
- Potenziale klären, Ressourcen (neu) entdecken und stärken - Hilfen zur Selbstentwicklung
- Klärung des Gesundheitsstatus und Präventivangebote - Schuldner- und Suchtberatung
- Berufe erleben und beruflich orientieren
Fakten 1.9.2012 – 30.11.2014
-1415 Teilnehmer/innen, davon 1099 reguläre Beendigungen - 714 Praktika
- 364 direkte Erwerbsintegrationen, dar. 104 geringfügige AV - 81 Umschulungen und 12 außerbetriebl. Berufsausbildungen - 311 andere Folgemaßnahmen
8
Amt für Soziale Arbeit
Ressource arbeitsmarktpol. Maßnahmen
Berufliche Weiterbildung und Berufsausbildung
- IAB Kurzbericht 8/15: deutlich positivere Wirkungen beruflicher Bildungsmaßnahmen gegenüber Maßnahmen der Aktivierung - Im KJC Wiesbaden als „C-Strategie“ von besonderer Bedeutung - Berufliche Qualifizierung auf höchst möglichen Niveau, weil die Region keine ausreichenden einfachen Jobs bietet:
11% der Beschäftigten sind ungelernt gegenüber 68% der eLb - Mit 1559 Teilnehmerinnen und Teilnehmern (2014) erzielt das KJC Wiesbaden im Rhein-Main-Vergleich eine hohe Qualifi-
zierungsquote von 2,9% bei einer Spannbreite von 1,4% bis 2,9%
9
Amt für Soziale Arbeit
Ressource arbeitsmarktpol. Maßnahmen
Beispiele für gelungene Berufsqualifizierung im kommunalen Netzwerk
- Umschulung zur Busfahrerin / zum Busfahrer im ÖPNV in enger Kooperation mit den Kommunalen Nahverkehrsbetrieben.
Seit 2005 insgesamt 217 Umschülerinnen und Umschüler mit anschließend garantierter Einstellung und bedarfsdeckendem Einkommen (Bedarfsgemeinschaft mit 2 Erwachsenen und 2 Kindern)
- Umschulung zur Erzieherin / zum Erzieher in enger Kooperation mit der Abteilung Kindertagesstätten und der Fachschule.
Hinführung durch Vorbereitung über AGH und „Begleitenden Lehrgang im Vorbereitungsjahr – BeLVor“. Seit 2010 insg.133 Teilnehmende in BeLVor und daraus 75 Übergänge in Um- schulungen. Sehr guter Arbeitsmarkt und bedarfsdeckendes Einkommen.
10
Amt für Soziale Arbeit
Wirkungen 2014
Zielerreichung mit einer Integrationsquote von 24,5%
Integrationsquote der Langzeitbezieher 17,6%;
für beide Ergebnisse gilt:
- über dem Median des Vergleichstyps - höchste Quote der Rhein-Main-Städte
Nachhaltigkeitsquote der Integrationen von 63,8%
- deutlich über dem Median des Vergleichstyps - Spitzenwert im Städtevergleich Rhein-Main
Unbefriedigend – nur ca. ein Drittel der Integrierten schafft auf Anhieb den Ausstieg aus der sozialen Transferleistung
11
Amt für Soziale Arbeit
12 Achim Gleissner
Sachgebietsleiter
Landeshauptstadt Wiesbaden
Amt für Grundsicherung und Flüchtlinge Kommunales Jobcenter
Konradinerallee 11 65189 Wiesbaden 0611-31-6701
Achim.Gleissner@wiesbaden.de
Notwendigkeiten und Möglichkeiten einer
breiten Teilhabepolitik durch lokale Netzwerke
Prof. Dr. Claus Reis
Wiesbaden, 13. Mai 2015
Seite 1
Fachbereich 4 Soziale Arbeit und Gesundheit
Der Ausgangspunkt
3
Bedarfslagen Alleinerziehender
Arbeit
Berufs(wieder)einstieg Existenzsichernde Arbeit Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Gesundheit
Physische Gesundheit Psychische Gesundheit Suchtprävention, Suchtbearbeitung
Soziale Integration
Materielle Sicherung Entschuldung
Haushaltsführung
Bearbeitung sozialer Isolation Spracherwerb
Qualifikation Berufsvorbereitung Ausbildung
Weiterbildung
Vereinbarkeit Bildung/Familie Sicherung der
Existenzgrundlage
Kinder(betreuung) Flexibilität
Qualität (Standards) Kostengestaltung
Absicherung „kritischer Ereignisse“
Unterstützung bei der Erziehung
Ausgangssituation (Beispiel)
Unterstützungsangebote
Arbeit
Jobcenter Agenturen für Arbeit
Private Vermittler Beschäftigungs- träger
Unternehmen (IHK, HK)
Gesundheit
Ärzte
Hebammen
Gesundheitsämter Krankenver-
sicherungsträger Beratungsstellen Qualifikation
Schulen Schulämter Agenturen für Arbeit
Jobcenter Kommunen Bildungsträger Unternehmen (IHK, HK) Kinder
(betreuung)
Kindertages- stätten Schulen Schulämter Jugendämter Erziehungs- beratungsstellen
Alleinerziehende
Soziale Integration
Jugendämter Sozialämter Beratungsstellen Verbraucher- zentralen
Selbsthilfegruppen
Fallmanagement
Was sind „organisationale Netzwerke“
Soziale Systeme, die vornehmlich aus
Interaktionen und Beziehungen zwischen mehreren autonomen Organisationen zusammengesetzt sind, die diese überwiegend mit Blick auf den
Beziehungszusammenhang zwischen sich reflexiv koordinieren.
(vgl. Windeler 2001, S.231f.)
Was bedeutet „autonome Organisation“?
• Eigene gesetzliche Grundlagen und
„Organisationsnormen“ (Regeln der Legitimation)
• Spezifisches „Organisationswissen“ (Regeln der Signifikation)
• Eigene Ressourcen und Regeln der
Ressourcenbeschaffung und –verwendung (Allokation)
• Eigene Hierarchien und Arbeitsteilungen (Autoritative Ressourcen)
= organisationsspezifische Strukturbildungen
„Eisberge“ erschweren die Kooperation
Corbett, T. u.a.: 2005, p. 33
„Eisberge“ erschweren die Kooperation 2
Die Aufgabenstellung für Nachhaltigkeit
Was ist Kooperation
„ein Verfahren (…), bei dem im Hinblick auf geteilte oder sich
überschneidende Zielsetzungen durch Abstimmung der Beteiligten eine Optimierung von Handlungsabläufen oder eine Erhöhung der Handlungsfähigkeit bzw. Problemlösungskompetenz angestrebt wird. (…)“
= geteilte Ziele
= Abstimmungsprozesse
= Nutzen für alle Beteiligten
Van Santen/Seckinger 2003