Philosophischer Sprcchsaal.
D as W eil) und die tradition elle Auffassung seiner Natur.
Ein gediegener Aufbau der Gesellschaft, der heutzutage so ernstlich er
streb t wird, kann sich n u r erheben auf dem festen U ntergrund der socialen N a tu r des Menschen. Das Menschenwesen selbst ist die p rim ärste Gesellschaft un d das P ro to ty p aller übrigen. U nkenntniss aber der socialen N atu r unseres G e i s t e s , die sich im Dualismus seines Lebens äussert und im Dualismus der Geschlechter ihre Versinnlichung findet, fü h rt nothw endig zu falscher Auffassung der B edeutung der G rundfactoren der äusseren Gesellschaft, d. i. des M a n n e s u nd des W e ib es.
Gesellschaftliche O rdnung b eru h t auf einem Sich-üb e r ordnen u nd einem S ic h -u n t e r ordnen. W ährend dieses Sich-üb e r ordnen seine D arstellung findet in der P erson des M a n n e s , h a t dieses S ic h - u n te ro r d n e n in der P erson des W e i b e s seine V ersichtbarung. Es b eru h t dem nach die gesellschaftliche U n ter
ordnung des Weibes, nicht,, wie angenommen, au f einer ungenügenden Aus
sta ttu n g seines w e i b l i c h e n Menschenwesens, sondern auf der R epräsentanz des sich untero rd n en d en Momentes im Leben des G e i s t e s , so dass in seiner U n te ro r d n u n g nicht ein Beweis der Schwäche, sondern gerade der W ürde und der E benbürtigkeit m it dem Manne liegt, der in seinem S ich-üb e r ordnen seiner
seits eines der beiden Momente des Geisteslebens darstellt.
N ur diese Auffassung kann das Weib in seine sociale W ürde u nd Stellung einsetzen. H ier m uss der Hebel angesetzt werden, um vom Weibe die unw ürdige un d unw ahre Auffassung seiner N atu r d urch das H eidenthum hinweg zu nehmen u n d so eine c h r i s t l i c h e W iederherstellung des Weibes, eine Lösung der F ra u e n frage im c h r i s t l i c h e n Sinne herbeizuführen. Das Weib h a t seine ebenbürtige Stellung als R epräsentantin des sich u n te r o rd n e n d e n Momentes neben dem Manne als T räg er des sich ü b e r ordnenden Momentes. Beide Momente vervoll
ständigen den richtigen Begriff der Gesellschaft u nd des Geisteslebens, finden ihren sichtbaren A usdruck im M a n n e und im W e ib e , in denen die m ensch
liche N atu r ihre D arlegung u nd E ntfaltung findet.
Suchen wir n un die U n te ro r d n u n g des Weibes nach verschiedenen Ge
sichtspunkten zu begründen, wie sich uns dieselben eröffnen : 1) durch den P r o c e s s des persönlichen Geisteslebens, 2) durch den christlichen Begriff.
Beginnen wir damit, den substantiellen Geist in seinen Thätigkeiten zu analysiren. — Der Geist ist t.hätig in E r k e n n t n i s s u nd W il le und zwrar
P h i l o s o p h i s c h e r S p r e c h s a a l . 343 I o in der Erkenntniss : a) als E rk en n en au f G rund eigener Einsicht, als „wissen“
und b) als E rkennen auf G rund des vorausgellenden „wissen“ eines Andern, d. i. als „glauben“, 2° als Wille a) welcher dem Willen eines Andern sich ü b e r ordnet, als „G esetz“, b) als Wille, sich dem Willen eines Andern u n te r z u o rd n e n , w orunter wir die freie Einwilligung im „G ehorsam “ verstehen. N achdem nun, wie eingangs bem erkt, alle Gesellschaft auf einem Sich-ü b e r ordnen und einem Sich-un t e r ordnen beruht, sich ü b e r o r d n e n un d sich u n te r o r d n e n im Leben des G e i s t e s stattfindet, so bildet der persönliche Geist in der zweifachen Be
t ä t i g u n g seiner Vermögen unzw eifelhaft G e s e l l s c h a f t . Der persönliche Geist e r k e n n t und er g l a u b t seiner E rkenntniss, oder er g laubt ih r n i c h t . Er w i l l u nd er willigt ein in sein Wollen, oder versagt die Einwilligung. Dies er
fahren war an uns selbst. Wir erkennen Etw as un d glauben in dem Fall unserer E rkenntniss, oder war bezweifeln ihre Richtigkeit. Wir wollen Etw as und zu
gleich ist Etw as in uns, das diesem Wollen zustim m t, oder sich ablehnend gegen dasselbe verhält. Diese T hatsache t r it t einer aufm erksam en Beobachtung unseres eigenen Geisteslebens m it Evidenz entgegen.
Liegt aber die Bildung einer Gesellschaft im W e s e n des persönlichen Geistes, dann fo rd ert die Consequenz, dass nicht n u r der menschlich-persönliche Geist, sondern auch der englische, und endlich das Urbild des menschlichen u n d des englischen persönlichen Geistes, d. i. der persönliche Geist G ottes selbst Gesellschaft bilde. Gesellschaftsbildung im persönlichen Geiste G ottes w ürde indes einen Dualismus des Lebens voraussetzen, der im W iderspruch steh t mit d e r U n e n d l i c h k e i t , m it der E w i g k e i t und E i n f a c h h e i t Gottes. Denn obgleich auch im göttlich - persönlichen Geiste Initiative u n d A usführung zu suchen, insofern das Eine und das Andere das W e s e n des Geistes ausm achen, so findet doch im g ö t t l i c h persönlichen Geiste nicht ein P r o c e s s des Lebens statt, wde im creatürlich, endlich persönlichen Geiste. B rau ch t doch das, was in der W irkung liegt, nicht f o r m a l i t e r in der Ursache zu liegen, sondern kann un d ist bei G ott v ir tu a lite r und e m in e n te r vorhanden. N ur in diesem V o r h a n d e n s e i n k an n G ott als persönlicher Geist Urbild des unleugbar d u a l i s t i s c h e n Lebens des creatürlichen persönlichen Geistes sein. Denn obgleich in dem u n e r s c h a f f e n e n , e w ig e n persönlichen Geiste G ottes die Momente des Lebens n ich t auseinander fallen, sich n ich t folgen, eben weil sie e w ig sind, sind Initiative u nd A usführung r e a lite r im Act, d. h. welchen G ott selbst sich gesetzt, begrifflich in G ott zu unterscheiden. D arnach dürfte das creatürlich dualistische Leben berechtigt sein, sein Urbild im g ö t t l i c h persönlichen Geiste zu suchen.
Nach aussen offenbart sich das Leben des g ö t t l i c h persönlichen Geistes in der Unfähigkeit, ein weiteres E lem ent in seinen B estand aufzunehm en, denn ausserhalb G ottes ex istirt ein Elem ent n i c h t , durch dessen Aufnahme das Leben Gottes sich erw eitern könnte. G ott kann nach aussen n u r Leben g e b e n d sein, so dass ein Leben ausser ihm zur Existenz gelangen kann d u rch Ihn,
weil dasselbe allein in Ihm ist.
Da die intellective Seele, der Geist, F orm alprincip des Leibes, u n d so der Leib Versinnlichung, Abspiegelung des Geistes und seines Lebens ist, so findet das Leben des Geistes, welches die Psychologie als ein dualistisches, sociales, als eine innere Gesellschaft von i n i t i a t i v e r n nd receptiv e x e c u t i v e ! · Thätig-
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keit erweist, ihre Repräsentanz auf dem sinnlichem, d. i. auf dem leiblichen Gebiete durch die Zweiheit der Geschlechter. Geistig und leiblich kündigt sich ein Wirken und ein Mit- — sage Dazuwirken an. So müssen denn auch wie im Geistesleben das initiative Wirken und das executive Mit-und Dazuwirken, d. i. die männliche und die weibliche Thätigkeit, als die beiden Momente des einen Geisteslebens, auch die sinnlichen Repräsentanten dieses geistigen Dualis
mus, Mann und Wei b, sich vollkräftig und ebenbürtig gegenüber stehen.
Suchen wir weitere Beweise, dass die Geschlechter Abspiegelung sind des.
dualistischen Geisteslebens, indem wir zeigen, wie Erzeugung und Geburt auf dem Gebiete des Geisteslebens stattfinden. Der initiative Gedanke ist p er se Erzeuger. Das Eingehen aber in den initiativen Gedanken und in ein initiatives Wollen wird zur Geburt dieses Gedankens und dieses Wollens, d. i. zur Verwirk
lichung.
Wie der Leib als solcher auch insofern Abspiegelung des Geistes ist, als sein Leben einerseits auf dem Haupte, andererseits auf dem Herzen beruht, so dass, wenn das Haupt vom Leibe getrennt, das Herz zum Stillstand gebracht, in dem einen und dem anderen Fall sein Leben erlischt, so ist auch das Leben des Geistes zweifach bedingt: durch sein nach a u s s e n und durch sein nach i nne n gerichtetes Leben. Indem so jede der beiden unterschiedenen Thätig- keiten des Geistes Bedingung dessen Lebens ist, sind sie nothwendig wie gleich-
werthig, so gleichkräftig und einander ebenbürtig.
Mathilde v. H . (Fortsetzung folgt.)