Risiko:dialog – Vortragsreihe 2012/13
„Mut zur Nachhaltigkeit“
Kommunalkredit
Türkenstraße 9, 1090 Wien 15. November 2012
Soziale Innovationen für die nachhaltige Entwicklung Das Konzept und praktische Beispiele
Josef Hochgerner
Zentrum für Soziale Innovation
Raumfahrt erfordert nicht nur eine Vielzahl von Innovationen.
» » » sondern die Existenz eines sozio-technischen Systems und einer spezifischen Innovationskultur
Innovationen eröffnen neue Handlungschancen ...
Erdaufgang aus dem Mond- orbit, 24. Dezember 1968
„Mondspaziergang“, 21 Juli 1969
Wenn die Flut an Innovationen steigt ...
... mit Nebenwirkungen, z.B. Klimawandel:
... und manchmal spektakuläre Erfolge:
„Sputnik shock“ und die folgende Vision der USA
Gesellschaftliche Entwicklung, Veränderungen und Krisen:
Welche Lösungen für soziale Fragen?
Evolution des Gehirns
Innovative Technologien
Warum SOZIALE Innovationen ?
Soziale Innovationen
Kooperative Intelligenz
& intelligente Kooperation>> Kulturelle Evolution
Die Industriegesellschaft
hat die Welt verändert, über die Wirtschaft hinaus:
Kultur, Natur und Lebensgrundlagen
Gestaltungsmacht für Jahrhunderte
Innovationen sind „Veränderungen oder Neuheiten in Ritualen, Praktiken, Bräuchen, Benehmen und Moral.“
Horace Kallen, 1949: Innovation, in: Encyklopedia of the Social Sciences; Vol. 8; pp. 58ff. [Übersetzt J.H.]
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„Innovation ist nicht nur ein wirtschaftlicher Mechanismus oder ein technischer Prozeß.
Sie ist vor allem ein soziales Phänomen, in dem die Kreativität von Einzelpersonen und Gesellschaften, ihre Bedürfnisse oder Wünsche zum Ausdruck kommen.
Von daher sind Zweckbestimmung, Folgen und Rahmenbedingungen der Innovation eng mit dem sozialen Klima verknüpft, in dem sie entsteht.“
Europäische Kommission, 1995: Grünbuch zur Innovation
http://europa.eu/documents/comm/green_papers/pdf/com95_688_de.pdf
Innovationsverständnis
ALLE INNOVATIONEN SIND SOZIAL RELEVANT
Vergleich der ‘neuen Kombinationen’ nach Schumpeter
mit ‘Grundtypen von Innovationen’
nach dem aktuellen Oslo Manual
… und
Grundtypen von sozialen Innovationen
Neue Kombinationen von Produktionsfaktoren (SCHUMPETER 1912)
Innovationen im Unternehmenssektor (OECD/EUROSTAT 2005,
‘Oslo Manual’)
Neue Kombinationen von sozialen Praktiken: soziale Innovationen in Form von …
Neue od. bessere Produkte Produktinnovationen Rollen
Neue Produktionsmethoden Prozessinnovationen Beziehungen Eroberung neuer Märkte Marketing Normen
Reorganisation der
Marktposition Organisatorische Innovationen
Referenz- rahmen Neue Quellen von
Rohmaterial
100 Jahre Innovationstheorie und aktuelle Innovationsforschung
Eine analytische – nicht deskriptive –
Definition
*)... analog zu Schumpeter: Soziale Innovationen sind
»Neue Komb inatio nen vo n soziale n Prak tiken«
„Soziale Innovationen sind
neue soziale Praktiken zur Bewältigung sozialer Herausforderungen,
die von den betroffenen gesellschaftlichen Gruppen angenommen und genutzt werden“
*)Zentrum für Soziale Innovation, 2012:
„Alle Innovationen sind sozial relevant“, ZSI-Discussion Paper 13, S. 2.
Teilbereich der sozialen
Entwicklung
Beispiele sozialer Innovationen Alt / historisch
früher Neu / aktuell / künftig
Wisenschaft und (Weiter-) Bildung Wirtschaft, Arbeit / Beschäftigung
Technologien, Maschinen
Demokratie und Politik
Sozialsysteme, Gesundheit
Universitäten;
Schulpflicht; diverse pädagogische Konzepte (R. Steiner, M.
Montessori ...)
Gewerkschaften;
Kammern (Wirtschaft, Arbeit); Taylorismus;
Fordismus;
Selbstbedienung …
Normen und Standardisierung;
Technisierung im
Haushalt; Verkehrsregeln;
Führerschein …
Attische Demokratie;
Staat als juristische Person; Wahlmodi …
Sozialversicherung;
Renten-versicherung;
Wohlfahrtsstaat …
Technology enhanced learning; ‘micro-learning’, Web 2.0; Wikipedia;
‘science mode 2’
Arbeitszeitkonten;
Gruppen-arbeit; open innovation; CSR; social entrepreneurship;
diversity mgmt.
Open source Bewegung; Selbst- baugruppen
Sonnenkollektoren;
dezentralisierte Energieproduktion
BürgerInnenbeteiligung;
‘Dirtter Sektor’; multi- level governance
Neue
Finanzierungsmodelle und Zugangsregeln (ev.
‘Geburtsrechte’)
Der „4-i Prozess“:
– Idee >> Was ist das Problem, was die mögliche Lösung?
– Intervention >> Konzept entwickeln, Methoden, Unterstützung
– Implementierung >> Widerstände überwinden, Lebenszyklus beachten
– Impact >> Nicht normativ ‚gut‘ – Zielgruppen, Zeit, direkt/indirekt
Idee Intervention Implementierung Auswirkungen
Soziale Innovationen: Prozesse von Ideen zur Wirkung
Drei Perspektiven zur Analyse von Zielen und Wirkungen:
Unmittelbarer sozialer Bedarf (‚social demand perspective‘)
Gesellschaftliche Herausforderungen (‚societal challenges perspective‘)
Systemwandel (‚systemic change perspective‘)
Agnès Hubert et al. (BEPA – Bureau of European Policy Advisors), 2010:
„Empowering people – driving change. Social Innovation in the European Union“
http://ec.europa.eu/bepa/pdf/publications_pdf/social_innovation.pdf
Mehr Information über Soziale Innovation: www.zsi.at/dp Ergebnisse der Konferenz „Challenge Social Innovation“,
19.-21. September 2011, Wien:
o Vienna Declaration on the Most Relevant Topics in Social Innovation Research o Video „Schumpeter Adopts Social Innovation“:
www.socialinnovation2011.eu
o Buchpublikation:
H.-W. Franz, J. Hochgerner, J. Howaldt, eds., 2012: Challenge Social Innovation. Potentials for Business, Social Entrepreneurship, Welfare and Civil Society.Berlin-Heidelberg: Springer.
Studium „M.A. in Social Innovation“ ab Studienjahr 2012/2013:
Donau Universität Krems, in Kooperation mit ZSI
www.donau-uni.ac.at/masi
Die berühmteste aller Dampfmaschinen: Optimiertdurch James watt, 1776Menschen nach Maß: Optimierungim 21. Jahrhdt. ? „Schöne neue Arbeits- und Lebenswelt“: Optimierung des menschlichen Verhaltens und von Sozialsystemen
WARUM SOZIALE INNOVATIONEN JETZT ?
Innovationen sind Teil des sozialen Wandels
Ein dominantes Wirtschaftssystem, keine vergleichbaren globalen Sozialstrukturen
Stress in sozialen Systemen
GLOBALE WIRTSCHAFT OHNE WELTGESELLSCHAFT
DIE DOMINANZ DER ÖKONOMIE ÜBER DAS SOZIALE
Wirtschaft
Frage 2012: ... gibt es [soziale] Innovationen zur Integration von Wirtschaft in Gesellschaft ? Gesellschaft
Gesellschaft
Wirtschaft
Das „System der Marktwirtschaft“
behandelt die
„Gesellschaft als Anhängsel des Marktes.“
S. 88*)
*) Karl Polanyi, 1978 [original: 1944]:
The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp
Große Teile der Wirtschaft werden von der Gesellschaft abgekoppelt Anonym agierende Märkte bestimmen gesellschaftliche Verhältnisse – ökonomische Regeln wirken als ‘Sachzwänge’ gegenüber der Gesellschaft.
Stress in sozialen Systemen
Index of productivity 1959 until 2005 (USA) (1959=100)
Index of hourly compensation of production workers and non-supervisory workers
U.S. Data, Source:
Economic Policy Institute
, PRODUKTIVITÄT STEIGT, ARBEITSLÖHNE STAGNIEREN
Ende des ‘goldenen Zeitalters des Kapitalismus’ (1)
Stress in sozialen Systemen
Ende des ‘goldenen Zeitalters des Kapitalismus’ (2)
Stress in sozialen Systemen
Quelle: Stockhammer et al. 1995
BIP: Brutto-Inlands-Produkt * ISEW: Index of Sustainable Economic Welfare
Reicher werdende Gesellschaften erleben
„relativen Wohlstandsverlust“
Ende des ‘goldenen Zeitalters des Kapitalismus’ (3)
Stress in sozialen Systemen
Geldvermögen, Wirtschaftsleistung, Zinsen
1950 - 2010
Stress in sozialen Systemen
“Lassen Sie Ihr Geld arbeiten!” – Geld machen?
„Financialization“ is defined as
a „pattern of accumulation in which profit making occurs increasingly through financial channels
rather than through trade and commodity production“
Krippner, Greta R., 2004: ‘What is Financialization?’; mimeo, UCLA Department of Sociology, p. 14.
*) F.-J. Radermacher, 2010: Die Zukunft unserer Welt. Navigieren in schwierigem Gelände.
Essen: Edition Stifterverband der Deutschen Wirtschaft
Finanzialisierung
**)vermindert verfügbare Resourcen
**) Geldgewinne ohne Mehrwert in der Realwirtschaft
Cf. T. I. Palley, 2007: Financialisation. What it is and why it matters. www.levyinstitute.org/pubs/wp_525.pdf
„Das Problem hinter den Problemen“ *)
... bloß eine kleine Fehleinstellung am Projektor?
Innovationen in der Ökonomie für Nachhaltigkeit
o Bevorzugte Behandlung von Produktions- und Dienstleistungssektoren gegenüber kritischen Teilen der Finanzindustrie (organisatorische Trennung)
o Verbot von Spekulation auf Lebensmittel, Besteuerung von Finanztransaktionen o Globaler Marshallplan (www.globalmarshallplan.org)
o Innovative Arbeitsmarktpolitik (z.B. Territoriale Beschäftigungspakte: www.pakte.at) o Gleichwertige Prinzipien: Ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit
Innovative Technologien für Nachhaltigkeit
o Leitprinzip „Energie für alle“ auf Grundlage von erneuerbaren Energiequellen statt Fixierung auf Emissionsreduktion – Vermeidung von ‚lock-in Situationen‘, „The Hartwell Paper“, 2010:
http://www2.lse.ac.uk/researchAndExpertise/units/mackinder/theHartwellPaper/Home.aspx
o Dezentrale Produktion, regionale Ver- und Entsorgung ( ... „verteilte Innovationen“)
ABLÖSUNG WIRTSCHAFTLICHER SACHZWANGLOGIK DURCH ZIELE SOZIALER ENTWICKLUNG
“Überflussmanagement”
Gesellschaftliche Prioritäten: Soziale Werte und ökonomische Wertschöpfung
Veränderte Innovationskultur schafft neue Referenzrahmen für soziales Handeln
Systemische soziale Innovation: Geld als reines Tauschmittel
Ausgangspunkte:
• Geld = konstitutiv für Beteiligung an Wirtschaft und Konsum
• Soziologisch: Geld als Kommunikationsmittel (Luhmann) erleichtert Tausch
• Finanzwirtschaftlich: Geld fungiert auch als Ware (Zins = Preis für Tausch)
• Alternative: Geld ohne Zins = Gutschein (möglich mit ‚Negativzins‘, Rücktauschgebühr oder Umlaufsicherung)
Beispiel: „Waldviertler“ (Regionalwährung)
• Komplementäres Gutscheinsystem, genutzt von KonsumentInnen und Produktionsbetrieben
• Umrechnung 1 Euro = 1 WV, 2% Umlaufsicherung pro Quartal → regulierte Wertabnahme erhöht Umlaufgeschwindigkeit, Konsumteilnahme, Produktion
• Stakeholder: Verein, Gemeinden, Unternehmen, Betriebsseelsorge
• Ausgabestellen: Volksbank oberes Waldviertel, Volksbank Zwettl
Literatur: Kesselring et al., 2012: Solidarische Ökonomie als Feld sozialer Innovationen. www.zsi.at/attach/P13733- Endbericht___Solidarische_%C3%96konomie_als_Feld_sozialer_Innovation.pdf
Kennedy, Margrit, 2011: Occupy Money. Damit wir zukünftig ALLE die Gewinner sind. Bielefeld: Kamphausen
INNOVATIONEN FÜR NACHHALTIGE UND
SOZIAL INTEGRATIVE WIRTSCHAFT
Soziale Innovation:
Eine neue, gezielte und
erfolgreiche Lösung für ein soziales Problem
„Erfolgreich“ heißt: Die Lösung funktioniert, wird angenommen und findet Verbreitung.
Idee und (innovative) Intervention
Alt Neu
Soziales Problem
Armut, Ausgrenzung
aus Konsum
Alt
Innovation Neu
Kein Einkommen Obdachlosigkeit
„Working poor“
Arm neben Reich
Private Spenden Sozialhilfe, karita- tive Unterstützung
Private Spenden Sozialhilfe, karita- tive Unterstützung
Beschäftigung im
„2. Arbeitsmarkt“
Grundeinkommen
Konsumbeteiligung
„Prosumerismus“
„Collab. Consumption“
SOZIALE INNOVATIONEN IM KONSUM
„INTEGRATIVE KONSUMBETEILIGUNG“
Das Beispiel „Zukunft für alle“ in Kapfenberg
• Projekt der Stadt seit 2006: Idee = Hilfe ohne Stigmatisierung
• Armut nicht rein einkommensbestimmt („soziale Ausgrenzung“)
• „AktivCard“ seit Anfang 2008 ► Ermäßigte Angebote für
Kultur und Sportveranstaltungen und Benützung von Sportstätten
Angebote des ISGS (Integrierter Sozial- und Gesundheitssprengel)
Transporte (Busverkehr)
Lebensmitteleinkauf
Kein Sozialmarkt (SOMA), der Reste und beschädigte Ware anbietet
Normaler Supermarkt einer Kette („Nah & Frisch“), jedoch betrieben von sozialem Trägerverein (pro mente Steiermark), Stadtgemeinde subventioniert
Je nach (Minder-)Einkommen gestaffelt kann mit der AktivCard bis zu 60% begünstigt eingekauft werden – Zahlung mit Chipkarte wie „normale“ Kunden
www.kapfenberg.at/system/web/sonderseite.aspx?
menuonr=220447074&detailonr=220447074
Beispiel Nagykaniza (HU) – „Social housing reconstruction camp“ (zivilgesellschaftliche Initiative) Idee >> Soziale Ausgrenzung, drohende Obdachlosigkeit
Intervention >> Anrechnung von Arbeitszeit für nachhaltige Renovierung auf Mietrückstände Implementierung >> Verträge, Koordination der Studierenden, Bewohner, Professionisten ...
Impact >> Bessere Wohnungen; Nachhaltigkeit sozial: Empowerment, ökologisch: Wärmedämmung etc., wirtschaftlich: reduzierte Energiekosten, Wertsteigerung
Information: www.sozialmarie.org
• Open Innovation integriert systematisch Wissen und Aktivitäten von KundInnen in verschiedenen Phasen des Innovationsprozesses
• Kunden erbringen einen Teil der Wertschöpfung im Innovationsprozess
• Anwendung auch in “Mass Customisation” – Prozessen (Anpassung von Massenprodukten an Wünsche der KonsumentInnen)
• Hersteller und Kunden generieren gemeinschaftlich Innovationen
• KonsumentInnen bekommen soziale Anerkennung (“Community”)
• KonsumentInnen profitieren selbst von neuen Produkten (ungestilltes Bedürfnis)
• KonsumentInnen erhalten materielle oder ideelle Entlohnung/Belohnung
Vgl: Ralf Reichwald, Frank Piller, 2009: Interaktive Wertschöpfung. Open Innovation, Individualisierung und neue Formen der Arbeitsteilung. Wiesbaden: Gabler.
http://www.open-innovation.com/iws/buch.html
DAS KONZEPT „OPEN INNOVATION“
KONSUMENTiNNEN INTEGRIERT IN PRODUKTION
Quelle: „Gesellschaftliches Lernen und Nachhaltigkeit“: http://www.gelena.uni- oldenburg.de/info_inno.html
„INNOvating through COnsumer-integrated Product dEvelopment“
KONSUMENTiNNEN INTEGRIERT IN PRODUKTION
Vorbild Threadless: www.threadless.com
• Gegründet im Jahr 2000 in Chicago
• Ca. 20 Mitarbeiter
• 50.000 T-Shirts pro Monat
• Kunden (ca. 150.000) … – designen T-Shirts
– screenen und bewerten neue Entwürfe
– übernehmen Marktrisiko (Kaufverpflichtung) – Kunden sind Models, machen Werbung etc.
Vergütung:
BEISPIEL: T-SHIRT DESIGN, PRODUKTION, MARKETING
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mieren!«
Collaborative Consumption | KoKonsum
Tauschhandel: Verleihen/Verschenken/Mieten von Gegenständen, Räumen und Kenntnissen
http://81.246.16.10/videos/publications/collaborative_services.pdf
et alii
Univ. Prof. Dr. Josef Hochgerner Zentrum für Soziale Innovation Linke Wienzeile 246 A - 1150 Wien
Tel. ++43.1.4950442 Fax. ++43.1.4950442-40 email: hochgerner@zsi.at www.zsi.at