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Svenia Schneider. Blob-Architektur für das 21. Jahrhundert

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Blob-Architektur

für das 21. Jahrhundert

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Blob-Architektur für das 21. Jahrhundert.

Neues Paradigma oder Relaunch einer ehrwürdigen Tradition?

Tectum Verlag

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Svenia Schneider

Blob-Architektur für das 21. Jahrhundert. Neues Paradigma oder Relaunch einer ehrwürdigen Tradition?.

Zugl. Diss., Universität Leipzig 2010

Umschlagabbildung: © PhotoStocker | shutterstock.com Umschlaggestaltung: Heike Amthor | Tectum Verlag

” Tectum Verlag Marburg, 2012 ISBN 978-3-8288-5750-6

(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Buch unter der ISBN 978-3-8288-2951-0 im Tectum Verlag erschienen.)

Besuchen Sie uns im Internet www.tectum-verlag.de

www.facebook.com/tectum.verlag

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

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1 Einleitung ... 11

1.1 Einführung in den Kontext ... 11

1.2 Fragestellung und Zielsetzung ... 12

1.3 Methodisches Vorgehen ... 14

1.4 Forschungsstand und Literaturlage ... 17

2 Biomorphe Form – amorpher Rhythmus: ‚Blob’-Architektur zwischen 1995 und 2005 ... 27

2.1 Architektur in Bewegung ... 35

2.1.1 In bester Gesellschaft: Die Architekturobjekte im Restaurant ‚Le Georges’ des Centre Pompidou in Paris | Jakob & McFarlane ... 35

2.1.2 ,Berliner Pferdekopf’: Der Konferenzsaal im Gebäude der DZ Bank Berlin| Frank O. Gehry .... 43

2.1.3 Musikalische Erdnuss: Das Poppodium MeZZ in Breda | Erick van Egeraat ... 49

2.1.4 Beispielhaft biomorph: Das Kunsthaus Graz | Peter Cook und Colin Fournier ... 58

2.2 Vielfalt in Form und Konstruktion? ... 68

2.2.1 Formspiele – Formsprache ... 68

2.2.1.1 Blobjects ... 72

2.2.2 Computersoftware im Arbeitsprozess... 74

2.2.3 ,Skelett’ und ,Skin’ ... 77

2.2.4 Raumbezüge und Bewegungselemente ... 82

2.2.5 Motivationen... 85

2.2.5.1 Architekturikonen ... 87

3 Die digitale Revolution in der Architektur ... 95

3.1 Digitale Grundlagen der Architekturgestaltung ... 97

3.1.1 3D-Software – skulpturales Werkzeug des 21. Jahrhunderts ... 97

3.1.2 Digitale Formfindung ... 100

3.2 Digitale Experimente mit bewegter Form ... 104

(7)

3.2.1 BLOB – Binary Large Object ... 104

3.2.2 Das Konzept der ,Animate Form’... 110

3.2.3 ,Blobs’ als Teil der ‚Animate Form’ ... 114

3.2.4 Die Korean Presbyterian Church New York ... 119

3.3 Die Erweiterung organischer Architekturkonzepte im digitalen Kontext ... 121

4 Zwischenstand ... 133

5 Die skulpturalen Formen in der Architektur des 20. Jahrhunderts als formale und konstruktive Vorläufer der ,Blob’-Architektur ... 141

5.1 Begriffsverständis skulpturaler Architektur ... 141

5.2 Historischer Überblick: skulpturale Architektur im 20. Jahrhundert und ihre Vorläufer ... 152

5.2.1 Vorgeschichte ... 152

5.2.2 Das plastische 20. Jahrhundert ... 154

5.2.2.1 Tendenzen I – Architekturphantasien ... 184

5.2.2.1.1 Hermann Finsterlin ... 185

5.2.2.1.2 Friedrich Kiesler’s ,Endless House’ ... 187

5.2.2.1.3 Archigram ... 191

5.2.2.1.4 Architekturphantasien der Jahrtausendwende ... 194

5.2.2.2 Tendenzen II – Kunststoffhäuser... 197

5.2.3 ,Blob’ contra Box? ... 201

5.3 Schnecken, Muscheln und Segel – die skulpturale Geste in der Architektur von den Anfängen des Jahrhunderts zur ,Blob’- Architektur der Jahrtausendwende ... 203

5.3.1 Gestaltungsprinzipien ... 204

5.3.1.1 Grundriss und Gestalt ... 205

5.3.1.2 Raumkonzept ... 208

5.3.2 Konstruktionsprinzipien ... 219

5.3.2.1 Entwicklung der Tragwerksformen ... 220

5.3.2.2 Baumaterialien... 225

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6 Architektur zwischen Modespiel

und Avantgardeträumen ... 229

7 Literaturverzeichnis ... 239

7.1 Quellen ... 239

7.2 Nachschlagewerke ... 239

7.3 Sekundärliteratur ... 240

8 Abbildungen ... 291

8.1 Bildtafeln ... 291

8.2 Bildnachweis ... 327

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Danksagung

Die vorliegende Arbeit wurde am 10. November 2010 an der Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften der Universität Leipzig als Dissertation verteidigt. Mein besonderer Dank gilt Professor Dr. Michae- la Marek, die meine Promotion vertrauensvoll begleitet und unterstützt hat und mir im Entstehungsprozess der Arbeit stets mit Rat und Tat zur Seite stand. Danken möchte ich außerdem Professor Dr. Burkhardt Pahl, der meine Arbeit als Zweitgutachter gelesen hat.

Mein weiterer Dank gilt außerdem allen Teilnehmerinnen des Magistranden und Doktorandenkolloquiums bei Prof. Dr. Michaela Marek am Institut für Kunstgeschichte der Universität Leipzig für freundlichen Rat und Kritik in zahlreichen Diskussionen. Danken möch- te ich außerdem Dr. Pamela Voigt, Katrin Bucher, Jule Schendler, Dr.

Philipp Geyer und Matthias Michel für ihre Gesprächsbereitschaft und die wertvollen Informationen.

Dankbar bin ich auch für den von der Universität Leipzig gewährten Doktorandenförderplatz, der es mir ermöglichte, mich intensiv der Ar- beit an meiner Dissertationsschrift zu widmen.

Mein besonderer Dank gilt darüber hinaus meinen Eltern und meinem privaten Umfeld, dessen vielfältige Unterstützung die Entstehung dieser Arbeit möglich gemacht hat.

Svenia Schneider Februar 2012

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1 Einleitung

1.1 Einführung in den Kontext

Die Informationstechnologie prägt unseren Alltag wie kaum eine andere Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten. Die Digitalisierung schafft nicht nur neue Industriezweige und lässt andere verschwinden, sondern sie verändert ebenso bestehende Arbeits- und Produktionspro- zesse grundlegend. Der Wandel von einer mechanischen zu einer digita- len Gesellschaft vollzog sich so schnell und ist so tief greifend, dass man von einer IT-Revolution spricht. Auch die Architektur als Teil der Ge- sellschaft nimmt diese Veränderungen auf und wandelt sich unter den Einflüssen der Digitalisierung. Einige Architekturtheoretiker sprechen in diesem Zusammenhang von einem Paradigmenwechsel vergleichbar den Veränderungen, die die Einflüsse der Industrialisierung auf die Architektur mit sich brachten.1 So finden sich seit rund einem Jahrzehnt ungewöhnliche Bauwerke an verschiedenen Orten dieser Welt, die in erster Linie durch ihre extravagante, durchaus als futuristisch zu be- schreibende und fremdartige Form auffallen. Voraussetzungen für das Entstehen dieser Formen und Bauten, die häufig an natürliche Formen erinnern und schnell unterschiedliche Assoziationen provozieren, sind die Anwendung verschiedenster Software und das Potential der Hoch- leistungsrechner.

Konventionelle CAD-Software wird schon seit den 1980er Jahren im architektonischen Bereich als zusätzliches Hilfsmittel verwendet. Seit einigen Jahren jedoch finden Designprogramme aus dem Animations- und Computerspielbereich Anwendung in der Architektur. Diese wer- den als Modellierungssoftware zur Entwicklung und Optimierung der Form eines Bauwerks im Arbeitsprozess eingesetzt und ermöglichen es, Formen aus dem Bereich der topologischen Geometrie zu bearbeiten, deren Kennzeichen eine nicht-orthogonale Oberfläche ist. Um die Jahr- tausendwende gab es noch wenige Architekten, die diese digitalen Mög- lichkeiten voll ausschöpften und den Computer vom ersten bis zum letzten Schritt in den Arbeitsprozess einbezogen oder ausschließlich verwendeten. Es finden sich jedoch seit Mitte der 1990er Jahre zuneh-

1 Vgl. beispielsweise Jencks, Charles: The New Paradigm in Architecture, in:

Architectural Review, 2/2003, S.72-77, Schumacher, Patrick: We think this is a new paradigma for designing, in: Architects’ Journal, 21.12.2006, S.40-45, Capro, Mario: Post-Hype Digital Architecture_From Irrational Exuberance to Irrational Despondency, in: Grey Room, 14, Winter 2004, S.102-115.

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mend Bauwerke oder Objekte, deren Architekten in der einen oder ande- ren Weise von dieser Software Gebrauch gemacht haben. Die entstande- nen Bauwerke machen durch eine Formgebung und eine Materialver- wendung auf sich aufmerksam, die sie von der übrigen Umgebung deut- lich abhebt, sodass man fast geneigt ist, von einem entstehenden ‚Com- puter-Stil’ zu sprechen. Meist handelt es sich um Solitäre in Form öffent- licher Gebäude wie Museen, Kaufhäuser oder Bürotürme großer Unter- nehmen, die sich den Luxus eines außergewöhnlichen Baus gewisserma- ßen als Markenzeichen leisten. In Anbetracht dessen schreibt Marcus Fairs: „The start of the twenty-first-century will go down in history as the era of the iconic building“.2 Die Bauwerke an sich und auch der Kreis der Ar- chitekturbüros, die über die notwendige Infrastruktur verfügen, solch spektakuläre und skulpturale Bauwerke umzusetzen, bleiben trotz allem jedoch überschaubar. Viele dieser Bauwerke finden heute unter dem plakativen Titel ‚Neue Biomorphe Architektur’ den Weg ins öffentliche Bewusstsein. Die Architektur, die ihre Gestalt dem Einsatz digitaler Hilfsmittel verdankt, lässt sich allgemein als ‚Digitale Architektur’ kate- gorisieren. Die Dissertation beschäftigt sich mit einer besonderen Form

‚Digitaler Architektur’, die als ‚Blob’-Architektur bezeichnet werden kann.

1.2 Fragestellung und Zielsetzung

Die Dissertation stellt ‚Blob’-Architektur, als besondere Ausprägung

‚Digitaler Architektur’, in den Mittelpunkt ihres Forschungsinteresses.

Da es heute möglich ist, nahezu jede ungewöhnliche, ‚weiche’ und amorphe Architektur als ‚Blob’-Architektur zu bezeichnen, gilt es zu- nächst die Frage zu klären, was tatsächlich unter ‚Blob’ und ‚Blob’- Architektur verstanden werden kann. Es wird diskutiert, wo der Begriff

‚Blob’ seine Wurzeln hat, in welchem Kontext er geprägt wurde, wie es zu seiner Anwendung im architektonischen Bereich kam und mit wel- chen Inhalten er jeweils gefüllt ist.

Die Arbeit geht dabei davon aus, dass die Bezeichnung ‚Blob’ in einem klar eingegrenzten experimentellen und virtuellen Kontext geprägt wur- de und von dort ausgehend, von den eigentlichen Inhalten befreit, als Sammelbegriff auf jedwede ,runde’ Architektur übertragen wurde und somit heute inhaltlich losgelöst vom ursprünglichen Kontext verwendet

2 Fairs, Marcus: Twenty-First Century Design. New Design Icons. From Mass Market to Avant-Garde, London 2006, S.14.

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wird. Sie geht des Weiteren davon aus, dass es sich bei den allgemein als

‚Blob’ bezeichneten Bauten um ‚modische Blobs’ handelt, die nicht zwingend im Sinne der ursprünglichen Idee entwickelt wurden.

‚Blob’-Architektur wird häufig als mit der Vergangenheit brechende Architekturströmung dargestellt. In diesem Argumentationskontext wird sowohl explizit als auch zwischen den Zeilen von einem Paradig- menwechsel in der Architektur, fußend auf der durch die digitale Tech- nik möglich gewordenen Loslösung vom euklidischen Grundmuster, gesprochen. Dieser Gedanke ist auf den ersten Blick durchaus nachzu- vollziehen. Es muss jedoch die Frage gestellt werden, ob in Hinblick auf Form und Konstruktion sowie in Hinblick auf Raum- und Bewegungs- konzepte tatsächlich von einem Paradigmenwechsel gesprochen werden kann, oder ob es sich hierbei nicht in erster Linie um die Erweiterung der gestalterischen Möglichkeiten mit den Mitteln der digitalen Entwurfs- software handelt.

Ich gehe in meiner Arbeit von der Hypothese aus, dass der Paradig- menwechsel in Hinblick auf gebaute Architektur nicht vollzogen wurde, sondern dass wir es vielmehr mit der Erweiterung der Möglichkeiten in Hinblick auf die Realisierungsoptionen (Entwurfs- und Produktionsmit- tel) zu tun haben. Von einem radikalen Wandel kann in Bezug auf die Experimente einer sehr innovativen und agilen, jedoch überschaubaren Avantgarde gesprochen werden, wobei diese Veränderungen noch pri- mär im virtuellen Raum stattfinden. Die Arbeit fragt daher weiterge- hend, in Hinblick auf welche Aspekte bei realisierter Architektur tatsäch- lich von einem Paradigmenwechsel gesprochen werden kann.

Die gewählten Beispiele erscheinen in ihrer Formensprache zunächst so fremdartig, dass der Gedanke, es könnten sich historische Bezüge finden lassen, abwegig erscheint. Meine Arbeit geht jedoch davon aus, dass es sich bei der hier entwickelten Formsprache keineswegs um eine Errun- genschaft des digitalen Zeitalters und besonders originäre Formen han- delt, sondern vielmehr um eine Fortführung traditionsreicher Experi- mente mit bewegter Architekturform. So findet sich besonders zu Beginn und Mitte des 20. Jahrhunderts eine Vielzahl an Baubeispielen und Ent- würfen, in deren Tradition stehend die ‚Blob’-Bauten betrachtet werden können. Pahl spricht von der Kontinuität im Andersartigen, welche Architekturgeschichte ausmache und sich in der Veränderung von For-

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men, Ideen, Denkweisen, von Haltungen und Weltentwürfen ausdrü- cke.3

In diesem Zusammenhang erscheint es wesentlich, die ausgefallene Formensprache der ‚Blob’-Architektur nicht nur mit einem an der Archi- tektur des 20. Jahrhunderts geschulten Blick zu betrachten und zu beur- teilen, sondern auch zu beachten, wie sich die technischen Möglichkeiten seit Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt haben. So formuliert Thom- sen zutreffend, dass sich alle neue Kunst an den vorhandenen Traditio- nen messen lassen, sich an ihnen oder gegen sie orientieren müsse. Einen ernstzunehmenden Anspruch darauf neu zu sein, dürfe sie erst anmel- den, wenn es ihr wirklich gelänge auf genuine Weise architektonische Sachverhalte wie Raum- und Zeiterfahrung, Formen, Materialien, Farben und anderes neu erlebbar zu machen, neu zu interpretieren.4

1.3 Methodisches Vorgehen

Die Dissertation beschäftigt sich mit einer Thematik, die noch kein etab- liertes Forschungsgebiet der Kunstgeschichte darstellt. Auch handelt es sich um kein historisch abgeschlossenes Arbeitsfeld. Die Digitalisierung der Architektur befindet sich im Gegenteil in einem Entwicklungspro- zess, sodass keine Beurteilung aus einer historischen Perspektive mög- lich ist. Die Unübersichtlichkeit und ständige Weiterentwicklung in diesem Bereich macht es zwingend notwendig, von einem möglichst kleinen, genau abgegrenzten Arbeitsfeld auszugehen. Dieses bildet die

‚Blob’-Architektur als greifbarer und identifizierbarer Teilkategorie. Um die dargelegten Thesen zu verifizieren ergibt sich folgendes methodi- sches Vorgehen.

Zunächst ist es notwendig eine konkrete Vorstellung von ‚Blob’- Architektur als dem im Mittelpunkt der Arbeit stehenden Forschungsob- jekt zu entwickeln. Dafür wurden für diese Arbeit Bauten ausgewählt, die zwischen 1995 und 2005 entstanden sind und allgemein als ‚Blob’- Architektur bezeichnet werden.5 Exemplarisch werden das Poppodium

3 Pahl, Jürgen: Architekturtheorie des 20. Jahrhunderts, München/London/New York 1999, S.40.

4 Thomsen, Christian W.: Architekturphantasien. Von Babylon bis zur Virtuellen Architektur, München 1994, S.171.

5 Vgl. beispielsweise Rosa, Jospeh: Next Generation Architecture. Contemporary Digital Experimentation and the Radical Avant-Garde, London 2003, S.28/29, Rosa, Joseph: Folds, Blobs and Boxes. Architecture in the Digital Era, The Heinz Architectural Center/Carnegie Museum of Art 2001, S.13/14 und S.34-36, Ca-

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MeZZ in Breda von Erick van Egeraat (2002), das Kunsthaus Graz von Peter Cook und Colin Fournier (2003), der Konferenzsaal der DZ-Bank in Berlin von Frank O. Gehry (2001) sowie das Restaurant ‚Le Georges’ im Centre Pompidou in Paris von Jakob & McFarlane (2000) vorgestellt und analysiert. Es handelt sich dabei um unterschiedliche Bauaufgaben von verschiedener Komplexität, die von unterschiedlichen Architekturbüros in unterschiedlichen europäischen Ländern umgesetzt wurden. Ausge- hend von den vier Beispielen, die zunächst in allen relevanten Punkten anschaulich gemacht werden, wird überprüft, in welcher formalen Be- ziehung die Bauten zueinander stehen und worauf sich diese gründet, welche Rolle der Computer bei der Umsetzung der Formen spielt, ob bei der Umsetzung der Freiformen in Hinblick auf die Konstruktion zu einer gleichen bzw. ähnlichen Strategie gegriffen wurde, ob ein vergleichbares Raum- und Funktionskonzept zu finden ist und welche Motivation in Hinblick auf die Wahl dieser Formensprache von Seiten der Architekten erkennbar ist.

Die kontextbezogene Analyse der konkreten Baubeispiele und die Aus- einandersetzung mit den digitalen Grundlagen und den Entwicklungen im Bereich der meist experimentellen Web-Architektur rund um die

‚Digitale Avantgarde’, insbesondere mit dem Konzept der ‚Animate Form’ und dem virtuellen ‚Blob’ und seiner Begrifflichkeit, mit dem Ziel die gegenseitigen Abhängigkeiten aufzuzeigen, ermöglicht es, das kom- plexe Netzwerk an Beziehungen zwischen ‚Blob’-Architektur und digita- len Formfindungskonzepten, in deren Mittelpunkt der virtuelle ‚Blob’

steht, aufzudecken, das Phänomen ‚Blob’ insgesamt transparent zu ma- chen, innerhalb der gegenwärtigen Entwicklungen in der Architektur zu verorten und ein differenziertes Bild des ‚Ist-Zustandes’ zu zeichnen. Es wird dadurch möglich die formulierte Annahme, es handle sich bei der chola Schmal, Peter (Hrsg.): Digital | real. Blobmeister. Erste gebaute Projekte, Ausst.kat., Basel/Boston/Berlin 2001, S.126-139, Downey, Claire: Reinventing the Pompidou Center`s top floor restaurant, in: Architectural Record, Septem- ber 2000, S.132/133, Assheuer, Thomas: Das Monster kommt näher, in: Die ZEIT, 30/2001, S.38. Zum Poppodium MeZZ beispielsweise Fairs 2006, S.61, Erven, René: Pop in blob, in: De Architect, November 2002, S.72/73, Gijssel van, Robert: Wankele tempels, in: De Volkskrant, 15. Maart 2007, Moosdijk van de, Bas: Over het vlak en het volume, in: Dax Magazine, November/Dezember 2005, S.10/11, Bokern, Anneke: Pop-Podium Mezz, in: Bauwelt, 14/2003, S.24/25. Zum Kunsthaus Graz beispielsweise Fairs 2006, S.18 und S.61, Aslop, Will: Archigram’s sweet revenge comes hurtling out of the sky, in: The Archi- tect’s Journal, 15.3.2003, S.28, Cachola Schmal, Peter: Archigram goes Bilbao, in:

Archithese, 6/2002, S. 47, Davey, Peter: Bling, Blobs and Burgeoning: Problems of Figure, in: The Architectural Review, März 2005, S.74.

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Bezeichnung ‚Blob’ um einen Sammelbegriff für ,runde’ und ‚weiche’

Architekturformen seit Mitte der 1990er Jahre, die nur in einem indirek- ten Zusammenhang mit dem begriffsprägenden Kontext stehen, zu bele- gen.

Um weitergehend die These zu verifizieren, dass sich bei ‚Blob’- Architektur in Hinblick auf zentrale Faktoren wie Form, Konstruktion sowie Raum- und Bewegungskonzept kein radikaler Wandel konstatie- ren lässt und somit nicht generalisierend von einem Paradigmenwechsel ausgegangen werden kann, und um daran anschließend die wesentliche Frage zu klären, in Hinblick auf welche Aspekte bei realisierter Architek- tur tatsächlich von einem solchen Wechsel gesprochen werden kann, werden die Ergebnisse der differenzierten Analyse sowohl der Bauwerke als auch der digitalen Grundlagen der Architekturgestaltung herangezo- gen und in Bezug zu historischen Beispielen gesetzt. Um diese verglei- chende Analyse durchführen zu können, ist es zunächst notwendig, einen konkreten Bezugsrahmen zu definieren und diesen in seinen we- sentlichen Eigenschaften zu veranschaulichen. Als historischer Bezugs- rahmen wird für die Arbeit skulpturale Architektur im 20. Jahrhundert gewählt. Um skulpturale Architektur transparent zu machen und Bezü- ge zwischen den beiden Kontexten herausarbeiten zu können, ergibt sich folgendes methodisches Vorgehen.

Zu Beginn steht die Diskussion von Begriff und Verständnis skulpturaler Architektur, um den theoretischen Rahmen der Untersuchung festzuste- cken und eine Vorstellung davon zu entwickeln, welche Auffassungen mit skulpturaler Architektur verknüpft sind, in welchem Kontext und mit welchen Hintergrund diese diskutiert wurde und wird und welche Charakteristika ihr zugesprochen werden. Daran schließt sich ein histo- rischer Überblick über die Entwicklung skulpturaler Architektur im 20.

Jahrhundert und die Debatte um dieselbe an, um darzulegen welche konkreten Bauwerke im 20. Jahrhundert als skulpturale Architektur gelten können und in welchem ideellen Kontext sie jeweils entstanden sind. Dies ermöglicht es zu zeigen, ob die Antriebskraft hinter den au- ßergewöhnlichen Bauten im 20. Jahrhundert und der ‚Blob’-Architektur als vergleichbar angesehen werden kann. Bauten, die für ihre Zeit als besonders richtungsweisend gelten können, wie der Einsteinturm in Potsdam von Erich Mendelsohn (1922), die Kapelle Notre-Dame-du- Haut de Ronchamp von Le Corbusier (1955) und das Guggenheim Mu- seum in Bilbao (1997) von Frank O. Gehry werden dabei herausgestellt und intensiver beleuchtet. Neben der Analyse der ideengeschichtlichen Seite liegt in Parallelität zur Untersuchung der ‚Blob’-Architektur, und um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten, ein Schwerpunkt auf der Auseinandersetzung mit den formalen und konstruktiven Aspekten der

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skulpturalen Architektur im 20. Jahrhundert. An dieser Stelle der Arbeit wird schließlich eine konkrete Rückbindung möglich: Nach der Interpre- tation der Beispiele skulpturaler Architektur im 20. Jahrhundert und der Beleuchtung des ideengeschichtlichen Kontextes können unter Einbezie- hung der Ergebnisse aus Kapitel 2 und 3 generalisierbare Gestaltungs- und Konstruktionsprinzipien abgeleitet werden und sowohl die These verifiziert werden, dass ‚Blob’-Architektur in einer Geschichte bewegter Architekturform stehend begriffen werden kann, als auch am Beispiel

‚Blob’-Architektur differenziert aufgezeigt werden, für welche Bereiche und in welchem Format sich, tatsächlich Veränderungen ergeben haben.

1.4 Forschungsstand und Literaturlage

Die gezielte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ‚Digitaler Archi- tektur’, und in diesem Rahmen mit ‚Blob’-Architektur, steht noch am Anfang. Wo die Betrachtung der technischen Aspekte schon etwas wei- ter vorangeschritten ist, fehlt vor allem die grundlegende und zielgerich- tete Auseinandersetzung mit den architekturtheoretischen und - historischen Fragekomplexen. So wurden als ‚Blob’ bezeichnete Bauwer- ke und Objekte bisher weder kontextbezogen analysiert noch ausrei- chend zueinander in Beziehung gesetzt. Weder wurden sie als eigen- ständige Gruppe innerhalb des Feldes ‚Digitaler Architektur’ wahrge- nommen noch wurden Kriterien erarbeitet, anhand derer sie sich qualifi- ziert von anderen Architekturformen abgrenzen ließen. Die Entwicklung von ersten experimentellen und digitalen ‚Blob’-Entwürfen hin zu ‚Blob’- Bauten wurde bisher nur ungenügend nachvollzogen und die Zusam- menhänge nicht kritisch beleuchtet, sodass auch die Verwendung des Begriffs ‚Blob’ für Bauwerke bisher nicht hinterfragt wurde.

Die Beschäftigung mit jungen architektonischen Ausdrucksformen er- zwingt den Blick in die Vergangenheit. In Hinblick auf ‚Blob’- Architektur jedoch wurde die Frage nach historischen Bezügen bisher nur angerissen und auch die Möglichkeit der Fortführung von Traditi- onslinien nicht grundlegend thematisiert. Aus den angesprochenen Punkten und der Tatsache heraus, „dass es für die Architektur heute keine Alternative zur Aufnahme der technologischen Potenziale in ihren Gehalt gibt“6, wird die Notwendigkeit der wissenschaftlichen Auseinanderset-

6 Gleiter, Jörg H.: Gebaute Räume. Zur kulturellen Formung von Raum und Stadt. Zur Rekonzeptualisierung des architektonischen Raumes im Zeitalter seiner Virtualisierung, in: Wolkenkuckucksheim. Internationale Zeitschrift für Theorie und Wissenschaft der Architektur 9. Jg, Heft 1, November 2004. Ab-

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zung mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Architektur, und in diesem Sinne exemplarisch mit ‚Blob’-Architektur als Architek- turströmung der Gegenwart, erkennbar.

Es existieren wenige Publikationen und Artikel, die sich explizit mit dem

‚Blob’ und ‚Blob’-Architektur befassen. Eine zentrale Quelle bilden die Veröffentlichungen des amerikanischen Architekten und Architektur- theoretikers Greg Lynn. In seiner Publikation ‚Animate Form’ befasst er sich ausführlich mit den Möglichkeiten des computergestützten Ent- wurfs, den technischen Details und beschreibt den ‚Blob’ als eine Ent- wurfsgrundlage. Der Schwerpunkt des Bandes liegt auf der Darstellung verschiedener Projekte auf Grundlage animierter Form.7 Bei ‚Folds, Bodies & Blobs’ handelt es sich um eine Sammlung von Essays, die sich teilweise sehr konkret mit dem virtuellen ‚Blob’ befassen, teilweise eine generelle Auseinandersetzung aus architekturtheoretischer Perspektive mit dem Medium Computer und den daraus resultierenden Verände- rungen darstellen.8

Zu den Studien, die sich dem Phänomen von kunst- und kulturhistori- scher Seite nähern, zählt die Publikation von John K. Waters.9 Waters befasst sich darin mit den weichen Formen im Industriedesign und in der Architektur und prägt dabei den Ausdruck ‚blobitecture’. Es gelingt im die Zusammenhänge zwischen Architektur und Design aufzuzeigen und wichtige Hintergrundinformationen zu geben, wenn auch seine Quellen häufig nur schwer nachzuvollziehen sind. Auch beschränkt er sich fast ausschließlich auf gegenwärtige Entwicklungen.

Daneben bieten vor allem die zu den Ausstellungen ‚Digital real: Erste gebaute Projekte’ des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main (2001) und ‚Folds, Blobs and Boxes. Architecture in the Digital Era’

im Heinz Architectural Center/Carnegie Museum of Art (2001) sowie

‚Architectures non standard’ im Centre Pompidou (2003) erschienenen Ausstellungskataloge einen ersten Überblick und eine Einführung.10 Die Kataloge stellen dabei in erster Linie eine Sammlung verschiedener zu

rufbar im Internet. URL:

http://www.tucottbus.de/BTU/Fak2/TheoArch/wolke/deu/Themen/041/

Gleiter/gleiter.htm (20.6.2008)

7 Lynn, Greg: Animate Form, New York 1999.

8 Lynn, Greg: Folds, Bodies & Blobs: Collected Essays, Brüssel 1998.

9 Waters, John K.: Waveform architecture and digital design, Gloucester 2003.

10 Cachola Schmal (Hrsg.) 2001, Rosa 2001 und Migayrou, Frédéric/Mennan, Zeynep (Hrsg.): Architectures non standard, Ausst.kat., Paris 2003.

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dieser Zeit besonders aktueller Projekte dar. Während Rosa in einem einführenden Essay versucht die historische Dimension der runden Formensprache aufzuzeigen, liegt der Schwerpunkt der Essays der Pub- likation des DAM primär auf der Analyse der durch die Digitalisierung hervorgebrachten Veränderungen der technischen Möglichkeiten im Bereich Architektur. Besonders zu erwähnen sind außerdem die Ausga- ben Arch+ 148 ‚Von der Box zum Blob und wieder zurück. Zum jüngsten Richtungsstreit in der Architektur’ (Oktober 1999) und Arch+ 159/160,

‚Formfindungen von biomorph bis technoform’ (Mai 2002).

In Arch+ 148 werden in Essays und Interviews sowie den vorgestellten Projekten die Kategorien ‚Blob’ und ‚Box’ in der Architektur untersucht.

Die Redakteure sprechen dabei von einem neuen Richtungsstreit, einer neuen Polarität in der zeitgenössischen Architektur und widmen sich in ihren Beiträgen davon ausgehend vor allem dem Thema Raum und dem Wandel des Raumkonzeptes im Digitalen Kontext. Arch+ 159/160 be- fasst sich mit der Frage der Formfindung in der Architektur und zeigt ausgehend von dem Begriff Biomorphismus und dem von den Redak- teuren deklarierten Trend zu weichen Formen in der Architektur ver- schiedene Wege der Formfindung auf. Dabei wird in den Essays neben der Diskussion der digitalen Möglichkeiten auch auf die historische Komponente der Suche nach ‚natürlichen’ Formen im Rahmen der Ar- chitekturgestaltung eingegangen.

In allgemeiner Hinsicht mit der Digitalisierung im Kontext der Architek- tur befassen sich wesentlich mehr Publikationen, zumeist Sammelbände, und eine Vielzahl von Zeitschriftenartikeln durchgehend in Architektur- zeitschriften. Diese sehr informativen Beiträge, in denen auch immer wieder der ‚Blob’ auftaucht, diskutieren nicht ausschließlich technische und praxisbezogene Aspekte, sondern es wird teilweise auch versucht die technischen Veränderungen architekturtheoretisch einzubetten.

Exemplarisch zu nennen sind hier neben den bereits angeführten Aus- gaben der Zeitschrift Arch+ die Artikel von Rebecca Carpenter und Ste- phen Perrella, die sich mit verschiedenen Möglichkeiten der digitalen Formgestaltung befassen und ihre komplexen technischen Ausführun- gen zu topologischen Oberflächen architekturtheoretisch begreifen.11 So führt Perrella beispielsweise den Begriff ‚Digital Baroque’ in die Diskus-

11 Vgl. u. a. Arch+, 159/160/2002 ‚Formfindungen von biomorph bis techno- form’, Archithese, 2/2002 ‚Architektur, Biologie, Technik’ und Archithese, 4/2006 ,CAAD’, Perrella, Stephen: Electronic Baroque. Hypersurfaces II:

Autopoeisis, in: Architectural Design, September/Oktober 1999, S.5-8, Carpen- ter, Rebecca: Force Affect. An Ethics of Hypersurfaces, in: Architectural Design, September/Oktober 1999, S.20-25.

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sion ein. Als sehr informativ kann die Publikation ‚Architecture in the Digital Age’ von Branco Kolarevic gelten, die sich in den verschiedenen Beiträgen von Praktikern und Theoretiker, u. a. Antonio Saggio, William J. Mitchell oder Sulan Kolatan, anschaulich und in großer Breite mit dem Komplex ‚Digitaler Architektur’ auseinandersetzt.12 Dies gilt ebenso für die Beiträge des Sammelbandes ‚Designing for a Digital World’, der sich die Schwerpunkte ,Digital Culture’, ,Digital Cities’, ,Digitale Tectonics’

und ,Digital Realities’ gesetzt hat und diese Themenkomplexe in ver- schiedenen Beiträgen beleuchtet.13 Die von Yu-Tung Liu herausgegebe- nen Dokumentationen des Far East International Digitale Architectural Design Award stellen eine durch kurze Essays und Begleitexte, Inter- views und Dokumentationen von Diskussionen begleitete Sammlung Digitaler Entwürfe und Projekte mit dem Ziel, Architekturgestaltung im Zeitalter der digitalen elektronischen Medien zu erkunden und zu defi- nieren dar.14 Besonders zu erwähnen ist auch die von Antonino Saggio herausgegebene Reihe ‚The IT Revolution in Architecture’15, deren Bände sich unterschiedlichen Themenschwerpunkten widmen und das kom- plexe Thema ‚Digitale Architektur’ aus verschiedenen Blickrichtungen und häufig unter architekturtheoretischen Gesichtspunkten beleuchten.

Wesentlich fällt hier der Versuch auf die gegenwärtigen Projekte und Experimente zu diskutieren und theoretisch einzubetten.

Daneben wird die Thematik in neueren Publikationen, die sich mit bio- morpher Architektur oder skulpturaler Architektur befassen, zumeist handelt es sich dabei um Ausstellungskataloge, in dem Sinne gestreift, als dass ‚Blob’-Architektur, wie beispielsweise das Kunsthaus Graz, als Beispiel skulpturaler Architektur in der Projektliste der Bände er- scheint.16

Einen sehr guten allgemeinen Überblick über die zeitgenössische Archi- tekturtheorie geben in ihrer Sammlung zentraler Essays und Manifeste

12 Kolarevic, Branco (Hrsg.): Architecture in the Digital Age. Design and Manufac- turing, New York 2003.

13 Leach, Neil (Hrsg.): Designing for a Digital world, Chichester 2002.

14 Liu, Yu-Tung/AleppoZONE/NCTU (Hrsg.): Defining Digital Architecture: 2001 FEIDAD (Far Eastern International Design Award), Basel/Boston/Berlin 2002.

15 Vgl. beispielsweise Imperiale, Alicia: New Flatness. Surface Tension in Digital Architecture, Basel/Boston/Berlin 2000 oder Pongratz, Christian/Perbellini, Ma- ria Rita: Natural Born CAADesigners. Young American Architects, Ba- sel/Boston/Berlin 2000.

16 Brüderlin, Markus (Hrsg.): Archiskulptur. Dialoge zwischen Architektur und Plastik vom 18. Jahrhundert bis heute, Ausst.kat., Basel 2004 und Werner Sewing: Architecture: Sculpture, London 2004.

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die Publikationen von Mallgrave und Contandriopoulus sowie Jencks und Kropf.17

Die Literaturlage zu den vier Beispielen, die in dieser Arbeit diskutiert werden, ist sehr heterogen. Am meisten publiziert, sowohl monographi- sche Werke als auch Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, wurde zum Kunsthaus Graz sowie zum Konferenzsaal der DZ Bank. Beide Objekte waren Teil großen Interesses von Seiten der Öffentlichkeit und der Ar- chitekturkritik. Die Veröffentlichungen sind in diesen Fällen überwie- gend detailliert. Zu den Objekten im Centre Pompidou, besonders je- doch zum Poppodium MeZZ, sind nur sehr wenige detaillierte und tiefergehende Informationen zu finden.

Mit dem Kunsthaus Graz selbst befassen sich ausführlich drei Publikati- onen sowie die unveröffentlichte Magisterarbeit der Autorin. Am um- fangreichsten ist dabei die Monographie von Dieter Bogner, die das Kunsthaus und den Prozess seiner Entstehung detailliert in allen Facet- ten erläutert.18 Der Schwerpunkt liegt dabei auf den technischen Aspek- ten des Bauwerks. Hinzu kommen zwei weitere Publikationen, von denen eine den Wettbewerb rekonstruiert und die eingereichten Entwür- fe vorstellt19, während die zweite eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Fakten liefert. Im Editorial, von Colin Founier verfasst, und einem kurzen Text von Peter Cook und Colin Fournier bietet sie Einbli- cke in die Gedanken der beiden Architekten zu ihrem Projekt.20 Die Ma- gisterarbeit liefert eine Beschreibung des Gebäudes, setzt sich mit den digitalen Gestaltungsgrundlagen auseinander und bettet das Kunsthaus in den historischen Kontext skulpturaler Architektur ein.21 Es finden sich jedoch viele Zeitschriften- und Zeitungsartikel zum Kunsthaus Graz, die das große öffentliche Interesse an diesem Bau widerspiegeln. Die Positi-

17 Mallgrave, Harry Francis/Contandriopoulos, Christina (Hrsg.): Architectural The- ory Volume II. An Anthology from 1871-2005, Malden 2008 und Jencks, Charles/Kropf, Karl (Hrsg.): Theories and Manifestoes of Contemporary Archi- tecture, Chichester 2006.

18 Bogner, Dieter (Hrsg.): The friendly alien. Ein Kunsthaus für Graz, Ostfildern- Ruit 2004.

19 Haus der Architektur Graz (Hrsg.): Kunsthaus Graz. Dokumentation des Wett- bewerbs, Graz 2003.

20 Cook, Peter/Fournier, Colin/Kada, Klaus: Curves and Spikes, Kunsthaus und Stadthalle für Graz, Berlin 2003.

21 Schneider, Svenia: Blob-Architektur. Grenzüberschreitungen zwischen Skulptur und Architektur. Am Beispiel des Kunsthauses Graz, Unveröffentlichte Magis- terarbeit Universität Leipzig 2006.

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onen der Architekturkritik gestalten sich in ihrer Einschätzung des Bau- werkes: Während beispielsweise Jandel dem Bauwerk sehr kritisch ge- genüber steht und den Begriff ‚Architektur-Showbusiness’ im Munde führt und Düttmann es in seiner ungewöhnlich Formensprache begrüßt, verlegt Jonkhans sich auf eine sachliche, faktenreiche Beschreibung der Wettbewerbs- und Realisierungsphase des Bauwerkes.22

Der Konferenzsaal der DZ Bank wird besonders in dem Architekturfüh- rer von Borgett und Jost sowie dem Ausstellungskatalog der Aedes Ga- lerie von 1997 detailliert dargestellt. Der Ausstellungskatalog liefert in den beiden kurzen einführenden Essays eine knappe Beschreibung des Projektes und bietet viele Abbildung der Modelle sowie Schnitte in ver- schiedenen Stadien des Entwurfsprozesses.23 Ausführlich behandelt der Architekturführer von Borgett und Jost den Konferenzsaal. Hier finden sich neben präzisen Beschreibungen sowohl des Umraums, des Gebäu- des und des Konferenzsaales, eine Darstellung des Wettbewerbes sowie des Entwurfs- und Konstruktionsprozesses.24 Hinzu kommen Abrisse in Publikationen zu Gehrys Werk allgemein sowie viele Zeitschriftenarti- kel. Besonders herauszustellen ist der Artikel von Friedrich, der tech- nisch detailliert Tragwerk, Entwurfsprozess und Herstellung des Konfe- renzsaales beschreibt.25 Die Publikation von Mathewson bietet mit ihren Fotografien einen guten visuellen Überblick über Gehrys Werk, gibt darüber hinaus jedoch keine inhaltlichen Informationen zu den einzel- nen Projekten.26 Hierfür bietet sich die Publikation ‚Gehry talks’ an, die Gehrys Projekte zwischen 1988 und 1998 vorstellt. Die in der Publikation zu findenden Ausführungen und Kommentare von Gehry selbst zu seinen Projekten sowie von Mitarbeitern seinen Büros geben wertvolle Hintergrundinformationen.27 Einen besonderen Schwerpunkt auf die

22 Beispielsweise Düttmann, Martina: Whatever happend to their Rock ‘n` Roll.

Ein Kunsthaus für Graz, in: Bauwelt, 46/2003, S.10-15, Jandl, Paul: Das blaue Leuchten. Das Grazer Kunsthaus ist eröffnet, in: Neue Zürcher Zeitung, 1.10.2003 und Jonkhans, Niels: ‚Skin and Pin’: Kunsthaus Graz, in: Arch+, 159/160/2002, S.22/23.

23 Feireiss, Kristin/Commerell, Hans-Jürgen (Hrsg.): Frank O. Gehry, DG Bank Pariser Platz 3 Berlin. Prozess eines Entwurfs, Ausst.kat., Berlin 1997.

24 Borgett, Christiana/Jost, Regina: DZ-Bank AG Pariser Platz Berlin, Die neuen Architekturführer, Nr. 55, Berlin 2004.

25 Friedrich, Karl: Freie Form in Daten übersetzt. Zur Konstruktion der Konfe- renzhalle der DG Bank, in: Bauwelt, 6/7 2000, S. 28.

26 Mathewson, Casey C.M.: Frank O. Gehry. 1969-heute. 21 Werke, Berlin 2006.

27 Friedmann, Mildred (Hrsg.): Gehry talks. Architecture and process, New York 1999.

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Arbeit Gehrys mit digitalen Medien legt die Publikation ‚Digital Gehry’

in ihren Beschreibungen seiner Arbeitsmethodik.28

Den Objekten im Centre Pompidou widmen sich detailliert verschiedene Artikel in Architekturzeitschriften. Eine erste knappe Darstellung des Projektes und ein Innenraumplan finden sich kurz nachdem Jakob &

McFarlane den Wettbewerb gewonnen haben im ,Moniteur architectu- re’(AMC)29 Im Rahmen eines Themenschwerpunktes zum ,Interior De- sign’ wird das Projekt mit Detailinformationen sowie vielen Abbildun- gen ausführlich in ‚Architectural Record’ beschrieben.30 Auch der kurze Artikel von Horn, der sich besonders mit den Entwurfstechniken und der Herstellung der Objekte auseinandersetzt, wertet das Restaurant positiv und steht damit exemplarisch für die Architekturkritik.31 Dane- ben werden die Objekte in Publikationen, die sich allgemein mit ‚Digita- ler Architektur’ auseinandersetzen, angeführt.32 Einen Überblick über das Werk von Jakob & McFarlane gibt derzeit jedoch nur die Publikation von Beaver. Diese führt in zwei kurze Essays in die Arbeitsmethodik von Jakob & McFarlane ein, legt jedoch ihren Schwerpunkt auf einen Über- sicht der Projekte und Entwürfe des Architektenduos und bietet keine kontextualisierenden Informationen.33

Ähnlich gestaltet sich die Informationslage zum Poppodium MeZZ. Hier existieren zwar eine Reihe an Zeitschriften- und Zeitungsartikeln, auch sind ihm kurze Abschnitte in verschiedenen Publikationen gewidmet, jedoch beschränken diese sich meist auf die Beschreibung des Baukör- pers ergänzt durch Abbildungen, Grund- und Aufrisse sowie eine Zu- sammenstellung der Baufakten, sodass sich kaum tiefergehende und kontextualisierende Informationen darin finden. Exemplarisch seien hier die Artikel von Bokern und Vollers angeführt.34 Die Publikation von Jolles und van Beusekom bietet ebenso wie das Jahrbuch niederländi- scher Architektur 2002>03 eine knappe Objektbeschreibung sowie die

28 Lindsay, Bruce: Digital Gehry, Basel 2001.

29 Séron-Pierre, Catherine: Restaurant du Centre Georges-Pompidou, in: Le Moni- teur architecture (AMC), Mai 1998, S.13.

30 Downey 2000.

31 Horn, Christian: Très chic. Restaurant ‚Le Georges’ im Centre Pompidou, in:

Baumeister, 5/2001, S.16.

32 Cachola Schmal (Hrsg.) 2001 und Kolarevic (Hrsg.) 2003.

33 Beaver, Robyn: Jakob + McFarlane, Victoria 2006.

34 Bokern 2003, S.24/25 und Vollers, Karel: Le Mezz Poppodium, Breda, Pays-Bas.

Erick van Egeraat associated Architects, in: L’architecture d’aujourd’hui, März/April 2003, S.22-23.

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gängigen Abbildungen mit Grundriss und Aufriss.35 Hilfreich ist jedoch der einführende Text von Jolles und van Beusekom sowie die Übersicht der Projekte, die es ermöglichen das Poppodium MeZZ im größeren Rahmen von Poparchitectuur zu verorten.36 Zum Gesamtschaffen Erick van Egeraats wurde bisher wenig publiziert. Von Interesse sind beson- ders die Bände ‚Sechs Anmerkungen zur Architektur’ sowie ‚Ten years realised works’.37 Letzterer stellt die Projekte van Egeraats in vielen de- taillierten Abbildungen vor, während ‚Sechs Anmerkungen zur Archi- tektur’ ebenfalls die wesentlichen Projekte vorstellt und in kurzen Texten zu bestimmten Themen, wie ,Detail’, ,Scale’ oder ,Modern Baroque’

sowie einem Gespräch mit Erick van Egeraat Einblicke in die Designphi- losophie des Architekten gibt. Bei der Publikation ‚Cool Medium Hot’

handelt es sich um einen kompakten Ausstellungskatalog, der in einem kurzen Einführungstext den Architekten vorstellt. Die folgende Präsen- tation der Projekte in wenigen Bildern wird nur von kurzen, inhaltlich jedoch wenig aussagekräftigen, Baubeschreibungen begleitet.

Mit dem Komplex skulpturaler Architektur beschäftigen sich Kunst- und Architekturhistoriker bereits seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Eine erste allgemeine Zusammenfassung der Diskussion lieferte die Disserta- tion Dietrich Clarenbachs.38 Sie bildet immer noch ein Grundlagenwerk und wird in fast allen späteren Veröffentlichungen zitiert. Clarenbach setzt sich darin mit der technischen, formalen und symbolischen Kom- ponente von Bauwerk und Bildwerk auseinander und beschreibt davon ausgehend verschiedene Grenzfälle im 20. Jahrhundert, die er in organ- haft-körperliche Bauwerke und stereometrisch-körperliche Bildwerke unterteilt. Ausdrücklich befassen sich außerdem die Publikationen von Werner Sewing, Klaus Jan Philipp und Eberhard Paetz-Schieck mit der Thematik.39 Der Architektursoziologe Werner Sewing argumentiert aus

35 Hoogewoning, Anne/Toorn van, Roemer u. a. (Hrsg.): Architektuur in Nederland, Jaarboek 2002>03, Rotterdam 2003.

36 Jolles, Allard/Van Beusekom, Jaap (Hrsg.): Hey Ho, Let’s go. Poppodia in Neder- land, Rotterdam 2007.

37 De Broissia, Aude (Hrsg.): Sechs Anmerkungen zur Architektur. Ein Gespräch über Architektur mit Erick van Egeraat und Deyan Sudijc, Ba- sel/Boston/Berlin 1997, Van Egeraat, Erick/Schal, Catrin/Özdurak, Jürgen: Erick van Egeraat. Ten Years realised work, Victoria 2005 und Feireis, Chris- tine/Commerell, Hans Jürgen (Hrsg.): Erick van Egeraat. Hot Medium Cool, Ber- lin 1997.

38 Clarenbach, Dietrich: Grenzüberschreitungen zwischen Skulptur und Architek- tur, München 1969.

39 Sewing 2004, Phillipp, Klaus Jan: ArchitekturSkulptur. Die Geschichte einer fruchtbaren Beziehung, Stuttgart 2002, Paetz-Schieck, Eberhard: Architektoni-

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dem Blickwinkel der Architektur und gibt in seinem einführenden Essay

‚Architecture as Sculpture: Staging the Sublime or Architainment?’ einen Überblick über die Geschichte bzw. Vorgeschichte der skulpturalen Architektur beginnend im 18. Jahrhundert. Dem schließt sich ein von kurzen Sachtexten begleiteter Überblick über wichtige skulpturale Bau- ten des 20. und 21. Jahrhunderts an. Ebenfalls aus der Blickrichtung der Architektur argumentiert Jan Klaus Philipp. Er bezieht jedoch stärker die Position der Skulptur mit ein und möchte die Orte und Positionen, an denen die Demarkationslinie zwischen den Künsten ausgefranst ist, an denen Architektur und Skulptur eine symbiotische Einheit eingehen, in ihrer historischen Tiefe aufzeigen.40 Ausgehend von den Komplexen ,Volumen’ und ,Luftraum’ analysiert er detailliert die Grenzverschie- bungen und Feinheiten im Austausch zwischen Skulptur und Architek- tur. Die Publikation ‚Architektonische Skulptur und skulpturale Archi- tektur im 20. Jahrhundert’, die aus einem Seminar an der TU Darmstadt hervorgegangen ist und von Eberhard Paetz-Schieck herausgegeben wurde, beschränkt sich in ihrer Darstellung fast ausschließlich auf das 20. Jahrhundert. Sie beschäftigt sich zu gleichen Teilen mit architektoni- scher Skulptur und skulpturaler Architektur und entwickelt ihr Ver- ständnis skulpturaler Architektur aus der Abgrenzung zur architektoni- schen Skulptur. Der größte Teil der Publikation ist dabei nicht theoreti- schen Fragen gewidmet, sondern der Beschreibung der unterschiedli- chen Projekte. Besonders thematisiert finden sich die Entwicklungen der 1960er Jahre in den Beiträgen von Michel Ragon.41 Während seine Publi- kation ‚Ästhetik der Zeitgenössischen Architektur’ in erster Linie Archi- tekturprojekte vorstellt und auf die steigende Zahl skulpturaler Formen in der Architektur verweist, widmet sich die Publikation ‚Wo leben wir morgen’ besonders utopischen Entwürfen und visionären Fragestellung.

Jedoch ist auch hier der skulpturalen Architektur ein eigenes Kapitel gewidmet. Hervorzuheben ist auch die Publikation von Jürgen Pahl zur Architekturtheorie des 20. Jahrhunderts, in der mehrere große Abschnit- te der skulpturalen Architektur gewidmet sind.42 Pahl entwickelt ein

‚Fünf-Säulen-Modell’ der Architektur, in dem skulpturale Architektur eine eigene Säule darstellt, die sich durch bestimmte Eigenschaften von sche Skulptur und skulpturale Architektur im 20. Jahrhundert. Bestandsauf- nahme, Entwicklung, Beispiel-Spektrum, Darmstadt 2000.

40 Philipp 2002, S.9.

41 Ragon, Michel: Wo leben wir morgen?, München 1963, Ragon, Michel: Ästhetik der zeitgenössischen Architektur, Neuchâtel 1968 und Ragon, Michel: Histoire mondiale de l’architecture et de l’urbanisme modernes, tome 3: prospective et futurologie, Paris 1978.

42 Pahl 1999.

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unter anderem Funktionalismus und Biomorpher Architektur abgrenzt und eine Konstante im 20. Jahrhundert darstellt. Mit dem Versuch einer Kategorisierung und genauen Festlegung von Eigenschaften unterschei- det er sich deutlich von der Herangehensweise Sewings, Phillipps oder Paetz-Schicks.

Kontinuierlich haben sich in den letzten 20 Jahren auch immer wieder Ausstellungen der Thematik der skulpturalen Architektur gewidmet: ‚50 ans d’architecture-sculpture. Quel habit demain?’/Halle aux grains, Bois (1987), ‚La forme libre – Années 50”/Centre Pompidou, Paris (1996),

‚ArchiSculpture’/Fondation Beyeler, Basel (2004) und ‚Architecture- Sculpture’/Musée de l’Hospice Saint-Roche, Issoudun (2008). Besonders die in diesem Zusammenhang erschienenen Ausstellungskataloge wur- den für die entsprechenden Kapitel dieser Arbeit herangezogen. Wäh- rend die Publikation ‚Architecture-Sculpture’ (2008) den Standpunkt der Architektur wählt, davon ausgehend elf Projekte des 20. Jahrhunderts, unter anderem von André Bloc und Pascal Haüsermann, vorstellt und sich in den drei einführenden Essays auf die skulpturale Architektur des 20. Jahrhunderts beschränkt, 43 fragt Brüderlin nach dem Wechselspiel zwischen Skulptur und Architektur und stellt bewusst Skulpturen, Ar- chitektur und Architekturmodelle einander gegenüber, um beginnend mit der Gotik deren Austauschprozesse zu beleuchten.44

43 Cazé, Sophie/Brayer, Marie-Ange/Cinqualbre, Olivier: Architecture-Sculpture, Ausst.kat., Orléans 2008.

44 Brüderlin (Hrsg.) 2004.

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2 Biomorphe Form – amorpher Rhythmus:

‚Blob’-Architektur zwischen 1995 und 2005

„Die Anforderungen der Technik und der Wirtschaft in Ehren. Es wäre lächerlich, falsch romantisch, geradezu unschöpferisch, sich daran vorbeidrücken zu wollen und den Kopf in den Sand zu ste- cken – Technik und Wirtschaft sollen durchaus zu ihrem Recht kommen, sie sollen uns aber nicht versklaven, und wir wollen da- rüber hinaus noch für unsere Arbeiten etwas von dem einfangen, was nicht für kurze Zeit verblüfft, durch einen lauten Schrei die Aufmerksamkeit zu erzwingen sucht, sondern redet, oder gar singt, wie es auch von der Zukunft verstanden werden kann, von einer Zukunft, die nichts mehr weiß von all den Überraschungen, die UNS neue technische Erfindungen und Möglichkeiten bereitet haben, sondern nur das versteht, was an ewiger Melodie in unse- ren Schöpfungen einzufangen uns vielleicht gelungen ist.“45

Die digitalen Technologien verändern die Architekturpraxis in rasanter Weise. Die generativen und kreativen Möglichkeiten, die die digitalen Medien bieten, eröffnen zusammen mit den weiterentwickelten Produk- tionsmöglichkeiten neue Dimensionen für die Architekturgestaltung. Die Fortschritte auf dem Feld des CAD (Computer Aided Design) und CAM (Computer Aided Manufacturing) erlauben die Konstruktion von sehr komplexen Formen, die noch zu Beginn der 1990er Jahre zu schwierig zu entwerfen und zu teuer umzusetzen gewesen wären. Natürlich zählen dazu nicht nur weiche, unregelmäßige Formen. Seit einigen Jahren ist es aufgrund verschiedener Computeranimationsprogramme, basierend auf Nurbs möglich, an topologischen Oberflächen von großer Komplexität zu arbeiten, sodass sich ein Interesse an der Artikulation topologischer Formen in der Architektur entwickelt hat.46 In Folge dessen lässt sich beobachten, wie weltweit Architektur entsteht, deren Form als weich,

45 Poelzig, Hans: Der Architekt, Vortrag auf dem 28. ordentlichen Bundestag des BDA, Berlin o. J., S.32.

46 In den 1960er entwickelte der französische Designer Pierre Bezier für Renault eine mathematische Formel zur Generierung von Kurven. Nach ihm wurden die Bezier-Splines benannt, die den NURBs (Non-Uniform Rational-Bezier- Splines) zugrunde liegen. Vgl. Florian Böhm: Neue Dimensionen für die Architekur? In: Arch+, 148/1999, S.105. Neben CAD und CAM existieren au- ßerdem die Finite Elemente Methode (FEM) und der Triangulated Irregular Networks (TIN), welche die Definition von Punkten im Raum und die Beurtei- lung der jeweiligen statischen Verhältnisse erlauben.

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fließend oder organisch beschrieben werden kann und die oft einen deutlich skulpturalen Charakter besitzt. Für diese Formensprache wurde in den letzten Jahren der Begriff ‚Blob’-Architektur geprägt. Die ersten dieser weichen, computergenerierten Formen finden sich baulich umge- setzt ab Mitte der 1990er Jahre, als es erstmals möglich wurde, mit Hilfe entsprechender Software die amorphen, bis dato virtuellen, Architektur- träume in die Realität umzusetzen. Mittlerweile lässt sich auf etwas mehr als ein Jahrzehnt zurückblicken, in dem die Nutzung spezieller Designsoftware in der Architektur in größerem Umfang zu Tragen kam und in dem ‚Blob’-Architektur entstanden ist. Zwei Beispiele für frühe Realisierungen stellen der Konferenzsaal der ING Bank & NNH Headof- fices (1994) in Budapest von Erick van Egeraat [Abb. 1] sowie der Aus- stellungspavillon ‚Water Pavillon’ (1997) von NOX in Zeeland in den Niederlanden [Abb. 2] dar. Aber auch Frank O. Gehry experimentierte bereits früh mit einer weichen Formensprache, wie sie sich in seinem

‚Barcelona Fish’ (1992) [Abb. 3], einer gigantischen Skulptur im Olym- piadistrikt Barcelonas, bereits ankündigte. Seither sind die Formen kom- plexer geworden und es ist möglich geworden, nicht mehr nur Ausstel- lungspavillons oder kleinere Objekte zu gestalten, sondern Gebäude mit ausdifferenzierten Ansprüchen, wie beispielsweise das Kunsthaus Graz (2003) [Abb. 21-28]. Besonders am Kunsthaus Graz, bei dem es sich bis- her um das letzte große Projekt dieser Art handelt, werden aber auch die Grenzen der Umsetzbarkeit deutlich. Der zeitliche Rahmen, 1995 bis 2005, der für diese Arbeit gewählt wurde, ergibt sich aus diesen Eckda- ten vom erstmaligen Erscheinen des ‚Blob’ in gebauter Form und seinem bisher letzen großen Auftritt.

‚Blob’-Architektur ist das wohl interessanteste Architekturphänomen der letzten Jahre. Aufgrund ihrer auffälligen, nicht-orthogonalen Form he- ben sich die Bauten von der üblichen Architektur deutlich ab, lassen sich leicht identifizieren und miteinander in Beziehung setzen, weswegen ihnen von verschiedenen Seiten besondere Aufmerksamkeit entgegen- gebracht wird. Tatsächlich wurden weltweit bisher nur sehr wenige

‚Blob’-Bauten realisiert. Der Blick auf ‚Blob’-Architektur zeigt jedoch nur einen Ausschnitt einer vielschichtigen Entwicklung in der Architektur und bildet nur eine spezielle Form ‚Digitaler Architektur’ ab. Der Begriff

‚Digitale Architektur’ kann unterschiedlich verstanden werden und bezeichnet in seiner noch wenig festgeschriebenen Form häufig unter- schiedliche Sachverhalte. Im Kontext dieser Arbeit wird der Begriff im Sinne dessen verwendet, was Yu-Tung Liu folgendermaßen formuliert hat:

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„Any architecture that strategically utilizes any computing digital media in the process of its architectural design – from the design concept, through the early design stage, design development, de- tail design, and construction planning, until the actual construc- tion – as long as the computing digital media is used in any (or ideally, all) of these stages, to create important results in the ar- chitecture’s function, form, mass, space or architectural theory, such architecture could generelly be defined as Digital Architec- ture.”47

Unter dem Oberbegriff ‚Digitale Architektur’ subsumieren sich eine Vielzahl an Ansätzen, Methoden und Formideen, die sich sowohl auf den virtuellen als auch auf den realen Raum beziehen. Auch heute noch existieren viele Entwürfe nur im virtuellen Raum, in dem sie jede Form annehmen können und sich zwischen den Polen ‚Box’ und ‚Blob’ bewe- gen. Einige der gebauten Objekte und virtuellen Entwürfe erlauben es, historische Bezüge aufzuzeigen, andere scheinen in ihrer Komplexität völlig beziehungslos zu sein.

Verschiedene Architekten, wie beispielsweise Marcos Novac (*1957) oder Greg Lynn (*1964), beschränkten sich lange fast ausschließlich auf die Entwicklung experimenteller Architektur im virtuellen Raum und da- rauf, die Möglichkeiten des Mediums und des digitalisierten Entwurfs als eines von dynamischen und unvorhersehbaren kontinuierlichen Transformationen der Strukturen bestimmten Prozesses, zu erkunden.

Andere Architekten, zu denen Frank O. Gehry zu zählen ist, arbeiten mit den verfügbaren digitalen Medien sehr zielgerichtet und pragmatisch, indem sie diese als ausgefeiltes Werkzeug nutzen, um ihre komplexen Ideen in die Realität umzusetzen. Es zeigt sich eine Tendenz, gerade die besonders experimentellen Ansätze in Theorien einzubetten, die aus den Naturwissenschaften oder der Philosophie entlehnt wurden bzw. es werden die Entwürfe als architektonische Interpretationen derselben entwickelt. Was diese ‚Digitale Avantgarde’ dabei verbindet ist der Ehr- geiz die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, für sich und ihre Projekte nutzbar zu machen und die Grenzen und Möglichkeiten des Mediums Computer auf unterschiedlichste Weise auszuloten. Daraus entsteht eine architektonische Vielfalt, die die Vielzahl der Ansätze und Tendenzen in der zeitgenössischen Architektur widerspiegelt, sodass

47 Liu, Yu-Tung: Rethinking Digital Architecture. The coexistence of physical and virtual space, in: Liu, Yu-Tung/AleppoZONE/NCTU (Hrsg.): Developing Digital Architecture: 2002 FEIDAD Award (Far Eastern International Design Award), Basel/Boston/Berlin 2003, S.7.

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innerhalb der ‚Digitalen Avantgarde’ heute keine homogene Bewegung existiert, sondern allenfalls Tendenzen ausgemacht werden können.

1988 erschien in Frankreich das Buch ‚Le Pli – Leibniz et le baroque’des Philosophen Gilles Deleuze (1925-1995). 48 Die theoretische Abhandlung setzte sich mit Leibniz’ Begriff der Monade als nicht zerlegbare, ontolo- gische Einheit im Konzept der Faltung auseinander.49 Deleuze argumen- tiert darin, dass Leibniz’ Ideen nur innerhalb der kurvigen Formsprache der Barockarchitektur verstanden werden könnten. Wo die Idee der Falte bei Leibniz eine metaphysische Dimension besaß, besitzt sie für Deleuze auch eine materielle Dimension: Die Falte als gleichermaßen Verbindung und Trennung der konkreten plastischen Materie. Deleuze beeinflusste mit dieser Publikation den Architekturdiskurs Ende der 1980er Jahre und zu Beginn der 1990er Jahre maßgeblich. Besonders die Protagonisten der fließenden, nicht-orthogonalen und komplex gekurvten Architektur- sprache, die sich, ermöglicht durch die neue Software, im virtuellen Raum beinahe parallel dazu in den frühen 1990er Jahren entwickelte, entdeckten Deleuzes Theorien für sich, brachten sie mit den neuen digi- talen Entwurfsmethoden in Verbindung und fanden hier eine geistige Heimat.50 Beinahe über Nacht wurden die Brüche und Verschiebungen der dekonstruktivistischen Ästhetik von der Logik der weichen Oberflä- chen des ‚Fold’ und des ‚Blob’ abgelöst.51 Deleuze, der in seinen Schriften unter anderem Heterogenität und Vielheit propagiert, wurde im archi- tektonischen Diskurs innerhalb der ‚Digitalen Avantgarde’ dahingehend interpretiert, dass eine Vielzahl an Positionen innerhalb eines Feldes existieren von denen ausgehend nicht-lineare Konstruktionen entworfen werden könnten. Die Realität und einzelne Ereignisse sind damit nicht entlang von fortlaufenden Linien und in stringenter Reihung organisiert, sondern werden zu Punkten, die miteinander interagieren.52 Die Falte, die er als räumliches Konstrukt und charakteristisch für den Barock beschrieb, definierte er als figürlich und nicht-figürlich, eine Organisati- on und Nicht-Organisation zugleich, die zu weichen Oberflächen und Übergangsräumen zwischen Innen- und Außen führt und die räumliche Erfahrung vollständig verändert.53 Weichheit oder Glätte beschreibt er

48 Deleuze, Gilles: Le Pli – Leibniz et le baroque, Paris 1988.

49 Mallgrave/Contandriopoulos (Hrsg.) 2008, S.541/542.

50 Ebenda 2008, S.542.

51 Ebenda 2008, S.542.

52 Deleuze, Gilles: A thousand Plateaus: Capitalism and Schizophrenia, Minnea- polis 1987.

53 Deleuze, Gilles: Die Falte, Leibniz und der Barock, Frankfurt am Main 1995.

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als die kontinuierliche Variation und die kontinuierliche Entwicklung der Form.54 In Verbindung gebracht mit den radikalen Ansätzen und Experimenten mit fließenden und bewegten Formen und komplexem gebogenem Raum innerhalb der Architekturavantgarde, stellten diese Überlegungen die Theorie bereit, um die digitalen Experimente theore- tisch zu untermauern und die vorherrschende Vorstellung einer linearen Architektur in Frage zu stellen. Tatsächlich findet sich eine deutliche Parallele zwischen Deleuzes theoretischen Ausführungen zur Falte und der topologischen Geometrie. Auch bestimmte Begrifflichkeiten, die Deleuze in seinen Publikationen verwendet, dazu zählen Falte, weicher und gefalteter Raum sowie Einheit und Vielheit, finden sich in den theo- retischen Konstrukten der zeitgenössischen Architektur, besonders in Zusammenhang mit dem ‚Blob’, wieder. Greg Lynn sieht in Deleuzes Schriften die Ideen des Computers bei Leibniz vorweggenommen:

„I was reading Leibniz and Deleuze. All these people who where talking about machine that was kind of vital and organic, and now there are computers. And now you can start to intuit those kinds of concepts as a designer. [...] When you say digital tech- nology, most people’s response is, the technology came first now we have to invent a theory. [...] I found out that the computer was theorized by Leibniz, Newton and Spinoza [...] three hundred years ago.”55

1993 veröffentlichte Greg Lynn in der Zeitschrift ‚Architectural Design’

den Artikel ‚Architectural Curvilinearity’, in dem er sich als einer der ersten mit Herangehensweisen an den digitalen Entwurf beschäftigte und in Anbetracht der digitalen Fortschritte im Entwurf eine Abwen- dung von „the deconstructivism’s logic of conflict and contradiction to develop a more fluid logic of connectivity“56 forderte. Gemeinhin ist es möglich, die Wiederentdeckung einer weichen Formensprache in der Architektur zu Beginn der 1990er Jahre auch als Reaktion auf die dekonstruktivistischen und allgemein postmodernen, den Diskurs dieser Zeit bestimmenden Tendenzen zu sehen, die man kritisch zu betrachten begann. Der De- konstruktivismus sah die Welt als einen Ort der Gegensätzlichkeiten und Unterschiede, die die Architektur in der Gebrochenheit ihrer Formen- sprache abbilden konnte. Lynn führte in diesem richtungsweisenden

54 Mallgrave/Contandriopoulos (Hrsg.) 2008, S.543.

55 Liu 2002, S.22.

56 Lynn 1993b, S.8-15.

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Essay mit Verweis auf Deleuzes Publikation ‚Die Falte. Leibniz und der Barock’ aus, dass, beeinflusst durch die digitalen Möglichkeiten, viel- leicht zum ersten Mal Komplexität weder mit Einheit noch mit Gegen- sätzlichkeit, sondern mit glatten, biegsamen Objekten verbunden wer- den könnte.57 Unter Verweis auf die Theorien von Robert Venturis Pub- likation ‚Complexity and Contradiction’58, zu der er sich in Opposition stellte, formulierte er grundsätzlich, dass bisher in Anbetracht der kom- plexen und heterogenen Welt zwei Optionen der Reaktion in der Archi- tektur existiert hätten: Konflikt und Gegensätzlichkeit oder Einheit und Rekonstruktion. Nun entwickle sich jedoch der alternative Ansatz, sich der Diskontinuität des urbanen und kulturellen Kontexts nicht mehr zu nähern, indem man sie als Gegeneinander der Formen darstellt, sondern durch die Verbindung der Elemente miteinander in einem kontinuierli- chen und flexiblen System. Die verschiedenen Quellen, die diesem An- satz Anregung bieten, dazu lassen sich die Topologische Geometrie oder spezielle Filmtechniken zählen, verfügen über die zentrale Gemeinsam- keit, dass sie Heterogenitäten in Transformationen zu einer Einheit ver- binden, während die Einzelelemente gleichzeitig ihre Integrität bewah- ren: „Smooth mixtures are not homogenous […] (they) are made up of disparate elements which maintain their integrity while beeing blended within a continu- ous field of other free elements.“59

Die Gründe für den Verfall des dekonstruktivistischen Ansatzes sind vielfältig und in Zusammenhang zu bringen „with a new enviromental and ecological awareness (that) strongly contested architecture’s recent preoccupa- tion with purely aesthetic issues.“60 Auch aktuelle Theorien innerhalb der Biologie und Physik, wie die Komplexitäts- und Chaostheorie oder die Schwarmtheorie, die Themen wie ‚Feld’ und ‚Nicht-Linearität’ neu dis- kutierten, boten der Architektur Anregung. Sowohl Chaos- als auch Schwarmtheorie wenden sich ab vom Gedanken der Linearität, hin zu einem prozessualen Denken und der Vorstellung von dynamischen selbstorganisierenden Systemen. Der Begriff Chaos steht dabei nicht für Unordnung, sondern für die Dynamik des Systems. Die Theorien zeigen, dass sich durch die Veränderung einzelner Faktoren innerhalb eines Systems unvorhergesehene Ereignisse bzw. Ergebnisse in Hinblick auf das Ganze erzielen lassen.

57 Lynn 1993b, S.8.

58 Venturi, Robert: Complexity and Contradiction in Architecture, New York, 1966.

59 Lynn 1993b, S.8/9.

60 Mallgrave/Contandriopoulos (Hrsg.) 2008, S.535.

Referenzen

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