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Die vertragliche Regelung von „Arbeit auf Abruf“

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Academic year: 2022

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Jan Mügge

Die vertragliche Regelung von

„Arbeit auf Abruf“

Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Rechtsvergleichung Bachelorarbeit

Rechtswissen-

schaftliche

Fakultät

(2)

1 Jan Mügge

janmuegge@yahoo.de 0178 2399 161

q9658700

Die vertragliche Regelung von

„Arbeit auf Abruf“

Bachelorarbeit nach Abschluss des Seminars

„Rechtsfragen der Arbeitszeit“

Wintersemester 20/21 Prof. Dr. Kerstin Tillmanns

Abgabedatum: 07.05.2021

(3)

II Inhaltsverzeichnis

A. Arbeit auf Abruf ... 1

I. Überblick ... 1

II. Gang der Untersuchung ... 2

B. Gesetzliche Konzeption und Anwendungsbereich ... 2

I. Gesetzliche Konzeption der Abrufklausel nach § 12 I 1 TzBfG... 2

II. Die Anwendbarkeit auf Vollzeitarbeitsverhältnisse ... 4

1. Überblick ... 4

2. Grammatische Auslegung ... 4

3. Systematische Auslegung ... 5

4. Teleologische Auslegung ... 6

5. Analoge Anwendung von § 12 TzBfG ... 8

6. Ergebnis ... 8

C. Die Vertragsgestaltung ... 8

I. Die flexible Arbeitszeitdauer ... 8

1. Überblick und Rückblick ... 8

2. Der 45%-Korridor ... 11

3. Zulässigkeit von Bandbreitenregelungen ... 13

4. Zwischenergebnis... 14

II. Die flexible Arbeitszeitlage ... 15

1. Überblick ... 15

2. Zulässigkeit eines größeren Bezugszeitraumes ... 18

a) Grammatische Auslegung ... 18

b) Systematische Auslegung ... 18

c) Objektiv-teleologische Auslegung ... 20

d) Historisch-genetische Auslegung ... 22

(4)

III

e) Auswirkungen der Gesetzesnovelle ... 27

3. Größe des Bezugszeitraumes nach den §§ 305 ff. BGB ... 29

4. Persönlicher Anwendungsbereich ... 31

5. Zwischenergebnis... 32

III. Kombination flexibler Arbeitszeitdauer und Arbeitszeitlage... 32

1. Überblick ... 32

2. Zulässigkeit der Kombination ... 33

3. Angemessenheit der Kombination ... 35

IV. Ergebnis ... 38

D. Auswirkungen der Richtlinie 2019/1152 EU ... 39

I. Überblick ... 39

II. Art. 10 RL 2019/1152 EU ... 40

III. Art. 11, 12 RL 2019/1152 EU ... 41

IV. Auswirkung auf Vollzeitarbeitsverhältnisse ... 42

E. Abschließende Betrachtung ... 42

Abkürzungen

Hinsichtlich der verwendeten Abkürzungen wird verwiesen auf Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 9. Auflage, Berlin 2018.

(5)

1 A. Arbeit auf Abruf

I. Überblick

Arbeitgeberseitige Bestrebungen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit hat es schon immer gegeben.1 Der Unternehmer2 verfolgt dabei die aus betriebswirt- schaftlicher Sicht nachvollziehbare Überlegung, den traditionell hohen Per- sonalkostenaufwand konjunkturell bedingten Auftragsschwankungen anzu- passen und damit effizienter zu nutzen.3

Unter den vielen denkbaren und bereits existierenden Modellen zur Flexibi- lisierung von Arbeitszeit nimmt die Arbeit auf Abruf einen gewissen Sonder- status ein. Wollte man die unterschiedlichen Modelle in ein Spektrum einord- nen, welches die gegensätzlichen Interessen von Arbeitnehmern und Arbeit- gebern abbildet, würde die Arbeit auf Abruf sich am äußersten, arbeitgeber- freundlichsten Rand dieses Spektrums wiederfinden.

Denn gänzlich unreguliert bedeutet Arbeit auf Abruf, dass es keine Arbeits- zeitregelung gibt. Es liegt allein in der Hand des Arbeitgebers, wann und für wie viele Stunden er den Arbeitnehmer zur Leistung heranzieht oder ob er dies überhaupt zu tun wünscht.4 Das Ob und das Wie eines Arbeitsabrufs richtet sich damit ausschließlich nach betriebswirtschaftlichen Opportunitä- ten. Der Arbeitgeber entscheidet einseitig im Sinne des § 315 I BGB über die Hauptvertragspflichten. Das betrifft nicht nur die Arbeitspflicht, sondern in- direkt auch die Höhe des Entgeltanspruchs, denn hier gilt der alte Grundsatz

„ohne Arbeit kein Lohn“.5 Nicht ganz zu Unrecht wird die Arbeit auf Abruf in ihrer liberalsten Ausprägung mit dem Schlagwort „modernes Tagelöhner- tum“ umschrieben.6

Die erhebliche Unausgewogenheit der vertraglichen Machtverhältnisse ver- langt daher nach Regulierung. Das legitime Interesse des Arbeitgebers an be- darfsorientiertem Personaleinsatz sowie das Recht des Arbeitnehmers, ein ge- wisses Maß an finanzieller und zeitlicher Planungssicherheit einfordern zu

1 Arnold, in: FS Löwisch, S. 1.

2 Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im Text das generische Maskulinum verwendet.

Gemeint sind jedoch immer alle Geschlechter.

3 Sinngemäß auch Bieder, RdA 2015, 388.

4 Lützeler/Scholz, öAT 2019, 161, 162.

5 GP/Altenburg/Esskandari/Groß, Arbeitsentgelt, Rn. 47.

6 Bieder, RdA 2015, 388, 389.

(6)

2 können7, versucht § 12 TzBfG – flankiert von den §§ 305 ff. BGB – mitei-

nander in Einklang zu bringen.

II. Gang der Untersuchung

Nach dem Arbeitstitel besteht die Aufgabe darin, die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit individualvertraglicher Abrufklauseln im Sinne des

§ 12 I 2 TzBfG zu untersuchen und offene Fragen vor dem Hintergrund des genannten Interessenausgleichs einer Lösung zuzuführen. Der Hauptfokus liegt dabei auf den entscheidenden „Stellschrauben“ jeder Abrufklausel: der Arbeitszeitlage und der Arbeitszeitdauer. Ihre jeweilige Ausrichtung beein- flusst die Arbeitswirklichkeit des Arbeitnehmers beziehungsweise das Ziel des Arbeitgebers, kosteneffizienten Personaleinsatz zu betreiben, am stärks- ten. Die Rechtsfolgenseite unzulässiger Abrufvereinbarungen sowie kollek- tivvertragliche Fragen werden hingegen bewusst ausgeklammert.

Nach einem sogleich folgenden Abriss über die wesentlichen Eckpunkte der in § 12 TzBfG festgelegten gesetzlichen Konzeption der Arbeit auf Abruf (B.I.) wird die Frage untersucht, ob die Schutzvorschriften des § 12 TzBfG ihre Wirkung auch auf Vollzeitarbeitsverhältnisse entfalten (B.II.). Der Hauptteil im engeren Sinne beleuchtet die Zulässigkeit individualvertragli- cher Flexibilisierungsoptionen in Bezug auf die Arbeitszeitdauer (C.I.), die Arbeitszeitlage (C.II.) sowie die Kombination aus beiden Elementen (C.III.).

Zu guter Letzt erfolgt ein Ausblick darauf, inwieweit der deutsche Gesetzge- ber zur Umsetzung der im Jahr 2019 verabschiedeten Arbeitsbedingungen- richtlinie – im Hinblick auf die dort enthaltenen Normen zur Arbeit auf Ab- ruf – verpflichtet ist (D.).

B. Gesetzliche Konzeption und Anwendungsbereich

I. Gesetzliche Konzeption der Abrufklausel nach § 12 I 1 TzBfG Nach der Legaldefinition von Arbeit auf Abruf in § 12 I 1 TzBfG hat der Ar- beitnehmer die Arbeitsleistung nach dem Arbeitsanfall zu erbringen. Im Ge- gensatz zum „klassischen Arbeitsverhältnis“ stehen Arbeitszeitlage und Ar- beitszeitdauer also nicht von vornherein fest, sondern richten sich nach den betrieblichen Opportunitäten. Auf ein nach objektiven Maßstäben messbares Vorliegen eines Arbeitsanfalls kommt es nach herrschender Meinung nicht

7 Preis, RdA 2015, 244, 246.

(7)

3 an. Der Arbeitgeber entscheidet einseitig und nach eigenem Ermessen über

den Abruf.8

Die gesetzlichen Grenzen der Gestaltung von Abrufklauseln zum Schutz des Arbeitnehmers ergeben sich aus § 12 TzBfG sowie aus den §§ 305 ff. BGB.

§ 12 I 1 TzBfG enthält zunächst das grundlegende Erfordernis, dass es einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung für die Zulässigkeit von Abrufar- beit bedarf. Der Arbeitnehmer muss genau wissen, worauf er sich einlässt, sodass die verpflichtende Abrufklausel auch dem Transparenzgebot des

§ 307 I 2 BGB genügen muss. Darüber hinaus verlangt § 12 I 2 TzBfG die Festlegung einer bestimmten wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit. Wird eine dieser Festlegungen versäumt und führt auch die ergänzende Vertrags- auslegung insoweit zu keinem Ergebnis,9 greifen die gesetzlichen Fiktionen in § 12 I 3, 4 TzBfG und es gelten 20 Wochenstunden beziehungsweise drei aufeinanderfolgende Stunden für jeden Tag, an dem ein Abruf erfolgt, als vereinbart. Hierbei handelt es sich nicht um eine vorgeschriebene Mindest- stundenanzahl. Dem Gesetzgeber ging es lediglich darum, die Nichteinhal- tung der bestimmten Arbeitszeitvereinbarung zu sanktionieren.10 Es steht den Parteien also frei, auch weniger Stunden zu vereinbaren11, solange diese nicht null betragen.12

Für die Zeit, in welcher der Arbeitnehmer sich für den Abruf bereithalten muss, entsteht ihm kein Vergütungsanspruch.13 § 12 III TzBfG greift hier in- soweit schützend ein, als jeder Arbeitsabruf mindestens vier Kalendertage im Voraus angekündigt werden muss. Anderenfalls hat der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht. Spiegelbildlich dazu steht dem Arbeitnehmer der volle Lohnanspruch zu, wenn der Arbeitgeber einen bereits zugesagten Arbeitsauftrag weniger als vier Tage vorher widerruft.14

8 ErfK/Preis, § 12, Rn. 2; MHH/Heyn, § 12, Rn. 2; LS/Laux, § 12, Rn. 41; Kiene, S. 65 f.;

Mühlmann, RdA 2006, 356, 357.

9 ErfK/Preis, § 12, Rn. 16; MHH/Heyn, § 12, Rn. 36; LS/Laux, § 12, Rn. 49.

10 Preis/Schwarz, NJW 2018, 3673, 3678.

11 ErfK/Preis, § 12, Rn. 15; HWK/Schmalenberg, § 12, Rn. 11.

12 Bieder, RdA 2015, 38, 396.

13 BeckOK ArbR/Bayreuther, § 12, Rn. 1.

14 ErfK/Preis, § 12, Rn. 28.

(8)

4 Seit der Novelle des Teilzeitbefristungsgesetzes vom 1.1.2019 ist es zulässig,

nicht nur die Arbeitszeitlage, sondern auch die Arbeitszeitdauer und damit das Gesamtarbeitszeitdeputat nach § 12 II TzBfG variabel zu gestalten.15

II. Die Anwendbarkeit auf Vollzeitarbeitsverhältnisse 1. Überblick

Aus § 12 TzBfG geht nicht eindeutig hervor, wie weit sich der persönliche Anwendungsbereich erstreckt. Hier soll es um die Frage gehen, ob die darin enthaltenen arbeitnehmerschützenden Normen auch für Vollzeitarbeitnehmer gelten. Darüber herrscht in der Literatur große Uneinigkeit, wenngleich die Relevanz der Diskussion nicht von vornherein offensichtlich ist. Denn es er- schließt sich nicht auf den ersten Blick, inwieweit die Arbeitszeit eines Ar- beitnehmers in Vollzeit überhaupt flexibel gestaltbar sein kann. Neben den Stimmen, die einer Anwendung von § 12 TzBfG auf Vollzeitarbeitsverhält- nisse gänzlich ablehnend gegenüberstehen,16 ist unter den Befürwortern um- stritten, ob die Anwendung auf direktem17 oder analogem18 Wege erfolgen soll. Zunächst ist über die Gesetzesauslegung zu klären, ob eine direkte An- wendung des § 12 TzBfG möglich ist.

2. Grammatische Auslegung

Paradoxerweise berufen sich sowohl einige Befürworter als auch Gegner der direkten Anwendung auf den Wortlaut des § 12 TzBfG und zwar sogar der- gestalt, dass dieser „eindeutig“ gegen19 beziehungsweise für20 eine Anwend- barkeit spreche. Beides ist unzutreffend. An keiner Stelle wird das Vollzeit- arbeitsverhältnis eindeutig ausgeschlossen oder explizit in die Geltung der Regelung einbezogen, auch nicht indirekt, etwa indem nur von Teilzeitarbeit die Rede wäre.21 Die Begrifflichkeiten sind insoweit neutral gehalten. Insbe- sondere die Legaldefinition von Arbeit auf Abruf in § 12 I 1 TzBfG ist

15 Ausführlich dazu unten: C.I.

16 ErfK/Preis, § 12, Rn. 4; AG/Arnold, § 12, Rn. 12 ff.; MüKo/Müller-Glöge, § 12, Rn. 5 f.;

MHH/Heyn, § 12, Rn. 7; Sievers, § 12, Rn. 6; HPS/Tischer, § 12, Rn. 5; BDDH/Worzalla,

§ 12, Rn. 2; Groeger/Laber, § 20, Rn. 20.29; Mühlmann, RdA 2006, 356, 358.

17 BeckOK ArbR/Bayreuther, § 12, Rn. 3; TZA/Buschmann, § 12, Rn. 28; HWK/ Schmalen- berg, § 12, Rn. 6; BJ/Boecken, § 12, Rn. 9 f.; DHSW/Ahrend, § 12, Rn. 12; MüHaBu/Schü- ren, § 45, Rn. 9 f.; Kiene, S. 59, 126 ff.

18 Erman/Edenfeld, § 611 BGB, Rn. 302; LS/Laux, § 12, Rn. 31; Hohenstatt/Schramm, NZA 2007, 238, 239; Hanau, NZA-Beil. 2006, 34, 36.

19 ErfK/Preis, § 12, Rn. 4; zustimmend HPS/Tischer, § 12, Rn. 5.

20 DHSW/Ahrend, § 12, Rn. 12.

21 BeckOK ArbR/Bayreuther, § 12, Rn. 3; TZA/Buschmann, § 12, Rn. 28; HWK/ Schmalen- berg, § 12, Rn. 6.

(9)

5 unabhängig vom Umfang der Arbeitszeit gefasst.22 Dass die Wortlautgrenze

also nicht überschritten ist, gestehen sogar einige Gegner der weiten Geltung von § 12 TzBfG zu.23 Damit ist eine direkte Anwendbarkeit nach der gram- matischen Auslegung zumindest nicht ausgeschlossen.

3. Systematische Auslegung

In systematischer Hinsicht wird darauf verwiesen, § 12 TzBfG könne sich nicht auf Vollzeitarbeitsverhältnisse beziehen, weil dieser sich im Zweiten Abschnitt des Teilzeitbefristungsgesetzes befinde, welcher sich ausweislich seiner Überschrift mit Teilzeitarbeit befasse.24

Diesem Argument konsequent folgend dürfte dann jedoch keine Vorschrift der §§ 6 ff. TzBfG auf Vollzeitarbeitsverhältnisse anwendbar sein. Und den- noch, so die Gegenansicht, würden Vollzeitarbeitsverhältnisse vom Gesetz- geber unbestritten in die Anwendungsbereiche von § 7 I, II TzBfG,

§ 11 TzBfG sowie § 13 TzBfG einbezogen, die sich ebenfalls im Zweiten Ab- schnitt befänden.25 Die Validität des Argumentes liegt in der Vergleichbar- keit. Die genannten Normen zeichnen sich nämlich dadurch aus, Vollzeitar- beitnehmern die in ihnen enthaltenen rechtlichen Vorteile zuteilwerden zu lassen. Der Überlegung, § 12 TzBfG könne seine rechtlichen Vorteile nur aufgrund der systematischen Stellung im Zweiten Abschnitt des Teilzeitbe- fristungsgesetzes nicht auf Vollzeitkräfte entfalten, fehlt damit die Grund- lage.

Im Übrigen ist die Verortung des § 12 TzBfG im zweiten Abschnitt des Teil- zeitbefristungsgesetzes insoweit nicht überzubewerten, denn Abrufarbeits- verhältnisse sind häufiger in Form von Teilzeitvereinbarungen anzutreffen, sodass eine Regulierung am besten an eben diesen systematischen Standort passt. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass Vollzeitver- einbarungen davon ausgenommen sein sollen.26

22 BJ/Boecken, § 12, Rn. 10.

23 AG/Arnold, § 12, Rn. 13; Mühlmann, RdA 2006, 356, 358.

24 BAG v. 9.7.2008 - 5 AZR 810/07, NZA 2008, 1407, 1409; LAG Hessen v. 17.1.1997 – 13 Sa 2250/95, NZA-RR 1997, 487, 488; MüKo/Müller-Glöge, § 12, Rn. 5; Erman/Edenfeld,

§ 611 BGB, Rn. 302; MHH/Heyn, § 12, Rn. 7; Mühlmann, RdA 2006, 356, 358; zustim- mend Sievers, § 12, Rn. 6.

25 BJ/Boecken, § 12, Rn. 10; Kiene, S. 126.

26 Kiene, S. 59.

(10)

6 Die Gesetzessystematik des § 12 TzBfG vermag also nicht auszuschließen,

dass eine direkte Anwendung auf Vollzeitarbeitsverhältnisse statthaft ist, was von einigen Gegnern der grundsätzlichen Anwendbarkeit nicht einmal be- stritten wird.27

4. Teleologische Auslegung

Gegen eine direkte Anwendbarkeit wird ferner vorgetragen, der Gesetzes- zweck des § 12 TzBfG, den Abrufarbeitnehmer vor überbordenden Leis- tungsbestimmungsrechten des Arbeitgebers zu schützen, gehe im Kontext von Vollzeitarbeitsverhältnissen fehl. Die Nachteile, die durch Flexibilisie- rungen der Arbeitszeit entstünden, würden bei Teilzeitarbeitnehmern stärker ins Gewicht fallen. Diese hätten daher ein besonderes Schutzbedürfnis, dem

§ 12 TzBfG Rechnung tragen wolle. Die Interessen von Teilzeit- und Voll- zeitarbeitnehmern seien insoweit nicht dieselben. Der Schutzzweck des

§ 12 TzBfG erstrecke sich daher nicht auch auf Vollzeitarbeitnehmer.28 Im Übrigen seien diese vor etwaig ungünstigen Vertragsgestaltungen durch all- gemeine zivilrechtliche Kontrollinstrumente wie die §§ 134, 138 BGB,

§§ 307 ff. BGB sowie § 106 GewO ausreichend geschützt.29

Dieser Befund werde durch die mangelnde Praxisrelevanz von Abrufverein- barungen in Vollzeit noch verstärkt. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 35 Stunden verbleibe eingedenk der öffentlich-rechtlichen Schutz- vorschrift des § 3 ArbZG kaum Flexibilisierungsspielraum für die Arbeits- zeit.30 Dass Vollzeit und Abrufarbeit nicht zusammenpassten, zeige sich auch schon dadurch, dass die Sätze 2, 3 und 4 des § 12 I TzBfG denknotwendig gar nicht zur Anwendung gelangen könnten.31

Die vorgetragenen Ansichten vermögen nicht zu überzeugen. Insbesondere die Behauptung der fehlenden Praxisrelevanz ist bei näherer Betrachtung nicht haltbar. Das allgemein übliche Arbeitszeitdeputat, welches im Rahmen von Vollzeitarbeitsverhältnissen vereinbart wird, bewegt sich zwischen 35 und 42,5 Wochenstunden.32 Ein Abrufarbeitsverhältnis über 35

27 AG/Arnold, § 12, Rn. 13.

28 AG/Arnold, § 12, Rn. 14.

29 AG/Arnold, § 12, Rn. 14; ErfK/Preis, § 12, Rn. 4; BDDH/Worzalla, § 12, Rn. 2; zustim- mend Groeger/Laber, § 20, Rn. 20.29.

30 Mühlmann, RdA 2006, 356, 358.

31 MüKo/Müller-Glöge, § 12, Rn. 5; Mühlmann, RdA 2006, 356, 358.

32 BeckOK ArbR/Bayreuther, § 2, Rn. 3.

(11)

7 Wochenstunden in Vollzeit weist beispielsweise erhebliches zeitliches Flexi-

bilisierungspotential auf, ohne die Grenzen des § 3 ArbZG zu überschreiten.

So könnte der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter über drei Monate 60 Wochen- stunden zur Arbeit heranziehen und diese in Übereinstimmung mit

§ 3 S. 2 ArbZG in den folgenden drei Monaten dergestalt ausgleichen, dass nur noch zehn Wochenstunden zu arbeiten wären. Neben der erheblichen Ein- buße zeitlicher Planungssicherheit müsste der Arbeitnehmer in abrufschwa- chen Monaten nach Maßgabe des § 614 BGB zudem mit entsprechend stark schwankendem Einkommen rechnen. Das Schutzinteresse eines Vollzeitar- beitnehmers ist im Falle einer Abrufvereinbarung also keineswegs geringer als dasjenige eines Teilzeitarbeitnehmers.33 Angesichts des anhaltenden Trends zur Verringerung der gewöhnlichen Vollzeitarbeitsdauer wird der Streit sogar noch praxisrelevanter.34

Darüber hinaus ist es ohnehin ausgesprochen schwierig, eine allgemeingül- tige Abgrenzung zwischen teilzeit- und vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern zu bewerkstelligen.35 Der Teilzeitarbeitnehmer erlangt seinen Status gemäß

§ 2 I 1 TzBfG ausschließlich dadurch, dass er im direkten Vergleich mit den in seinem Betrieb in Vollzeit arbeitenden Kollegen weniger Wochenarbeits- stunden zu leisten hat.36 Ein Arbeitnehmer, der 36 Wochenstunden in einem Betrieb leisten muss, in welchem eine Vollzeitstelle mit 40 Stunden zu Buche schlägt, ist demnach Teilzeitarbeitnehmer und käme im Falle einer Abrufver- einbarung in den Genuss der Schutzrechte nach § 12 TzBfG. Derjenige Ar- beitnehmer hingegen, welcher 35 Stunden in einem Betrieb arbeitet, in wel- chem dies das höchste wöchentliche Arbeitszeitdeputat darstellt, dürfte sich für die Beurteilung der Zulässigkeit seiner Abrufvereinbarung nicht auf

§ 12 TzBfG berufen. Spätestens hieran wird erkennbar, dass eine Unterschei- dung nach dem Umfang der Arbeitszeit kein entscheidendes Kriterium bei der Frage sein kann, ob der persönliche Anwendungsbereich von § 12 TzBfG eröffnet ist.

33 MüHaBu/Schüren, § 45, Rn. 9 f.; BJ/Boecken, § 12, Rn. 10; DHSW/Ahrend, § 12, Rn. 12;

zustimmend: HWK/Schmalenberg, § 12, Rn. 6.

34 TZA/Buschmann, § 12, Rn. 28.

35 BeckOK ArbR/Bayreuther, § 12, Rn. 3; DHSW/Ahrend, § 12, Rn. 12.

36 BeckOK ArbR/Bayreuther, § 2, Rn. 2.

(12)

8 Der Einwand, die betreffenden Arbeitnehmer seien durch die allgemeinen Re-

geln ausreichend geschützt, spielt erst im Rahmen der Frage nach der analo- gen Anwendung eine Rolle37, für die aufgrund der hiermit festgestellten di- rekten Anwendbarkeit des § 12 TzBfG auf Vollzeitarbeitsverhältnisse keine Notwendigkeit besteht.

5. Analoge Anwendung von § 12 TzBfG

Soweit einige Stimmen in der Literatur die Geltung des § 12 TzBfG auf Voll- zeitarbeitnehmer aufgrund der oben genannten systematischen Bedenken38 nur im Wege der analogen Anwendung für zulässig halten39, ist dem nicht zuzustimmen. Die für eine analoge Anwendung erforderliche Regelungslü- cke ist nicht erkennbar. Die zivilrechtlichen Kontrollinstrumente in den

§§ 134, 138 BGB, § 106 GewO, insbesondere aber die AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB würden dem Abrufarbeitnehmer bei Ablehnung der di- rekten Anwendbarkeit des § 12 TzBfG auf Vollzeitarbeitsverhältnisse ausrei- chend Schutz gewähren.40

6. Ergebnis

Aus den oben genannten Gründen ist § 12 TzBfG auf Vollzeitarbeitsverhält- nisse direkt anwendbar.

C. Die Vertragsgestaltung I. Die flexible Arbeitszeitdauer

1. Überblick und Rückblick

Jeder synallagmatische Vertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass es Haupt- leistungspflichten auf beiden Seiten gibt, über die man sich bei Vertrags- schluss einigt.41 Da das Eingehen einer vertraglichen Verpflichtung in letzter Konsequenz bedeutet, dass die andere Partei die Erfüllung der Verpflichtung mit den Mitteln der Zwangsvollstreckung durchsetzen kann,42 ist es von ele- mentarer Wichtigkeit, dass der Vertragsschließende vorher weiß, worauf er sich einlässt. Insofern ist eine vertragliche Konstellation, die es einer Partei

37 BeckOK ArbR/Bayreuther, § 12, Rn. 3.

38 Siehe oben: B.II.3.

39 Erman/Edenfeld, § 611 BGB, Rn. 302; Hohenstatt/Schramm, NZA 2007, 238, 239; Hanau, NZA-Beil. 2006, 34, 36.

40 AG/Arnold, § 12, Rn. 14; ErfK/Preis, § 12, Rn. 4; MüKo/Müller-Glöge, § 12, Rn. 6;

BDDH/Worzalla, § 12, Rn. 2; HPS/Tischer, § 12, Rn. 6; zustimmend Groeger/Laber, § 20, Rn. 20.29.

41 BeckOK BGB/Eckert, § 145 BGB, Rn. 3.

42 MV/Lackmann, Vorbemerkung zu § 704, Rn. 1.

(13)

9 erlaubt, die Hauptleistungspflichten der anderen Partei nach Vertragsschluss

einseitig zu bestimmen, ein Sonderfall, der den anderen Vertragsteil zunächst einmal erheblich benachteiligt. Nicht umsonst reguliert § 315 I BGB derar- tige Konstruktionen und verlangt, dass die bestimmende Partei bei der Aus- übung ihres Rechts an billiges Ermessen gebunden ist, um den anderen Ver- tragsteil zu schützen.

In Abrufvereinbarungen mit flexibler Arbeitszeitdauer geschieht nichts ande- res. Die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers – das Erbringen von Ar- beitsleistung – kann einseitig durch den Arbeitgeber bestimmt werden.43 Das im arbeitsvertraglichen Normalfall44 feststehende Gesamtarbeitszeitdeputat wird hier fortlaufend, je nach betrieblichem Arbeitsanfall, vom Arbeitgeber festgelegt.45 Dieser entscheidet also nicht nur, wann der Arbeitnehmer die vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen hat, sondern auch in welcher Höhe – und das schließt auch die Möglichkeit ein, den Arbeitnehmer gar nicht einzusetzen. Weil die Arbeitsleistung im Synallagma zur Vergütungs- pflicht steht, entscheidet der Arbeitgeber mittelbar auch darüber, ob und in welcher Höhe er selbst zur Leistung verpflichtet ist. Im Fall von Auftrags- rückgängen oder sonstigen unvorhergesehenen Vorkommnissen, die zu nied- rigem Arbeitsanfall führen, kommt der Arbeitgeber bei unterbliebenem Abruf nicht in Annahmeverzug. Das nach § 615 S. 1 BGB beim Arbeitgeber lie- gende Betriebsrisiko46 wird damit auf den Arbeitnehmer verlagert.47

Das prinzipielle Schutzerfordernis der durch einseitige Bestimmungsrechte benachteiligten Partei gilt umso mehr im Arbeitsrecht, welches den struktu- rell schwächeren Arbeitnehmer aufgrund seiner starken Abhängigkeit vom Arbeitgeber schließlich als besonders schutzbedürftig beschreibt.48

Das hat auch das Bundesarbeitsgericht früh erkannt. Bereits am 12.12.1984 wurden derartige Regelungen vom 7. Senat im Rahmen seiner sogenannten Musiklehrerentscheidung schlechthin für unzulässig erklärt.49 Denn Inhalt und Bestand des Arbeitsverhältnisses seien durch § 2 KSchG in Verbindung

43 BJ/Boecken, § 12, Rn. 18.

44 Vgl. Franzen, RdA 2014, 1 f.

45 Lindemann, ArbRAktuell 2013, 561, 562 f.

46 Jauernig/Mansel, § 615 BGB, Rn. 1.

47 Kramer/Kiene, ArbRAktuell 2010, 233, 234.

48 Mikosch, in: FS Löwisch, S. 192.

49 BAG v. 12.12.1984, 7 AZR 509/83, NZA 1985, 321 ff.

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10 mit § 1 II und III KSchG, § 622 I und V BGB geschützt und würden in unzu-

lässiger Weise beeinträchtigt, wenn die Änderung der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten – Arbeitszeitdauer und die dafür vereinbarte Vergü- tung – der einseitigen Disposition einer Vertragspartei überlassen sei. Anders formuliert stellte die Modifizierung dieses geschützten Kernbereichs aus Sicht des Gerichtes eine derart einschneidende Änderung des Vertrages dar, dass dies nur im Wege einer Änderungskündigung zulässig wäre. Die infrage stehenden Klauseln seien daher eine Umgehung der nach § 2 KSchG erfor- derlichen Kündigung und somit gemäß § 134 BGB nichtig.50

Dieser Grundsatz wurde kurze Zeit später in § 4 I BeschFG51 – der Vorgän- gernorm des § 12 TzBfG – ausdrücklich berücksichtigt.52 Vertragliche Abre- den, die auch nur einen geringen Anteil des Arbeitszeitdeputates flexibilisier- ten, waren von da an lange Zeit allgemein als unzulässig anerkannt.53

Umso überraschender war daher das Urteil des 5. Senats des Bundesarbeits- gerichtes vom 7.12.2005, welches sich von der Umgehungsrechtsprechung abwandte.54 Es verletze nicht den Wortlaut des § 12 I 2 TzBfG, wenn die da- rin verlangte bestimmte Dauer als Mindestarbeitszeit ausgelegt werde. So- lange diese Mindestarbeitszeit vom Arbeitgeber abgerufen oder jedenfalls vergütet werde, stehe es den Parteien frei, auch Vereinbarungen zu treffen, die einen darüber hinausgehenden flexibel abrufbaren Teil enthielten, wenn dieser die Mindestarbeitszeit um nicht mehr als 25% übersteige. Umgekehrt sei es möglich, eine Höchstarbeitszeitdauer festzulegen, von der dann nicht mehr als 20% nach unten abgewichen werden könne.55 Hiernach dürfte eine Vereinbarung getroffen werden, die 20 Mindeststunden umfasst und auf bis zu 25 Stunden heraufgesetzt werden könnte. Eine Höchststundenzahl von 25 wäre auf bis zu 20 Stunden absenkbar. Aus dem Beispiel wird ersichtlich,

50 BAG v. 12.12.1984, 7 AZR 509/83, NZA 1985, 322, unter II.3.d.cc. der Gründe.

51 V. 26.04.1985, BGBl. I 1985, S. 710 ff.

52 BT-Drucks. 10/3206, S. 30.

53 LAG Düsseldorf v. 30.8.2002 - 9 Sa 709/02, NZA-RR, 2003, 407, 408; LAG Köln v.

7.12.2001 – 11 (6) Sa 827/01, NZA-RR 2002, 415; TZA/Buschmann, § 12, Rn. 63;

ErfK/Preis, 6. Aufl. 2006, § 12, Rn. 4; MHH/Heyn, 2. Aufl. 2004, § 12 Rn. 21; Busch, NZA 2001, 593, 594; Lindemann, in: Anm. zu BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, C. vor I.

54 BAG v. 7.12.2005 - 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423 ff.

55 BAG v. 7.12.2005 - 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423, 428, Rn. 45.

(15)

11 dass die Flexibilitätsspanne trotz der unterschiedlichen Prozentzahlen rech-

nerisch immer gleich ist.56

Der entscheidende Umstand, der einen derartigen Umschwung in der Ausle- gung des § 12 I 2 TzBfG ermöglichte, war die Schuldrechtsmodernisierung zum 1.1.2002. Ab diesem Zeitpunkt unterlagen Arbeitsverträge gemäß

§ 310 IV BGB der AGB-Kontrolle der §§ 305 ff. BGB. Anders als im Jahr 1984 war eine Inhaltskontrolle solcher Klauseln also nicht mehr nach allge- meinen zivilrechtlichen Grundsätzen durchzuführen, sondern nach Maßgabe des § 307 I 1 BGB.57 Die Angemessenheitskontrolle im Sinne des

§ 307 BGB versetzt den Rechtsanwender freilich in die Lage, einen größeren Gestaltungsspielraum bei der Erstellung von Arbeitsvertragsklauseln zu ge- nießen.58 Auf diesem Wege gelangte der 5. Senat zu der Auffassung, der be- sagte 25%-Korridor sei keine unangemessene Benachteiligung.

§ 12 I 2 TzBfG bezwecke nur einen Mindestschutz für den Arbeitnehmer, vom Arbeitgeber während des Dienstverhältnisses überhaupt nicht zur Leis- tung herangezogen zu werden.59

Trotzdem blieb das Urteil in der folgenden Zeit sehr umstritten,60 bis es schlussendlich durch die zum 1.1.2019 in Kraft getretene Novelle des Teil- zeitbefristungsgesetzes61 kodifiziert wurde und im neu gefassten

§ 12 II TzBfG seinen Niederschlag fand.62 Seit diesem Zeitpunkt ist der Streit um die grundsätzliche Zulässigkeit variabler Arbeitszeitdeputate obsolet. Ei- nige Unklarheiten bei der Auslegung der Vorschrift sind indes geblieben.

2. Der 45%-Korridor

Zunächst gehen einige Stimmen in der Literatur davon aus, man könne die Mindestarbeitszeit in § 12 II 1 TzBfG und die Höchstarbeitszeit in

§ 12 II 2 TzBfG miteinander verschmelzen, und halten Vereinbarungen für zulässig, die eine bestimmte wöchentliche Arbeitszeit gleichzeitig als Min- destarbeitszeit im Sinne des Satzes 1 und als Höchstarbeitszeit im Sinne des

56 ErfK/Preis, § 12, Rn. 23; Bauer/Günther, DB 2006, 950, 951.

57 BAG v. 7.12.2005 - 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423, 426, Rn. 31-33.

58 Stoffels/Hultzsch, NZA, 2020, 977, 979.

59 BAG v. 7.12.2005 - 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423, 426, Rn. 29.

60 LS/Laux, § 12, Rn. 44; Benecke, AuR 2006, 337, 339; Arnold, in: FS Löwisch, S. 6;

Feuerborn, SAE 2007, 59, 62; Decruppe/Utess, AuR 2006, 347, 349; Stamm, RdA 2006, 288, 293 f.

61 V. 11.12.2018, BGBl. I 2018, S. 2384.

62 BT-Drucks. 19/3452, S. 20.

(16)

12 Satzes 2 definiert. Der Wortlaut des § 12 II TzBfG widerspreche einer sol-

chen Auslegung jedenfalls nicht.63 Der Arbeitgeber wäre dadurch in der kom- fortablen Situation, die Arbeitszeitdauer – gemäß § 12 II 1 TzBfG – um 20%

verringern oder – gemäß § 12 II 2 TzBfG – um 25% erhöhen zu können. Im Falle einer nach § 12 I 2 TzBfG bestimmten Arbeitszeit von 20 Stunden wäre also eine Bandbreite von 16 bis 25 Stunden je Bezugszeitraum abrufbar. Da- mit ergäbe sich streng genommen ein Flexibilitätskorridor von 56,25%.64 Dennoch hat sich die wahrscheinlich eingängigere Bezeichnung des 45%- Korridors durchgesetzt, die auf der schlichten Addition der in § 12 II TzBfG genannten Prozentzahlen basiert.65

Dieses Verständnis widerspricht dem Wortlaut und der Systematik des

§ 12 II TzBfG. Die Formulierung beschreibt keine Gestaltungsoption, welche die in Absatz 2 enthaltenen Abweichungsspielräume addiert. Der Rechtsan- wender muss sich zwischen den Alternativen einer Bandbreite von 25% „nach oben“ oder 20% „nach unten“ entscheiden. Eine bestimmte Dauer im Sinne des § 12 I 2 TzBfG kann nicht gleichzeitig Mindestarbeitszeit und Höchstar- beitszeit sein. Aus systematischer Sicht wird dieses Verständnis noch bekräf- tigt, indem die vorhandenen Korridore durch Satz 1 und Satz 2 klar getrennt voneinander in die Struktur von Absatz 2 eingegliedert sind und damit ver- deutlichen, dass es sich um Alternativen handelt.66 Vor allem ist eine derart vergrößerte Bandbreite variabler Arbeitszeit nicht mehr mit dem Gesetzes- zweck des § 12 TzBfG67 in Einklang zu bringen, dem Arbeitnehmer mehr Planungssicherheit im Hinblick auf seine Arbeitszeit zuteilwerden zu las- sen.68 Konkretisierung erfährt der Gesetzeszweck über die Kodifizierung des Bundesarbeitsgerichtsurteils von 2005, welches ausweislich der Gesetzesma- terialien in § 12 II TzBfG kodifiziert wurde.69 Der 5. Senat war insofern sehr deutlich. Ein variabler Arbeitszeitanteil, der über 25% hinausgehe, stelle eine unangemessene und damit unzulässige Benachteiligung des Arbeitnehmers

63 Löwisch, BB 2018, 3061, 3068; Merkel/Steinat, DB 2018, 3118, 3128; wohl auch BeckOK ArbR/Bayreuther, § 12, Rn. 9.

64 Kiene, S. 153.

65 ErfK/Preis, § 12, Rn. 24; Löwisch, BB 2018, 3061, 3068; Reiserer, NZA 2007, 1249, 1253;

Bauer/Günther, DB 2006, 950, 951; Lindemann, ArbRAktuell 2013, 561, 563.

66 BJ/Boecken, § 12, Rn. 19.

67 BT-Drucks. 19/3452, S. 19.

68 BJ/Boecken, § 12, Rn. 19; ErfK/Preis, § 12, Rn. 24.

69 BT-Drucks. 19/3452, S. 20.

(17)

13 dar.70 Die kumulative Verwendung beider Abweichungsoptionen träfe den

Arbeitnehmer nicht nur in seiner zeitlichen Souveränität, sondern auch hin- sichtlich seiner finanziellen Sicherheit, da mit der Arbeitszeit auch die Ver- gütung stärkeren Schwankungen ausgesetzt ist.71 Der Gesetzgeber hat damit eine klar bezifferbare Wertentscheidung über die flexibel abrufbare Arbeits- zeit getroffen. Sogenannte 45%-Korridore sind nach herrschender Meinung daher unzulässig.72

3. Zulässigkeit von Bandbreitenregelungen

Uneinigkeit besteht ferner über sogenannte Bandbreitenregelungen. Dabei handelt es sich um Vertragsgestaltungen im Sinne des § 12 II TzBfG, welche die Möglichkeiten aus Satz 1 und Satz 2 so miteinander kombinieren, dass sowohl eine Mindest- als auch eine Höchstarbeitszeit vereinbart werden. Au- ßerdem wird eine dazwischenliegende, regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit festgelegt. Der Arbeitgeber hat nun je nach Arbeitsanfall die Möglichkeit, diese bis zur Grenze der Mindestarbeitszeit zu verringern beziehungsweise bis zur vereinbarten Höchstarbeitszeit auszuweiten, die Arbeitszeitdauer also

„in beide Richtungen“ zu verändern. Die Höchstarbeitszeit übersteigt die Mindestarbeitszeit jedoch um nicht mehr als 25%. Dadurch erhält der Arbeit- geber einen weiteren Zuwachs an Flexibilität, ohne dabei den gesetzlich vor- geschriebenen Korridor zu überdehnen. Würde also eine regelmäßige wö- chentliche Arbeitszeit von 20 Stunden vereinbart, könnte der Arbeitgeber das Deputat auf 22,5 Stunden erhöhen oder auf bis zu 18 Stunden verringern. Um den Fixpol der regelmäßigen Arbeitszeit herum bestünde dann also eine Bandbreite von der Mindest- bis zur Höchstarbeitszeit.73

Diese Auslegung des § 12 II TzBfG wird teilweise kritisch gesehen. Der Wortlaut und die Gesetzessystematik ließen keinen Raum für derartige Kon- struktionen. Letztlich entsprechen dabei grammatische und systematische Auslegung im Wesentlichen der Argumentation, welche auch gegen die

70 BAG v. 7.12.2005 - 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423, 428, Rn. 44.

71 BJ/Boecken, § 12, Rn. 19.

72 ErfK/Preis, § 12, Rn. 24; BDDH/Worzalla, § 12, Rn. 4; BJ/Boecken, § 12, Rn. 19;

LS/Laux, § 12, Rn. 59; Arnold, in: FS Löwisch, S. 8f; Lützeler/Scholz, öAT 2019, 161, 163; Raif/Ginal, ArbRAktuell, 244, 245; Kramer/Kiene, ArbRAktuell 2010, 233, 234; Rei- serer, NZA 2007, 1240, 1253; Bauer/Günther, DB 2006, 950, 951; Hohenstatt/Schramm, NZA 2007, 238, 240; Feuerborn, SAE 2007, 59, 65.

73 BeckOK ArbR/Bayreuther, § 12, Rn. 9; Bayreuther, NZA 2018, 1577, 1581.

(18)

14 Zulässigkeit des 45%-Korridors vorgebracht wird.74 Vor allem sei der Arbeit-

nehmer aber auch im Rahmen dieser abgemilderten Kombinationsform von Mindest- und Höchstarbeitszeit unangemessen benachteiligt. Damit rechnen zu müssen, sowohl zu einem höheren als auch zu einem geringeren Umfang zur Arbeit herangezogen zu werden, bedeute eine gesteigerte, nicht hinnehm- bare Planungsunsicherheit.75

Die herrschende Literatur befürwortet diese Form von Bandbreitenregelun- gen hingegen.76 Zunächst verbietet der Wortlaut die Kombination von Min- dest- und Höchstarbeitszeit nicht, sondern gibt in § 12 II 1, 2 TzBfG lediglich vor, um wie viel Prozent von der jeweils vereinbarten Arbeitszeit abgewichen werden darf. Ein gegenseitiger Ausschluss ist nicht ersichtlich. Wichtiger ist aber, dass der 5. Senat, dessen Urteil im Gesetz kodifiziert wurde, deutlich gemacht hat, dass dem Arbeitnehmer durch § 12 I 2 TzBfG ein Mindest- schutz zuteilwerden solle, vom Arbeitgeber gar nicht zur Arbeit eingesetzt zu werden und so keinen Anspruch auf Entlohnung zu haben. Der Schutzzweck der Einkommenssicherheit nimmt nach dieser Wertung also einen höheren Rang ein als die Planungssicherheit. Dieser Schutzzweck sei noch erfüllt, so- lange eine Mindestarbeitszeit vereinbart sei, von der nicht mehr als 25% ab- gewichen werde.77 Da im Rahmen dieser Bandbreitenregelung der 25%-Kor- ridor nicht überschritten wird, verbleibt der geforderte Grad an Einkommens- sicherheit beim Arbeitnehmer. Die Kombination von Mindest- und Höchstar- beitszeit in einer Abrufvereinbarung ist damit zulässig.

4. Zwischenergebnis

Nachdem das Gesamtarbeitszeitdeputat in Abrufvereinbarungen über 20 Jahre lang als unveränderbar festgestanden hatte, gab es erstmals nach dem Urteil des Bundearbeitsgerichtes am 7.12.2005, spätestens jedoch mit der No- velle des Teilzeitbefristungsgesetzes zum 1.1.2019 die Möglichkeit, die nach

§ 12 I 2 TzBfG zu bestimmende Arbeitszeitdauer flexibel zu gestalten. Nach

74 Siehe oben: C.I.2. FN 66, 68.

75 BJ/Boecken, § 12, Rn. 19.

76 BeckOK ArbR/Bayreuther, § 12, Rn. 9; ErfK/Preis, § 12, Rn. 24; LS/Laux, § 12, Rn. 59;

HWK/Schmalenberg, § 12, Rn. 9; BDDH/Worzalla, § 12, Rn. 4; Arnold, in: FS Löwisch, S. 8f; Bauer/Günther, DB 2006, 950, 951; Lützeler/Scholz, öAT 2019, 161, 163; Bay- reuther, NZA 2018, 1577, 1581; Bayreuther NZA-Beil. 2018, 103, 105; Kramer/Kiene, ArbRAktuell 2010, 233, 234; Raif/Ginal, ArbRAktuell, 244, 245.

77 BAG v. 7.12.2005 - 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423, 428, Rn. 29, 44; LS/Laux, § 12, Rn. 59; BeckOK ArbR/Bayreuther, § 12, Rn. 9.

(19)

15

§ 12 II TzBfG darf die vereinbarte Mindestzeit um nicht mehr als 25% erhöht werden. Falls eine Höchstarbeitszeit vereinbart sein sollte, darf diese um nicht mehr als 20% verringert werden. Ferner ist zulässig, eine Vereinbarung zu treffen, durch welche die regelmäßige Arbeitszeit sowohl erhöht als auch ver- ringert werden kann, solange dabei eine Mindest- und eine Höchstarbeit fest- gelegt werden und letztere dabei die Mindestarbeitszeit um nicht mehr als 25% übersteigt. Vereinbarungen, welche beide Bandbreiten kumulativ zur Anwendung bringen wollen – sogenannte 45%-Korridore – sind hingegen nicht mit § 12 II TzBfG vereinbar.

II. Die flexible Arbeitszeitlage 1. Überblick

Ging es im vorangegangenen Kapitel um die Frage, innerhalb welcher Gren- zen es dem Arbeitgeber gestattet sein soll, die Gesamtdauer der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit zu flexibilisieren, also einseitig verändern zu kön- nen, gilt es nun, unabhängig davon darzustellen, ob und inwieweit die Lage der einmal festgelegten Gesamtarbeitszeitdauer vom Arbeitgeber bestimmt und verändert werden kann.

Obgleich die Bestimmung der Arbeitszeitlage grundsätzlich vom Direktions- recht des Arbeitgebers nach § 106 GewO gedeckt ist,78 so bedeutet dies doch in der Regel, dass die Arbeitszeit einerseits innerhalb der Woche festgelegt wird und außerdem eine gewisse Kontinuität aufweist.79 Bei der Abrufarbeit geht es dagegen gerade um die ständige, an den Arbeitsanfall angepasste Neu- bestimmung der Arbeitszeitlage.

Die Formulierung des § 12 I 2 Var. 1 TzBfG wirft die Frage auf, ob das Di- rektionsrecht hinsichtlich der Arbeitszeitlage auch im Rahmen von Abrufar- beitsverhältnissen derart eingeschränkt sein soll. Hiernach ist eine bestimmte Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit festzulegen.

78 Preis/Schneider, II A 90, Rn. 142; Lindemann, ArbRAktuell 2013, 561; Uffmann/Kredig, NZA 2020, 137.

79 BeckOK ArbR/Bayreuther, § 12, Rn. 1.

(20)

16 Daraus wird von einem Teil der Literatur80 sowie einem Teil der Rechtspre-

chung81 gefolgert, diese Arbeitszeit müsse auch hier verbindlich innerhalb ei- ner jeden Kalenderwoche vom Arbeitgeber abgerufen werden, sein Direkti- onsrecht hinsichtlich der Bestimmbarkeit der Arbeitszeitlage bleibe also in- soweit eingeschränkt. Im Hinblick auf jede innerhalb einer Kalenderwoche nicht abgerufene Arbeitsstunde gerate der Arbeitgeber gemäß

§ 615 S. 1 BGB in Annahmeverzug mit der Folge, dass der Arbeitnehmer diese Stunden nicht nachleisten müsse, gleichwohl aber Anspruch auf die ent- geltliche Gegenleistung habe.

Die herrschende Literatur versteht das Wort „wöchentlich“ hingegen als ei- nen Durchschnittswert im Hinblick auf einen Bezugszeitraum, der größer als eine Kalenderwoche sein kann. Solange im Mittel des festgelegten Bezugs- zeitraumes die wöchentliche Arbeitszeitdauer erreicht werde, könne diese – natürlich in den Grenzen des Arbeitszeitgesetzes – vom Arbeitgeber frei ver- teilt werden. Dieser komme erst dann in Annahmeverzug, wenn die verein- barte Gesamtstundenzahl am Ende des Bezugszeitraumes nicht vollständig abgerufen worden sei.82

Wie groß dieser Bezugszeitraum höchstens sein darf und inwieweit bei dieser Frage auch nach der Höhe der jeweils vereinbarten Arbeitsstundenanzahl weiter zu differenzieren ist, wird innerhalb der herrschenden Literatur unter- schiedlich eingeschätzt. Ein längerer Zeitraum als ein Jahr wird jedoch nur selten vertreten.

Einigkeit besteht indes auf allen Seiten des Meinungsspektrums darüber, dass die Formulierung des § 12 I 2 Var. 1 TzBfG zumindest die arbeitgeberseitige Verpflichtung enthält, dem Arbeitnehmer eine verstetigte, also eine

80 BJ/Boecken, § 12, Rn. 16; TZA/Buschmann, § 12, Rn. 66; Sievers, § 12, Rn. 11 f.;

KDZ/Zwanziger, Boewer, § 12, Rn. 13 f.; § 12, Rn. 17; Däubler, ZIP 2001, 217, 222; Be- necke, AuR 2006, 337, 339; Buschmann, AuR 2001, 437, 439; Plander, AuR 1987, 281, 282; Kleveman, AuR 1987, 292, 295.

81 LAG Düsseldorf v. 30.8.2002 - 9 Sa 709/02, NZA-RR, 2003, 407, 408; LAG Köln v.

7.12.2001 – 11 (6) Sa 827/01, NZA-RR 2002.

82 ErfK/Preis, § 12, Rn. 18; BeckOK ArbR/Bayreuther, § 12, Rn. 7; AG/Arnold, § 12, Rn. 43;

Preis/Schneider, II A 90, Rn. 165; MHH/Heyn, § 12, Rn. 27; MüHaBu/Schüren, § 45, Rn. 16; BDDH/Worzalla, § 12, Rn. 4; DHSW/Ahrend, § 12, Rn. 17; MüKo/Müller-Glöge,

§ 12, Rn. 19; HWK/Schmalenberg, § 12, Rn. 10; HPS/Tischer, § 12, Rn. 9; LS/Laux, § 12, Rn. 57; Stamm, RdA 2006, 288, 297; Kiene, S. 159; Lützeler/Scholz, öAT, 2019, 161, 163;

Lindemann, ArbRAktuell 2013, 561, 562; Kramer/Kiene, ArbRAktuell 2010, 233, 235.

(21)

17 regelmäßige und gleichbleibende Vergütung zu zahlen, deren Berechnungs-

grundlage die wöchentliche Dauer der Arbeitszeit ist.83

Spätestens nachdem der Streit um die variable Gestaltung der Arbeitszeit- dauer durch den Gesetzgeber im Jahr 2018 beigelegt worden ist, avancierte die Kontroverse um die Grenzen der einseitigen Bestimmbarkeit der Arbeits- zeitlage zur gewichtigsten im Kontext der vertraglichen Regelung von Arbeit auf Abruf. Denn ihr Ausgang hat die bei weitem signifikantesten Auswirkun- gen auf die tatsächlichen Arbeits- und Lebensverhältnisse eines Abrufarbeit- nehmers.

Folgte man nämlich der liberalsten Ausprägung der herrschenden Literatur und erachtete Bezugszeiträume von bis zu einem Jahr in jedem Fall als zuläs- sig, dürfte ein Arbeitgeber seinen in Abrufarbeit tätigen Mitarbeiter im Falle einer wöchentlich vereinbarten Arbeitszeit von zehn Stunden zum Beispiel drei beliebige Monate eines zusammenhängenden Jahres 40 Wochenstunden und die verbleibenden neun Monate gar nicht arbeiten lassen.84 Und da die Arbeit „auf Abruf“ erfolgte und gemäß § 12 III TzBfG dem Arbeitnehmer nur vier Tage vor dem jeweiligen Einsatz mitgeteilt werden müsste, könnte dieser am Jahresanfang mitnichten absehen, auf welche Arbeitszeitverteilung er sich einzustellen hätte. In Anbetracht der Regelungen in § 3 S. 2 ArbZG und

§ 3 II BUrlG könnte diese Rechnung sogar noch extremer ausfallen.

Würde man den Teilen der Literatur folgen, die den Wortlaut des

§ 12 I 2 Var. 1 TzBfG restriktiv auslegen, könnte der Arbeitnehmer sich im oben genannten Beispiel in jeder Woche auf zehn Arbeitsstunden einstellen.

Der Arbeitgeber hingegen dürfte lediglich festlegen, zu welchen Zeiten und an welchen Tagen der jeweiligen Woche der Arbeitnehmer zu erscheinen hätte.

Die Konsequenzen des Streits für die zeitliche Souveränität des Arbeitneh- mers liegen damit auf der Hand. In diesem Kapitel wird im Wege der Ausle- gung zunächst nur untersucht, inwieweit der Streit unabhängig von der Frage der variablen Arbeitszeitdauer zu beurteilen ist. Ob und wie beide

83 MüHaBu/Schüren, § 45, Rn. 16; AG/Arnold, § 12, Rn. 47; MHH/Heyn, § 12, Rn. 27;

DHSW/Ahrend, § 12, Rn. 17.

84 Lützeler/Scholz, öAT, 2019, 161, 163.

(22)

18 Instrumente der Arbeitszeitgestaltung miteinander verknüpft werden können,

wird erst im Anschluss behandelt.85

2. Zulässigkeit eines größeren Bezugszeitraumes a) Grammatische Auslegung

Die Formulierung des § 12 I 2 Var. 1 TzBfG deutet zunächst in Richtung ei- ner restriktiven Auslegung der Vorschrift. Daher verwundert es nicht, dass deren Befürworter die Wortlautgrenze bei dem Versuch der Gegenseite, in dem Wort „wöchentlich“ nur eine durchschnittliche Größe zu erkennen, über- schritten sehen. Schon allein deshalb sei seine solche Auslegung eindeutig abzulehnen.86 In der Tat ist das Wort grammatischen Auslegungsversuchen nur schwer zugänglich, denn es umschreibt unzweideutig den Zeitraum einer Woche. Folgerichtig räumt auch die Gegenseite ein, der Normtext sei un- glücklich geraten und spreche auf den ersten Blick für eine wörtliche Ausle- gung.87 Dennoch schließt die Formulierung des § 12 I 2 Var. 1 TzBfG auch nicht zwingend und eindeutig aus, dass ein durchschnittlicher Wert gemeint sein könnte. Daher ist es im Ergebnis noch tragbar, die Wortlautgrenze in diesem Fall als nicht überschritten zu betrachten, sodass die herrschende Mei- nung nicht auf Mittel der Rechtsfortbildung angewiesen ist. Gleichwohl be- darf es besonders überzeugender Argumente, um noch im Wege der Ausle- gung zum gewünschten Ergebnis zu gelangen.

b) Systematische Auslegung

Vertreter des weiten Bezugszeitraumes für die Verteilung der Arbeitszeitlage sehen sich in ihrer Meinung zunächst durch die Systematik des Teilzeitbefris- tungs- und des Arbeitszeitgesetzes bestätigt. Hierbei werden die

§§ 2, 8 TzBfG sowie § 3 ArbZG herangezogen.

Einerseits spreche die Regelung des § 3 S. 2 ArbZG dafür, dass es grundsätz- lich zulässig sei, flexible Arbeitsverhältnisse zu gestalten, bei denen die ge- naue Arbeitszeitlage nicht von vornherein feststehe, sondern über einen Zeit- raum von bis zu einem halben Jahr schwanke, sodass ein feststehender Wert

85 Siehe unten: C.III.

86 LAG Düsseldorf v. 30.8.2002 - 9 Sa 709/02, NZA-RR, 2003, 407, 408; BJ/Boecken, § 12, Rn. 16; Sievers, § 12, Rn. 11 f.; TZA/Buschmann § 12, Rn. 66; Boewer, § 12, Rn. 14;

Benecke, AuR 2006, 337, 339; Buschmann, AuR 2001, 437, 439.

87 MHH/Heyn, § 12, Rn. 27; Kiene, S. 117; MüHaBu/Schüren, § 45, Rn. 16; Busch, NZA 2001, 593, 594; Stamm, RdA 2006, 288, 296.

(23)

19 der Arbeitszeit nur im Durchschnitt bestimmt werden könne.88 Dieser Befund

wird auch durch die Gesetzesmaterialien bestätigt.89 Dabei ist jedoch zu be- achten, dass es in § 3 ArbZG um die tägliche und nicht die wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit geht. Insofern ist die Vergleichbarkeit zu

§ 12 I 2 TzBfG nicht uneingeschränkt gegeben.

Ein ähnlicher Schluss wird aus den Gesetzesmaterialien zu § 8 TzBfG gezo- gen. Der Beschlussempfehlung des 11. Ausschusses ist zu entnehmen, dass die Änderungen der Absätze 1, 2, 4, 6 und 7 des § 8 TzBfG vorgenommen wurden, um auch solche Formen der Arbeitszeitgestaltung von der Regelung zu erfassen, die sich nicht an der Wochenarbeitszeit orientieren.90 Auch dies spreche allgemein für die Zulässigkeit von großen Bezugszeiträumen91 und eine Akzeptanz des Gesetzgebers für flexible Arbeitszeitformen.92

In § 2 I 1 TzBfG wird die Teilzeit- von der Vollzeitarbeit über das Kriterium der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit abgegrenzt. Falls eine solche nicht vereinbart ist, wird nach § 2 I 2 TzBfG ersatzweise die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit über einen Zeitraum von bis zu einem Jahr heran- gezogen. Daraus wird teilweise gefolgert, der Gesetzgeber beziehe sich in sämtlichen Vorschriften des Teilzeitbefristungsgesetzes,93 insbesondere aber in § 12 I 2 TzBfG,94 auf eine durchschnittliche Arbeitszeit.

Ein so weitreichender Schluss wird selbst von Befürwortern des größeren Be- zugszeitraumes kritisch gesehen. § 2 I 2 TzBfG definiere lediglich, welche Arten von Arbeitszeitvereinbarungen unter Teilzeit zu fassen seien, und treffe keine Aussage über deren allgemeine, geschweige denn spezielle Zulässigkeit im Rahmen des § 12 I 2 TzBfG.95

Entsprechend vorsichtiger ist Kiene in ihrem Urteil, die aus § 2 I 2 TzBfG nicht als zwingende und direkte Folge die Zulässigkeit der infrage stehenden Vertragsgestaltungen ableitet, sondern darin lediglich eine Billigung des

88 MHH/Heyn, § 12, Rn. 23; Hunold, NZA 2003, 896, 899.

89 BT-Drucks. 12/5888, S. 24.

90 BT-Drucks. 14/4625, S. 20.

91 Kiene, S. 113.

92 MHH/Heyn, § 12, Rn. 25; LS/Laux, § 12, Rn. 57.

93 Mühlmann, RdA 2006, 356, 361.

94 Busch, NZA 2001, 593, 594.

95 LS/Laux, § 12, Rn. 58.

(24)

20 Gesetzgebers für Vereinbarungen erkennt, deren Arbeitszeitverteilung von

Woche zu Woche unterschiedlich ausfielen.96

Gegen diesen eher zurückhaltenden Ansatz ist wenig einzuwenden. Daraus folgt jedoch insgesamt auch, dass keine der genannten Vorschriften die Zu- lässigkeit der größeren Bezugszeiträume mit zwingender Überzeugungskraft zu begründen vermag. Dafür regelt § 12 TzBfG eine zu spezielle Form der flexiblen Arbeitszeit, die unter anderem dadurch gekennzeichnet ist, dass sie dem Arbeitgeber die Möglichkeit verschafft, mit nur vier Tagen Vorlaufzeit97 so extreme Arbeitszeitverteilungen vorzunehmen wie im oben genannten Fallbeispiel.98 Von einer allgemeinen Billigung flexiblerer Arbeitszeitgestal- tungen kann nicht auf eine derart spezielle und potentiell arbeitnehmerbelas- tende wie die im Rahmen der Abrufarbeit geschlossen werden.

Isoliert betrachtet ist die Argumentation hinsichtlich der systematischen Aus- legung also nicht ausreichend, um die herrschende Meinung mit letzter Über- zeugungskraft zu begründen. Gleichwohl kann sie im Zusammenspiel mit weiteren Argumenten in der Tendenz unterstützend wirken.

c) Objektiv-teleologische Auslegung

Diese Argumente finden sich über die Analyse des Gesetzeszwecks von

§ 12 TzBfG. Die zentrale These der Befürworter eines weiten Bezugszeitrau- mes für die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeitlage lautet, dass es die- sem schlicht zuwiderliefe, wenn der Arbeitgeber die einmal bestimmte Ar- beitszeit in jeder Woche abzurufen hätte.

Der Gesetzeszweck des § 12 TzBfG liegt in erster Linie darin begründet, Ar- beitszeit durch Anpassung an den Arbeitsanfall zu flexibilisieren.99 Es soll dem Arbeitgeber mithin die Möglichkeit verschafft werden, auf langfristig nicht vorhersehbare Schwankungen des Arbeitsanfalls angemessen reagieren zu können.100 Von diesem Gesetzeszweck sind – nicht nur, aber in erster Li- nie – solche Betriebe erfasst, in denen der Arbeitsanfall vor allem saisonal

96 Kiene, S. 114; im Ergebnis wohl auch: MHH/Heyn, § 12, Rn. 25; BDDH/Worzalla, § 12, Rn. 4; Lindemann, ArbRAktuell 2013, 561, 562.

97 Preis/Schneider, II A 90, Rn. 165 f.

98 Siehe oben: C.II.1. FN 84.

99 ErfK/Preis, § 12, Rn. 17; Preis/Schneider, II A 90, Rn. 165.

100 BT-Drucks. 10/2102, S. 25.

(25)

21 oder witterungsbedingt stark schwankt.101 Für den Arbeitgeber gäbe es bei

Geltung eines strikten Wochenbezugszeitraumes keine Möglichkeit, die Ar- beitszeit seiner Mitarbeiter während der schwächeren Phasen für auslastungs- stärkere Perioden anzusparen.102 Anders gewendet ist es für jede Form der flexiblen Arbeitszeitgestaltung103 und damit erst recht für die arbeitgeber- freundlichste Form, die Arbeit auf Abruf, wesenstypisch, dass die wöchentli- che Arbeitszeit gerade nicht von vornherein feststehen kann.104 Ein strikter Wochenbezugszeitraum würde dem Gesetzeszweck des § 12 TzBfG also der- art zuwiderlaufen, dass Abrufarbeit für die meisten ihrer Anwendungsfälle de facto abgeschafft wäre.105

Die Gegenseite führt dagegen berechtigterweise an, dass die Flexibilisierung von Arbeitszeit nicht alleiniger Gesetzeszweck sei. Die Regelungen des

§ 12 I-III TzBfG hätten auch eine Schutzfunktion gegenüber dem Arbeitneh- mer, die nicht nur ein regelmäßiges Einkommen, sondern auch die zeitliche Souveränität des Arbeitnehmers umfasse. Die Gesetzesmaterialien bestätigen diesen Befund106 und machen damit eine Abwägung zwischen den widerstrei- tenden Interessen der Vertragsparteien notwendig. Eine solche müsse zuguns- ten des Arbeitnehmers ausfallen. Dabei wird behauptet, dessen zeitliche Sou- veränität sei durch einen über die Woche hinausgehenden Bezugszeitraum für die Bestimmung der Arbeitszeitlage viel zu stark eingeschränkt. Der Arbeit- geber hingegen sei in seinem Flexibilisierungsinteresse nicht allzu stark be- lastet, wenn er die Verteilung der arbeitsvertraglich bestimmten Arbeitszeit nur innerhalb einer Woche abrufen könne. Schließlich sei er in der Lage, die wöchentlich fixierte Arbeitszeitdauer in den Grenzen des § 12 II TzBfG vari- abel zu gestalten und könne zusätzlich noch Überstunden mit dem Arbeitneh- mer vereinbaren.107

Dem muss jedoch entgegengehalten werden, dass Überstunden nur in Aus- nahmefällen vom Arbeitgeber angeordnet werden dürfen. In Betrieben, die im Rahmen ihrer gewöhnlichen Abläufe auf Abrufarbeit angewiesen sind, ist

101 Kramer/Kiene, ArbRAktuell 2010, 233, 235.

102 Kramer/Kiene, ArbRAktuell 2010, 233, 235.

103 MHH/Heyn, § 12, Rn. 23; Hunold, NZA 2003, 896, 899.

104 AG/Arnold, § 12, Rn. 44; Kiene, S. 113.

105 AG/Arnold, § 12, Rn. 41; vgl. auch Busch, NZA 2001, 593.

106 BT-Drucks. 19/3452, S. 19.

107 BJ/Boecken, § 12, Rn. 16.

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22 die unregelmäßige Arbeitszeit dagegen der Normalfall. Für sie ist eine Aus-

nahmeregelung damit keine Option. Auch die Möglichkeit, die festgelegte Arbeitszeit einseitig um 25% zu erhöhen, schafft keine Abhilfe für die oben genannten Branchen, welche starken saisonalen Auftragsschwankungen un- terliegen und auf weitreichendere Verteilungsmöglichkeiten der Arbeitszeit angewiesen sind. Zu guter Letzt kann der Arbeitnehmer in seinem berechtig- ten Interesse an mehr Planungssicherheit auch auf andere Weise geschützt werden, indem die Größe des Bezugszeitraumes in Abhängigkeit von der Höhe der vereinbarten Arbeitszeit reduziert wird.108 Im Übrigen wird der Ge- setzeszweck des Arbeitnehmerschutzes im Hinblick auf dessen Interesse an finanzieller und sozialversicherungsrechtlicher Sicherheit durch die regelmä- ßige Vergütung auf Basis des Wochenbezugszeitraumes voll gewährleistet.109 Die Abwägung zur Frage der Verteilung der Arbeitszeitlage muss hier also zugunsten des Arbeitgebers ausfallen und mit der herrschenden Meinung konstatiert werden, dass der Gesetzgeber eine derartige Einschränkung des Bezugszeitraumes nicht gewollt haben kann.110 Was genau der Gesetzgeber im Einzelnen tatsächlich gewollt hat, ist jedoch Gegenstand der historisch- genetischen Auslegung.

d) Historisch-genetische Auslegung

Bei dem Versuch, den Willen des Gesetzgebers in Bezug auf die Bedeutung von § 12 I 2 TzBfG im Wege der genetischen Auslegung zu ergründen, stößt man zunächst an Grenzen.

In den Gesetzesmaterialien zur aktuellen Fassung des Teilzeitbefristungsge- setzes vom 11.12.2018111 finden sich zu dieser Frage schon deshalb keine brauchbaren Hinweise, weil die Formulierung des § 12 I 2 TzBfG im Ver- gleich zu der Norm aus dem Jahr 2000 nicht verändert wurde. Zwar wird durchaus der Schutzzweck formuliert, Abrufarbeitnehmern durch die Rege- lungen mehr Sicherheit in Bezug auf Planung und Einkommen zuteilwerden zu lassen,112 dabei wird aber ausdrücklich nur auf § 12 I 3 TzBfG, den neu

108 Ausführlich dazu unten: C.II.4.

109 MüHaBu/Schüren, § 45, Rn. 16; Preis/Schneider, II A 90, Rn. 165.

110 Busch, NZA 2001, 593, 594; MHH/Heyn, § 12, Rn. 23; LS/Laux, § 12, Rn. 57; Mühlmann, RdA 2006, 356, 361.

111 BT-Drucks. 19/3452; BT-Drucks. 19/5097.

112 BT-Drucks. 19/3452, S. 19.

(27)

23 hinzugekommenen Absatz 2 sowie weitere Regelungen Bezug genommen,

welche die Frage des Bezugszeitraumes nicht berühren.113

In den Gesetzesmaterialien zum Teilzeitbefristungsgesetz in der Fassung vom 21.12.2000 ist einzig der Hinweis zu finden, dass die Regelungen aus § 4 Be- schFG – der Vorgängernorm des § 12 TzBfG – im Wesentlichen übernom- men werden sollten.114

Der Weg zum Willen des Gesetzgebers muss folglich über die historische Auslegung beschritten werden. Dazu ist zu ergründen, welches Verständnis für den Bezugszeitraum der Arbeitszeitlage § 4 BeschFG zugrunde lag.115 Dessen genetische Auslegung ist allerdings deutlich ergiebiger. Im Geset- zesentwurf vom 11.10.1984 war bereits der Arbeitnehmerschutz als Geset- zeszweck enthalten. Dort heißt es, die Norm solle Abrufarbeit sozial verträg- lich gestalten.116 Ein Teil des Schrifttums hielt es unter Bezugnahme auf die- sen Schutzzweck für geboten, die Verteilung der Arbeitszeitlage durch den Arbeitgeber auf einen bestimmten Bezugszeitraum zu beschränken. Der Ar- beitnehmer sei anderenfalls in der Fähigkeit eingeschränkt, über seine Ar- beits- und Freizeit bestimmen zu können. Da sich im Wortlaut des § 4 I Be- schFG noch kein Hinweis auf einen Bezugszeitraum fand, sollte diese Be- schränkung im Wege der teleologischen Reduktion erfolgen. Wenige Stim- men verlangten einen Zeitraum von nur einer Woche,117 die weitaus meisten sprachen sich für einen Monat aus.118 Mit Einführung des § 12 I 1 TzBfG im Jahre 2000 habe sich der Gesetzgeber diese Kritik zu eigen gemacht und mit der Implementierung des Wortes „wöchentlich“ einen solchen Referenzzeit- raum nun verbindlich schaffen wollen.119

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass es für einen derart weitreichenden Schluss irgendeinen Hinweis in den Gesetzesmaterialien zum Teilzeitbefris- tungsgesetz aus dem Jahr 2000 geben müsste. Das gilt umso mehr, als der Gesetzgeber mit einem Referenzzeitraum von nur einer Woche sogar deutlich

113 BT-Drucks. 19/3452, S. 20.

114 BT-Drucks. 14/4374, S. 18.

115 HHMN/Looschelders, Anhang zu § 133 BGB, Rn. 20.

116 BT-Drucks. 10/2102, S. 25.

117 Plander, AuR 1987, 281, 282.

118 Lorenz/Schwedes, DB 1985, 1077, 1080; Lipke, NZA 1990, 758, 765; Stevens-Bartol, AiB 1985, 122 f.; Kleveman AuR 1987, 292, 295.

119 Däubler, ZIP 2001, 217, 222.

(28)

24 über die Forderung des Schrifttums hinausgegangen wäre.120 Wie oben be-

reits herausgearbeitet, schweigen sich die Gesetzesmaterialien dazu aller- dings aus.

Entscheidend für die herrschende Meinung – und damit für größere Referenz- zeiträume – sprechen aber die folgenden Umstände. Der Entwurf vom 11.10.1984 statuiert neben dem Arbeitnehmerschutz sehr deutlich, dass hier die grundsätzliche Möglichkeit geschaffen werden sollte, Arbeitszeit so zu flexibilisieren, dass langfristig nicht vorhersehbare Schwankungen des Ar- beitsanfalls aufgefangen werden können.121 Damit werden präzise eben jene Branchen umschrieben, die weiter oben schon Erwähnung gefunden haben:

Betriebe, deren Arbeitsanfall saisonal oder wetterbedingt stark schwankt und die deshalb keinen nennenswerten Vorteil durch eine Regelung hätten, wel- che ihnen lediglich die Verteilung der Arbeitszeitlage innerhalb einer Woche gestattet.122 Hier wird also deutlich, dass der Gesetzgeber einen derart be- schränkten Bezugszeitraum nicht gewollt haben kann. Diese Analyse spiegelt nicht zuletzt der Wortlaut des § 4 I 1 BeschFG wider, in dem sich weder das Wort „wöchentlich“ noch ein anderer Zeitbezug für die bestimmte Arbeits- zeitdauer findet.

Entscheidend verstärkt wird dieser Befund durch den Umstand, dass der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts am 12.12.1984, also bereits nach Vorle- gung des Gesetzesentwurfs, aber noch vor Verabschiedung des Gesetzes, in seiner Musiklehrerentscheidung solche Klauseln in Abrufverträgen für nich- tig erklärte, die dem Arbeitgeber erlaubten, die Arbeitszeitdauer einseitig zu verändern, also variabel zu gestalten.123 Wenig beachtet scheint an dieser Stelle, dass das Gericht in seinen Ausführungen die reine Flexibilisierung der Arbeitszeitlage, um die es hier geht, explizit erwähnt und dabei von der Frage der einseitigen Änderung der Arbeitszeitdauer abgegrenzt hat.124 Damit wurde zwar keine Aussage über die generelle Zulässigkeit der freien Bestim- mung der Arbeitszeitlage getroffen, aber es wäre nicht falsch zu sagen, dass sie ausdrücklich nicht für unzulässig erklärt wurde.

120 Stamm, RdA, 2006, 288, 297; Kiene, S. 113.

121 BT-Drucks. 10/2102, S. 25.

122 Siehe oben: C.II.2.c.

123 BAG v. 12.12.1984, 7 AZR 509/83, NZA 1985, 321 ff.; siehe oben: C.I.1.

124 BAG v. 12.12.1984, 7 AZR 509/83, NZA 1985, 321, 322; Hunold, NZA 2003, 896, 899.

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25 Das Urteil sollte ausweislich der Beschlussempfehlung des 11. Ausschusses

im Beschäftigungsförderungsgesetz berücksichtigt und dieses entsprechend angepasst werden,125 was schlussendlich auch geschehen ist.126 Wenn nun aber mit der variablen Arbeitszeitdauer eines der zwei entscheidenden Instru- mente127 zur Gestaltung von Abrufverträgen gesetzlich eliminiert war, musste die freie arbeitgeberseitige Festlegung der Arbeitszeitlage erst recht noch ge- stattet sein. Anderenfalls hätte man die Arbeitszeitgestaltungsform der Ab- rufarbeit, die ausweislich der amtlichen Überschrift des § 4 BeschFG und des in den Gesetzesmaterialien formulierten Zwecks gerade ermöglicht werden sollte, unmöglich gemacht und die Regelung ad absurdum geführt.

Heyn geht sogar so weit zu behaupten, durch die Implementierung des Urteils habe sich der Schutzzweck des Gesetzes schlechthin auf das Interesse des Arbeitnehmers reduziert, sich auf den kündigungsschutzrechtlich geschützten Kernbereich des Arbeitsverhältnisses – und damit nur auf die insgesamt fest- gelegte Arbeitszeitdauer sowie das dafür vereinbarte Arbeitsentgelt – verlas- sen zu können. Schutzzweck des § 4 BeschFG und des § 12 TzBfG sei damit allein das Arbeitnehmerinteresse an einem verstetigten Einkommen128 und nicht mehr die zeitliche Souveränität des Arbeitnehmers.

Der im Gesetzesentwurf zum Ausdruck gekommene Schutzzweck der Norm erstreckt sich jedoch ausdrücklich auch auf die zeitliche Souveränität des Ab- rufarbeitnehmers.129 Darüber hinaus geht aus der Beschlussempfehlung nicht hervor, dass im Rahmen der endgültigen Fassung davon abgewichen werden sollte. Der Einschätzung Heyns kann vor allem deshalb nicht zugestimmt werden, weil der Umstand, dass die gesetzliche Berücksichtigung eines Ur- teils, das den Arbeitnehmerschutz konkretisiert, also nachgerade stärkt, doch nicht dafürspricht, dass man diesen in Bezug auf die Planungssicherheit des Arbeitnehmers beschneiden, geschweige denn grundsätzlich aufgeben wollte, sondern in der Tendenz gerade für das Gegenteil. Im Übrigen wird auch im Urteil selbst die besondere Bedeutung der zeitlichen Souveränität des Abruf- arbeitnehmers hervorgehoben.130 Der Schutzzweck des § 4 I BeschFG sowie

125 BT-Drucks. 10/3206, S. 30.

126 Preis/Lindemann, NZA 2006, 632, 633.

127 Siehe oben: A.II.

128 MHH/Heyn, § 12, Rn. 24.

129 BT-Drucks. 10/2102, S. 25.

130 BAG v. 12.12.1984, 7 AZR 509/83, NZA 1985, 321, 323.

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