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Vielfältige Möglichkeiten von Gamification: Framework zur Kategorisierung von Gamification-Ansätzen im Bildungskontext

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Level 2: Anwendung von digitalen Spielen (z.B. Gamification)

Vielfältige Möglichkeiten von Gamification

Framework zur Kategorisierung von

Gamification-Ansätzen im Bildungskontext

Erschienen in:

Junge, Thorsten/Schumacher, Claudia (Hrsg.):

Digitale Spiele im Diskurs

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Vielfältige Möglichkeiten von Gamification.

Framework zur Kategorisierung von Gamification-Ansätzen im Bildungskontext

Nando Stöcklin

Gamification kann unterschiedliche Formen annehmen und in unter- schiedlichen Kontexten angewandt werden. In diesem Beitrag wer- den vier verschiedene Arten von Gamification vorgestellt und ge- meinsam mit sechs gamifizierbaren Einheiten unterschiedlicher Gra- nularität zu einem Framework im Bildungskontext verwoben.

Gamification steht für die Methode, charakteristische Spiel-Elemente auf Systeme zu übertragen, die selbst kein Spiel sind (Deterding, Dixon, Khaled

& Nacke, 2011). Zum Einsatz gelangt Gamification vor allem im Marketing (Schrape, 2014); ein Beispiel sind Vielfliegerprogramme von Fluggesell- schaften zur Kundenbindung (Schrape, 2014). Ebenfalls Standard ist Gami- fication in Bildungsapplikationen, etwa in Sprachlerndiensten wie Duolingo, Babbel oder Busuu. Im institutionalisierten Bildungskontext fasst Gamifi- cation erst zögerlich Fuß. Am ehesten finden sich Ansätze in Fortbildungs- veranstaltungen für Erwachsene und Hochschulveranstaltungen, in der Se- kundarstufe I und II hingegen sind dokumentierte Versuche von Gamifica- tion rar (Caponetto, Earp & Ott, 2014; De Sousa Borges, Durelli & Reis, 2014). Insgesamt existieren deshalb bislang nur wenige empirische Studien zur Wirkung von Gamification im Bildungswesen (Caponetto, Earp & Ott, 2014; De Sousa Borges, Durelli & Macedo Reis, 2014; Dicheva, Dichev, Agre & Angelova, 2016). Die bestehenden Studien lassen sich zudem auf- grund der Verschiedenartigkeit der Gamification-Interventionen nur mit Einschränkungen in Metastudien zusammenfassen, wie dies etwa Hamari, Koivisto & Sarsa (2014) versucht haben.

In diesem Beitrag wird anhand eines Frameworks aufgezeigt, wie vielfältig Gamification ist. Das Framework basiert auf Motivierungskategorien und differenziert vier Gamificationarten, die zusätzlich hierarchisiert werden. Es verdeutlicht, dass Effekte von Gamification-Maßnahmen nicht pauschal diskutiert werden können. Als Folge resultiert der Bedarf nach einem eben- solchen Framework, um die Effekte von Gamification-Interventionen ge- trennt nach Kategorien auswerten und so genauere Aussagen treffen zu

können. Dazu wird das vorgeschlagene Framework mit folgenden beiden bestehenden Kategorisierungsvarianten abgeglichen:

● Interventionsarten: Wird der Inhalt oder die Struktur eines Systems gamifiziert?

● Interventionstiefe: Werden spieltypische Elemente auf ein beste- hendes System aufgesetzt oder nehmen sie tiefgreifend Einfluss auf das System?

Ergänzt wird das Framework durch eine Differenzierung der Einsatzstufen im Bildungssektor.

Es wird gezeigt, dass das vorgeschlagene Framework auch eine Aussage macht zu den Interventionsarten und zur Interventionstiefe und es sich so- mit zur Messung der Wirkungsweise von Gamification-Interventionen eig- nen könnte.

Framework zur Kategorisierung von Gamification-Ansätzen im Bildungskontext

In der Folge wird das Framework ausgehend von der Organismic Integra- tion Theory von Ryan und Deci (2000) hergeleitet und beschrieben. Ryan und Deci unterteilen in ihrer Organismic Integration Theory nicht nur extrinsische von intrinsischer Motivation, sondern benennen vier verschie- dene extrinsische Motivationsarten, die auf einer Skala zwischen Amotiva- tion und intrinsischer Motivation liegen (s. Abbildung 1).

Abbildung 1: Motivationsskala nach Ryan und Deci (2000), von Amotivation über vier Arten extrinsischer Motivation hin zur intrinsischen Motivation

Bei extrinsisch regulierter Motivation wird eine Nachfrage von außen an das Individuum herangetragen, die es zu erledigen gilt. Würde das Individuum der Nachfrage nicht nachkommen, hätte dies eine Bestrafung oder das Aus- bleiben einer Belohnung zur Folge. Introjektion meint Handlungen, die ebenfalls von außen initiiert sind, die aber das Selbstwertgefühl des Indivi- duums steigern können. Wiederum auf der nächsten Stufe kann sich das Individuum mit der Aufgabe identifizieren, ihr einen Sinn abgewinnen. Bei

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der Integration hat das Individuum den Wert einer Handlung so verinner- licht, dass sie das Ziel selbst wählt, ohne von außen gedrängt worden zu sein. Diese Stufe ist sehr nahe an der intrinsischen Motivation, mit der Auf- gaben ihrer selbst willen erledigt werden. Zu beachten ist, dass Handlungen oft aufgrund eines Mixes mehrerer dieser Motivationsarten in Angriff ge- nommen werden (Krapp, 1999).

Die verschiedenen Motivationsarten lassen sich mittels verschiedener Gamification-Anreizen ansprechen. Im Folgenden wird die Organismic In- tegration Theory auf Gamification übertragen und eine Unterteilung von Gamification-Ansätzen vorgenommen. Es lassen sich vier Gamification- Stufen unterscheiden, die sich wiederum auf einer Skala von fremd- zu selbstbestimmt einteilen lassen:

 Belohnungs-Gamification: Bei dieser Form gelangen spieltypische Elemente wie Punkte, Badges oder andere Sammelobjekte zum Ein- satz, die ein bestimmtes Verhalten belohnen. Diese Elemente lassen sich vielfach zu bestehenden Systemen hinzufügen, ohne tief in das System eingreifen zu müssen. Aus Sicht des Game Designs können im schulischen Kontext Punkte für Prüfungsaufgaben zu dieser Ka- tegorie gezählt werden. Denkbar sind auch Bestrafungen, die aller- dings im Rahmen von Gamification nur selten verwendet werden.

 Status-Gamification: Status-Gamification steigert den Status des In- dividuums innerhalb einer bestimmten Gemeinschaft. Jede öffent- lich ausgewiesene Leistungsanerkennung – etwa durch Ranglisten, verbesserte Avatare, Badges oder höhere Levels – kann dazu beitra- gen, aber auch Hierarchisierungen wie Ordnungs-, Wandtafel- oder Gruppen-Chefs für Schülerinnen und Schüler, die für gewisse Pflichten verantwortlich sind, oder Einteilung in Stärke-Kategorien.

 Identifikations-Gamification: Mit Hilfe von Identifikations-Gamifi- cation kann mittels spieltypischer Elemente versucht werden, die Identifikation mit einer Handlung zu steigern. Visuelle und auditive Effekte können auf Wichtiges hinweisen. Eine Story kann die Em- pathie erhöhen, besonders dann, wenn Schülerinnen und Schüler für eine bestimmte Handlung in die Rolle einer Figur aus der Ge- schichte wechseln müssen (Cordova & Lepper, 1996; Kapp, Blair &

Mesch, 2013; Malone & Lepper, 1987).

 Selbstbestimmungs-Gamification: Mit Selbstbestimmungs-Gamifi- cation soll einerseits der Spaß an einer Aktivität und andererseits die Selbstbestimmung erhöht werden, so dass die Aktivität im besten

Fall freiwillig gewählt wird. Die Erhöhung der Selbstbestimmung steht gleichwohl im Konflikt mit der Absicht, mit Hilfe von Gami- fication von außen auf das Verhalten von Individuen Einfluss zu nehmen. Um die Selbstbestimmung der Nutzenden zu erhöhen, müssen diesen Wahlfreiheiten gewährt werden. Das wiederum be- dingt, dass die von der gamifizierten Instanz erwünschten Aktivitä- ten so attraktiv ausgestaltet sein müssen, dass sie freiwillig gewählt werden. Wird bspw. erhofft, dass Schülerinnen und Schüler freiwil- lig Hausaufgaben erledigen, müssen diese ähnlich attraktiv sein wie die vielfältigen Unterhaltungsmöglichkeiten. Falls die Schülerinnen und Schüler einen Sinn in der Erledigung der Aufgaben erkennen, müssen sie nicht gleich attraktiv sein, weil dann eine Mischung aus intrinsisch-naher und intrinsischer Motivation zum Zuge kommt.

Spaß kann vielfältig designt werden. Aktivitäten können als Heraus- forderungen gestaltet werden. Es können Überraschungen einge- baut werden oder Elemente, die die Neugierde oder die Fantasie anregen. Kooperationen und Wettkämpfe können das Gemein- schaftsgefühl erhöhen, wenn sie nicht statusorientiert sind. Und in- formative Rückmeldungen können das Gefühl des Fortschritts und der Wirksamkeit erhöhen.

Teilweise sind Elemente nicht per se eindeutig einer Stufe zuordnungsbar.

Entscheidend sind auch der Kontext und das genaue Design. Ist ein Badge etwa ein Sammelobjekt, stellt er eine Belohnung dar. Wird er öffentlich aus- gewiesen, bildet er hingegen eine Grundlage für den Status.

Es gibt Hinweise, dass stark extrinsische Motivationsanreize besonders für kreative Tätigkeiten kontraproduktiv oder zumindest weniger effektiv sein können als vorwiegend intrinsische Motivation (Ariely, Gneezy, Loewen- stein & Mazar, 2005; Deci, Koestner, & Ryan, 2001; Pink, 2009; Rheinberg, 2006; Ryan & Deci, 2002). Aus lernpsychologischer Sicht gilt intrinsische Motivation als wertvoller für die Nachhaltigkeit des Lernens und zur Bewäl- tigung komplexer Aufgaben mit hohen Anforderungen an die Kreativität und Problemlösefähigkeit (Faulstich, 1999; Murayama, Pekrun, Lichtenfeld

& Vom Hofe, 2013; Ryan & Deci, 2000; Utman, 1997). Deshalb werden die vier Gamificationarten hierarchisiert als Stufen betrachtet, beginnend bei Belohnungs-Gamification und endend auf der höchsten Stufe bei Selbstbe- stimmungs-Gamification (s. Abbildung 2).

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Abbildung 2: Vier hierarchisierte Gamificationarten

Die Unterteilung in vier unterschiedliche Arten verdeutlicht den Bedarf nach einer differenzierten Bewertung von Gamification-Interventionen.

Am einfachsten dürften Interventionen nach den Prinzipien von Beloh- nungs- und Status-Gamification sein, da hier einem System einfach Beloh- nungs- resp. Statusanreize aufgesetzt werden können, ohne das System tie- fergreifend zu verändern.

Gängige Kritik an Gamification adressiert sich denn auch an dieser, die üb- rigen Gamificationstufen ignorierend. Zu den häufigsten Kritikpunkten zählt die Praxis, einem System Elemente wie Punkte oder Badges hinzuzu- fügen und dieses dann spielähnlich zu nennen, obwohl das System unver- ändert bleibt und nicht näher an ein Spiel rückt. Es würden lediglich die aus Game-Design-Sicht unspannendsten Elemente hinzugefügt (Bogost, 2011;

Robertson, 2010). Die Einteilung in die vier Gamificationstufen kann den Blick auf die ganze Palette an Einsatzmöglichkeiten öffnen.

Die vier Gamificationarten könnten zu einer differenzierten Analyse von Gamificationeffekten verwendet werden. So wirkt eine Intervention, die ausschließlich Elemente der Belohnungs-Gamification verwendet, anders als solche, die in höhere Gamificationstufen vorstoßen.

Zusätzlich kann die gamifizierte Einheit nach Größe unterschieden werden.

Im Schulkontext kann eine einzelne Aufgabe gamifiziert werden, eine Un- terrichtsstunde, eine Unterrichtseinheit über mehrere Wochen, ein ganzes Semester, eine Schulstufe wie beispielsweise die Sekundarstufe I oder – zu- mindest potenziell – die ganze Schulbildung (s. Abbildung 3).

Abbildung 3: Gamifizierbare Einheiten im schulischen Kontext

Die Größe der Einheit dürfte für die Beurteilung des Effekts insofern rele- vant sein, als dass bei kleineren Einheiten Anreize der übergeordneten Stu- fen übernommen werden, die systemrelevant sein und die Effekte beein- flussen können. Wird etwa eine Aufgabe spieltypisch gestaltet, aber die Schülerinnen und Schüler müssen sie zwingend zu einer bestimmten Zeit lösen, kann dies auf die Motivation Einfluss nehmen. Gamificationstufen und gamifizierbare Einheiten können als zwei Achsen auf einem Graphen visualisiert werden (s. Abbildung 4).

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Abbildung 4: Gamificationframework mit vier Gamificationstufen geordnet nach Selbstbe- stimmungsgrad und sechs gamifizierbaren Einheiten geordnet nach Granularität

Der gelbliche Pfeil symbolisiert die vermutete gesteigerte Komplexität der Gamification-Intervention. Selbstbestimmungs-Gamification greift tiefer ins System ein als Belohnungs-Gamification und die ganze Schulbildung ist ein komplexeres System als eine einzelne schulische Aufgabe.

In der Folge werden zwei etablierte Unterscheidungsdimensionen aus Game Design und Gamification vorgestellt und bezüglich ihrer Aussage- kraft zur Differenzierung von Analysen diskutiert. Zusätzlich wird eine wei- tere Kategorisierungsdimension vorgestellt, die im Bildungskontext ergän- zend verwendet werden könnte.

Interventionsarten

Im Bildungskontext kann zwischen inhaltlicher und struktureller Gamifica- tion unterschieden werden (Kapp, Blair & Mesch, 2013). Strukturelle Gamifi- cation rührt die Struktur eines Systems an und lässt den Inhalt unverändert.

Beispielsweise wird der Unterrichtsinhalt eines Semesters in Levels aufge- teilt. Oder eine Schule gestaltet mit Absicht Kooperations- oder Wettbe- werbsdynamiken. Bei inhaltlicher Gamification hingegen wird der Inhalt selbst

spielähnlicher gestaltet. Vielleicht wird er als Story aufbereitet, in der es Her- ausforderungen zu lösen gilt. Oder eine Serie von einfachen Multiple- Choice-Aufgaben wird zu einem Millionenspiel umgewandelt, beispiels- weise mit LearningApps (Hielscher, 2012).

Inhaltliche und strukturelle Gamification können gut kombiniert werden.

Eine Storyline kann so rhythmisiert werden, dass einer Folge von einfache- ren Herausforderungen eine etwas schwierigere folgt. Wird die gemeistert, steigt die Schülerin oder der Schüler ein Level höher und es folgt vielleicht ein anderer Aspekt des Unterrichtsthemas, anfänglich wieder in einer Serie einfacherer Aufgaben, gefolgt von einer schwierigeren. Dieses Muster kann sich beliebig oft wiederholen.

Interventionstiefe

Hunicke, LeBlanc und Zubek (2004) sowie Werbach und Hunter (2012) unterteilen spieltypische Elemente je in drei Kategorien, die alle Tätigkeits- anreize setzen. Das Team um Robin Hunicke unterteilt die spieltypischen Anreizmöglichkeiten für Spiele in Ästhetik, Dynamik und Mechanik. Unter Ästhetik subsumieren sie die übergeordneten Möglichkeiten des Spaßberei- tens: Ansprache der Sinne, der Fantasie, der Entdeckungsfreude und des Gemeinschaftsgefühls, aber auch Ansprache der Freude an Geschichten, an Herausforderungen, am Sich-Ausdrücken und einfach am Zeitvertreib.

Diese Ästhetiken könnten durch Dynamiken designt werden. Beispielsweise könne eine Herausforderung durch Zeitdruck oder durch Wettkampf er- reicht werden. Dem Bedürfnis, sich auszudrücken, könnte über gestaltbare Avatare entsprochen werden oder durch Möglichkeiten, die Welt mitzuge- stalten.

Unter Mechaniken werden jene Handlungsmöglichkeiten, Verhaltensweisen und Kontrollmechanismen verstanden, die den Nutzenden zur Verfügung stehen und die Dynamiken auslösen. Hunicke, LeBlanc und Zubek führen mehrere Beispiele für Mechaniken an. Beim Kartenspiel könnten die Me- chaniken Mischen, Stechen und Wetten zu Dynamiken wie Bluffen führen.

Bei Shootern würden Mechaniken wie Waffen, Munition oder Punkte auf der Karte, an denen gestorbene Avatare wieder erscheinen, zum Einsatz gelangen und zu Dynamiken wie aus-dem-Hinterhalt-schießen oder sich-in- eine-Ecke-verdrücken führen können.

Werbach und Hunter haben die Systematik von Hunicke, LeBlanc und Zu- bek aus dem Game Design auf Gamification übertragen. Sie schlugen die Kategorien Komponenten, Mechaniken und Dynamiken vor. Unter Komponenten

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verstehen sie die deutlich sichtbaren Spielbausteine, die sich gut von den Spielen lösen und leicht in andere Kontexte übertragen lassen, beispiels- weise Punkte, Badges oder Levels. Als Mechaniken bezeichnen sie Prozesse, die ein Spiel oder ein gamifiziertes System vorwärtstreiben. Dies können etwa Wettbewerbe, Kooperationen, Herausforderungen oder Belohnungen sein. Übergeordnete Aspekte wie Einschränkungen, Fortschritte, Storylines oder Beziehungen nennen sie Dynamiken.

Spiele umfassen alle drei Arten von Elementen. Hingegen kann mit Gami- fication lediglich eine Art in einen nicht-spielerischen Kontext übernom- men werden. Dort kann eine Analyse nach den drei Spielelementarten auf- zeigen, ob einzelne spieltypische Elemente einem bestehenden System auf- gesetzt wurden und das System somit auch ohne diese Elemente funktio- nieren würde oder ob das System tiefergehend verändert wurde durch die spieltypischen Elemente und sich die Elemente kaum mehr vom System trennen lassen. Somit können die Spielelementarten im Rahmen von Gami- fication als Interventionstiefe interpretiert werden.

Für den Effekt könnte es einen beträchtlichen Unterschied ausmachen, ob bei Gamification losgelöst Komponenten wie Punkte und Ranglisten zum Einsatz gelangen ohne gezieltes Design von Mechaniken und Dynamiken oder ob das System als gesamtes betrachtet und designt wird. Gamification- Maßnahmen können auf der Ebene Punkte/Ranglisten/Badges ohne Vor- kenntnisse getroffen werden. Im Kontrast dazu kann die Gamification-In- tervention handwerklich fundiert konzipiert sein, etwa nach dem 6D-Pro- zess von Werbach und Hunter (2012). Im Rahmen dieses Prozesses würden die Ziele der Gamification-Intervention definiert, das erwünschte Verhalten der Zielgruppe und die Zielgruppe selbst beschrieben, Engagement-Schlei- fen und Fortschrittsstufen entwickelt und Spaßfaktoren ausgedacht, bevor passende spieltypische Elemente bestimmt würden.

Diskussion

Durch die Unterscheidung von vier Gamificationarten wurde die Breite der Designmöglichkeiten von Gamification und die Notwendigkeit eines diffe- renzierenden Frameworks aufgezeigt. Ein solches Framework wurde beste- hend aus den vier Gamificationstufen und sechs gamifizierbaren Einheiten für den Bildungskontext vorgeschlagen. Anschließend wurden mit den In- terventionsarten und der Interventionstiefe zwei bestehende Kategorisie- rungsvarianten beschrieben. Abschließend sollen nun die Gamificationstu- fen mit diesen beiden Kategorisierungsvarianten abgeglichen werden. Wie

Abbildung 5 verdeutlicht, überschneiden sich die Gamificationstufen stark mit den Interventionsarten und der Interventionstiefe und die Gamificati- onstufen machen auch Aussagen zu den Interventionsarten und -tiefen.

Abbildung 5: Gamificationstufen mit zugeordneten spieltypischen Elementen, abgeglichen mit den Interventionsarten nach Kapp, Blair & Mesch (2013) und -tiefen nach Werbach und Hunter (2012)

Bezüglich der beiden Interventionsarten inhaltliche und strukturelle Gami- fication fällt auf, dass sich die Elemente der inhaltlichen Gamification auf die intrinsisch-nahen Gamificationstufen beschränken, während sich die Elemente der strukturellen Gamification auf alle vier Gamificationstufen verteilen. Mit einer gewissen Vorsicht – es wurde nur eine Auswahl von spieltypischen Elementen in der Abbildung erfasst – kann vermutet werden, dass inhaltliche Gamification weder belohnt, noch den Status des Individu- ums erhöht, dafür aber die Identifikation mit einer Handlung fördert und eine selbstbestimmte Aktivität erleichtert.

Mit Blick auf die Interventionstiefe nach Werbach und Hunter sticht durch die farbliche Unterscheidung der beiden Kategorien “Komponenten” und

“Mechaniken/Dynamiken” eine Dreiteilung ins Auge: Bei Belohnungs- Gamification kommen ausschließlich Komponenten zum Einsatz, bei der Selbstbestimmungs-Gamification Mechaniken/Dynamiken, während sich die beiden Kategorien bei Status- und Identifikations-Gamification vermi- schen.

Somit könnten die Interventionsarten und -tiefen recht gut in die Gamifi- cationstufen subsummiert und eine differenzierte Analyse könnte alleine mittels dem vorgestellten Gamification-Framework erreicht werden.

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Für die Analyse müssten die Gamification-Interventionen auf den Schnitt- punkten der Geraden in Abbildung 4 verortet werden. Bei der Bestimmung der erreichten Gamificationstufe ist zu beachten, dass etliche spieltypische Elemente wie Punkte, Badges und Rückmeldungen nur im Kontext klar zu- geteilt werden können; je nach Ausgestaltung können sie unterschiedliche Funktion erfüllen. Badges können etwa zur Belohnung dienen oder den Sta- tus erhöhen. Bei zweiterer Variante werden die erhaltenen Badges Dritten angezeigt. Punkte können ebenfalls belohnend designt sein, aber auch den Wert von Aktivitätsmöglichkeiten repräsentieren und den Fortschritt visu- alisieren. In Abbildung 5 sind die zugeteilten Elemente deshalb nur als grobe Einteilung zu interpretieren.

Weiter ist zu beachten, dass bei vielen Gamification-Interventionen Ele- mente mehrerer Gamificationstufen zum Einsatz gelangen. Für die Beurtei- lung von Gamification-Prozessen könnte entscheidend sein, welche Stufe die Intervention erreicht.

Fazit

Ein Blick auf die Heterogenität von Gamification-Möglichkeiten und ihren Umsetzungen scheint für die Beurteilung von Effekten empfehlenswert.

Gamification, bei der einem bestehenden System Punkte und Badges auf- gesetzt werden, unterscheidet sich stark von Gamification, die intrinsisch- nahe Motivation fördert und Gamification einer Aufgabe unterscheidet sich stark von Gamification einer ganzen Schulbildung. Es ist zu erwarten, dass die entsprechenden Gamification-Maßnahmen zu unterschiedlichen Wir- kungseffekten führen. Bewertungen von Gamification, beispielsweise im Rahmen von Metastudien zur Wirkungsweise von gamifizierten Systemen, sollten deshalb differenziert erfolgen. Dazu kann das Gamificationstufen- Framework hilfreich sein, das die vier Gamificationarten Belohnungs-, Sta- tus-, Identifikations- und Selbstbestimmungs-Gamification unterscheidet und die Granularität von gamifizierbaren Einheiten im Bildungskontext dif- ferenziert. Bei der Beurteilung von Gamificationarten kann untersucht wer- den, ob nur eine Gamificationart oder mehrere zum Einsatz gelangen und welche Gamificationstufe erreicht wird. Zusätzlich kann die jeweilige Ein- satzstufe in die Analyse einbezogen werden. Hingegen sind die beiden wei- teren möglichen Kategorisierungsdimensionen Interventionsarten und In- terventionstiefe bereits durch das Gamificationstufen-Framework abge- deckt und müssen nicht separat berücksichtigt werden.

So kann das Gamificationstufen-Framework einen Beitrag leisten, um die Wirkung von Gamification künftig exakter messen zu können. Darüber hin- aus kann es zu einem bewussteren Motivationsdesign beitragen.

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Der Autor ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Pädago- gischen Hochschule PHBern. Im Rahmen seiner Disserta- tion beschäftigte er sich intensiv mit Gamification im Bil- dungskontext. Weitere Forschungsschwerpunkte sind die Auswirkungen des Leitmedienwechsels auf das Bildungswe- sen sowie Implikationen der Online-Enzyklopädie Wikipe- dia auf Unterricht und Lehre. Weitere Informationen finden sich unter www.nandostoecklin.ch.

Empfohlene Zitation:

Stöcklin, Nando (2018): Vielfältige Möglichkeiten von Gamification im Bildungskontext. Framework zur Kategorisierung von Gamification-Ansätzen im Bildungskontext. In: Junge, Thorsten/Schumacher, Claudia (Hrsg.): Digitale Spiele im Diskurs. URL: http://www.medien-im-diskurs.de

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