RIVA SUPERG
ÜNSTiG DASEE
Einblick in die Patch-Clamp-Technik: eine Mikroelektrode wird an eine einzelne Herzzelle herangeführt
AMI
Foto: Bayer AG
DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
PHARMAFORSCHUNG
ie Medizin-Nobelpreis- träger von 1991 waren zu Gast bei einem von Bayer veranstalteten Fach- pressegespräch Ende letzten Jahres in Leverkusen: Die Professoren Erwin Neher, Göttingen, und Bert Sak- mann, Heidelberg, erläuter- ten das — wie sie sagen — ver- blüffend einfache Prinzip der prämiierten Patch-Clamp- Technik, für die man trotz in- tensiver Suche bislang keine adäquate Übersetzung gefun- den habe.
Die Entwicklung der Patch-Clamp-Technik zielte darauf ab, einzelne Ionenka- näle in der Zellmembran un- tersuchen zu können. Hierzu wird die Spitze einer sehr fei- nen gläsernen Saugpipette (Durchmesser etwa ein Mi- krometer) auf die Zellmem- bran aufgesetzt, wodurch sich ein sehr eng umgrenzter Membranbezirk elektrisch auskoppeln läßt. Jetzt kann der Stromfluß in einzelnen Ionenkanälen — Größenord- nung: ein Pico-Ampere (10 -12) — analysiert werden.
Vor Entwicklung der Patch- Clamp-Technik hatte das elektrische Hintergrundrau-
HOTEL DU LAC ET DU PARC
****
NÜTZEN SIE DEN TIEFSTAND DER LIRA!
AB 1. APRIL TOLLE SPORTWOCHEN UND SINGLE-PAUSCHALEN
RUFEN SIE UNS AN ZUM
NULLTARIF
Tel. 0130-812109
schen in der Zellmembran ei- ne solch differenzierte Unter- suchung unmöglich gemacht.
Wie Professor Neher aus- führte, spielen Ionenkanäle immer dann eine Rolle, wenn Impulse rasch fortgeleitet be- ziehungsweise umgesetzt wer- den müssen, so bei der Ner-
venleitung, bei der neuromus- kulären Übertragung, bei Sin- neswahrnehmung und Sekre- tion.
Durch Öffnen und Schlie- ßen der Ionenkanäle werden an der Zellmembran oszillie- rende elektrische Potentiale aufgebaut, wobei sich Tau- sende von Einzelkanalströ- men überlagern.
Ein Prototyp von Ionenka- nal ist aus mehreren Unter- einheiten aufgebaut und be- sitzt an der Zellaußenseite ei- ne Rezeptorregion für spezi- fische Transmitterstoffe, wel- che den Funktionszustand des Kanals regulieren. Beson- ders gut untersucht sind die Vorgänge an der neuromus- kulären Endplatte, wo via Acetylcholin der Einstrom von Kalzium in die Muskel- zellen gesteuert wird. Mittels
der Patch-Clamp-Technik ist es gelungen, die Kommunika- tion zwischen Nervenzelle und Muskelzelle abzuhören.
Auch die Struktur von Io- nenkanälen konnte mittels der Patch-Clamp-Technik erstmals analysiert werden.
Man kann damit nämlich
auch winzige Stücke aus der Zellmembran herausreißen und dann untersuchen. Wie Prof. Sakmann berichtete, ha- ben Rekombinationsversuche gezeigt, daß die Ionenkanäle eine enorme Heterogenität aufweisen. Der Austausch von nur einer Aminosäure kann zu einer entscheidenden Änderung in den Permeabili- tätseigenschaften führen. So dürfte laut Sakmann die un- terschiedliche Vulnerabilität verschiedener Hirnregionen gegenüber Ischämie bezie- hungsweise Hypoglykämie unter anderem auf einen re- gional unterschiedlichen Auf- bau der Untereinheiten be- stimmter Kalziumkanäle zu- rückzuführen sein.
Ein exzessiver Kalzium- einstrom ins Zellinnere wird heute als bei ganz verschiede-
nen Krankheiten bedeutsa- mes Pathophänomen disku- tiert. Beim Pharmaunterneh- men Bayer/Tropon hat die Kalziumkanal-Forschung ei- ne lange Tradition, wobei be- reits seit 1984 die Patch- Clamp-Technik angewendet wird. Beim Fachpressege- spräch „Entdeckung der Io- nenkanäle: ein wichtiger Im- puls für die moderne Pharma- forschung" berichtete Dr.
Jörg Traber, Tropon, Köln, über Studien mit dem zere- bral wirksamen Kalziumanta- gonisten Nimodipin, dessen genaue Wirkweise am soge- nannten L-Kanal mittels Patch-Clamp entschlüsselt wurde. Konditionierungsver- suche haben einen sehr gün- stigen Effekt von Nimodipin auf die Lernfähigkeit alter beziehungsweise ischämiege- schädigter Tiere ergeben, wo- bei sich die besten Erfolge bei prophylaktischer Gabe erzie- len ließen. Erste klinische Studien zur Überprüfung die- ser interessanten tierexperi- mentellen Daten sind ange- laufen.
Das gegenteilige pharma- kologische Wirkprinzip, näm- lich das verlängerte Offenhal- ten von Kalziumkanälen, läßt sich möglicherweise bei der Herzinsuffizienz therapeu- tisch nutzen. Wie Dr. Martin Bechem, Bayer Leverkusen, berichtete, konnten weitge- hend herzspezifische „Kalzi- umpromotoren" - entwickelt werden, welche die Herzkraft deutlich steigern, ohne daß dies von einem unerwünsch- ten Blutdruckanstieg beglei- tet ist. Auch die Entwicklung und genauere Erforschung dieser neuen Substanzen fußt maßgeblich auf der Patch- Clamp-Technik.
Es wird vermutet, daß Stö- rungen im Bereich von Ionen- kanälen bei manchen Patho- phänomenen eine Rolle spie- len. In einem ersten Fall konnte dies nachgewiesen werden: bei der zystischen Fibrose, für die ein angebore- ner Defekt des Chloridkanals ursächlich ist. Mit der Patch- Clamp-Technik lassen sich derartige Defekte ausma- chen. Ulrike Viegener
Ionenkanäle können studiert werden
Patch-Clamp-Technik
in der Arzneimittelforschung
A1-908 (88) Dt. Ärztebi. 90, Heft 12, 26. März 1993