Die Deutsche Gesellschaft für Implanto- logie im Zahn-Mund-Kiefer-Bereich (DGI) hat eine beispiellose Erfolgs- geschichte erlebt. Innerhalb von gut 10 Jahren ist sie zur größten europäischen wissenschaftlichen Fachgesellschaft in der oralen Implantologie geworden. Sie hat dies nicht nur dem enormen Auf- wärtstrend und den hohen Zuwachs- raten dieser Disziplin in der klinischen Versorgung zu verdanken. Es ist auch und vor allem die einzigartige Konzepti- on der Zusammenarbeit zwischen Hoch- schullehrern und Praktikern. Diese Ko- operation steht einerseits für wissen- schaftlich fundierte Fortbildungskon- zepte für die Praxis und liefert damit neu- trale und unabhängige Informationen mit hohem praktischem Nutzen für ihre Mitglieder. Andererseits setzt sie aber auch in der implantologischen For- schung wichtige Impulse und fördert da- mit die Entwicklung des Fachgebietes.
Durch die enge Verzahnung von Wissen- schaft und Praxis hat die DGI das Ver- trauen der heute mehr als 7000 Mitglie- der erworben und für dieses Vertrauen trägt sie eine hohe Verantwortung. Sicht- bar wird diese Verantwortung auch durch die Vertretung als die deutsche wissenschaftliche Fachgesellschaft der Implantologie in der DGZMK und der Ar- beitsgemeinschaft wissenschaftlich me- dizinischer Fachgesellschaften (AWMF).
Ein wichtiges Element in der Wahr- nehmung dieser Verantwortung ist die Verpflichtung, die Balance zu wahren zwischen einer reinen Dienstleistungs- und Fortbildungsinstitution für den Pra- xisbetrieb und den Ansprüchen, die von wissenschaftlicher Seite an die Gesell- schaft gestellt werden müssen. Dabei muss die Gleichgewichtigkeit auch in er- kennbarer Respektierung der jeweils an- erkannten Qualitätskriterien gesche- hen. Hier verläuft eine feine Linie, deren Überschreitung zunächst schmerzlos ist, deren dauerhafte Verletzung jedoch schleichend aber unaufhaltsam den
Charakter der Gesellschaft verändert und damit ihren Erfolg gefährden kann.
Zu den Merkmalen der Wissen- schaftlichkeit gehört, dass ihr Charakter sich rasch verflüchtig, wenn sich Zwei- fel an der Redlichkeit der Maßstäbe ein- stellen. Eine wichtige Aufgabe des Vor- standes ist deshalb die Wahrung und Förderung einer klaren Identifikation wissenschaftlicher Qualifikation und Kompetenz. Dazu gehören auch die An- erkennung und Vertretung formaler Kri- terien einer wissenschaftlichen Qualifi- zierung. Das Bekenntnis des DGI-Vor- standes zu diesem Grundsatz lässt be- dauerlicher Weise derzeit viel an Klar- heit vermissen, da er die Kooperation mit einer privaten Hochschule ohne medizinische Fakultät im Fortbildungs- bereich unterstützt, die durch die Verlei- hung von Professorentiteln an Kollegen ohne entsprechende forscherische Kompetenz oder wissenschaftliche Vor- leistungen zu einer Beschädigung des wissenschaftlichen Ansehens der Ge- sellschaft führen kann. Auch wenn die- se Titel nach den Maßstäben der Stein- beis Hochschule formal korrekt für Lehrtätigkeiten in postgraduierten Mas-
terstudiengängen verliehen wurden, stellt das Führen dieser Titel im Bereich der Zahnmedizin die in unserem Fach etablierten Maßstäbe für die Identifizier- barkeit (und Anerkennung) wissen- schaftlicher Leistungen und forscheri- scher Kompetenz in Frage. Besonders kritisch müssen in diesem Zusammen- hang auch die Angebote von Bachelor- studiengängen mit dem Effekt der Aka- demisierung nichtärztlicher Mitarbeiter gesehen werden,
Zwar bilden die Mitglieder aus dem Hochschulbereich wie in fast allen wis- senschaftlichen Gesellschaften nur eine Minderheit in der Gesellschaft und die Kolleginnen und Kollegen aus der Praxis stellen die weit überwiegende Mehrzahl der Mitglieder. Dennoch sind beide Gruppen in gegenseitigem Respekt ge- genüber ihren spezifischen Wertesyste- men und Maßstäben für die Fortsetzung der Erfolgsgeschichte der DGI aufeinan- der angewiesen. Dringend benötigtes Engagement des wissenschaftlichen Nachwuchses für die Gesellschaft aber wird ohne eine klare Entscheidung des Vorstandes gegen eine Verwischung und Minderung des wissenschaftlichen An-
Offener Brief an den DGI Vorstand
Prof. Dr. Dr. W. Wagner Prof. Dr. Dr. H. Schliephake
David Knipping
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spruches demotiviert. Auf Dauer würde das der Basis dieser wissenschaftlichen Gesellschaft den Boden entziehen und sie zur Fortbildungs- und Serviceorgani- sation reduzieren. Sie verliert dadurch ihr Alleinstellungsmerkmal gegenüber ähnlichen Strukturen in Deutschland.
Wir fordern deshalb den Vorstand der DGI auf, die wissenschaftliche Sach- arbeit nach Außen erkennbar deutlich zu stärken und auch durch die Erarbei- tung von wissenschaftlich fundierten Stellungnahmen als gesuchter Ge- sprächspartner für Politik, Kammern
und Kostenerstatter formgebende Kraft zu sein. In diesem Zusammenhang kann es nur sinnvoll sein, die Zusammen- arbeit mit der Steinbeis-Hochschule kri- tisch zu überdenken, erheblich zu modi- fizieren oder gar einzustellen, um geeig- netere Kooperationsmodelle mit klar er-
kennbarem Profil entsprechend dem wissenschaftlichen Anspruch der Ge- sellschaft für die Durchführung postgra- duierter Masterstudiengänge zu erarbei- ten. Anderenfalls wird auf Dauer das An- sehen und der Erfolg dieser Fachgesell- schaft Schaden nehmen.
Prof. Dr. Dr. H. Schliephake Ehemaliger DGI-Präsident, Präsident elect der DGZMK
Prof. Dr. Dr. W. Wagner Ehemaliger DGZMK-Präsident, Vizepräsident der AWMF