Ad VI. In der DDR existieren bisher nur erste Versuche von Kli- nik-Krebs-Registern, die ebenfalls primär die Funktion von Nachsorge- registern haben und für epidemiolo- gische Fragestellungen kaum zu nut- zen sind. Sie können zur Information innerhalb des Krebsmeldewesens ge- nutzt werden, wenn die von der Be- treuungseinrichtung und dem Krebs- register benötigten Informationen erhoben und weitergeleitet werden.
Die Anbindung der Klinikregister an ein Institut für Medizinische Infor- matik erscheint sehr sinnvoll.
Ad VII. Obwohl bisher keine ausreichenden Erfahrungen bei der Arbeit mit Klinik-Krebs-Registern besteht, möchten wir die Empfeh- lungen unterstützen. Wir halten es für sinnvoll, daß von einem wissen- schaftlichen Gremium Empfehlun- gen zum Aufbau eines Minimalda- tensatzes erarbeitet werden, um auch überregionale Auswertungen zu ermöglichen. Dazu würde auch gehören, welche Daten verbal und welche lediglich kodiert gespeichert werden. Die ausreichende Anzahl von Dokumentationskräften er- scheint uns ebenso wichtig wie die strenge Regelung der Zugriffsmög- lichkeiten.
Ad VIII. Die Auswertung der In- formationen der Totenscheine stößt in der DDR an sehr ähnliche Gren- zen, auch wenn sich zumindest hin- sichtlich der Aufbewahrungszeit von 15 Jahren etwas günstigere Voraus- setzungen ergeben. Aus dem Blick- winkel eines landesweiten Krebsregi- sters haben wir auf die von der Staat- lichen Zentralverwaltung für Stati- stik verbreiteten Angaben möglichst verzichtet. In der Auswertung der Todesursachenstatistik gab es 1968 und 1979 Veränderungen, die jeweils eine scheinbare Mortalitätsverringe- rung bei Krebserkrankungen zur Folge hatten. Da eine Kontrolle der Totenscheine auf regelgerechte Aus- füllung und Kodierung unterbleibt und die Autopsieergebnisse bis zur Auswertung teilweise nicht vorlie- gen, enthalten die analysierten Infor- mationen viele Fehler. In Verbin- dung mit den in den Betreuungsein- richtungen und dem Krebsregister vorhandenen Informationen soll zur Einschätzung der Fehlergröße bei
den Angaben zur Krebs-Mortalität baldmöglichst eine Untersuchung durchgeführt werden. Die Empfeh- lungen des Punktes VIII decken sich mit unseren Vorstellungen.
Ad IX. Im DDR-Krebsregister gibt es erste Arbeiten zur kartogra- phischen Darstellung der Krebsmor- bidität: einen in Zusammenarbeit mit der IARC vorbereiteten Krebs- atlas für den Zeitraum 1978 bis 1982 (noch nicht publiziert) und ein allge- meines Verfahren zur Darstellung territorialer Daten (zum Beispiel der Inzidenzen nach Kreisen). Wün- schenswert wäre eine nationale und internationale Zusammenarbeit aller an kartographischen Darstellungen zur Krebsmorbidität und -mortalität Arbeitenden. Es gilt, eine Vielzahl von Einflußgrößen bei der Interpre- tation der Darstellungen zu beach- ten und vor allem eine vergleichbare Datenbasis zu erreichen. Trotz er- heblicher Bedenken werden wir am, von der IARC koordinierten Krebs- Mortalitätsatlas mitarbeiten.
Ad X. Auch in der DDR existiert ein großer Nachholbedarf zu epide- miologischen Untersuchungen des Krebsrisikos am Arbeitsplatz. Bisher wurden derartige Projekte primär nicht durch den Datenschutz oder
Die Autoren des Memorandums
„Zur Lage der epidemiologischen, Krebsforschung in der Bundesrepu- blik Deutschland" sind für die Stel- lungnahme der wissenschaftlichen Mitarbeiter des Nationalen Krebsre- gisters der DDR zu den bisher publi- zierten zusammenfassenden Thesen und Empfehlungen außerordentlich dankbar.
In der Tat: Wir haben in den Jahren der Beschäftigung mit diesem Thema nicht ahnen können, wie schnell unsere bundesrepublikani- schen Probleme durch das Fallen von Mauer und Stacheldraht zu ei- nem gesamtdeutschen Anliegen wür- den. Nun lesen wir in der Stellung- nahme mit großem Verständnis, daß im anderen Teil Deutschlands ähnli- che Probleme auf dem Gebiet der epidemiologischen Krebsforschung
Betriebsinteressen behindert, son- dern als Staatsgeheimnis deklariert und somit entweder nicht zugelassen oder nicht publiziert. Derzeit verhin- dert sowohl der Mangel an Epide- miologen und Hilfskräften als auch an den notwendigen finanziellen Mitteln vielseitige, intensive Unter- suchungen auf diesem wichtigen Ge- biet der Arbeitsmedizin. Mit Über- nahme bundesdeutscher Gesetze ist mit zusätzlichen Problemen zu rech- nen, so daß wir die in diesem Punkt fixierten Empfehlungen ebenfalls unterstützen.
Ad XI. et XII. Aus- und Weiter- bildung der Ärzte auf dem Gebiet der Epidemiologie ist in der DDR gleichermaßen beklagenswert. Die Hinweise und Empfehlungen zu die- sen beiden Punkten könnten für den Zustand in der DDR nicht besser formuliert werden. Wir haben dem nichts hinzuzufügen.
Dr. rer. nat. Matthias Möhner Amtierender Leiter des Nationalen Krebsregisters Wollhard Staneczek
Zentralinstitut für Krebsforschung Akademie der Wissenschaften der DDR, Sterndamm 13 DDR-1197 Berlin-Johannisthal
bestehen wie bei uns. Worauf es jetzt ankommt, ist, die Erfahrungen aus- zutauschen und die Rahmenbedin- gungen, unter denen die epidemiolo- gische Krebsforschung zu arbeiten hat, in einem vereinigten Deutsch- land zu verbessern. Hier erfüllt es uns natürlich mit großer Genugtu- ung, daß sich die Kollegen aus der DDR unseren Empfehlungen in den wesentlichen Punkten anschließen können.
Die Voraussetzungen, unter de- nen das Nationale Krebsregister der DDR und die bevölkerungsbezoge- nen Krebsregister in verschiedenen Bundesländern arbeiten, sind unter- schiedlich: In der DDR Melde- pflicht, in der Bundesrepublik ein unter
bestimmten Kautelen einge- räumtes
Melderecht der Ärzte auf freiwilliger Basis. Die Erfahrungen unserer Kollegen, daß bisher kein einziger Fall einer Verletzung der1111
SchlußwortDt. Ärztebl. 87, Heft 39, 27. September 1990 (61) A-2905
KHK: Therapievergleich über 15 Jahre
Schweigepflicht durch die Mitarbei- ter der Krebsregister bekannt gewor- den ist, kann von uns nur bestätigt werden und wird auch im internatio- nalen Schrifttum übereinstimmend hervorgehoben. Es ist unser gemein- sames Interesse, die bevölkerungsbe- zogenen Krebsregister in Deutsch- land in ihrer Funktion nicht nur zu erhalten, sondern auch — besonders in der Bundesrepublik — zu entwik- keln. Eine Verschlechterung der Ar- beitsmöglichkeiten des Nationalen Krebsregisters der DDR, etwa durch den Gesetzgeber, würde unseren ei- genen Anliegen zuwiderlaufen. So können wir nur der Hoffnung Aus- druck geben, daß die zweifellos not- wendige Stärkung der Rechte des In- dividuums in der DDR nicht dazu führt, das Gebot der Sozialpflichtig- keit des Bürgers zu vergessen, die auch die Hergabe seiner Daten für die epidemiologische Krebsfor- schung beinhaltet.
Es wird eine Aufgabe der näch- sten Zukunft sein, die Daten unserer Krebsregister vergleichend zu analy- sieren. Wir werden eine Menge von- einander lernen und mehr über die Krebsrisiken in unserer deutschen Bevölkerung erfahren.
Die epidemiologische Krebsfor- schung in Deutschland ist eingebun- den in die internationalen Aktivitä- ten der WHO und der Europäischen Gemeinschaft. Auch das Nationale Krebsregister der DDR ist Mitglied der International Association of Cancer Registries. Die Bemühungen der EG, ein Netzwerk Europäischer Krebsregister aufzubauen, werden durch die jetzt möglich gewordene enge Kooperation der Deutschen Register im Herzen Europas nicht unbeträchtlich gefördert werden.
Es bedarf der Mitarbeit vieler geschulter Epidemiologen auf all den Gebieten, die unser Memoran- dum angesprochen hat und die auch den Kollegen in der DDR am Her- zen liegen. Nur gemeinsam können Schritt für Schritt die vielfältigen Aufgaben bewältigt werden. Die Stellungnahme unserer Kollegen aus der DDR ist dazu ein guter Anfang.
Prof. Dr. med. Georg Dhom Am Webersberg 20
6650 Homburg/Saar
Zur Klärung der Faktoren, die mit einer verbesserten Überlebens- rate nach koronarer Bypass-Operati- on assoziiert waren, untersuchten die Autoren von über 15 Jahre 5809 Patienten mit konservativer oder operativen Therapie bei KHK. Drei Faktoren standen mit dem Vorteil der Überlebensrate durch Operation in signifikantem Zusammenhang:
—eine schwerere koronare Erkran- kung,
—eine schlechte Prognose mit allei- niger konservativer Therapie,
—ein erst kurz zurückliegendes Ope- rationsdatum.
Patienten mit einer ausgedehn- ten koronaren Obstruktion hatten die größte Verbesserung hinsichtlich der Uberlebensrate. Patienten mit einer schlechten Prognose aufgrund von Faktoren wie höheres Alter, schwere Angina oder linksventrikuläre Dys-
Eine fischreiche Diät führt nachweislich zu einer Abnahme an kardiovaskulären Erkrankungen.
Die Zufütterung von Omega-3-unge- sättigten Fettsäuren ist hingegen um- stritten, wenn man Partialeffekte analysiert. In einer placebokontrol- lierten Studie an 38 Männern mit Se- rumcholesterinwerten zwischen 220 und 300 mg/dl wurden 20 Kapseln Fischöl (je 1 g) beziehungsweise Pla- cebo-Ö1 über zwölf Wochen gege- ben. Die Fischöl-Gabe führte zu kei- nerlei Änderung des Cholesterin- spiegels, so daß sie, zumindest bei Männern im mittleren Lebensalter mit einer isolierten Hypercholesterin- ämie, nicht empfohlen werden kann.
In einer zweiten Studie wurde bei gesunden Probanden die Prosta- glandin-E2 und F2 alpha-Konzentra- tion in der Magenschleimhaut nach Gabe von Fischöl oder Olivenöl un- ter dem Einfluß von Aspirin analy- siert. Die Probanden erhielten drei Wochen lang sechs Kapseln Fischöl beziehungsweise sechs Kapseln Oli- venöl zu den drei Hauptmahlzeiten für 21 Tage. Anschließend erhielten die Probanden zwei Aspirin-Tablet-
funktion hatten eine Senkung des Ri- sikos entsprechend zum Gesamtrisiko bei konservativer Therapie. Die Überlebensrate durch Operation ver- besserte sich im Verlauf der Studie progressiv, und bis 1984 war für viele Patienten-Untergruppen eine Opera- tion signifikant besser als eine konser- vative Therapie.
Eine Revaskularisierung der Ko- ronararterien — so die Autoren — ist aufgrund der Ergebnisse bei vielen Patienten mit ischämischer Herzer- krankung verbunden mit einer ange- hobenen Lebenserwartung, beson- ders bei Menschen mit ungünstigen Prognose-Indikatoren. Lng
Califf, R. M. et al: the Evolution of Medi- cal and Surgical Therapy for Coronary Ar- tery Disease, JAMA 261 (1989) 2077-2086 Dr. Robert M. Califf, Duke University Medical Center, Box 31123, Durham, NC 27710, USA
ten (0,325 g) zu jeder Mahlzeit sowie 0,65 g Aspirin vor dem Schlafenge- hen. Bei einer Gesamtdosis von 2,6 g Aspirin wurden durchschnittliche Serumsalizylatkonzentrationen von 12 mg/dl gemessen. Die Prostaglan- dinkonzentration in der Magen- schleimhaut ging um 95 Prozent zu- rück. Endoskopisch fanden sich Schleimhautblutungen und Erosio- nen. Die Fischölgabe hatte keinen signifikanten Effekt auf die Prosta- glandinkonzentration oder die schleimhautschädigende Wirkung des Aspirins.
Wilt, T. J., R. P. Lofgren, K. L. Nichol et al.: Fish Oil Supplementation Does Not Lower Plasma Cholesterol in Men with Hypercholesterolemia. Results of a Ran- domized, Placebo-Controlled Crossover Study. Ann. Intern. Med. 111: 900-905, 1989
Minneapolis Veterans Affairs Medical Center, 1 Veterans Drive, Minneapolis, MN 55417, USA.
Faust T. W., J. S. Redfern, I. Podolsky et al.: Effects of Aspirin on Gastric Mucosal Prostaglandin E, and F, alpha Content and on Gastric Mucosal Injury in Humans Re- ceiving Fish Oil or Olive Oil. Gastroente- rology 98: 586-591,1990
VA Medical Center (111), 4500 South Lancaster Rd, Dallas, TX 75216, USA.
Fischöl in der Diskussion
A-2906 (62) Dt. Ärztebl. 87, Heft 39, 27. September 1990