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Nicht nur der Löwe hinkte. Interpretationsversuche zu Cranachs Albrecht als Hieronymus-Gemälden

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NICHT NUR DER LÖWE HINKTE

INTERPRETATIONSVERSUCHE ZU CRANACHS „ALBRECHT ALS HIERONYMUS“-GEMÄLDEN

AndreasTacke

Nach der„Legendaaurea“, einer mittelalterlichenSamm­

lung von Lebensgeschichtenbzw. Legendenvon Heiligen (vgl.Kat.18, 19), hinkteder Löwe nicht mehr, nachdem Hieronymus [um 347-419/420] ihm einen Dorn aus der Pfote gezogenhatte.1 Das so vom Schmerz befreite Raubtier wurde fortan derzahme Wegbegleiter des Heili­ gen undinderchristlichen Kunst zu einem Attribut des Kirchenvaters.

Man ist versuchtfestzustellen, dassauch einigen kunst­

historischen Interpretationsversuchen der Stachel ge­

zogenwerdenmuss,damit wir einen befreitenBlickauf jenevier Darstellungen erhalten [Abb. 1, 2, 4, 5), die Kardinal Albrecht von Brandenburg (1490-1545) bei LucasCranach d.Ä. (1422-1553) bestellte und die ihn allesamtin der Rolle des Kirchenvaters Hieronymuszei­

gen.2 Der Auftraggeber schlüpft in die Gestalteines Hei­

ligen, weshalb die Gemälde der Gattung des Rollenport­

räts bzw.sakralen Identifikationsporträts zuzurechnen sind;wir betrachtenhier jenezwei Cranach’schen Bilder, die dem ikonographischen Schema Hieronymus im Ge- häus, alsoin seiner Studierstube,folgen.

DassderBildaufbauderDarmstädter Fassung von 1525 (Abb. 1) einem berühmten Vorgänger folgt, ist zwei­

felsfrei: Albrecht Dürers (1421-1528) Kupferstich von 1514 (vgl. Kat. 9) muss Cranach gekannt haben. In der kompositionellen Gesamtanlage folgt Cranach diesem, wie auch in manchem Detail. Jedochverhält sich das Cranach’sche Gemäldeaus dem Jahr 1525 zum Vorbild seitenverkehrt. Deshalb ist anzunehmen, dass Cranach auchder NachstichvonHieronymus Hopfer(um 1500- nach 1550] vorlag (Abb.3). Dieseristzum Dürer’schen Vorbild seitenverkehrt und damit seitenrichtig zum Darmstädter Gemälde. Das Licht fälltjetzt für den schrei­ benden Hieronymus von der richtigenSeite ein, also vom Schreiber aus gesehen von links.

Folgt man dem Kunsthistoriker AlexanderPerrig,istauf den Tafeln jeweils ein Auftraggeber zusehen, der wenig vondem begriff, was Künstler ihmablieferten: „Daßdie­

serMann für seineResidenzkirchen zentnerweise Bilder

und Reliquienbehälter bestellte und sowohl die Künst­

ler als auch die Verfasser der ihm gewidmeten Bücher und Panegyrika fürstlich entlohnte, steht fest.Aber das schiere Quantum der Förderungsausgaben macht den Förderernoch nicht zum Kenner.Im Falle Albrechts steht es jedenfalls ineinem eigenartigen KontrastzurProfil­

armut derPerson. Obder Kardinal ein für ihn gemaltes Bild jemals mit Bewußtsein wahrgenommen, eine ihm gewidmete Schrift jemals aufmerksamgelesenhat, ist eine offene Frage. Zeit scheint er dafür kaum gehabt zu haben. Denn aus dem, was aktenkundig wurde, zu schließen, waren seine Hauptbeschäftigungen das Re­

präsentieren, die Jagd, dieFrauen,das Spiel, das Essen und der Reliquienkauf. Wenn AlbrechtvonBrandenburg mit dem Heiligen Hieronymus etwas Wesentliches ge­

mein hatte,dann dürften dasder Kardinalshut und das männlicheGeschlecht gewesensein.“3

Es ist sinnvoll, Perrigs Argumentationsweise zumbesse­

ren Verständnis aneinigen Beispielen aufzuzeigen, zu­

maldiese in die ForschungsliteraturEinzuggehalten ha­

ben. Der Autor arbeitet Unterschiedezwischen Dürer und Cranach heraus, die seiner Meinung nach der Deutung bedürfen. Anders als der Dürer’sche Hieronymus wirkt laut Perrig der Cranach’sche Hieronymus alias Kardinal Albrecht „selbstbezogen, egoistisch“. Er schreibe auch nicht und habe die spartanische Zelle des Vorbil­ des komfortabler einrichten lassen. Perrig stört, dass Albrecht sicheinen Früchteteller hereinstellenließund in demSchrank zur RechtenPokale zusehensind. Der auf dem Schrank platzierte kostbare Kerzenständer ohne Kerze reizt den Kunsthistoriker zu der Vermutung, dass

„der Kardinal bei Dunkelheit mit Vorliebe schläft“ statt zu arbeiten. Und weiter befremdet ihn die Platzierung des Wasserbeckens: „Eigentlich sollte es unter der in der Wandnischehängenden Kanne liegen. Die getrennte Aufstellung macht beides, Becken und Kanne, nutzlos und bringt den Besitzer obendrein in den Geruch, die Hände eher selten zuwaschen“.DerAutor moniert,dass die genannten Gegenstände in Bronzegefertigt sind - Originalveröffentlichung in: Meighörner, Wolfgang ; Thum, Agnes (Hrsgg.): Cranach natürlich : Hieronymus in der Wildnis : Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, 1.3.-7.10.2018, Innsbruck 2018, S. 109-117

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Abb.1 Lucas Cranach d.Ä. (Werkstatt), Kardinal AlbrechtvonBrandenburg alsHieronymus im Gehäus, 1525,Malerei auf Holz, Hessisches Landesmuseum Darmstadt

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Abb. 2 Lucas Cranachd. Ä.(Werkstatt), KardinalAlbrechtvonBrandenburgalsHieronymusim Gehaus,1526, Malerei auf Holz, TheRingling, Sarasota

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Abb.3 Hieronymus Hopfer nach AlbrechtDürer, Hieronymus im Gehäus, um 1525/50, Eisenradierung (gegenseitiger Nachstich), Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Kunstmuseum desLandesNiedersachsen

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materialikonographischalso nicht in Hieronymus’ Zelle gehören. Das Bildchen mit dem Veronika-Schweißtuch über der Wasserkannennische könne Albrecht zudem nur sehen,„wennervondem darüberbefindlichen Tablar ein Glas herunterholt oder ausnahmsweise dieWasser­ kanne benutzt“. Perrig kreidet Albrecht auch an, dass neben seinem Kardinalshut eine Pilgerflasche darge­

stellt sei, aber Albrecht „anscheinend nie selber eine Wallfahrtunternommen hat“.

All dienegativ gedeuteten Beobachtungen sollen jedoch nicht auf den Auftraggeber zurückgehen, denn Perrig unterstellt, dass das ganze Arrangement der Zellen­ einrichtung nicht von Albrecht, sondern vom Künstler selbstzusammengestellt worden sei. Cranach habe die Heiligensymbole und das Heiligenbild als „klerikalen .Krempelmarkt' apostrophieren“ wollen.

Diesen unterstellten Bildsinn scheint derAuftraggeber wirklich nicht begriffen zu haben, denn ein Jahr nach Fertigstellung des Darmstädter Gemäldes bestellte er beiCranach eine weitere Fassung,die ihn ebenfalls als Hieronymus im Gehäusdarstellt [Abb. 2). DasGemälde befindet sichim Ringling-Museumof Art inSarasota, Flo­ rida.Die beiden Gemäldesind fast gleichgroß, 115 x??

cmin Darmstadtund 115x 29cm in Sarasota; eswurde also jeweils ein repräsentatives Bildformat gewählt.

Die spätere Fassung von 1526 zeigt ebenfalls Albrecht von Brandenburg in der Rolledeshl. Hieronymus inder Studierstube. Das veränderte Inventar fordert Alexan­ der Perrig erneut heraus. Dervon der Decke herunter­ hängende Hirschgeweihleuchter würde den darunter sitzenden Kardinal „als einen Gehörnten“ erscheinen lassen. Und Cranach habe Albrecht einen Papagei als

„Symbolder Geschwätzigkeit“auf denTischgesetzt. Als Belegfür dieseBedeutung des Papageis führt Perrig das volkskundliche „Handwörterbuch des deutschen Aber­ glaubens“4 an.

An der Perrig'schen Interpretation der beiden Gemälde hätten die Anhänger der Reformation, insbesondere Martin Luther [1483-1546], sicherlich ihre helle Freu­ de gehabt. Doch ist der Stachel rasch zu ziehen: Der Kunsthistoriker verschweigt bei seinen Vergleichsbele­ gen,dass beispielsweise derPapageiindemlegendären Ruf stand, vonsich aus - alsoohnemenschliches Be­ mühen - „Ave“sagenzu können; also den Beginn des lateinischen Gebetes „Ave Maria ...“ („Gegrüßet seist du, Maria“) und damit - nach dem Vaterunser - des zweitwichtigsten Gebetes in der katholischen Kirche.

Da derErzengel Gabrielseine Verkündigung mit diesem

„Ave“ beginnt, gilt derPapagei zudem alsein Symbol der jungfräulichen Maria.5 Beides verbindet sich auf unse­

rem Gemälde mitdem Bild-im-Bild-Thema der Madonna- mit-Kind-Darstellung, welche in der rechten Ecke des Studierzimmers hängt. Undüberhaupt,ohne diesenma- riologischen Zusammenhang wäre die große Anzahl an Kunstwerken, die den Papagei als Begleiter derMutter­

gottes zeigen, nicht erklärbar (vgl. Kat. 32).

Perrigerwähntweiterhin nicht,dass der Papagei im Mit­ telalter undinder Frühen Neuzeit zudem ein Statussym­

bolwarundbeispielsweise eineCamera Papagallizuden privatenRäumen des Papstes zählte, welche in Rom von keinemGeringeren als Raffael (1483-1520) ausgemalt wurde.6 Folgte man Perrig, hätte der Heilige Vater im Vatikan- beispielsweise Papst Leo X. [ 1425-1521), der dort Papageien hielt'’ - in einem „Raum der Geschwät­

zigkeit“ residiert. Hierhätte man zumindest die weite­

ren Deutungsmöglichkeiten des Papageis zum Vergleich aufzeigen müssen. Denn Realien und Tiere, aber auch Pflanzen können im Mittelalter und der Frühen Neuzeit - wie in diesemAusstellungskataloganvielen Beispie­ len gezeigtwird-mitmehreren Deutungen, die sichoft gegenseitig ausschließen, konnotiert sein.

Zur ambivalenten Bedeutung gesellt sich eine in Ver­ gessenheit geratene kulturhistorische Praxis wie diese, dass man den Biber (Abb. 2, vgl. Kat. 2) zur Fastenzeit bzw. anFreitagen essen durfte.So wurde am Freitag, den 20.11.1512, amkurfürstlichen Hof inWittenbergneben der Fischspeise - hier Heringe, Hechte und Karpfen - auch

„1 biberschwancz“gereicht.8 DerSchwanzund die Hinter­

beinedes Bibers wurden noch im 16.Jahrhundert - dabei dem antiken SchriftstellerPlutarch [um 45-um 125] fol­ gend -eherder Kategorie Fisch alsder Kategorie Fleisch zugeordnet und zählten somit zu den Fastenspeisen.

Damitistauf den Cranach'schen Gemälden auch die Passi­ onsfrömmigkeit angesprochen, worauf inunserem Kontext noch einzugehen ist.

Perrigs Interpretationsversuche zu Cranachs Albrecht als Hieronymus-Tafeln, die lange und bis in die Roman­ literatur reichende Wurzeln haben,9 basierten auf der Annahme, dassLucas Cranachd. Ä. mitseiner produk­

tiven Werkstatt nach Luthers Thesenanschlag (1512) nur noch fürAnhänger der Reformation hätte malen kön­

nenund, wenn er - aus welchen Gründen auch immer - für Altgläubige10tätig wurde, hätte er seine Kritikan der Papstkirche versteckt angebracht; also Bilderrätsel

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geschaffen,für deren Auflösung jedoch der altgläubige Auftraggeber - beispielsweiseunserKardinalAlbrecht- schlichtzu dumm war. Hier hat sich überGenerationen ein Interpretationsmuster des Cranach'schen CEuvres herausgebildet,11 welches man langsam, aber sicher - Rückschläge wird es immer wieder geben - alsüber­ wunden ansehen kann.12

Befreitman diesen interpretatorischen Ansatz von sei­

nem konfessionellen Stachelunddamit von derGrundan­ nahme, der Künstlerhabe nach 151? stets antirömische Kritik in seinenWerkenfür altgläubige Käufer versteckt, und fragtbei den Cranach'schen Gemälden,was die Auf­ traggeber für eine Intention verfolgten, sind verschiedene Themenfelder auszumachen, die für Kardinal Albrecht im Kontext seiner, Hieronymus-Rollenporträts wichtig waren. Es schälen sich u. a. drei Konfliktfelderheraus:

Luthers Bibelübersetzung, die Passionsfrömmigkeit und die Frage des Zölibats.

Hieronymusgilt als derBibelübersetzer vor Luther, der aus den verschiedenen Urtexten eine einheitliche und über viele Jahrhunderteverbindliche lateinische Ausgabe schuf (Kat. 15], SeineSchriftgelehrsamkeitwirdan verschiede­ nen Stellen in der „Legenda aurea“ (Kat. 18, 19) heraus­ gestrichen, wie: „Erwar ein RichterderWorteund Reden bei sich und anderen; seine eigenen Worte brachte er bedächtig vor, fremde bestätigte er, falschebekämpfte er, zweifelhaftelegte er aus.“

Dass nun die Reformation ihre rasante Ausbreitung ins­ besondere der Buchdruckerkunst verdankt, ist Allge­

meinwissen, ebenso, dass Luther seiner neuen Lehre durch die Verwendung der deutschen Sprache Durch­

schlagskraft verlieh. Jedoch auch die Anhänger der alten Kirche hatten früh erkannt, dass sie dem wort­ gewaltigen Luther nicht allein in ihrer Amtssprache, dem Lateinischen, erwidern konnten, sondern sich der Volkssprache bedienen mussten, umverstanden zu wer­

den. Deshalb verwandte Albrecht von Brandenburg bei seinen direkten und indirekten Reaktionen auf Luthers Glaubensvorstellungen ebensowie dieser die deutsche Sprache. Dem Kardinal undseinen Theologen, allen vo­

ran Hieronymus Emser (1478—152?], ging es demnach beiLuthersDeutscher Bibel13 - beginnend mit dem„Sep­

tembertestament“ von 1522 - nichtumdie Verteidigung der lateinischen Bibelfassung, sondern um die Forde­ rung nach einerrichtigen Übertragungder„Vulgata“ ins Deutsche. Ihrer Auffassung nach konnte diese nur die Amtskirchevornehmen und derenVerbreitungdurchden

Buchdruck autorisieren, was 1522 mit Emsers Edition des Neuen Testaments (vgl. Kat. 25) und 1534 mit Johannes Dietenbergers (um 1425-153?) Vollbibel auch geschah. Letztere ist Albrecht von Brandenburg gewidmetund brachte es in zweieinhalbJahrhunderten immerhin aufcirca 60 Neuauflagen. Albrecht konnte sich inseinen Cranach'schen Gemälden nicht nur als Förde­ rer einer neuen (katholischen) Bibelübersetzung mit dem Bibelübersetzer schlechthin identifizieren, sondern - der „Legenda aurea“ folgend - auch mit Hieronymus als Verfechter deswahrenGlaubens: „Er hat einen ewi­

gen Krieg und Streitwider die Bösen: die Ketzer hassen ihn, weil er nicht aufhörtwidersie zu streiten [...];aber alleguten Menschen bewundern und liebenihn.“

Der Kirchenvatergiltebenso als Vorbild fürdie Passions­ frömmigkeit14 und diesergabeinen weiteren Anknüpfungs­ punkt. Denn Albrechts Stiftskirche in Halle an derSaale, die vonca. 1520 bis 1523/25 komplettneuausgestattet wurde und heute umgangssprachlich als Dom tituliert wird, zeigte auf 16Altären und zwei an den Wänden / Pfeilern angebrachten Einzeltafeln insgesamt 18 Sta­ tionen aus der Leidensgeschichte Christi, mithin ein Höhepunkt in der Nachfolge-Christi-Ikonographie. Den Auftrag erhielt ebenfallsLucas Cranach d.Ä. mit seiner leistungsstarken Wittenberger Werkstatt. In dieser Grö­ ßenordnungist dasein einzigartiger Fall in der europä­ ischen Kunstgeschichte, immerhin waren bei diesem Heiligen- undPassionszyklus - die Heiligen zierten die Stand- und Klappflügel - 142 Gemälde nach Halle zu liefern.15 Vom „Einzug in Jerusalem“ bis zur „Auferste­ hung Christi“ waren 18 Einzelszenen derPassion Christi in den beiden Seitenschiffen und am Kreuzaltar des Lettners dargestellt.Auf denAltären gab es jeweils eine typologisch auf das Mittelbild bezogene Darstellung aus dem Alten Testament. An hohen Festtagen waren alle Retabel geöffnet und somit alle Passionsbilder zu sehen, wobei weitere Ausstattungsstücke - wie kost­

bare Teppiche - ebenfalls Passionsszenen zeigten. Al­ brecht hätte die auf Hieronymus bezogenen Worte der

„Legenda aurea“ deshalb ohne Mühen auch auf sich beziehen können: „Fest war er in gutenWerken [...];in Blutgetaucht durch die andächtige Betrachtung des Lei­ dens unsers Herrn; heiligem Gebrauch geweihtdurch die Erklärungund Auslegungder heiligen Schrift.“

Dass Luthers Glaubensvorstellungen sich anders dazu verhielten, ist bekannt. Herausgegriffen sei sein Aus­

spruch von 1532, dass man Hieronymus lesen mag um

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Abb.4 Lucas Cranach d.Ä.,Kardinal Albrecht vonBrandenburg als hl. Hieronymus,152?,Malerei auf Rotbuchenholz, StaatlicheMuseen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie

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Abb. 5 Lucas Cranach d. Ä. [Werkstatt),Kardinal Albrecht von Bran­

denburgals Hieronymus inder Landschaft, um 152?, Malerei auf Holz, Privatbesitz(unbekannt)

derHistorien willen, dennvom Glauben undvon der rech­ ten, wahren Religion und Lehre ist nicht ein Wort insei­

nen Schriften.16MitBezug auf AlbrechtsHallenser Heili­ gen- und Reliquienkult verschaffte sich der Reformator immer wieder durch Streitschriften Luft,wobei inseiner Ablehnung sein Spott beißendwar.

Jedoch gab es weitere theologische Differenzen zwi­

schen Luther undAlbrecht, eine betraf das Zölibat. Die Unterschiede bei den „Albrechtals Hieronymus“-Gemäl- den verdienen hinsichtlich dieses Streitpunktes eine genauere Würdigung -sie reflektieren nämlich aktuelle Ereignisse. Bei dem Gemälde von 1526 (Abb. 2) wurde ja bereits auf die Veränderung der Inneneinrichtung gegenüber dem Bild von 1525 (Abb. 1) hingewiesen:

Stichwortesind Papagei und Madonnenbild. Nimmt man Kunstwerke ernst, sollte man fragen, welche Intentio­

nen der (nicht dumme] Auftraggeber damit verband.Ich gehe deshalb davon aus,dass Albrecht 1526 zusätzlich auf eine neu aufkommende Diskussionreagieren wollte.

Hieronymusgalt als Verteidiger derJungfräulichkeit. Den jungfräulichen Standnennt er Gold, denehelichen Silber.

Luther trat am 15.6.1525 in den Ehestand und forderte kurzvorherineinem Sendschreibenvon Ende Mai / An­

fang Juni Kardinal Albrecht auf, ebenfalls in denStand der Ehe zu treten und zudemseine Bistümer in weltliche Fürstentümer zu verwandeln; das Schreiben erschien 1526 im Druck. Albrecht folgte diesen Aufforderungen nicht und ließ als Reaktion aufLuthersAnsinnen noch im selben Jahr vonCranach eineVariantedesAlbrecht als Hieronymus-Bildes von 1525 malenund beim neuen Gemäldevon 1526einen Papagei undeineMadonnahin­

zufügen.Beidessind Jungfrauensymbole (wie übrigens auch der Biber für Keuschheit/Sündenlosigkeit steht1?).

Im übertragenen Sinne war damit das Zölibat gemeint, also die Ehelosigkeit des Priesterstandes, wogegen Luther -aus Sicht derAltgläubigen - verstoßen hatte.

Auch hier war ein selbstreferenzieller Hieronymus-Ver­ gleich für Albrecht nicht überzogen, derzudem der Iro­

nie nicht entbehrte. Denn die „Legenda aurea“ berichtet über den Kirchenvater, dass, obwohl über ihn „gesagt wird,dass erjungfräulich blieb“,er doch selbst von sich sage: ,„lch hebe die Jungfräulichkeit in den Himmel, die ich doch selbst nicht besitze' [...].“ Albrechts „Frauen­

geschichten“ waren allgemeinbekannt, jedoch für einen Geistlichen seines Standesund seiner Herkunft im Mit­ telalter und derFrühen Neuzeit die Regelund nicht die Ausnahme.18

Bevor aber auch dieser BeitragGefahrläuft, durch Ver­

gleiche zu hinken, sei abschließend mit Goethe mah­

nend festgehalten: „Jedermann erleichtert sich durch Vergleichung das Urteil, aber man erschwert sich's auch:

denn wenn ein Gleichnis, zu weit durchgeführt, hinkt, so wird ein vergleichendesUrteil immer unpassender,je genauerman es betrachtet.“19

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Voragine, Jacobusde:DieLegenda aurea desJacobusdeVoragine.

AusdemLateinischen übersetzt von Richard Benz,Heidelberg81975, S.756-762.AllefolgendenZitateausdieser Hieronymus-Legende werden hier aus Platzgründen nichtmehrnachgewiesen.

Vgl.Tacke, Andreas: Albrecht als HeiligerHieronymus.Damit „der Barbar überall demGelehrten weiche!“, in: Ders. (Hg.): Der Kardinal.

Albrecht von Brandenburg. RenaissancefürstundMäzen.Band2Es­

says, Katalog Stiftung Moritzburg Halle (Saale) - Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt2006,Regensburg2006,S. 117-129, m. Lit.

- Vgl. auch Tacke, Andreas: Lutherundder „Scheißbischof'Albrecht von Brandenburg. Zu Rollenporträts eines geistlichen Fürsten, in: Syn- dram, Dirk/Wirth, Yvonne/Zerbe, Doreen (Hg.): Luther und dieFürsten, Selbstdarstellung undSelbstverständnis des HerrschersimZeitalter der Reformation. Band 2 Aufsatzband, Katalog Schloss Hartenfels in Torgau 2015, Dresden2015, S. 114-125.

Perrig,Alexander: Lucas Cranach und der Kardinal Albrecht von Brandenburg.Bemerkungen zu denvierHieronymus-Tafeln,in:

Schiink, Wilhelm/Sperlich,Martin (Hg.): Forma et subtilitas. Fest­

schrift für Wolfgang Schöne zum 75. Geburtstag,Berlin-New York 1986,S. 50-62. Alle weiteren Zitateaus diesem Aufsatz werden hier aus Platzgründen nichtmehrnachgewiesen.

Bächtold-Stäubli,Hanns/Hoffmann-Krayer, Eduard(Hg.): Handwörter­ buch desdeutschen Aberglaubens, 10 Bde.,Berlin-Leipzig 1927-1942.

„AveMaria, gratia plena,Dominus tecum. Benedicta tu in mulieribus, et benedictus fructus ventristui,lesu(„Gegrüßet seistdu,Maria,voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Dubist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit istdie Fruchtdeines Leibes, Jesus“). - Vgl. Dittrich, Sigrid/Dittrich,Lothar: LexikonderTiersymbole. Tiere als Sinnbilder in der Malerei des 14.-17. Jahrhunderts,Petersberg2004,S. 322-334, S. 324.

Weddigen,Tristan: Raffaels Papageienzimmer. Ritual,Raumfunktion und Dekoration im Vatikanpalast der Renaissance, Berlin 2006.

Diener, Hermann:Die „CameraPapagalli imPalastdesPapstes.

Papageienals Hausgenossen der Päpste, KönigeundFürsten des Mittelalters undder Renaissance, in: Archiv für Kulturgeschichte49, 1967, S. 43-97, S. 66.

Lang,Thomas: „1 gülden3groschen aufs Heyltum geopfert“- Fürst­ liche Rechnungen als Quellenzur Frömmigkeitsgeschichte, in: Bünz, Enno/Kühne, Hartmut (Hg.):Alltag undFrömmigkeitamVorabend der Reformationin Mitteldeutschland(...) (= Schriften zursächsischen Geschichte und Volkskunde 50), Leipzig 2015, S. 81-148, S. 118f.

(mit Quellen- und Literaturnachweisen).

Hg, AnjaOttilie:Zur Vorstellung Lucas Cranachs des Älteren als

„Lutheri Herzensfreund“, in: Holzem, Andreas/Leppin, Volker (Hg.) unter Mitwirkung vonArnold, Claus/Haag, Norbert: Martin Luther.

Monument, Ketzer,Mensch. Lutherbilder, Lutherprojektionenund ein ökumenischer Luther, Freiburg-Basel-Wien 2017,S. 161-198, S.195-198.

Der Einfachheithalberhalte ich andem Gegensatzpaar alt / neufest.

Vgl. jedochJörgensen, Bent: Konfessionelle Selbst- undFremdbe­

zeichnungen. Zur Terminologieder Religionsparteien im 16. Jahrhun­

dert (=Colloquia Augustana 32), Berlin 2014.

Zukünftigdazu die Trierer kunsthistorische Dissertation vonAnja Ottilie Hg: „Cranach der ÄltereinBildern, Literatur und Wissenschaft (Arbeitstitel).

Tacke, Andreas: Aus einemStamm. ZumEnde einer Kontroverse über die konfessionelleAusrichtungder Cranach-Werkstatt nach 1517, in: Greiling, Werner/Schirmer, Uwe/Schwalbe, Ronny (Hg.): Der Altar vonLucas Cranach d. Ä.inNeustadtanderOrlaund die Zeitder

Kirchenverhältnisse im Zeitalterder Reformation, Köln-Weimar 2014, S.417-425. - Vgl. dagegenjüngst Heydenreich, Gunnar/Görres, Daniel/Wismer, Beat(Hg.): Lucas Cranach der Ältere. Meister, Marke, Moderne,Katalog MuseumKunstpalast Düsseldorf2017, München 2017, S. 15-19, die die Herstellung von Albrechts Heiligen- und Passionszyklus von Wittenberg nach HalleanderSaaleverlegen wollenund spekulieren, dass Cranach d. Ä. dafür nurdasHolz für die Gemäldetafeln geliefert hätte. Der Meister wäre so konfessionell reingewaschen, da er zwar die Entwürfeanfertigte,der Ausführung aber dennoch entkam.

13 Vgl.Göttert, Karl-Heinz: Luthers Bibel. Geschichte einer feindlichen Übernahme, Frankfurt a.M. 2017, S. 139ff. zurVulgata undS. 248ff.

zurLutherbibel,hier bes. S. 288ff. zuraltgläubigenKritik an Luthers Übersetzung.

14 Vgl.Noll,Thomas:Albrecht Altdorfer inseiner Zeit. Religiöseund profane Themen inderKunstum 1500, München-Berlin2004, S.96-110.

15 Tacke, Andreas:Cranach imDienste der Papstkirche. Zum Magdalenen- AltarKardinalAlbrechts vonBrandenburg, in: Ermischer,Gerhard/

Tacke, Andreas(Hg.): Cranach imExil. Zuflucht - Schatzkammer - Residenz,Katalog Schloss Johannisburg, Kunsthalle Jesuitenkirche, Stiftsmuseumund Stiftsbasilika Sankt Peter und Alexander Aschaffen­ burg2007,Regensburg2007,S. 106-121.

16 „Hieronymus potestlegi propterhistorias, nam de fide et doctrina verae religionisne verbum quidem habet." Luther, Martin:D. Martin Luthers Werke. KritischeGesamtausgabe. Tischreden, Bd. 1, Weimar 1912,S. 106,Zeile 1-3 (Nr. 252).

1? Dittrich/Dittrich: Tiersymbole (wie Anm. 5),S. 48f.

18 Tacke, Andreas: Agnes Plessund KardinalAlbrecht von Brandenburg, in: Archiv für Kulturgeschichte 72,1990,S. 347-365. - Vgl. die Beiträge in Tacke, Andreas (Hg.):„... wirwollen der Liebe Raum geben“. Konkubinategeistlicher undweltlicherFürstenum 1500 (=

Schriftenreihe der StiftungMoritzburg, KunstmuseumdesLandes Sachsen-Anhalt 3), Göttingen 2006.

19 Goethe, Johann Wolfgang von: Poetische Werke, Gedichte und Singspiele, Band 3, West-östlicher Divan - Epen [Berliner Ausgabe], Berlin 1965, S. 227.

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