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«et al più grande e magnifico pavimento che mai fusse stato fatto»

D IE P AVIMENT -F ELDER D OMENICO

B ECCAFUMIS IM S IENESER D OM

Ralf Mende

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Zentrum für Europäische Geschichts- und Kulturwissenschaften (ZEGK) Institut für Europäische Kunstgeschichte

Sommersemester 2010

URL: http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2013/2157

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INHALTSVERZEICHNIS

SEITE

1. EINLEITUNG 3

2. STELLUNG DER PAVIMENTFELDER IN LEBEN UND WERK BECCAFUMIS 6 3. BILDBESCHREIBUNGEN IM HINBLICK AUF KOMPOSITION UND STIL 8

3.1. GESCHICHTEN DES PROPHETEN ELIA 9

3.1.1. AHAB UND OBADJA1519/24 9

3.1.2. OBADJA UND ELIA1519/24 10

3.1.3. ELIA UND AHAB1518/9-1524 11

3.1.4. DAS OPFER DER BAALPRIESTER,1519/24 12

3.1.5. DAS OPFER DES ELIA,1519/24 13

3.1.6. DIE HINRICHTUNG DER BAALPRIESTER,1519/24 14

3.2. GESCHICHTEN VON MOSES 15

3.2.1. MOSES SCHLÄGT DAS WASSER AUS DEM FELSEN,1524/25 15 3.2.2. GESCHICHTEN VON MOSES AUF DEM BERG SINAI,1531 17 3.3. GESCHICHTEN VON ABRAHAM:DAS ISAAKOPFER,1544/47 20 4. LAGE UND STELLUNG DER BILDNISSE BECCAFUMIS IM KIRCHENRAUM 21

5. FAZIT 22

6. LITERATURVERZEICHNIS 24

6.1. PRIMÄRLITERATUR 24

6.2. SEKUNDÄRLITERATUR 24

6.3. ELEKTRONISCHE QUELLEN 25

7. ABBILDUNGSVERZEICHNIS 25

8. BILDANHANG I–XXV

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1.EINLEITUNG

Die gewöhnliche Blickrichtung eines Besuchers einer Kirche, zumal einer großen Kathedrale, verläuft beim Betreten des Sakralraums eher zunächst geradeaus und dann nach oben, um die Architektur und Innenausstattung zu erfassen und die Raumwirkung zu begreifen.1 Der Besucher des Doms von Siena wird nicht nur durch beeindruckende Architektur und zahlreiche Gemälde im Innenraum in den Bann gezogen; sein Blick richtet sich nach den beschriebenen Blickrichtungen sicherlich in gleichem Maße erstaunt und fasziniert auf den prachtvollen Paviment-Fußboden (siehe Abb. 1, S. I).2 Zwar ist die ornamentale oder bildliche Ausschmückung des Bodens eines weltlichen oder sakralen Gebäudes seit der Antike weit verbreitet, dennoch stellt das feinausdifferenzierte Bildprogramm der Kathedrale in Siena eine kunsthistorische Besonderheit dar.3 Sakrale Bauten mit figürlichen Bilderzählungen auszuschmücken, folgt einer Tradition aus der heidnischen Antike, wie an prominenten Beispielen wie dem Alexandermosaik aus Pompeji oder dem Nilmosaik aus Palestrina gezeigt werden kann.4

Die folgende Arbeit untersucht einige der Pavimentfelder des berühmtesten Sieneser Malers des Cinquecento, Domenico Beccafumi, die dieser in den Jahren 1519 bis 1547 für die Kathedrale geschaffen hat (siehe Abb. 2, S. II). Domenico Beccafumi (geboren um 1486 in Montaperti bei Siena; dort am 18. Mai 1551 gestorben), der eigentlich eher als Maler und Bildhauer bekannt ist, schuf diese Fußbodenfelder in

1 Die skizzierte Beobachtung stützt sich auf subjektive Erinnerungen, die im Gespräch mit Kommilitonen bestätigt wurden. Diese Arbeit orientiert sich an dem Regelwerk der Alten Rechtschreibung.

2 Dieser Auffassung war auch Giorgio Vasari, dessen Biographie Beccafumis überdies das Zitat im Titel dieser Arbeit entnommen ist, vgl. http://biblio.signum.sns.it/cgi-bin/vasari/Vasari- all?code_f=print_page&work=Giuntina&volume_n=5&page_n=173.

3 Zahlreiche Beispiele für Schmuckpavimente liefert ANGELA DRESSEN: Pavimenti decorati del Quattrocento in Italia. Venedig: Marsilio, 2008. Zur Geschichte des Schmuckfußbodens in christlicher Zeit mit zahlreichen Beispielen siehe HILTRUD KIER: Der Mittelalterliche Schmuckfußboden unter besonderer Berücksichtigung des Rheinlandes. Düsseldorf: Rheinland Verlag 1970 und HILTRUD KIER: Schmuckfußböden in Renaissance und Barock. München: Dt. Kunstverlag, 1976. Als eine sehr gut lesbare, aktuelle Monographie zur Ikonographie des mittelalterlichen Paviments erweist sich XAVIER BARRAL I ALTET: Le décor du pavement au Moyen Âge. Les mosaïques de France et d'Italie (= Collection de l'École française de Rome 429). Rom: École Française de Rome, 2010.

4 Vgl. hierzu die Einleitung bei GOSBERT SCHÜßLER: >Die Tugend auf dem Felsenberg<. Eine Komposition Pinturicchios für das Paviment des Domes von Siena. In: GERD ALTHOFF (HRSG.):

Zeichen – Rituale – Werte. Internationales Kolloquium des Sonderforschungsbereichs 496 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (= Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme. Schriftenreihe des Sonderforschungsbereichs 496. Band 3). Münster: Rhema, 2004, S. 435 – 497. Online unter: http://www.associazione.de/pdf/Vortrag-Schuessler.pdf.

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der Technik des commesso di pietre dure.5 In einem kurzen Kapitel soll die Stellung dieser Pavimente im Leben und Werk Beccafumis dargestellt werden. Die anschließenden Bildbeschreibungen sollen unter Heranziehung von erhaltenen Vorlagenkartons, zeitnahen Holzschnitt-Kopien und eines Ölgemäldes zielgerichtet Komposition und Stil näher untersuchen, wobei besonderes Augenmerk auf die stilistische Entwicklung innerhalb des Bildfeld-Werkes zu lenken sein wird. Ebenso sind die Lage der Felder Beccafumis innerhalb des Kirchenraums und ihre Stellung im thematischen Kontext des gesamten Kirchenbodens mit den insgesamt 56 Bildfeldern Gegenstand der Untersuchung (siehe Abb. 3, S. III). Abschließend werden die Ergebnisse dieser Arbeit in einem Résumée zusammengefaßt, welches versuchen möchte, bislang in der Forschung unerwähnte Aspekte als Ausblick aufzuzeigen. Der Bildanhang orientiert sich daran, wesentliche Teile der Analyse und der Interpretation mit Bildmaterial zu unterstützen und geeignete Vergleichsobjekte zur Verfügung zu stellen.

Diese Einleitung abschließen soll im Folgenden ein Überblick über den Forschungsstand zu den Pavimentfeldern Beccafumis, wobei vor allem Monographien und Aufsätze herangezogen und eingeordnet werden, die sich überwiegend mit dieser Thematik auseinandersetzen; Sekundärliteratur, die nur am Rande Beccafumis Fußböden im Dom behandeln, wird hingegen nur bei der erstmaligen Erwähnung im Verlauf dieser Arbeit zitiert und bewertet. Eine klassische Gesamtdeutung der Dom-Böden bietet CUST (1901), welche auch auf Italienisch wiederveröffentlicht wurde.6 Während KIRSCHSTEIN (1923) in seinem Siena-Buch eher feuilletonistisch und für heutige Leser amüsant die Wirkungsweise der Böden beschreibt, verschafft GIBELLINO-KRASCENINNICOWA (1933) im Bereich der etwas älteren Literatur einen guten Überblick über die Arbeits- und Entstehungsweise der Felder Beccafumis.7 Für die Beschäftigung mit den künstlerischen Vorstufen der Fußbodenfelder Beccafumis, also Graphiken, Vorlagenkartons und Gemälde, können

5 Zu dieser Technik, die im Cinquecento ihre eigentlichen Zentren in Florenz und Siena hatte, vgl.

ALBERT KNOEPFLI U.A. (HRSG.): Reclams Handbuch der künstlerischen Techniken. Band 2:

Wandmalerei, Mosaik. Stuttgart: Philipp Reclam jun., 2002, S. 488, ANTONELLA FUGA:Techniken und Materialien der Kunst Berlin: Parthas, 2005 und (wenn auch eher mit dem Hauptaugenmerk auf die Florentiner als die Sieneser Werkstätten): ANNAMARIA GIUSTI: Museum des Opificio delle Pietre Dure.

Museumsführer. Der offizielle Führer. Livorno: Sillabe, 2007.

6 ROBERT HENRY HOBART CUST:The Pavement Masters of Siena. London: G.Bell, 1901. Online unter:

http://www.archive.org/stream/pavementmasterso00custuoft/pavementmasterso00custuoft_djvu.txt.

Wiederveröffentlicht und im Folgenden zitiert unter dem Titel: I Maestri del Pavimento del Duomo di Siena 1369 – 1562. Siena: Edizioni Cantagalli, 2000.

7 MAX KIRSCHSTEIN: Siena. Die Geschichte der Stadt und ihrer Kultur. München: Müller, 1923 und MARIA GIBELLINO-KRASCENINNICOWA:Il Beccafumi. Siena: Istituto Comunale d'Arte e di Storia, 1933.

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mit sehr unterschiedlicher Qualität der Bildwiedergabe SANMINIATELLI (1967), BACCHESCHI & BRIGANTI (1977), SRICCHIA SANTORO (1980), sehr ausführlich TORRITI

(1998), LINCOLN (2000) und LORENZONI (2008) herangezogen werden; die Beschreibungen der einzelnen Werke sind aber auch bei der etwas älteren Literatur sehr gut.8 Eine materialreiche Studie zur Entstehungsgeschichte des Bodens bietet ARONOW (1985), wobei leider die nach 1506 entstandenen Bildnisse ausgeklammert werden; hervorzuheben ist ebenso die mehrbändige, monumentale und überaus dokumentenreiche Monographie über den gesamten Dom von HAAS &WINTERFELD

(1999-2006); es ist in Anbetracht der herausragenden Qualität der vorgelegten Ergebnisse bedauerlich, daß die photographische Dokumentation des Fußbodens nicht im gleichen akribischen Umfang erfolgte wie die der restlichen Gebäudeteile.9 Gute künstlerische Einordnungen der Fußbodenfelder Beccafumis im Gesamtkontext des Bildprogramms der Kathedrale bieten CARLI (1979), SANTI (1997), grundlegend, mit ausführlichen Untersuchungen zu Techniken und Materialien CACIORGNA &

GUERRINI (2004), CACIORGNA, GUERRINI & LORENZONI (2005) und mit lesenswerten Aspekten zur Originalität Beccafumis als Künstler MANSON (2008).10 Zum chiaroscuro bei Beccafumis graphischen Arbeiten und bei seinen ähnlichen Bildwirkungen auf den Böden des Doms ist sehr ausführlich und detailliert LINCOLN (1994) heranzuziehen.11 Die neueren deutschsprachigen Monographien über den gesamten Dom und den Fußboden von SANTI (1982), CARLI (1999) und CACIORGNA &TAVOLARI

8 DONATO SANMINIATELLI: Domenico Beccafumi. Mailand: Bramante Editrice, 1967. EDI BACCHESCHI; GIULIANO BRIGANTI (HRSG.): L' opera completa del Beccafumi. Mailand: Rizzoli, 1977. FIORELLA SRICCHIA SANTORO (HRSG.): L' arte a Siena sotto i Medici. 1555 – 1609. Siena, Palazzo Pubblico 3 maggio - 15 settembre. Rom: De Luca, 1980, S. 227 - 229. PIERO TORRITI (HRSG.): Beccafumi.

L‘ opera completa. Mailand: Electa, 1998. EVELYN LINCOLN: The Invention of the Italian Renaissance Printmaker. New Haven (u.a.): Yale Univ. Press, 2000. MARIO LORENZONI (HRSG.): Le pitture del duomo di Siena. Cinisello Balsamo (Milano): Silvana Editoriale, 2008.

9 GAIL SCHWARZ ARONOW:A documentary history of the pavement decoration in Siena cathedral, 1362 through 1506. Diss. Columbia University, New York 1985. WALTER HAAS;DETHARD VON WINTERFELD, U.A. (HRSG.): Die Kirchen von Siena. Bände 3.1.1.1., 3.1.1.2., 3.1.2. und 3.1.3.: Der Dom S. Maria Assunta. München: Deutscher Kunstverlag und Bruckmann, 1999-2006.

10 ENZO CARLI: Il Duomo di Siena. Genua: SAGEP 1979. BRUNO SANTI: Il pavimento della Cattedrale di Siena. In: SENIO BRUSCHELLI (HRSG.): Il Duomo com libro aperto. Leggere l’arte della Chiesa (= Quaderni dell‘ Opera Nr. 1, 1997). Siena: Quaderni 1997, S. 67 – 88. MARILENA CACIORGNA; ROBERTO GUERRINI (HRSG.):Il pavimento del Duomo di Siena. L'arte della tarsia marmorea dal XIV al XIX secolo; fonti e simbologia. Mailand: Silvana, 2004. MARILENA CACIORGNA;ROBERTO GUERRINI &

MARIO LORENZONI (HRSG.):Studi interdisciplinari sul pavimento del Duomo di Siena. [Atti del convegno internazionale di studi (Siena, Chiesa della SS. Annunziata, 27 e 28 settembre 2002]. Siena:

Cantagalli, 2005. MICHEL MANSON:Les jouets du Pavement de la cathédrale de Sienne (1475 – 1545), et l’originalité de Domenico Beccafumi. In: LORENZONI,MARIO (HRSG.): Sacro e profano nel Duomo di Siena. Religiosità, tradizione classica e arte dalle origini all'epoca moderna. Leggere l'arte della chiesa (= Quaderni dell’ Opera Nr. 10, 11 und 12, 2006, 2007 und 2008). Monteriggioni: Ed. Il Leccio, 2008, S. 225 – 252.

11 EVELYN LINCOLN: Printing and visual culture in Italy, 1470 – 1575. Diss. Berkeley, California 1994.

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(2008) sind informativ, aber nicht sehr ausführlich und bisweilen nicht exakt.12 Sehr gut dagegen ist die große Monographie von CHELAZZI DINI,ANGELINI & SANI (1997), wenn auch hier die künstlerische Entwicklung und Reife Beccafumis als Maler im Vordergrund stehen und die Fußbodenfelder daher geringeren Raum einnehmen.13 Die Bezüge zwischen Chorgestühl und Paviment aufeinander werden bei STRUCHHOLZ (1995) deutlich. 14 Vorzügliche, neuere Gesamtdarstellungen des Gesamtwerkes Beccafumis bieten AGOSTINI (1990) und DUBUS (1999), wobei AGOSTINI (1990) ein sehr umfangreiches Kapitel zu den Fußböden ausweist.15 Die neu- und einzigartige Pavimentkunst Domenico Beccafumis ist – wie gezeigt – Gegenstand zahlreicher Untersuchungen gewesen; vielleicht kann im Weiteren der eine oder andere interpretatorische Aspekt ergänzt oder eine neue Sichtweise dazukommen.

2.STELLUNG DER PAVIMENTFELDER IN LEBEN UND WERK BECCAFUMIS

Die Beschäftigung Beccafumis mit der künstlerischen Ausgestaltung wichtiger Teile des Fußbodens der Kathedrale nahm fast genau seine halbe Lebensspanne ein, die Jahre von 1519 bis zu seinem Tod 1551.16 In den 32 Jahren der produktiven Auseinandersetzung veränderte und verfeinerte sich sein Stil zunehmend, was in den folgenden Bildbeschreibungen näher beleuchtet wird. Da der Künstler sein halbes Leben an diesen Meisterwerken gearbeitet hat, kann man durchaus von einer zentralen Stellung innerhalb seines so vielschichtigen Œuvres sprechen. Er arbeitete zwar neben diesem monumentalen Auftrag als Bildhauer, schuf Bronze-Figuren für den Dom, schmückte 1519 den Palazzo Venturi in Siena mit einem Freskenzyklus

12 BRUNO SANTI: Der Marmorboden des Doms von Siena. Florenz: Scala, 1982. ENZO CARLI: Der Dom von Siena und das Dommuseum. Florenz: Scala, 1999. MARILENA CACIORGNA; BARBARA TAVOLARI: Siena. Dom und Baptisterium. Livorno: Sillabe, 2008.

13 GIULIETTA CHELAZZI DINI;ALESSANDRO ANGELINI;BERNADINA SANI:Sienesische Malerei. Köln: DuMont, 1997.

14 EDITH STRUCHHOLZ: Die Choranlagen und Chorgestühle des Sieneser Doms (= Internationale Hochschulschriften Bd. 177). Münster und New York: Waxmann, 1995.

15 GIOVANNI AGOSTINI (HRSG.):Domenico Beccafumi e il suo tempo [Mostra „Domenico Beccafumi e il suo Tempo“. Sezione dipinti e affreschi Chiesa di Sant'Agostino. Palazzo Bindi Sergardi, 16 giugno - 4 novembre 1990 e sezione grafica Pinacoteca Nazionale di Siena, 16 giugno - 16 settembre 1990].

Mailand: Electa, 1990. Die beiden im Literaturverzeichnis aufgeführten Rezensionen teilen die positive Bewertung dieser Monographie. PASCALE DUBUS: Domenico Beccafumi. Paris: Biro, 1999.

16 In der Literatur ist auch der Zeitraum (September 1521 – Februar 1547) angegeben, vgl. SANTI (1982), S. 6 und CUST (2000), S. 16 – 18. Die zeitliche Differenz erklärt sich dadurch, daß beim ersten Datum die erfolgreiche Erstellung erster Entwurfszeichnungen bzw. die Auftragserteilung als Arbeitsbeginn und beim zweiten Zeitpunkt Vollendung der Arbeit bzw. der Termin der vollständigen Entlohnung des Künstlers als Auftragsende bezeichnet werden.

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und malte 1529 die Decke der Sala di Concistoro im Palazzo Publico seiner Heimatstadt aus, dennoch war die Ausgestaltung des Bodens von den ersten Entwürfen bis zur Vollendung sicher lange Zeit seine Hauptbeschäftigung.17

Kurz sei auf die vom Künstler verwendete Technik des commesso di pietre dure eingegangen: Die auch als Florentiner Mosaik bekannte Methode kann vom antiken opus sectile abgeleitet werden; der Unterschied zum opus tesselatum liegt darin, daß nicht nur quadratische Steinwürfel, sondern eine Vielzahl aus den Steinplatten heraus gesägter, geometrischer Formen verwendet werden.18 Hierbei werden farbige, flache Steine exakt zugeschnitten und nahezu fugenlos aneinandergepaßt, so daß sie ein Bild ergeben. Bei der Ausgestaltung des Sieneser Dombodens wurde die commesso-Technik um „eine besondere Ritz- und Einlegetechnik [erweitert], bei der Harze, Teerpech und feine Metallstreifen für feine Konturlinien und Innenzeichnungen verwendet wurden. Damit näherte sich die Intarsie weitestgehend der Malerei.“19 Für vom Künstler sicher gewünschte Effekte wie den Chiaroscuro machte er sich die natürliche Farbnuancierung und Maserung der verwendeten Steine zunutze. 20 Die Entstehung und Entwicklung einer modifizierten Marmorfußbodenherstellung durch Beccafumi ist unabhängig von seinem künstlerischen Rang sicher seine größte Leistung auf dem Gebiet neuer Gattungen und Techniken. Vasari beschreibt ausführlich lobend die Arbeitsweise Beccafumis in der Nachfolge Duccios, wobei besonders die hervorragenden Fähigkeiten auf dem Gebiet des disegno gelobt werden.21

17 Die Daten der Vita sind der Übersetzung der Vita Vasaris entnommen. GIORGIO VASARI: Sodoma und Beccafumi. Neu übersetzt von Victoria Lorini, eingeleitet und kommentiert von Katja Lemelsen (Sodoma) und Jessica Witan (Beccafumi). Berlin: Wagenbach 2006, S. 152 – 155.

18 Siehe KNOEPFLI (2002), S. 440 – 444.

19 Zitiert nach: KNOEPFLI (2002), S. 488. In den Beschreibungen der Abbildungen der einzelnen Pavimentfelder und der späteren graphischen Kopien werden in dieser Arbeit daher im Anschluß an SANMINIATELLI (1967), S. 86 et al., die Bezeichnungen commesso di marmi diversi graffiti und chiaroscuro-Holzschnitt verwendet. Da diese Bezeichnungen zwar sehr exakt das hier zu Beschreibende benennen, aber nicht allgemein übliche, wissenschaftliche Beschreibungskriterien der verwendeten Techniken sind, sind diese kursiv gesetzt.

20 Vgl.GIUSTI (2007), S. 94.

21 „E perché già erano le figure e storie in gran parte disegnate in sul marmo, et incavati i dintorni con lo scarpello e ripieni di mistura nera con ornamenti di marmi colorati attorno, e parimente i campi delle figure, vidde con bel giudizio Domenico che si potea molto quell'opera migliorare. Per che, presi marmi bigi, acciò facessino nel mezzo dell'ombre accostate al chiaro del marmo bianco e profilate con lo scarpello, trovò che in questo modo col marmo bianco e bigio si potevano fare cose di pietra a uso di chiaroscuro perfettamente. Fattone dunque saggio, gli riuscì l'opera tanto bene, e per l'invenzione e per lo disegno fondato e copia di figure, che egli a questo modo diede principio al più bello et al più grande e magnifico pavimento che mai fusse stato fatto, e ne condusse a poco a poco, mentre che visse, una gran parte.”, zit. nach GIORGIO VASARI: Le vite – Edizioni Giuntina e Torrentiniana.

Online unter: http://biblio.signum.sns.it/cgi-bin/vasari/Vasari-all?code_f=print_page&work=

Giuntina&volume_n=5&page_n=172 und http://biblio.signum.sns.it/cgi-bin/vasari/Vasari- all?code_f=print_page&work=Giuntina&volume_n=5&page_n=173.

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3.BILDBESCHREIBUNGEN IM HINBLICK AUF KOMPOSITION UND STIL

Auf den ersten Blick auffallend ist die Tatsache, daß nicht nur die commesso-Felder Domenico Beccafumis, sondern auch die über einen sehr langen Zeitraum (1369 – 1878) entstandenen 56 Bildwerke anderer Künstler thematisch nicht nur Gestalten des Alten Testaments, sondern auch Motive, Tugenden oder Allegorien aus Philosophie und Theologie sowie Figuren aus der heidnischen Antike wie den Hermes Trismegistos und die zehn Sibyllen abbilden, die weissagend die Rückkehr des Erlösers prophezeien.22 Dies geschah mit Sicherheit aus der Scheu heraus, Darstellungen von Gott Vater, Jesus, Maria, dem Heiligen Geist oder Johannes dem Täufer nicht mit Füßen betretbar zu machen. Allerdings kann durch die Sibyllen, die Bilderzählungen vom Propheten Elia und die Moses-Geschichten sehr wohl indirekt auf die Wiederkehr Christi und die Geschichte des auserwählten Volkes typologisch Bezug genommen werden. In Jesus wurde durch dessen Heilungs- und Wundertaten wie Totenerweckungen der wiedergekehrte Elia gesehen. In diesen Kontext passen auch die Szenen, die die Stadt Siena selbst thematisieren, da der Boden natürlich auch eine Möglichkeit der künstlerischen Darstellung eines Selbstbewußtseins als Stadt bot. Die folgende Auswahl von Werken Beccafumis im Dom richtet sich nach ihrer Größe und Bedeutung. 23 Die Interpretation wird zum einen nach der Entstehungszeit der drei thematisierten Zyklen Elia, Moses und Abraham vorgenommen, um die künstlerische Weiterentwicklung des Schöpfers der Bildfelder nachvollziehen zu können.24 Innerhalb der Behandlung der Arbeiten zum Propheten Elia wird zum anderen die exakte chronologische Abfolge der Entstehungszeit zugunsten der Chronologie der beschriebenen Ereignisse im ersten Buch der Könige

22 Siehe SANTI (1982), S. 5 – 8 und CACIORGNA &TAVOLARI (2008), S. 86.

23 Alle im Dom befindlichen Bildfelder des Künstlers zu behandeln sprengte den Rahmen dieser Arbeit.

Auch erscheint es nicht sinnvoll, alle in dem großen Hexagon unter der Domkuppel liegenden, insgesamt 13 Hexagone und Rhomben, die inhaltlich das Leben und Wirken des Propheten Elia wiedergeben, näher zu betrachten, da die stilistischen und qualitativen Unterschiede zwischen Domenico Beccafumi und Alessandro Franchi, einem Künstler des 19. Jahrhunderts, zu groß sind. Die Bildauswahl dieser Arbeit beschränkt sich daher auf die manieristischen Felder des Elia-Zyklus, die Moses-Geschichte und das Opfer des Abraham.

24 Die Schreibung der alttestamentlichen Namen richtet sich ebenso wie die Zitation des deutschen Bibeltextes nach: DIE BIBEL nach der Übersetzung Martin Luthers. Mit Apokryphen. Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 1985.

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ersetzt, um die künstlerische Umsetzung anhand des fortlaufenden Bibeltextes nachvollziehbar zu machen.25

3.1.GESCHICHTEN DES PROPHETEN ELIA

3.1.1.AHAB UND OBADJA1519/24

In dem nordöstlichen, das Kuppel-Hexagon abschließenden Rhombus sind Ahab und Obadja zu sehen (siehe Abb. 4, S. IV).26 Die illustrierte Bibelszene zeigt wohl 1. Kön.

18, 5-6. Vor dem Hintergrund einer eher kargen, steinigen und etwas abgestuften Landschaft mit vereinzelten Vegetationseinsprengseln wie Strauch- oder Grasbüscheln und dünnen Baumstämmen sind zwei bärtige Personen als Ganzfiguren im Dialog zu sehen. Die linke der beiden - Ahab - steht in fast an altägyptische Kunst erinnernder Manier seitlich zum Betrachter, ist durch prächtig geschmückte, durch Edelsteine und Pelzbesatz verzierte Gewandung, Schmuck und Krone als Herrschender charakterisierbar und weist mit dem hinweisenden Zeigegestus beider Hände unterstreichend auf den Inhalt seiner Worte.27 Im Gegensatz zu Ahab steht Obadja dem Betrachter zugewandt, wobei er aber seinen Kopf nach links in Richtung Ahabs wendet. Er ist mit halbhohen, die Zehen freilassenden und an Kothurne erinnernden Lederstiefeln bekleidet und trägt ein an Hüfte, Bauch, Achseln und Ärmeln mehrfach gebauschtes und mit Bordüre und

25 Die numerischen Bezeichnungen der Elia-Pavimente scheinen sich in Teilen der Sekundärliteratur sehr willkürlich an einer vom Besucher abzuschreitenden Reihenfolge der Felder zu orientieren: SANTI (1982), S. 47 – 57 und CACIORGNA & TAVOLARI (2008), S. 88 – 89. Dies geschieht wohl in der Nachfolge von CUST (2000),S. 14 – 15 und 81 – 84.Logisch und daher viel schlüssiger ROBERTO GUERRINI in: CACIORGNA & GUERRINI (2004), S. 168 – 181. Er orientiert sich hierbei an der chronologischen Reihenfolge der Bibelerzählung. Es muß wohl das Geheimnis der sehr produktiven Autorin bzw. Herausgeberin zum selben Thema, MARILENA CACIORGNA, bleiben, warum in ihren Publikationen eine unterschiedliche Zählweise vorgenommen wird.

26 Die Bedeutung Beccafumis für das Paviment des Doms als didaktisches Instrument für die gläubigen Besucher ist enorm: „Lo spazio prestigioso sotto la cupola del duomo senese, vero punto focale della sacralità nella chiesa madre della città – non più però dedicato alla celebrazione del sacrificio eucaristico e quindi particolarmente adatto alle trattazioni didascaliche e predicatorie – tuttavia originariamente ospitante l’altar maggiore, find al Trecento arretrato verso il coro, presumibilmente per enfatizzare l’ampiezza ambientale tra le navate e il presbiterio, ospita le prime realizzazioni beccafumiane nei commessi marmorei del pavimento.“, zitiert nach BRUNO: SANTI: Il Beccafumi nel pavimento del duomo di Siena. In: TORRITI, PIERO (Hrsg.): Beccafumi. L‘ opera completa. Mailand: Electa, 1998, S. 200.

27 Zur Zuordnung der Personen siehe CACIORGNA & GUERRINI (2004), S. 170 – 172. Dagegen erscheint die Verwechslung von ‚Elia‘ und ‚Achab‘ als einem der beiden wichtigsten Protagonisten der Bibelstelle und des gezeigten Bildprogramms geradezu stümperhaft: SANTI (1982), S. 50 und 57:

„Elias befiehlt Abdias, Achab zu ihm zu bringen“. Diese falsche Personenzuordnung ist umso unverständlicher, da in der Nachfolge von CUST (1901/2001)sie in jedem Falle leicht hätte vermieden werden können.

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Pelzbesatz verziertes Gewand, welches an einen Krieger oder Jäger denken läßt.

Sein rechter Arm ist fast herausfordernd in die Hüfte gestemmt, während sein linker mit deiktischem Gestus in die Ferne weist. Die Komposition scheint auch aufgrund der Rhombenform des Segments auf das Wesentliche beschränkt, die Personen (vor allem Ahab) sind recht statisch gezeichnet und ein dekoratives Umfeld der beiden fehlt sowohl im Hinter- als auch im Vordergrund weitgehend.

3.1.2.OBADJA UND ELIA1519/24

In dem am rechten oberen Rand liegenden Rhombenfeld des Kuppelhexagons sind vor einem ähnlich kargen, gestuften und mit etwas Vegetation sowie Fauna (im Vordergrund sitzt eine Eidechse) aufgelockerten Landschaftsszenario Obadja und Elia zu sehen (siehe Abb. 5, S. IV); dieses Geschehen wird in 1. Kön. 18, 7 geschildert. Die linke Figur ist Obadja, der sich im Gegensatz zum bereits beschriebenen Feld in demutsvoller Haltung vor Elia verneigt, wobei seine Hände, die vom vorgebeugten Oberkörper herabweisen, die Handinnenflächen in Richtung Elia zeigen. Die Geste könnte als Bereitschaft interpretiert werden, konkrete Befehle entgegenzunehmen; beide Personen sind als seitlich abgebildete Ganzfiguren zu sehen. Obadjas Kleidung ist nahezu identisch wie im unter 3.1. behandelten Rhombus gezeichnet, einzig seine Gestik – dort widerstrebend bis widerborstig – ist hier von Gehorsam und Ehrerbietung geprägt, auch wenn die Bibelstelle nicht völlig wörtlich in die Darstellung übertragen wurde.28 Elia selbst im Dreiviertelprofil wendet sich mit einem wieder an altägyptische Darstellungen erinnernden Schritt an Obadja, er ist mit einem knöchellangen und prächtigen Gewand bekleidet, das an eine Toga mit angesetzten Ärmeln denken läßt.29 Seine Kleidung ist nicht so verschwenderisch gestaltet wie die von Ahab, der Prophet setzt sich jedoch deutlich in seiner Gewandung von Obadja ab. Sein bärtiger Kopf neigt sich zu seinem Gegenüber, als wolle er sich an ihn wenden. Elias rechte Hand berührt Obadjas Schulter, während seine linke in demonstrativ hinweisendem Gebaren seine Worte unterstreicht.

28 1. Kön. 18, 7b: „Und als er ihn erkannte, fiel er auf sein Antlitz und sprach.“

29 Die Darstellung in einer schreitenden, seitlich-flächigen Stellung erinnert natürlich nur formal an das Alte Ägypten; Beccafumi nahm sicher auf diese antiken Darstellungstraditionen nicht bewußt Bezug, sondern seine Illustrationen der frühen Zeit als Pavimentgestalter dürften eher Ausdruck einer noch nicht vollendeten Technik sein.

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3.1.3.ELIA UND AHAB1518/9-1524

Das in der Mitte des Kuppelhexagons gelegene Sechseck beschreibt die Begegnung zwischen Elia und Ahab (siehe Abb. 6, S. V). Die zentrale Lage im Sakralraum der Kathedrale ist in jedem Fall mit der inhaltlichen Bedeutung des Dargestellten in Korrelation zu setzen.30 Das entscheidende Aufeinandertreffen der Vertreter zweier Gottheiten, die sich anschicken, die Wirkmächtigkeit der jeweiligen göttlichen Kräfte miteinander zu messen, steht hierbei natürlich im Zentrum der Geschichte, 1. Kön.

17 – 25, und verweist den gläubigen Besucher auf die Überlegenheit des biblischen Gottes gegenüber anderen metaphysischen Instanzen. In der Mitte des Vordergrunds stehen sich links Ahab und rechts Elia gegenüber; Ahab in langem, prächtig geschmückten Gewand mit Herrscher-Kopfbedeckung und auffälliger Goldkette um den Hals. Während er die rechte Hand fast provozierend in die Hüfte stützt, hat er die Linke in von sich selbst überzeugtem Gestus vor der Brust, als wolle er sich hochnäsig über sein Gegenüber erheben. Der in langem Gewand gekleidete Elia dagegen wehrt mit der linken Hand diese Selbsteinschätzung Ahabs zurück und weist mit der rechten Hand und ausgestrecktem Zeigefinger auf die im Bildhintergrund für die Opferung bereitstehenden Stiere (siehe Abb. 7, S. V). Den oberen Bildrand beschließen städtebauliche Architekturteile und einige wenige Bäume, die in ihren perspektivischen Größenverhältnissen nicht immer ganz stimmig sind (auf einem Ast im rechten Bildteil sitzt ein völlig überdimensionierter Vogel). Das gesamte Bildfeld wirkt durch sich abwechselnde, weiß, dunkelrot und grün gestaffelte Marmorfelder mit schwarzen Schraffierungen als nach oben hin aufsteigend. Jeweils links von Ahab und rechts von Elia erstrecken sich vielfigurige Personengruppen, die im Halbkreis bis zu den beiden Stieren reichen, also insgesamt mit den beiden Hauptfiguren einen Kreis um eine relativ leere Mitte bilden. Das Bildfeld wirkt durch die sich miteinander unterhaltenden, sich drehenden und umwendenden, reitendenden und laufenden Personengruppen auf den Betrachter sehr dynamisch, als ob sie in Form eines Ringes auf die im Vordergrund sich auseinandersetzenden Hauptfiguren verweisen würden. Über dem gesamten Geschehen ist am mittleren oberen Bildrand ein waagerechtes Schriftfeld erkennbar, welches das Geschehen eindeutig als Opferung zweier Stiere und die damit verbundenen Prüfung, wer der

30 Zur neuartigen technischen Vorgehensweise Beccafumis ist LINCOLN (2000), S. 98 – 104 heranzuziehen. Die Autorin geht in gleicher Weise detailliert auf die Moses- undIsaak-Episoden ein.

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wahre Gott sei, ausweist.31 Die Bilderzählung richtet den Blick des Betrachters auf das Pavimentfeld schräg links oben.

3.1.4.DAS OPFER DER BAALPRIESTER,1519/24

Das insgesamt in helleren Marmortönen gefertigte Feld zeigt im Anschluß an 1. Kön.

18, 26 – 29 das vergebliche Opfer der Baalpriester (siehe Abb. 8, S. VI). Die Weiterentwicklung des Stils Beccafumis zeigt sich in der Verwendung von farblich unterschiedlich marmorierten Steinplatten, eine Entwicklung, die sich bereits im zuvor besprochenen Feld abzeichnete.32 Auch dieses Bild weist eine charakteristische, kreisrunde Personenanordnung auf, in deren Mitte prominent der farblich durch gelblichen Marmor abgesetzte, nicht brennende Altar mit dem getöteten Stier zu sehen ist. Vor dem Altar sind im Vordergrund zwei kauernde erwachsene Personen zu sehen, die, begleitet von sich ängstigenden Kindern, ungläubige Gesten des Unverständnisses zeigen und verzweifelt in Richtung des nicht brennenden Altars schauen. Weiter hinauf im rechten Halbkreis erkennt man einen Priester, der sich mit einem Messer in den linken Unterarm schneidet, um mit dem herausspritzenden Blut die Wirksamkeit des Opfers zu befördern (siehe Abb. 9, S. VI). Unmittelbar rechts vom Altar ist eine Halbfigur erkennbar, die mit über dem Kopf erhobenen Armen das Opfer zu beschwören und in der kreisartigen Armhaltung die gesamte Komposition des Bildfeldes im Kleinen zu wiederholen scheint. Im Hintergrund sind wiederum Architekturelemente, ein offener Bildhorizont und auf der linken Seite ein Baum zu sehen, der hier (im Vergleich zu den bisher besprochenen Feldern) erstmals mit feindifferenziertem Blattwerk dargestellt ist. Direkt links vom Altar steht Elia mit vorwurfsvoll anklagendem, erhobenem linkem Arm, als wolle er direkt auf die vergeblichen Mühen der Baalpriester hinweisen, ihr Opfer zum Brennen zu bringen.

Hinter Elia sind mehrere, unter ihnen auch weibliche Personen zu sehen, die abwartend das Geschehen beobachten. Die Extremitäten der sich mit dem Messer

31 „ACHAB ET HELIAS CONVENIUNT UT IN MONTE / CARMELI BOVUM SACRIFICIUM GEMINUM FIAT / QUO PER ALTERUM MELIUS VERISSIMUS / DIGNOSCATUR DEUS HAEC III REGUM“.

Offen bleibt, wie es zu der Zählweise des dritten Buchs der Könige kommt. Alle Transkriptionen der Schriftfelder orientieren sich an den Wiedergaben durch CACIORGNA &GUERRINI (2004), S. 170ff.

32 Zur Weiterentwicklung der technischen Ausdrucksweisen Beccafumis siehe SANTI (1997), S. 84:

„Invece, quello del Sacrificio dei sacerdoti di Baal è da riferirsi senza incertezze al Beccafumi, per la concezione formale di grande eleganza. In essa per la prima volta si nota nel pavimento del Duomo un accorgimento che lo stesso Beccafumi userà intensamente nelle raffigurazioni più tarde: ossia la tecnica del costruire le figure e l’ambientazione non soltano con il chiaroscuro graffita e poi riempito di pece, ma con marmi di diverso colore e tonalità.“

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ritzenden Priesterfigur weisen schon eine gewisse Längung der Gliedmaßen auf, ein weiteres stilistisches Merkmal, das sich in späteren Werken noch stärker ausprägen wird. Auch dieses Geschehen ist durch ein oben in der Mitte liegendes, mit prächtigen Girlanden verziertes Schriftfeld genau zuzuordnen: Die Verzweiflung der Priester, die sich von ihrem Gott nicht erhört fühlen, ist mit den Händen zu greifen.33

3.1.5.DAS OPFER DES ELIA,1519/24

Das dem Altar am nächsten liegende Bild-Hexagon in dem unter der Kuppel liegenden, facettenartigen großen Bildsechseck zeigt das Opfer des Propheten Elia.

Demzufolge ist hier 1. Kön. 18, 30 – 39 illustriert (siehe Abb. 10, S. VII). Im Zentrum des Bildes ist der von Elia wiederaufgebaute, aus zwölf Steinen - Symbol für die zwölf Stämme Israels - bestehende Altar zu sehen, auf dem der zweite getötete, auf Holzstämmen liegende Stier erkennbar ist. Dieser ist von einem lodernden Feuer schon zu einem Gutteil verzehrt, das von weiteren Flammen zusätzlich gespeist wird, welche von links oben aus dem Himmel herabfallen. Das Bildfeld weist, auch wieder in kreisförmiger Anordnung, eine weitaus geringere Personenzahl als die zuvor besprochenen Felder auf, was die psychologisch fein ausdifferenzierte Darstellungsweise des Einzelnen erleichtert.34 Direkt links neben dem Altar ist Elia ehrfurchtsvoll vor dem vollzogenen Wunder auf die Knie gesunken, stützt sich mit dem linken Arm ab und hebt seine Rechte wie beschwörend dem göttlichen Feuer entgegen (siehe Abb. 11, S. VII). Ein goldenes, reichverziertes Standgefäß steht direkt unter ihm zu Füßen des neuerrichteten Altars. Hinter ihm ist – wie Elia selbst ohne Kopfbedeckung – Ahab zu erkennen, während er dicht neben einer anderen Person stehend seine Linke abwehrend über seinen Kopf hält, als wolle er das Wahrgenommene nicht akzeptieren und abwehren. Die ganze Szenerie dieses Paviments ist auf eher felsigem Untergrund angesiedelt, Schraffuren nehmen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung von Licht-Schatten- und Hell-Dunkel-Effekten ein.

Der abschüssige, von einigen knorrigen Bäumen und einer Palme bewachsene Hintergrund läßt den Horizont frei auf einen offenen Himmel, aus dem das fallende Feuer herabfließt. Im rechten oberen Bildteil scheint wie ein Zitat nochmals Ahab, der

33 „PROPHAETAE BAALIM DEUM SUUM INVOCANTES / UT COELESTI FLAMMA VICTIMAM COMBURAT / FRUSTRA IMPLORANT OB ID DESPERANTES / SANGUINEM SIBI E VENIS ELICIUNT.“

34 Vgl. hierzu ausführlich CACIORGNA & GUERRINI (2004), S. 173 – 187.

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Unterlegene im Gotteswettstreit, aufzutauchen, sich in sein Schicksal fügend. Direkt vor und rechts neben dem Altar sind zwei liegende bzw. sich aufstützende männliche Personen zu sehen, die nach den Anweisungen Elias (Vers 34) Wasser um und auf das Opfer gegossen haben, wobei eines der Gefäße im Eifer des Gefechts bereits zerbrochen ist. Die Gestik der beiden Männer drückt große Ehrfurcht, Erstaunen, sogar Entsetzen vor der eruptiven Machtdemonstration des Gottes JHWH aus (siehe Abb. 12, S. VII). Über dem rechts vom Altar liegenden Mann ist eine Gruppe von sechs Frauen und Männern zu sehen, die in beschwörender, erschrockener oder deiktischer Weise auf die Quelle des Feuers oder die Flammen selbst zeigen oder mit erhobenem Arm bzw. verschränkten Helden ihre ehrfurchtsvolle Scheu vor der Manifestierung des Göttlichen zum Ausdruck bringen. Farblich ist das Paviment sicher bewußt in überwiegend hellem, weiß-braunem Marmor gehalten, einzig das verzierte Gefäß vor dem Altar und vereinzelte kleinere Bereiche sind unter der Verwendung gelben Gesteins hergestellt - das dunkle Rot der herabregnenden Feuerkaskaden und des lichterloh brennenden Altars sind dadurch besonders in den Vordergrund gerückt. Daß das Opfer Elias an den wahren Gott zur Verwunderung seiner gegnerischen Priesterschaften völlig aufgezehrt wird, zeigt auch die in der Mitte liegende, mit Puttenköpfen und herabhängendem Schmuckwerk verzierte Inschrift.35

3.1.6.DIE HINRICHTUNG DER BAALPRIESTER,1519/24

Waren die vorangegangenen Pavimente mit ihrer ringförmigen Kompositionsanlage zwar dynamisch, aber in sich überschaubar, ist das im Kuppelhexagon unten rechts folgende Sechseck bestimmt von der bereits ausgeübten oder der gerade vollzogenen rächenden Gewaltexzesse der im Gotteswettstreit siegreichen Partei (siehe Abb. 13, S. VIII). Den linken Bildteil des 1. Kön. 18, 41-45 illustrierenden Bildfeldes dominieren grimmig wütende, mit Schwert, Steinen, Knüppeln und Ästen bewaffnete und zum Schlag ausholende, fast an rächende Furien erinnernde Anhänger JHWHs, die der Anweisung Elias folgen, keinen Baalpriester entrinnen zu lassen (siehe Abb. 14, S. VIII). Helfer unterschiedlichen Alters liefern Nachschub an Steinen und Knüppeln; die in vorderer Front stehenden Personen haben mit ihren mit Waffen bewehrten Armen bereits zum Schlag ausgeholt und werden vom Künstler im

35 „HELIE VERUM DEUM COLENTIS SACRIFICIUM / IN QUO IGNIS CELITUS MISSUS / ADMIRANTIBUS ADVERSARIIS / HOLOCAUSTUM CUM ALTARI CREMAVIT.“

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Moment des wahllosen Rächens, des Schlagens, Hauens und Niederknüppelns festgehalten. Zu ihren Füßen am Bildfeldgrund liegen mehrere tote bzw. sich noch im Todeskampf windende Priester des Baal (siehe Abb. 15, S. VIII). Weiter nach rechts oben über eine felsige Kaskade mit behauenem, in gelbem Farbton gehaltenen, leblosem Baumstumpf als Symbol für die restlose Vernichtung der Anhänger des unterlegenen Glaubens sind in einer Parallelerzählung vor einem Architekturensemble Elias und Ahab zu sehen; Ersterer mit grimmiger Miene Letzeren mit untertänigem Gestus des Landes verweisend (siehe Abb.16, S. VIII).

Hinter dem perspektivisch stimmigen, mit knorrigen Bäumen und einer goldenen, eventuell siegverkündenden Palme versehenen Architekturkomplex ist mit unterschiedlichen Marmorfarben und Schraffuren ein sich verdüsternder Himmel und Horizont angedeutet, über dem auch wieder ein mit Schmuckfeldern verziertes Schriftfeld zu sehen ist, das gleichsam die aus dem Meer auftauchende nubecula ankündigt. 36 Im Vergleich zu den anfangs beschriebenen rhombenförmigen Pavimenten konnte Beccafumi seine Figuren hier sehr viel „malerischer“ und lebenswirklicher gestalten. Die übrigen sieben Felder des Kuppel-Hexagons sind, wie bereits angemerkt, aufgrund des sehr unterschiedlichen Entstehenskontextes und der eher nachrangigen Künstler für die vorliegende Arbeit nicht von weiterer Relevanz.

3.2.GESCHICHTEN VON MOSES

3.2.1.MOSES SCHLÄGT DAS WASSER AUS DEM FELSEN,1524/25

An das Kuppel-Hexagon Richtung Altar schließen sich zwei recht unterschiedlich große Felder an, im Anschluß an Ex 17, 1 - 7: Moses schlägt das Wasser aus dem Felsen und die Geschichten von Moses auf dem Berg Sinai.37 Das nunmehr zu besprechende Feld besteht eigentlich eher aus einem 1,35 x 8,15 m langen,

36 „BAAL PSEUDO PROPHETARUM DCCCL / CEDES APUD CISON TORRENTEM HELIE IUSSU / CORAM ACHAB REGE FIT CUI PUER / NUBECULA(M) E MARI SURGENTEM DENUNTIAT.“

37 In der älteren Literatur, bei KIRCHSTEIN (1923), genießen die Moses-Darstellungen teilweise kein gutes Ansehen: „Das Schaffen Beccafumis ist eine Sünde gegen den heiligen Geist der Kunst. […]

Der schwerste Vorwurf aber trifft den Künstler, der die Eigenart des Marmorbodens so gewaltig verkennt, dass (sic) er schattierte Gemälde, Gravüren, künstliche Reliefs für das Dompaviment entwirft.“, zit. nach KIRCHSTEIN (1923), S. 352. Solcherlei Einschätzungen der Werke Beccafumis sind glücklicherweise in der neueren Literatur nicht mehr zu finden.

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horizontal in die Länge gezogenen Bildfeld-Band.38 Bereits auf den ersten Blick notiert der Betrachter eine deutliche Veränderung im Vergleich zu den zuvor besprochenen Pavimenten: Beccafumis künstlerische Entwicklung ist nachvollziehbar in seiner Beschränkung der verwendeten Marmorfarben: Waren die früheren Tafeln durchweg polychrom, geht nunmehr die Entwicklung hin zu einer nahezu trichromen Farbigkeit, wenn auch die verwendeten Marmorfarbtöne Michlig- Weiß, Braun und Gelb durch naturgegebene Schattierungen und Marmorierung zusätzliche Bildeffekte bewirken (siehe Abb. 17, S. IX).39 Dieser künstlerische Fortschritt durch Verfeinerung und neue Wege des Ausdrucks ist auch an dem erhaltenen Vorlagenkarton zu sehen, der im Wesentlichen die Personenkompositionen mit Mimik und Gestik entwirft.40 Aufgrund der Vielzahl der dargestellten Personen-Konglomerate können nicht alle Figuren besprochen werden.

Zentral in der Mitte ist die bärtige, in eine mehrfach gebauschte, tunikaähnliche Kleidung gehüllte Gestalt des Moses zu erkennen, die mit der Rechten mit ihrem Stock an den Felsen schlägt, aus dem eine muntere Quelle frischen Wassers zu sprudeln beginnt (siehe Abb. 18, S. X). Während die linke Hand Moses in einer Gewandfalte verborgen ist, wirkt die rechte im Vergleich zu seinem Kopf proportional gesehen vergrößert, was die Wichtigkeit des Vorgangs des Wasser- Herausschlagens für das dürstende Volk unterstreicht.41 Die Bedeutung des Trankes wird in der Gestik der Moses umstehenden Individuen deutlich; mit Schalen, Tellern, Vasen, kleineren Trinkgefäßen oder direkt aus der neuentstandenen Quelle versuchen sie, an das begehrte Naß zu kommen (siehe Abb. 19, S. XI).42 Viele der Menschen weisen gelängte Extremitäten auf, eine stilistische Entwicklung Beccafumis, die sich auch in späteren Werken wieder zeigen wird. Bemerkenswert ist die Plastizität, mit der Beccafumi sowohl seine Personenensembles als auch den wasserspendenden Felsen und den Hintergrund aus Baumstämmen darstellt. Aus der Sicht des Betrachters wird rechts die Szenerie mit einem Streiflicht erhellt, was zur Bildung eines Schlagschattens führt, der die Menschen in einem Hell-Dunkel- Kontrast wie beim chiaroscuro der Zeichnung auf dem erhaltenen Vorlagenkarton

38 Vgl. CARLI (1999), S. 37.

39 Hierzu CACIORGNA &GUERRINI (2004), S. 196 – 198.

40 Erhalten ist die Vorlage vom linken Rand bis ungefähr zur Mitte ohne die zentrale Figur des Moses.

41 Moses sah sich mit einem zunehmend unzufriedenen und mit dem Schicksal hadernden Volk konfrontiert, das unter großem Durst zu leiden begann.

42 „Das abwechslungsreiche Posenspiel dieser Gestalten bildet einen lebhaften, dynamischen Kontrast zur monumentalen Mosesfigur.“, zit. nach SANTI (1982),S.61.

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plastisch erscheinen läßt (siehe Abb. 20, S. XII).43 Einerseits werden die Körper so expressiver modelliert und die Illusion der Räumlichkeit in der zweidimensionalen Darstellung verstärkt, andererseits wird der dramatische Effekt der Szenerie hervorgehoben.44 Ob die Verwendung des Hell-Dunkel-Kontrastes bis hin zu einem von Caravaggio in die Malerei eingeführten tenebrismo reicht, bleibt hierbei offen. Mit Sicherheit erreicht Beccafumi durch die scharf abgesetzte Verwendung von hellen und dunkleren Marmorfeldern neben den teilweise nur skizzenhaft aufgetragenen Gesichtern, Gewandfalten und Geländeelementen ein hohes Maß an abstrahierter Dramatik und Expressivität.

3.2.2.GESCHICHTEN VON MOSES AUF DEM BERG SINAI,1531

Richtung Osten zur Apsis hin liegt das sehr großflächige Paviment (ohne Rahmen 4,90 x 7,45 m), welches Geschichten von Moses auf dem Berg Sinai aus dem Buch Exodus verbildlicht (siehe Abb. 21, S. XIII). Mehrere Binnenerzählungen werden geschickt so arrangiert, daß sie sich zu einer durchgängig erzählten Geschichte ergänzen. Das Bildfeld ist in der Mitte geteilt durch eine spiegelsymmetrische Achse bestehend aus einer konisch sich verjüngenden, bedeutenden Felsformation, auf deren Spitze Moses von Gott Vater aus einem strahlenden Wolken- und Lichterkranz die Tafeln mit den zehn Geboten gereicht werden und an deren Fuß Moses als in der Mitte stehende Hauptfigur, über das Verhalten der Israeliten erzürnt, wutentbrannt die Gesetzestafeln zerschmettert.45 Durch die Mittelachse entstehen zweimal zwei übereinanderliegende Binnenfelder, die ihrerseits in jeweils halbkreisförmigen Personenkonstellationen aufeinander Bezug nehmen (siehe Abb. 22, S. XIV). Im linken oberen Bildteilfeld bestürmt das Volk den am Fuß des Sinai

43 Sehr ausführlich ist hierzu das zweite Kapitel von LINCOLN (1994).

44 Zum chiaroscuro siehe MARCO COLLARETA: ‘Pittura commessa di bianco e nero’. Domenico Beccafumi nel pavimento del Duomo di Siena. In: AGOSTINI,GIOVANNI (HRSG.):Domenico Beccafumi e il suo tempo [Mostra „Domenico Beccafumi e il suo Tempo“. Sezione dipinti e affreschi Chiesa di Sant'Agostino. Palazzo Bindi Sergardi, 16 giugno - 4 novembre 1990 e sezione grafica Pinacoteca Nazionale di Siena, 16 giugno - 16 settembre 1990]. Mailand: Electa, 1990, S. 654: „Basta questa citazione per capire che, se esiste nel Cinquecento un’estitica specifica del „chiaroscuro“, il

„chiaroscuro“ rientra però anche nell’estetica cinquecentesca generale. Di splendido conio leonardesco, la parola concorre in effetti a definire uno dei tratti fondamentali della „maniera moderna“, vale a dire la passione per il forte risalto plastico delle forme.“

45 Der Empfang der Gesetzestafeln wird in Ex 24, 12 -18 beschrieben. Zum symmetrischen Aufbau des Bildfeldes siehe CARLI (1979), S. 152 – 153. Die feine psychologische Lenkung des Betrachters zeigt überzeugend SANMINIATELLI (1967), S. 105. Auch wenn durch die Vielzahl der abgebildeten Menschen die Natur nur das Tableau für das dargestellte Geschehen bildet, tritt sie durch die sehr wuchtige Darstellung des Felsmassivs verstärkt in den Vordergrund, eine künstlerische Entwicklung Beccafumis, die sich im Isaakopferweiter manifestieren wird.

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zurückgebliebenen Aaron dazu, ihm eine neue Gottheit zu geben. Bei vielen der Israeliten scheint sich aufgrund ihrer Gestik und Mimik Müdigkeit, Trauer, Verzweiflung, Orientierungslosigkeit, fast Desillusion breitzumachen, was in eine Entschlossenheit mündet, sich einen neuen, wirkmächtigeren Gott zu suchen. Aaron versucht mit einer ausladenden Geste der linken Hand, die Gemüter zu beruhigen und weist auf die bevorstehende Rückkehr Moses hin.46 Am oberen linken Bildrand meint man in einem zeitlich weiteren Rückgriff den von Moses angeführten Zug in das Heilige Land zu sehen – die Illusionen von Rettung und Desillusioniertsein liegen somit kompositorisch eng beieinander. Im Bildviertel unten links ist die Herstellung des Goldenen Kalbes dargestellt: Von den Israeliten zur Verfügung gestellter Schmuck wird im Feuer eingeschmolzen und zum Kalb umgegossen. Die Verwendung von unter anderem blauem Marmor durch Beccafumi betont farblich den ins Feuer geworfenen Schmuck und hebt ihn deutlich von den vorwiegend in Hell- Dunkel-Kontrasten gezeichneten, im Halbrund um die Flammen stehenden Menschen ab. In der unteren rechten Zone ist die Anbetung des fertiggestellten Goldenen Kalbes zu sehen (siehe Abb. 23, S. XV). Moses tadelt dies mit einem zornerfüllten Blick, während er bereits die Gesetzestafeln über den Kopf erhoben hat, um diese zu zerschmettern. Im äußersten rechten Bildrand beugt sich eine Frau schützend über ihr Kind, als wenn sie es vor Moses Zorn abschirmen möchte (siehe Abb. 24, S. XVI). Oben rechts erfolgt die Bestrafung der abtrünnigen Hebräer durch die Leviten.47 Flüchtende und sich wehrende Menschen sind in einer Kreisform angeordnet zu sehen, teilweise verwundet, niedergesunken oder schon tot. Die Figuren im gesamten Bildfeld zeichnen sich durch eine Längung der Gliedmaßen aus, wie es für das Spätwerk Beccafumis typisch ist. Bemerkenswert erscheinen nicht nur die horizontalen Verweise und Bezüge auf die einzelnen Geschehensbereiche; auch auf der vertikalen Achse ist zwischen den beiden Darstellungen Moses in Demut und Moses im Zorn ein größerer Gegensatz nicht denkbar, was zusätzliche Dramatik in der Erzählweise mit sich bringt und die immense Bedeutung und Tragweite des Gesamtgeschehens - des Bundes zwischen Gott und Israel - unterstreicht.48

46 SANTI (1982), S. 61, betont eher die Forderung der Hebräer nach einem neuen Gott, während BACCHESCHI & BRIGANTI (1977), S. 100, das Volk in abwartender Haltung auf die Rückkehr Moses sehen.

47 BACCHESCHI & BRIGANTI (1977), S. 100f.

48 Zur bipolaren bildlichen Schilderung der Mosesfigur siehe DUBUS (1999), S. 89: „Afin de permettre l’intelligence de l’histoire, Domenico a recouru à deux dispositifs essentiels. Le premier, archaïque, consiste à répéter la figure de Moïse. Dans la partie supérieure de l’image s’ouvre un trou dans le ciel d’où Moïse reçoit les tables de la loi; dans la partie inférieure, on retrouve le patriarche sur le point de

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Auf dem Gipfel empfängt Moses ehrerbietig kniend direkt von Gott die Gesetzestafeln (siehe Abb. 25, S. XVI), er ist durch die himmlischen Lichteffekte in fast mystische Sphären entrückt. Umso kontrastreicher und damit für den Betrachter lebensecht glaubhaft ist der Zorn und die Rage über die treu- und ehrlosen Israeliten gestaltet (siehe Abb. 26, S. XVII).

Zum unteren linken Bildfeldteil ist in der Pinacoteca Nazionale in Siena ein Vorlagenkarton erhalten (siehe Abb. 27 und 28, S. XVIII). Beccafumi hat in seiner Vorlage die dunklen Partien durch dichte Schraffierungen hervorgehoben, die in der Ausführung dann in dunklerem Marmor fertiggestellt wurden. Die Exaktheit der Zeichnung ist in großer künstlerischer Gewissenhaftigkeit in das völlig verschiedene Medium des commesso die pietre dure übertragen worden. Die enorme Wirkung der Pavimentfelder Beccafumis läßt sich an der Tatsache ablesen, daß bereits wenige Jahre nach seinem Tod der Mantoveser Kupferstecher und Xylograph Andrea Andreani in insgesamt acht aneinanderzulegenden Holzschnitten die Art der künstlerischen Gestaltung thematisch wiederaufnahm bzw. kopierte (siehe Abb. 29, S. XIX). Die Hell-Dunkel-Kontraste, die kompositorisch bereits den Vorlagenkarton Beccafumis ausgezeichnet hatten und von diesem kongenial in die commesso- Technik übertragen worden waren, dienten als erneute Vorlage für eine bis in kleine Details genaue Kopie Andreanis. 49 Auf die vielfältigen künstlerischen Talente Beccafumis und dessen fulminante Beherrschung der unterschiedlichen Techniken wurde bereits hingewiesen; als Vergleich zu dem Sinai-Paviment sei daher ein Ölgemälde Beccafumis für den Dom in Pisa herangezogen: Im Vergleich sind die gleichfalls gelängten Extremitäten und die Dynamik der Bewegung zu konstatieren (siehe Abb. 30, S. XX). Auch scheint er in dem 1538 entstandenen Gemälde die erschrockene Mutter, welche ihr Kind vor dem Zornesausbruch des Moses zu schützen sucht, wiederaufzunehmen. Der Körper des Moses und der Mutter weisen neben den Längungen auch bereits die für den Manierismus typischen Merkmale einer figura serpentinata auf.

briser les tables. Le second dispositif consiste à aménager des lieux superposés dans lesquels se déploient les épisodes successifs. Si l’on se rapporte au récit de l’Exode (XXXI-XXXII), la distribution des mosaïques du pavement induit une lecture circulaire, probablement liée au mode de perception de l’œuvre. A partir de ce couplet d’outils plastiques, Domenico se livre à des variations qui induisent des trajets de lecture variés “

49 Während seines Siena-Aufenthaltes 1586 entstanden die Holzschnitte nach den Werken Beccafumis, vgl. hierzu: LINCOLN (1994), S. 64 und SRICCHIA SANTORO (1980),S.299.

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