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Archiv "Kinderchirurgie im Jemen: „Lehre zur Lehre“ oder Hilfe nach Bedarf" (01.04.2011)

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A 698 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 13

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1. April 2011 Engagiertes

Team: Claus Peter- sen (l.) und Ali Al-Gamrah operie- ren gemeinsam im Al-Sabeen-Hospital in Sanaa.

Foto: privat

W

enn Claus Petersen an seine Zeit als Entwicklungshelfer im afrikanischen Benin denkt, hat er immer den blau-weißen Traktor vor Augen. Die solide Maschine wurde den Bauern von der Volksrepublik China gekauft, um die Landarbeit zu vereinfachen. Doch schon nach 25 Betriebsstunden war Schluss: Als ein Problem auftrat, konnte niemand die Handbücher lesen – denn sie waren auf Chinesisch und Englisch geschrieben, im Benin spricht man jedoch Französisch. Also verrottete der Traktor seither am Wegesrand.

Für Petersen ist die Geschichte ein Symbol für Fehler in der Ent- wicklungshilfe: Häufig wird viel Geld ausgegeben, ohne die Be- dingungen vor Ort einzubeziehen.

Der Kinderchirurgie-Professor, der für die Kinderklinik der Medi - zinischen Hochschule Hannover (MHH) arbeitet, kennt genug Kol-

legen, die ebenfalls hochmotiviert in Länder der Dritten Welt gegan- gen sind, um zu helfen, aber frus- triert von der Willkür und Unsin- nigkeit vieler Entwicklungshilfe- projekte zurückkamen.

„Nie wieder“, hat sich der Kinder- chirurg danach geschworen. Seit fünf Jahren engagiert er sich dennoch er- neut in einem Dritte-Welt-Land für ein Projekt, das aus einer Privatinitia- tive heraus entstanden ist. Ziel ist es, die Kinderchirurgie sowohl in der Klinik als auch in der universitären Ausbildung im Jemen zu verankern.

Aufschwung ist nicht in Sicht Die erst im Mai 1990 aus der Verei- nigung der zerstrittenen Teilstaaten Nord- und Südjemen hervorgegan- gene Demokratische Volksrepublik Jemen gehört zu den am wenigs- ten entwickelten Ländern der Welt.

Das Pro-Kopf-Einkommen liegt der

KfW-Entwicklungsbank zufolge bei 450 US-Dollar, mehr als ein Drittel der circa 20 Millionen Jemeniten lebt von weniger als zwei Dollar am Tag. Eine Besserung ist nicht in Sicht, im Gegenteil: Die kleinen Ölreserven, die dem Land einen kurzzeitigen Aufschwung verschaf- fen konnten, sind fast ausgeschöpft, und inzwischen wird auch das Grundwasser knapp.

Politisch wird der Jemen immer noch von den traditionellen Stäm- men dominiert. Präsident Ali Ab- dullah Saleh, der seit 1978 regiert, hat daher außerhalb der Hauptstadt Sanaa kaum Kontrolle. Zeitgleich mit den Protesten in Ägypten, die zum Rücktritt von Präsident Husni Mubarak führten, begannen auch im Jemen Demonstrationen von Re- gierungsgegnern für eine Demokra- tisierung des Landes. Erstes Ergeb- nis ist Salehs Zusage, nicht noch einmal für das Präsidentenamt kan- didieren zu wollen.

Auch im medizinischen Bereich gibt es wenig Erfreuliches: Die In- frastruktur wurde in den 70er Jah- ren weitgehend mit Mitteln aus dem Ausland eingerichtet: staatli- che Krankenhäuser, Gesundheits- zentren und Tageskliniken in den Städten. Doch nur circa 50 Prozent der Einwohner haben überhaupt Zugang zum Gesundheitssystem, viele können sich überdies nicht einmal die staatlichen Behandlungs- gebühren leisten. Auf der anderen Seite boomen gut ausgestattete Pri- vatkliniken. Wer es sich leisten kann, lässt sich dort fast auf west - lichem Niveau behandeln.

Während Familienplanung und Geburtshilfe über Entwicklungshil- feprojekte kontinuierlich ausgebaut KINDERCHIRURGIE IM JEMEN

„Lehre zur Lehre“ oder Hilfe nach Bedarf

Die Hälfte der Jemeniten ist unter 14 Jahre alt. Dennoch gibt es kaum kinder chirurgische Kapazitäten in dem ärmsten Land auf der arabischen Halbinsel. Jemenitische und deutsche Ärzte wollen diese Lücke schließen.

T H E M E N D E R Z E I T

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Deutsches Ärzteblatt

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1. April 2011 A 699

Land im Aufruhr:

Wie in anderen ara- bischen Staaten protestieren auch im Jemen die Men- schen gegen ein despotisches Re- gime.

Foto: dpa

werden, fehlt eine öffentliche Kin- derchirurgie fast gänzlich – obwohl mehr als die Hälfte der Jemeniten unter 14 Jahre alt ist. Die Folge:

Viele Neugeborene sterben an Krankheiten, die man in den Indus- trieländern ganz selbstverständlich nach der Geburt korrigiert. Operiert wird in der Regel gar nicht oder von Erwachsenenchirurgen ohne Erfahrung im Umgang mit den zar- ten Geweben und Organen. Unge- wöhnlich hoch ist im Jemen etwa die Inzidenz für die angeborene Analatresie. Wird diese zu spät oder nicht fachgerecht operiert, lei- den die Kinder ihr Leben lang an Stuhlinkontinenz. Ohne ausgebil- dete Kinderchirurgen und eine ent- sprechende Ausstattung sind auch die Chancen für Kinder mit Öso- phagusatresie schlecht: Gibt es kei- ne Beatmungsmöglichkeit, sterben mehr als 90 Prozent der kleinen Patienten nach der Operation.

Der in Deutschland ausgebildete jemenitische Arzt Ali Al-Gamrah hat es sich daher zu seinem Anliegen ge- macht, die Kinderchirurgie im Je- men zu etablieren. Als ersten Schritt hat der Chirurg im Al-Sabeen-Hos- pital in Sanaa eine erste öffentliche Station für Kinderchirurgie einge- richtet – mit bescheidenen Mitteln, unzureichender Ausstattung und nur einem in diesem Fachgebiet weiter- gebildeten Kollegen.

Der Bedarf ist jedoch weit grö- ßer, und Al-Gamrahs Ziel war es, Kinderchirurgen im eigenen Land auszubilden. In der MHH-Kinder- klinik und deren Leitern Prof. Dr.

med. Benno Ure und Prof. Dr. med.

Claus Petersen fand der jemeniti- sche Mediziner engagierte Mitstrei- ter. 2005 wurde das Projekt „Lehre zur Lehre“ geboren, das auf zwei Säulen basiert: einerseits einer Er- weiterung des Medizinstudiums an der Universität Sanaa um den Be- reich Kinderchirurgie, andererseits dem Ausbau der kinderchirurgi- schen Station im Al-Sabeen-Hospi- tal zu einer kinderchirurgischen Referenzklinik für Ausbildung und medizinische Versorgung.

In den vergangenen fünf Jahren haben Petersen und Al-Gamrah das Projekt mit Hartnäckigkeit und lan- gem Atem entscheidend vorange-

bracht. In einem von der Stadt Sanaa zur Verfügung gestellten Rohbau auf dem Klinikgelände ist die Kinderklinik entstanden. Das dreistöckige Gebäude bietet rund 2 400 Quadratmeter Platz für drei Operationssäle, Behandlungsräume, einen Endoskopiebereich, Ultra- schall- und Röntgenräume, ein La- bor, eine Ambulanz und eine Neu- geborenenstation.

Es fehlen Spenden

Für die weitere Ausstattung hat Pe- tersen in Deutschland so lange die Werbetrommel gerührt und Klinken geputzt, bis Ende 2010 ein 40- Fuß-Container mit gespendeten Ge- brauchtgeräten im Wert von mehr als 100 000 Euro aus Deutschland nach Sanaa geschickt werden konnte. Die Transportkosten hat die Deutsche Gesellschaft für technische Zusam- menarbeit übernommen. Noch feh- len zwar Spenden für den laufenden Betrieb und weiteres Equipment, doch die Eröffnung der Klinik ist in greifbare Nähe gerückt. Im Herbst soll das Gebäude mit einem Kinder- chirurgie-Workshop an der Universi- tät Sanaa eröffnet werden.

Mit Hilfe des Deutschen Akade- mischen Austauschdienstes wurde zudem das Fach Kinderchirurgie un- ter der Leitung von Al-Gamrah an der Universität eingerichtet, ein Cur- riculum entwickelt, und es wurden Kooperationen mit der Arabischen Gesellschaft für Kinderchirurgie so- wie Kinderchirurgen auf der arabi- schen Halbinsel etabliert, allen voran Prof. Alaa Al-Hamza aus Kairo und Prof. Aayed Al-Qahtani aus Riad. Im Frühjahr 2010 hat bereits mit gro- ßem Erfolg ein arabischer Kinder- chirurgie-Workshop in Sanaa statt- gefunden, ein internationaler Kon- gress ist geplant. „Das Projekt könn- te ein Vorbild für andere Städte im Jemen, etwa Taiz oder Aden sein, wo ebenfalls kinderchirurgische Kapazi- täten fehlen“, erklärt Petersen. So- wohl er als auch Al-Gamrah sind zu- versichtlich, dass die Kinderchirur- gie im Jemen durch die Initialzün- dung des Projekts in einigen Jahren aus eigener Kraft arbeiten kann. ■

Nicola Zellmer

Ein Spendenkonto für das Projekt hat die Medizini- sche Hochschule Hannover bei der Sparkasse Han- nover eingerichtet: BLZ 250 501 80, Kontonummer 37 03 71, Stichwort „Kinderchirurgie für den Jemen“.

T H E M E N D E R Z E I T

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