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Archiv "Die Bundesregierung muß ein Steuerpaket schnüren" (28.10.1976)

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Wer bezahlt

die soziale Sicherheit?

Sozialleistungen 1975: 334 Mrd.DM davon finanzierten:

IQ

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2123

DEUTSCHE S ÄRZTEBLATT

Heft 44 vom 28. Oktober 1976

Leserdienst

Hinweise •Anregungen

Die Bundesregierung

muß ein Steuerpaket schnüren

Vor der neuen Legislaturperiode: Fakten und Tendenzen

Ob unmittelbar als Beitrag der Versicherten, ob als Sozialabga- ben der Betriebe (die sie in die Preise einbauen) oder ob als staatliche Mittel (überwiegend Steuern) — von allen Bundesbür- gern, die Geld verdienen und Geld ausgeben, wurden im Jahr 1975 rund 334 Milliarden DM an Sozialleistungen aufgebracht.

Die SPD/FDP-Koalition will weiter- regieren; sie scheint es auch zu können. Der Wähler hat ihr eine knappe Mehrheit gelassen. Sie müßte ausreichen, Kanzler Schmidt am 15. Dezember im Amt zu bestä- tigen. Sozialdemokraten und Freie Demokraten stellen zusammen 252 Abgeordnete,

CDU/CSU

244 Abge- ordnete. Das ist eine Mehrheit von acht Stimmen gegenüber der Op- position, aber es ist nur eine Mehr- heit von drei Stimmen bei allen parlamentarischen Entscheidun- gen, die eine absolute Mehrheit verlangen. So braucht Kanzler Schmidt am 15. Dezember 249 Stimmen, um wieder gewählt zu werden. Auch können Einsprüche des Bundesrates gegen Gesetzent- würfe, die vom Bundestag be- schlossen sind, nur mit 249 Stim- men überwunden werden.

Dies macht deutlich, wie knapp die Union ihr Wahlziel, einen Regie- rungswechsel zu erzwingen, ver- fehlt hat. Andererseits wird es die Koalition schwer haben, mit dieser Mehrheit vier Jahre lang kraftvoll zu regieren. Je knapper der Wahl- ausgang, um so mehr Gewicht be- kommen einzelne Abgeordnete oder kleinere politische Gruppie- rungen innerhalb der Koalition, die ja auf jede Stimme angewiesen ist.

Dies gilt insbesondere für die Rechtsliberalen in der FDP, die ge- rade durch das knappe Wahlergeb- nis in ihrer politischen Position ge- stärkt worden sind. Es bleibt abzu- warten, ob Politiker wie Ertl, Graf Lambsdorff, Friderichs, Spitzmüller und Schmidt (Kempten), um nur wenige Namen zu nennen, ihre starke politische Stellung ausnüt-

zen wollen und können. Die Links- liberalen in der FDP sind in der neuen Fraktion stärker vertreten;

sie dürften jetzt etwa die Hälfte der Fraktion stellen. Dennoch gibt es in dieser Koalition keine Basis für eine sozialpolitische Politik. So viel jedenfalls läßt sich sagen: Die Koa-

lition ist zu einer Politik der mittle- ren Linie gezwungen. Das ist zu berücksichtigen, wenn man die künftige Politik abzuschätzen ver- sucht.

Keine Akzentverschiebung in der Wirtschaftspolitik

In

der Wirtschaftspolitik wird es kurzfristig keine Akzentverschie- bung geben. Der marktwirtschaft- lich orientierte Kurs erscheint zu- mindest solange nicht gefährdet, wie die Politiker Friderichs und Lambsdorff innerhalb der FDP den Kurs bestimmen können. Friderichs hat wiederholt wissen lassen, daß er gegenwärtig in der Konjunktur- politik keinen „Handlungsbedarf"

sieht. Zusätzliche Konjunkturpro- gramme wird es zunächst nicht ge- ben. Allerdings kann der Auf- schwung noch immer nicht als ge- sichert gelten. Die Bestellungen bei der Industrie übertreffen zwar deutlich die Werte des letzten Jah- res, aber die Schwankungen im Auftragseingang von Monat zu Mo- nat sind noch immer außerordent- lich groß. Sorge bereitet vor allem, daß die Investitionsneigung der Unternehmen nach wie vor gering ist. Neue Arbeitsplätze aber setzen zusätzliche Investitionen voraus.

Die Zahl der Arbeitslosen ist mit 900 000 noch immer hoch. Wir ge-

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ZITAT

Nicht vorgesehene Position

„Wir dürfen daran erinnern, daß 1975 etwa drei Viertel des Kreditbedarfs der öffent- lichen Hand bei den deut- schen Banken eingedeckt wurde. Einschließlich der Emission von Wertpapieren staatlicher Emittenten sind insgesamt etwa 65 Mrd. DM in gestaffelten Fristen aufge- bracht worden, und der Kun- de Staat hat auch in unseren Büchern eine für ihn früher nicht vorgesehene Position bezogen."

Jürgen Ponto, Vorstandsspre- cher der Dresdner Bank auf der Hauptversammlung 1976 seines Instituts.

Leserdienst

Hinweise •Anregungen

Wirtschafts- und Steuerpolitik

hen also mit einem hohen Sockel an Arbeitslosigkeit in den nächsten Winter. Die Zahl der Arbeitslosen könnte dann durchaus wieder über die Millionengrenze steigen.

Die Bundesregierung rechnet da- mit, daß das Sozialprodukt auch im nächsten Jahr etwa um real sechs Prozent steigen wird, bei einer Preissteigerungsrate von etwa vier Prozent. Das wäre aus heutiger Sicht tatsächlich eine „Traumkom- bination". Sollte die schwache In- vestitionsneigung anhalten, so wird sich die von der Bundesregierung angestrebte Wachstumsrate nur er- reichen lassen, wenn zusätzliche Impulse gegeben werden, vor al- lem steuerlicher Art.

Mit einem großen Arbeitsbeschaf- fungsprogramm ist sicher nicht zu rechnen, aber innerhalb der Bun- desregierung wird ein kleineres Programm vorbereitet, das auf die schwer zu vermittelnden Gruppen zielt, so auf die Büroangestellten, auf weibliche Arbeitnehmer und auf Jugendliche ohne Fachausbil- dung. Hier kämen wohl in erster Li- nie Mobilitäts- und Umschulungs- hilfen in Frage.

Einig scheint sich die Koalition darüber zu sein, daß die nächste Lohnrunde durch zusätzliche Tarif- vereinbarungen über zusätzliche vermögenswirksame Leistungen entschärft werden soll. Die Ge- werkschaften, ausgenommen die IG Bau und die IG Chemie, zeigen bislang aber wenig Neigung, die- sen Weg zu gehen.

Schwierige Steuerpolitik

Schwierig wird es in der Steuerpo- litik. Die Koalition ist hier auf die Opposition und vor allem deren Mehrheit im Bundesrat angewie- sen. Ohne Kompromisse geht es nicht. Wenn nicht alles täuscht, werden sich Freie Demokraten und Christdemokraten dafür einsetzen, die Vermögensteuerreform zu ent- schärfen und die Abschreibungs- möglichkeiten zu verbessern. Die SPD leistet hier hartnäckig Wider- stand, und auch die Gewerkschaf-

ten schießen sich auf diese Pläne ein. Wieder einmal wird von „Ge- schenken" an die Unternehmer ge- sprochen, obwohl solche Abschrei- bungen keine Steuergeschenke sind, sondern der Wertminderung einer Investition im Zeitablauf Rechnung tragen soll. Bessere Ab- schreibungsbedingungen erleich- tern die Finanzierung von Investi- tionen, was der konjunkturellen Lage angemessen wäre. Sollte die Investitionsflaute anhalten, so wird die SPD nachgeben müssen.

Dies könnte freilich dazu führen, daß die CDU/CSU Zugeständnisse bei der Mehrwertsteuer machen müßte. Die Bundesregierung hält daran fest, daß die Erhöhung der Mehrwertsteuer nötig ist. Schmidt und Apel haben aber noch vor dem Wahltag erkennen lassen, daß man mit ihnen nach der Wahl sowohl über den Termin als auch über die Höhe des künftigen Steuersatzes reden könne. Es ist anzunehmen, daß die Bundesregierung ein

„Steuerpaket" schnüren wird, das dann insgesamt zusammen mit dem Gesetz über die Neuverteilung der Steuern zwischen Bund und

Ländern über die Hürden von Bun- destag und Bundesrat gebracht werden kann. Das wird nicht im Hauruck-Verfahren zu machen sein. Deshalb wird man auch nicht kurzfristig mit Steuererleichterun- gen zugunsten der Investitionen rechnen können.

Mit diesen Überlegungen kann sich die Koalition freilich nicht viel Zeit lassen. Noch vor Weihnachten soll von der neuen Regierung der Ent- wurf des Haushalts 1977 und die Finanzplanung bis 1980 verab- schiedet werden. Apel strebt eine Zuwachsrate bei den Ausgaben von 5,6 Prozent an. In der letzten Finanzplanung war für 1977 nur eine Zuwachsrate von drei Prozent angesetzt worden. Apel selbst hat gesagt, daß er die Anforderungen der Ressorts noch um rund 10 Mil- liarden DM zusammenstreichen müsse, um die Rate von 5,6 Pro- zent zu erreichen. Harte Verhand- lungen stehen also bevor, und alle Ressorts werden Federn lassen müssen. Trotzdem wird es bei der hohen Kreditaufnahme von mehr als 20 Milliarden DM bleiben. Apels Schwierigkeiten würden wachsen, wenn er die geplante Mehrwert- steuer-Erhöhung nicht wenigstens bis zum 1. Juli 1977 durchsetzen könnte. Damit ist aber kaum zu rechnen. Als frühester Termin wird jetzt der 1. Januar 1978 in Bonn ge- handelt. wst

Kleingedrucktes wird verständlicher

Mit einem Faltblatt, das künftig von den Mitgliedsunternehmen des Verbandes der Lebensversiche- rungsunternehmen jeder neu ab- geschlossenen Lebensversiche- rungspolice beigefügt wird, sollen die wesentlichen Bestimmungen der „Allgemeinen Versicherungs- bedingungen" in verständlicher Sprache erläutert werden. Die Le- bensversicherer wollen damit ei- nen Beitrag zu besserer Verbrau- cheraufklärung und erhöhter Transparenz des Produkts „Le- bensversicherung" leisten. EB

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Referenzen

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