DIE FESTUNG DERBENT ZWISCHEN HUNNEN UND SASANIDEN
Von Gerd Gropp, Hamburg
Mit 2 Abbildungen
Die Festung Derbent (pers. darband "Engpaß, Festung") liegt dort an der
Küste des Kaspischen Meeres, wo die Bergkette des Kaukasus auf einer 300
km langen Strecke direkt an das Ufer heranreicht. Der oft nur einen Kilome¬
ter breiten Uferstreifen bildet neben zwei schwierigen Paßstraßen den einzi¬
gen natürlichen Verbindungsweg zwischen den osteuropäischen Steppengebieten
im Norden und den transkaukasischen und iranischen Ländern im Süden. Die¬
sen Zugang schließt die Festung Derbent ab. Sie ist das größte säsänidische
Bauwerk, aber trotzdem unter den Fachgelehrten wenig bekannt, z.B. ist
sie weder im Survey of Persian Art noch in Erdmanns Kunst der Sasaniden
erwähnt. Dies mag damit zusammenhängen, daß Derbent in der Sovjetunion
liegt und nur schwer zugänglich ist.
Die Anlage besteht aus drei Teilen:
1. Auf einem 340 hohen Felsen, dreieinhalb Kilometer von der Meeresküste
entfernt, erhebt sich die Zitadelle, von mächtigen Mauern umgeben. Im In¬
neren haben sich nur Reste mittelalterlicher Bauten erhalten.
2. Zwei parallele Mauern verbinden im Abstand von 400 m die Zitadelle mit
der Meeresküste. Die Nordmauer folgt zunächst dem gewundenen Lauf einer
Schlucht, um dann von einem gewaltigen Rundturm aus schnurgerade zum Ufer
zu laufen. Dieser gerade Teil ist mit 29 runden und rechteckigen Türmen be¬
wehrt. Die Kurtinen sind verschieden lang. Der Abschluß am Meer ist durch
den Bau der Eisenbahn zerstört worden. Drei Tore öffnen sich nach Norden.
Die Südmauer ist nur teilweise erhalten und auch nicht so stark. Sie verlief
auf der ganzen Strecke gerade. Die Bastionen, soweit erhalten, sind alle
rechteckig. Zwischen den beiden Mauern liegt die Stadt mit einer alten Mo¬
schee, die vielleicht aus einer Kirche umgebaut ist.
3. Eine 40 km lange Festungsmauer ist von der Zitadelle in westlicher
Richtung über Berge und Täler gezogen und mit kleineren Festungsanlagen,
Toren und Bastionen bewehrt.
Die Mauern bestehen aus einem zwei bis vier Meter starken Kern aus Bruch¬
steinen, die in dem für säsänidische Ruinen so charakteristischen Kalkmörtel
verlegt sind. Dieser Kern ist innen und außen verkleidet mit großen Kalkstein¬
platten, die in regelmäßiger Folge von Binder und Strecker gesetzt sind. Die
Höhe der Mauern beträgt etwa 14 m. Die heute erkennbare Zinnenbekrönung
und die Tordurchgänge stammen aus mittelalterlichen Restaurierungen. Ob¬
wohl das Festungswerk oft ausgebessert werden mußte, konnte der dagestani¬
sche Architekt Selim Chan-Magomedov doch nachweisen, daß die gesamte An¬
lage aus einem Guß ist und in einem einzigen Bauvorgang errichtet worden
ist. Die Bauweise unterscheidet sich durch die Fassadengestaltung von fast
allen anderen sasanidisehen Ruinen, obwohl die Konstruktion dort beheimatet
ist. Auffallend sind die rechteckigen Bastionen, die vielleicht auf kaukasische
(armenische oder byzantinische?) Vorbilder zurückgehen, da die Sasaniden Rundtürme verwenden.
Außer durch ihre eindrucksvolle Größe hat die Festung Derbent eine beson¬
dere Bedeutung durch 20 Bauinschriften, die man an den Mauern gefunden hat.
Sie sind in kursiver Pahlavischrift in senkrechten Zeilen an der Außenwand
der Nordmauer und der Zitadellenmauer angebracht. Es gibt nur zwei weitere
säsänidische Bauten mit Bauinschriften: die Brücke von Firüzäbäd mit der In¬
schrift des Mihr Narse (um 420 n.Chr. ) und die Festung von MeshkTnshahr
mit der Inschrift des Narse Hormizd (336 n.Chr. ). Von der Festung MeshkTn¬
shahr ist außer der Bauinschrift gar nichts und von der Brücke des Mihr Narse
sind nur umgestürzte Reste der Pfeiler erhalten geblieben. Somit ist Derbent
das einzige wirklich ansehnliche Bauwerk der Sasaniden mit Inschriften. Ge¬
nau so wenig Beachtung wie das Bauwerk haben bisher diese Inschriften ge¬
funden. Sie wurden von Pachomov und Nyberg 1929 an entlegener Stelle in
russischer Sprache veröffentlicht und von Henning kurz im Handbuch der Orien¬
talistik (l) erwähnt. Dabei enthalten sie viele sehr interessante Angaben und
sind bei weitem noch nicht voll erschlossen.
1. Acht Inschriften nennen als Erbauer der Festung einen Steuereinnehmer
von Azarbaidjan. Inschriften 1 und 3 können folgendermaßen gelesen werden
Inschrift 1 Inschrift 3
Inschriften 1 und 3 nach Pachomov-Nyberg
1. (l) ZNH wmn(2)dwmn spldl (3)dlyyws ZY (4) 'twrp^tkn (5) 'm'lkl.
3. (l) ZNH wmndwmn (2) spl (3) SNT 700 (4) dlyws ZY (5)'twrp'tkn
(6) ='mlkl (7) krt:
1. "Dies (ist) unsere schildhaltende Grenze. Darius, der Steuereinnehmer von Azarbaidjan."
3. "Diese unsere Grenze, den Schild, machte im Jahr 700 Darius, der Steu¬
ereinnehmer von Azarbaidjan."
Nyberg hatte die Wörter für Grenze (manich. Mp. wymnd) und Schild (np.
separ), sowie das Personalpronomen der 1. Pers. Plur. nicht erkannt, seine
Lesung ZNH w MN ZNH 'plbl (letzteres in Gignouxs Glossaire in 'pldl ver¬
ändert mit ungewöhnlicher Komparativendung statt -tl) ergibt keinen Sinn. Den
Eigennamen las Nyberg bizns, obwohl das erste Zeichen schwerlich ein b sein
kEinn. Henning las den gleichen Namen in einer Inschrift bei Persepolis als Appellativ drigus "arm, unglückselig", was hier nicht passen kann. Die de¬
fektive Schreibung des inlautenden -ä- in den Wörtern wimandomän, spardär,
därius, aturpatkän und amärkar ist charakteristisch für frühe Kursivschriften
und z.B. aus der Inschrift von Madras bekannt (-mn für -män Pron. 1. PI. ).
Der Fugenvokal -o-im Kompositum wimand-o-män kommt im Pahlavi sonst
nur in den Adjektivableitungen auf -'wmnd / -o-mand vor und ist besonders
im Awesta verbreitet.
Der Steuereinnehmner Darius ist aus den Chroniken von Armenien, Geor¬
gien und Albanien am Kaukasus und den sasanidisehen Geschichtsquellen
nicht bekannt, aber er muß ein bedeutender Mann gewesen sein, denn er konn¬
te es ungestraft unterlassen, in seinen Inschriften den Namen des regierenden
Königs zu nennen. Das gibt vielleieht einen Hinweis auf das Datum der In¬
schrift.
2. Inschrift 3 enthält eine Datierung, deren Deutung bisher umstritten ist.
Nyberg hat sie - offenbar richtig - als SNT 700 gelesen, dieses Datum
dann aber nach der arsakidischen Ära von 247 v.Chr. mit einem Rechenfeh¬
ler von 100 Jahren auf das Jahr 553 n.Chr. umgerechnet, wohl um den ara¬
bischen Uberlieferungen gerecht zu werden, daß die Festung Derbent von
Chosro I. (531-79 n.Chr. ) erbaut sei. Die Arsakidenära wurde meines Wis¬
sens von den Sasaniden nie verwendet, wahrscheinlicher ist deshalb die Se-
leukidenära von 311 v.Chr., die das Datum 389 n.Chr. ergäbe. Henning folgt
dagegen einem Vorsehlag von Trever und Orbeli, das Datum al s 27 oder 37 zu
lesen und als Regierungsjahr des Königs Chosro I. zu deuten. Aber einerseits
paßt das nicht gut zu den Zahlzeichen - die Einer folgen immer den höheren
Zeichen - und zweitens fehlt der Name des Königs, der dann eigentlich ge¬
nannt sein sollte. Gerade die Tatsache, daß Chosro nicht genannt wird, sollte
uns ernsthaft zweifeln lassen, daß der azarbeidj ani sehe Steuereinnehmer unter
diesem mächtigen König wirkte. Seine Eigenmächtigkeit und der Umfang des
Bauwerkes, das er naeh seinen Worten selbst errichten ließ, besagen doch,
daß er unter einer ganz schwachen Zentralregierung stand.
Er dürfte schwerlich die Steuergelder seiner Provinz in die Staatskasse ab¬
geliefert haben, vielmehr hat er sie offenbar für dieses Bauwerk verwendet.
Dies ist aber nur in der mittleren Sasanidenzeit unter den schwachen Herr¬
schern nach Shapur II und vor den Reformen des Käwäd und Chosro I. mög¬
lich gewesen. Bezeichnenderweise unterläßt auch Mihr Narse es, in seiner
oben erwähnten Bauinschrift den regierenden König zu nennen. Wir wissen
aus anderen Quellen, daß er unter Yezdegerd II und Bahram V die Staatsge¬
schäfte leitete. Narse Hormizd in MeshkTnshahr nennt dagegen noeh treu den
Herrscher Shapur II. Die Berechnung des Datums der Inschrift 3 auf das Jahr
389 würde in die Regierungszeit des völlig unbedeutenden Königs Bahram IV
fallen. Damit würden diese Inschriften die ältesten Kursivinsehriften Persiens
sein. Das bestätigen die altertümlichen Formen des nach rechts abge¬
winkelten n und des I. Das Schreiben in senkrechten Zeilen kennen wir
aus späterer Zeit besonders bei den Soghdern und Uiguren, die es von
den Chinesen übernommen haben könnten. Doch chinesischer Einfluß
dürfte im 4. Jahrhundert im Kaukasus und in Zentraliran unwahrschein¬
lich sein. Ebenfalls für das Datum 389 spricht die bei den Byzanti¬
nern erhaltene Nachricht, daß der Kaiser Theodosius I. den Persern
Geld für die Grenzfestung im Kaukasus gab, und Theodosius regierte von
379-395. Dieses byzantinische Geld dürfte nicht unerheblich zu dem gewal¬
tigen Bauvorhaben beigetragen haben. Für eine vielleicht in dem während
der hellenistischen Zeit unabhängigen Königreich Azarbaidjan geltende ei¬
gene Ära habe ich keinen Hinweis finden können.
Die Zeit um das Jahr 389 n.Chr. ist für das Kaukasusgebiet recht unglück¬
lich gewesen, und die Chroniken der Kaukasusvölker enthalten mehr Klagen
als genaue Mitteilungen. Nach der persischen Eroberung unter Ardashir und
Shapur 1. um 250 n.Chr. war das Gebiet bald wieder wegen der innenpoliti¬
schen Schwierigkeiten am Sasanidenhofe unter Bahram II. unabhängig gewor¬
den und zum Christentum bekehrt worden. Dann aber unternahmen die Per¬
ser seit Shapur II. wieder Vorstöße in das Gebiet, offenbar im Zusammen¬
hang mit den Kämpfen Shapurs gegen die Chioniten 359 n.Chr. In diesen Zu¬
sammenhang gehört die Inschrift von MeshkTnshahr bei Ardabil, aus dem
Jahr 336, die vielleicht damals die nördliche Grenze Azarbaidjans darstellte.
Danach wäre das Gebiet nördlich des Araxes zur Zeit Shapurs II. noch unab¬
hängig gewesen. 50 Jahre später aber haben die Perser ihr Gebiet bis zum
Nordrand des Kaukasus ausgedehnt. Wir erfahren von den Armeniern und
Albanern, daß die Perser im 5. Jh. die einheimischen Dynastien beseitigten
und persische Gouverneure einsetzten, die sich oft als eifrige Christenver¬
folger hervortaten.
Wie ich schon andeutete, stehen diese Anstrengungen der Perser offen¬
bar im Zusammenhang mit einer großen Gefahr, die ihnen im Norden drohte.
Im Jahr 359 mußte.Shapur II. die Chioniten oder Hunnen im Osten seines Lan¬
des abwehren, 375 überquerten sie die Wolga und drangen in die südrussi¬
schen Steppen ein, wo sie das Gotenreich vernichteten. 420 wurden sie dann
von Bahram V. besiegt und 451 von den Römern auf den Katalaunischen Fel¬
dern. Etwa ein Jahrhundert lang hielt das Volk der Hunnen die Länder West¬
asiens und Europas in Atem. Wie ernst man in Persien diese Gefahr genom¬
men hat, zeigt, daß man dort nicht nur die riesige Festung von Derbent als
Sperrmauer gegen sie erriclitete, 'sondern noch ein zweites großes Werk.
Abb. 2 a und 2 b.
Die gleiche Technik der Verkleidung einer Mauer mit großen Platten ab¬
wechselnd als Binder und Strecker wie in Derbent finden wir an der großen
Umfassungsmauer des Tacht-e Sulaiman im Süden der Provinz Azarbaidjan.
Auch die Form der Bastionen und Kurtinen und der von Rundtürmen flankier¬
ten Tore entspricht der Anlage von Derbent. Man kann deshalb mit großer
Sicherheit annehmen, daß beide Bauwerke gleichzeitig sind. Auf dem Tacht-e
Sulai man befand sich das große Heiligtum des Feuertempels Ädur Gushnasp,
den das Deutsche Archäologische Institut unter Prof. Naumann seit 1959 frei¬
legt. Daß sich hier keine Inschriften gefunden haben, mag sich aus dem reli¬
giösen Charakter des Bauwerkes erklären, vor dem der Steuereinnehmer grö¬
ßere Ehrfurcht hatte als vor dem König. Aber doch gibt es eine Verbindung,
nämlich an der Mauer von Derbent hat ein Steinmetz seinen Namen einge¬
kratzt, und er trug den Namen Adur Gushnasp. Dieser Name zeigt an, daB
zur Zeit, als das Festungswerk errichtet wurde, das Heiligtum hoch ver¬
ehrt wurde, sodaß es wie ein Gottesname zu Personennamen verwendet wur¬
de. Es wird deshalb auch kein ZufaU sein, daß König Bahram V. im Jahre
420 die Beute aus seinem Hunnenfeldzug gerade dem Adur Gushnasp stiftete.
Das Feuer war als Bahrämfeuer eine Personifizierung der Siegesgottheit
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Abb. 2 a: Das Bayat Kapu von Derbent, nach Foto. Die oberen Teile der Mau¬
ern und das Tor sind mittelalterliche Anbauten.
Abb. 2 b: Das Südtor des Tacht-e Sulaiman, nach Naumann.
Verethragna und hatte, wie uns die Pahlavitexte berichten, die Aufgabe, das
Land gegen Feinde zu beschützen. Ädur Gushnasp beschützte den Westen des
Landes, Ädur Farnbäg den Süden, und Ädur Burzin Mihr den Osten. Somit
bildete das Heiligtum auf dem Tacht-e Sulaiman eine Art Talisman für die
Grenzfestung Derbent, es gab auf Grund seiner numinalen Kraft den Grenz¬
kriegern die Siegesgewißheit gegen die furchtbaren Feinde im Norden. Die
beachtliche Entfernung des Heiligtums von der Grenze, die etwa 400 km be¬
trägt, dürfte beabsichtigt gewesen sein, denn so war es im Falle eines feind¬
lichen Durchbruches wohl verborgen in unzugänglichen Bergen. Außerdem ha¬
ben die Ausgrabungen gezeigt, daß es sich bei diesem Feuertempel um ein ur¬
altes an diesen Ort gebundenes Heiligtum handelt.
Wie man sieht, haben die Perser keine Anstrengungen gescheut, um die
Grenze gegen die Hunnen zu sichern. Der Zugang der Steppenbewohner zum
iranischen Hochland wurde fest abgeriegelt. Aber doch haben wir viele An¬
zeichen dafür, daß gerade am Ende des 4. und im 5. Jh. ein reger Austausch
wertvoller Luxusgüter zwischen diesen beiden Bereichen stattfand. Und damit
komme ich zu dem Punkt, daß die Absicherung einer Grenze keineswegs die
Kontakte zwischen zwei Völkern unterbindet. Man hat in der Ukraine nicht
nur mehrere säsänidische Gold- und Silbervasen gefunden, die aus sasanidi¬
sehen Werkstätten stammen, sondern auch säsänidische Keramik. Der Han¬
del mit sasanidischem Tafelgeschirr führte im 5. Jh. auch weiter nach Nor¬
den in das Uralgebiet und läßt uns vermuten, daß auf den Straßen eine gewisse
Sicherheit geherrscht haben muß, denn sonst wird sich kein Kaufmann mit so
wertvoller Ware dorthin gewagt haben. Man bedenke, daJ3 bis heute die mei¬
sten sasanidisehen SUberschalen in der Sovjetunion gefunden worden sind.
Der Umfang dieses Warenaustausches, von dem wir sozusagen nur die Spit¬
ze des Eisberges erkennen können, hat also beachtliche Ausmaße gehabt. Die
Beobachtüng, daß Silbervasen zum königliehen Tafelgeschirr zu rechnen sind
und wohl nur ausnahmsweise auf den Bazar gelangten, läßt mich allerdings
daran denken, daSi es sich wenigstens teilweise auch um Botschaftsgesehenke
gehandelt haben könnte. Zum Vergleich ist daran erinnert, daß Shah Abbas
im 17. Jh. an Boris Godunow einen goldenen Thron schenkte. Vielleicht haben
die Sasaniden schon an einen Hunnenherrscher einen Thron geschenkt, der
zwar nicht erhalten ist, aber zum Vorbild wurde für den Thron der Merowin-
ger in Paris. In Persien haben sich Reste solcher Throne erhalten und man
sieht sie auch auf Silber schalen abgebildet.
Die Feindseligkeiten der Sasaniden und Hunnen scheinen also enge kulturelle
Kontakte nicht ausgeschlossen zu haben. Wenn wir so unsicher über die Frage
sind, wieweit der mit Almandineinlagen besetzte Schmuck der Völkerwande¬
rungszeit iranischen Ursprungs ist, liegt das an der unglücklichen Guellen-
lage im Iran, wo seit der Achämenidenzeit durch die zoroastrische Bestat¬
tungssitte reiche Grabbeigaben fehlen und wir daher kaum Schmuck kennen.
Wahrscheinlich haben in der Kontaktzone Georgiens mit den Schwarzmeer¬
städten osteuropäische Handwerker von Iranern die Kunst der Steineinfassung,
der Goldgranulation, der Filigranarbeiten und des Emails gelernt. Mit der
Völkerwanderung gelangten dann diese Handwerker in die nordeuropäischen
Länder.
DaJ3 Kriege friedliche Handelsbeziehungen nicht unterbinden, haben für die
Zeit der Perserkriege des Darius und Xerxes die Ausgrabungen in Syrien ge¬
zeigt, wo man athenische Vasen fand. Bekannt ist der römische Export in die
nordeuropäischen Länder. Beobachtungen dieser Art sollten uns deshalb auch
skeptisch stimmen über die Angaben der Historiker, daß die Kriege der Rö¬
mer und Iraner in Mesopotamien den Handel auf der Seidenstraße unterbun¬
den hätten. Albert Herrmann sprach ja geradezu von einer Schließung der
Seidenstraße. Ich halte das für unwahrscheinlich.
Anmerkung
1. Literaturangaben und Lesungen weiterer Inschriften in meinem Beitrag
"Die Derbent-Inschriften und das Adur Gusnasp" zu Monumentum H.S.
Nyberg, Acta Iranica 1975 p. 317-331. Die Arbeit an den Inschriften vyu-
de gefördert durch eine Reisebeihilfe der Deutschen Forschungsgemein¬
schaft im Frühjahr 1975, wofür hier öffentlich gedankt sei. Leider war
es nicht möglich, von den sovjetischen Behörden die Erlaubnis zu erhal¬
ten, die Stadt Derbent z;u besuchen.
ZUR AUFNAHME ISLAMISCHER ARCHITEKTURSTILE IM SYNAGOGENBAU
DES 19. JAHRHUNDERTS
Von Hannelore Künzl, Köln
Mit 4 Abbildungen
Seit dem frühen Mittelalter bestehen zwischen Europa und den islamischen
Reichen Beziehungen auf politischer, wirtschaftlicher und kultureller Basis.
Der Austausch von Gesandtschaften, der Handel, Pilgerfahrten ins Heilige
Land, christliche Missionstätigkeit im Osten und Orientreisen von Privatleu¬
ten vermitteln den wenn auch zunächst noch spärlichen Kontakt zwischen Ok¬
zident und Orient. Der künstlerische Einfluß des Orients beschränkt sich im
Mittelalter hauptsächlich auf Motive, die über eingeführte transportable Ge¬
genstände in Plastik und Kunstgewerbe eindringen. Auf dem Gebiet der Ar¬
chitektur ist dieser Einfluß nur gering, wenn man von den Ländern absieht,
in denen Islam und Christentum aufeinanderprallen, nämlich Spanien und
Sizilien,
Seit dem 16. Jh. wird der Kontakt zum Orient enger. Die ständig zuneh¬
menden Orient-Reisen und die daraus resultierenden illustrierten Reisewer¬
ke, die Gründung ostindischer Handelsgesellschaften, ferner die engen poli¬
tischen Kontakte besonders Frankreichs zur Türkei und zu Persien führen in
Europa zu einer genaueren Kenntnis von orientalischen Ländern und ihrer
Kultur. Neben den orientalischen Sprachen, die als Lehrfach an den Hoch¬
schulen eingeführt werden, tritt auch die orientalische Kunst stärker in das
Bewußtsein der Europäer. So entsteht im 17. und 18. Jh. eine Türkenmode,
der wir türkische Pavillon^ in Schloßparks und Lustgärten verdanken. Wie
die Pagoden der Chinamode sind sie als Ausdruck eines romantischen Exotis¬
mus zu verstehen. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist die Moschee
von Schwetzingen, die Nicolas Pigage um 1780 im neu angelangten türkischen
Garten des Schloßparks errichtete.
Seit dem frühen 19. Jh. erweitert sich das Orient-Bild durch die zuneh¬
mende Erforschung Indiens, Nordafrikas, Ägyptens und des maurischen Spa¬
niens. Die frühen Publikationen der wichtigsten Bauwerke bilden die Grund¬
lage für den Orient-Einfluß auf die Architektur des 19. Jh., das als Zeitalter
des Historismus bewußt ältere Stile imitierte. Doch lassen sich Neo-Gotik
oder Neo-Romanik nicht unbedingt als Phänomene mit dem neuen Orient-Stil
vergleichen, da man diese in bestimmten, einander ablösenden Zeitspannen
beobachten kann, während wir orientalisch beeinflußten Bauten vom späten 18.
bis zum ausgehenden 19. Jh. begegnen als einer Strömung, die neben den of¬
fiziellen Stilen besteht. Diesen Orient-Einfluß treffen wir vor allem in könig¬
lichen Schloßpavillons, Privatgärten, Gartenpavillons, Weltausstellungsbau¬
ten usw., und neben der Profanarchitektur nur in Synagogen und nicht im
christlichen Kirchenbau, da die Christen Orient mit Islam gleichsetzten. Ab¬
gesehen von diesem ideologischen Hindernis konnten die Christen auf eine
ihnen eigene, lange Tradition von Kirchenbauten zurückgreifen, die sich zur
historistischen Wiederaufnahme vorzüglich eigneten.