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Dabei möchte ich möghchst wenig Namen nennen, auch die Namen derer nicht, die sich um das Institut am meisten verdient gemacht haben

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Academic year: 2022

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DAS ORIENT-INSTITUT DER DMG IN BEIRUT -

EXPERIMENT ODER MODELL ?

Von Stefan Wild, Beirut

Was ich Ihnen heute vortragen will, sind einige Gedanken zur grundsätz¬

hchen Bedeutung und Problematik des Orient-Instituts der DMG in Beirut,

wie sie mir während der vier Jahre gekommen sind, da ich die Ehre und die

Freude hatte, dort Duektor zu sein. Erwarten Sie also bitte keine detailherte

Rechenschaftsablegung, erst recht auch keine Bilanz eines Erfolges, fürchten

Sie nicht eine Fülle von Zahlen und Daten. Lassen Sie sich vielmehr etwas

von denjenigen Problemen imseres Instituts berichten, die - wie ich meme -

für etwaige Neugründungen ähnlicher Institute wichtig sind. Diese Schwie¬

rigkeiten sagen außerdem etwas darüber aus, was ich die Entwicklung des

orientahstischen Bewußtseins nennen möchte - wenn Sie mir diesen hege-

hanisch eingefärbten Ausdruck erlauben. Ich möchte Ihnen diese Probleme

allerdings nicht formal abstrakt vortragen, sondern so, wie sie sich konkret

stellen, wie sie im Behauter Institut zu lösen sind, auf dem Hintergrund des

Stückes Orient, auf dem sich unser Institut befindet.

Ich muß zu diesem Zweck einiges über Situation und Geschichte des

Instituts sagen. Dabei möchte ich möghchst wenig Namen nennen, auch die

Namen derer nicht, die sich um das Institut am meisten verdient gemacht

haben. Wer sich für die Geschichte des Instituts im Detail interessiert, sei auf

die jährhch m der ZDMG erschemenden Jahresberichte der Institutsdhek-

toreii verwiesen. Weiter möchte ich von vornherein um Verständnis bitten,

wenn sich eine gewisse Subjektivität m meine Ausführungen einschleicht.

Ich bin dem Institut zu nahe, um vollkommen distanziert darüber reden zu

können.

Das Institut wurde 1961 gegründet. Der wu-tschafthche Boom, den die

Bundesrepubhk damals erlebte, kam bekanntlich auch der Orientahstik,

ihren Seminar bibhotheken und ihren Lehrstühlen zugute. Wie Sie wissen,

wird unser Institut vollständig aus Älitteln des Bundesministeriums für

Bildung und Wissenschaft finanziert. Unser letzter Institutshaushalt behef

sich auf rund 550000 DM. Unsere Zusammenarbeit mit den Behörden ist

stets in einer freundlichen und sachlichen Atmosphäre vor sich gegangen.

Wir haben insbesondere nie das Gefühl gehabt, bevormundet zu werden. Das

Bildungs- und Wissenschaftsministerium hat sich in vorbildhcher Weise

niemals m personelle oder wissenschafthche Entscheidungen eingemischt.

Die deutsche Industrie hat uns ebenfalls tatkräftig und großzügig unter-

(2)

Das Oi iont-liistitut der DMG in Beirut XVII

stützt. Die Fritz Tliyssen Stiftung liat uns die Mittel für Ankauf und Umbau

unseres jetzigen Stadthauses in Beirut, sowie vor einigen Monaten die Mittel

für einen Anbau zur Verfügung gestellt. Der Stiftung Volkswagen-Werk

verdanken wir ein Ausweichquartior im Gebirgsdorf Ainab, 700 m über dem

im Sommer drückend heißen und schwülen Beirut, das uns während des

Beiruter Sommers die Arbeit wesenthch erleichtert. Die VW-Stiftung hat

außerdem eine erhebliche Summe als Starthilfe für die Institutsbibhothek bereitgestellt.

Nach diesem Blick auf die ökonomische Basis ein Wort über die geogra¬

phische Lage des Instituts. Anfang der sechziger Jahre sollte das Land, die

Stadt ausgesucht werden, in dem ein für den Vorderen Orient zuständiges

Orient-Institut die besten Voraussetzungen finden würde. Damals standen

drei Städte in drei arabischen Staaten zur Debatte: Beirut im Libanon,

Damaskus in Syrien und das arabische Jerusalem in Jordanien. Es bedarf

keiner langen Analysen, um feststellen zu können, daß sowohl die Wahl

Damaskus' wie die Jerusalems den sicheren Tod des Instituts in seiner

heutigen Form bedeutet hätte: in Syrien wurden 1965 alle deutschen

Institute - etwa die Goethe-Institute - von der syrischen Regierung ge¬

schlossen, im besetzten Jerusalem wären wir, wenn wir den Junikrieg über¬

lebt hätten, in erstickender Isolierung.

Beirut bietet aber darüber hinaus für unsere Arbeit besonders günstige

Voraussetzungen. Der Libanon ist ein liberales und weltoffenes Land, das

seine Existenz einer Balance zwischen der Ausrichtung auf Europa und den

Westen und seiner Zugehörigkeit zur arabischen Welt verdankt. Die Mitglie¬

der des Instituts sind nicht nur geographisch nahe an Damaskus, Kairo,

Amman, Bagdad oder Istanbul. Vielmehr reisen wir - anders als in vielen

Ländern und soweit es am Libanon liegt - tatsächlich aus und ein, wie es uns

beliebt. Beirut ist außerdem auf dem besten Weg, dem ehemaligen Zentrum

arabischer Kultur, Kairo, in vieler Hinsicht seinen Rang abzulaufen. Die

wichtigsten literarischen Strömungen, die interessantesten auf Arabisch ge¬

schriebenen Bücher, Zeitschriften und Zeitungen erscheinen heute meist in

Beirut, nicht mehr in Kairo. Beirut ist daneben Asyl und Heimstätte für eine

Unzahl arabischer Exilpolitiker, die hier iiire Memoiren und Analysen ver¬

fassen. Das nicht einmal eine Million Einwohner zählende Beirut besitzt vier

Universitäten mit zwei respektablen Universitätsbibliotheken und einen

wahren Dschungel von Verlagshäusern. Für jeden an moderner nahöstlicher

Geistesgeschichte Interessierten gibt es keine lohnendere Stadt als Beirut.

Daß diese leuchtenden Vorteile nicht ganz ohne Schatten sind, erstaunt

nicht. Aber sie fallen im ganzen kaum ins Gewicht. Nur zur Illustration

dessen, was anderswo alles möglich ist, das Beispiel eines Schwester-Instituts

in einem anderen Staat des Nahen Ostens : dort hat der Direktor alle Viertel¬

jahre den staatlichen Zensurbehörden eine detaiUierte Liste der neuange-

um 1* Or.-Tag 1973

(3)

XVIII Stefan Wild

schafften Institutsbücher zu überreichen. Über die Richtiglieit der Liste

wacht ein von den Behörden dem Institut aufgenötigter einheimischer Bi-

büothekar.

Unser Institut ist weder in erster Linie das libanesische Patrizierhaus mit

den Palmen im Institutsgarten, noch auch die Summe der Posten des Wirt¬

schaftsplans, sondern der in Beirut tätige Stab des Instituts. Der wissen¬

schafthche Stab besteht aus dem Direktor, drei Referenten und einem wis¬

senschaftlichen Bibhothekar. Diese werden von einem Verwalter und einer

Sekretärin sowie von ein bis zwei ständigen libanesischen Halbtagskräften

unterstützt. Unsere Verwaltung ist deswegen besonders kompliziert, weil wir

einerseits der strengen Kontrolle des Bundesrechnungshofs unterstehen, uns

zum anderen aber in Personal- und Sachmittehi vollständig selbst verwalten

- anders etwa als die Außenstellen des Deutschen Archäologischen Instituts

oder des Goethe-Instituts. Ferner vergibt das Institut in ständig wachsen¬

dem Maß Werkverträge mit denen deutsche Studenten der Orientahstik,

insbesondere aber auch orientaUsche Gelehrte für das Institut bestimmte

Aufgaben, wie Text-Editionen oder Erstellung von SpezialbibUographien,

übernehmen.

Lassen Sie mich nun die drei wesenthchen Aufgaben darstellen, die sich

das Institut zu erfüUen bemüht :

1. die Förderung des wissenschaftlichen orientalistischen Nachwuchses, so¬

weit er Arabistik, Semitistik und Islamwissenschaft betreibt.

2. die Herstellung immer engerer Kontakte mit den Gelehrten und Forschern

der arabischen Welt.

3. die Übernahme und Pubhkation eigener Forschungen ebenfalls auf den

Gebieten Arabistik, Semitistik, Islamwissensohaft.

Ich übergehe hier weitere in der Satzung des Instituts verankerte Aufga¬

ben, wie die Aufnahme von deutschen Orientalisten ins Institut für vorüber¬

gehende Forschungs- und Studienzwecke, Beantwortung von Anfragen, Be¬

schaffung wissenschaftlicher MateriaUen. Diese Aufgaben sind nicht unwich¬

tig, sie beanspruchen oft ein Gutteil der Zeit aller InstitutsmitgUeder - aber

sie sind kaum problematisch.

Was die erste Funktion des Instituts, die Förderung des wissenschaftli¬

chen orientahstischen Nachwuchses betrifft, so geschieht dies hauptsächUch

durch unsere sogenannten ReferentensteUen. Wir haben in unserem Budget

drei Stellen, die jungen promovierten Arabisten, Islam Wissenschaftlern, Se¬

mitisten usw. offenstehen. Mit Hilfe dieser Stellen können regelmäßig junge

Orientahsten ihre Forschungen in einem nahöstlichen Land treiben. Sie

haben dabei Gelegenheit, gesprochenes Arabisch zu lernen, arabischen

Rundfunk zu hören, arabisches Theater zu sehen, arabische Zeitungen zu

lesen, sie haben Gelegenheit, Reisen zu unternehmen, im Libanon selbst

(4)

Das Orient-Institut der DMG in Beirut XIX

zwischen Tripolis und Tyros, aber auch üher die Grenzen Libanons hinaus

nach Damaskus, Kairo, Bagdad, in die alten Städte von Kalifen und Khedi¬

ven, ebenso wie in die modernen politischen Zentren. Bei solchen Reisen,

aber auch in der täglichen Begegnung ergibt sich die Gelegenheit, mit den

Realien der islamischen und vorderorientalischen Geschichte in Berührung

zu kommen: die toten Städte in Nordsyrien, altsemitische Tempel, die

Omayyadenmoschee in Damaskus, aber auch Kamel- und Kleinviehnoma¬

den in der syrischen Wüste, Basarformen und Bewässerungssysteme. Das

Institut und die Referenten stehen also in einer Doppelbeziehung : einerseits

sollen die Referenten an den Institutsaufgaben, wie Korrekturlesen der

Institutspublikationen, Besorgung wissenschaftlicher Literatur, Mikrofilmen

usf. mitwirken. Die Referenten haben also nicht unbeschränkt Zeit für

eigene Forschung. Auf der anderen Seite hat das Institut die Pflicht, ihnen

ein möghchst gründliches Kennenlernen des Vorderen Orients in seiner

ganzen Wirklichkeitsbreite zu ermöglichen. Informationsreisen zwischen

Libyen, dem Jemen und dem Persischen GoK sind also nicht Gnadengaben,

die das Institut Referenten ab und zu zukommen läßt, sondern sind wichti¬

ger Bestandteil ihrer Beiruter Zeit. Die Referenten haben also de facto einen

Status zwischen dem eines wissenschaftlichen Assistenten und dem eines

Stipendiaten - ein System, von dem man sagen kann, daß es sich bewährt

hat.

Auf der anderen Seite sind die Referenten nur relativ kurz in Beirut, die

Verträge laufen ein Jahr und sind höchstens um ein weiteres Jahr verlänger¬

bar. Das ist eine kurze Zeit, verghchen etwa mit den Referentenstellen der

Archäologischen Institute, die ja in vielem unserem Institut ähneln. Aber

dieses System kürzerer Laufzeit der Verträge garantiert, daß in relativ

kurzer Zeit relativ viele Referenten durch das Institut gehen. Ab 1974 hoffen

wir, vier solche Stellen zu haben. Ich glaube, daß bereits in etwa zehn Jahren

ein ansehnlicher Teil der deutschen Orientalisten - soweit sie den Nahen

Osten bearbeiten - durch das Orient-Institut geprägt sein werden.

Die Referenten haben die Chance und die Aufgabe, soviele orientaUsche

Gelehrte kennenzulernen, wie sie eben können, sie haben die Aufgabe und die

Chance, mit Muftis und Imamen, mit Cheikhs und Politikern, Beduinen und

Bauern zu sprechen. Das Institut kann das selbstverständUch nicht garantie¬

ren. Es kann nur Kontakte her stehen und Raum lassen für Initiative.

Selbstverständlich gibt es auch hier den Unterschied persönhcher und wis¬

senschafthcher Temperamente, den man gelten lassen und respektieren muß.

Aber: ein Referent, der immer niu" in seinem Studierzimmer sitzt, ist kein

guter Referent, weü er die spezifische Chance des Orient-Instituts ungenü¬

gend wahrnimmt.

Die zweite wesenthche Aufgabe des Instituts ist es, fruchtbaren Austausch

mit den orientahschen Gelehrten und SchriftsteUern selbst zu suchen und

!• Or.-Tag 1973

J

(5)

XX Stefan Wild

aufrechtzuerhalten. Diese Beziehungen, die das Institut anstrebt und in

vielen Fällen auch gefunden hat, sollen auf die Dauer nicht nur dem Institut,

sondern der gesamten Orientahstik zugute kommen.

Der Grundgedanke bei dieser Kontaktsuche ist, daß die Orientalistik die

Arbeiten der einheimischen zeitgenössischen Gelehrten, ihre Editionen, ihre

historischen, literarischen Studien und Forschungen nicht mehr ignorieren

kann. Auf vielen Gebieten - ich erwähne nur Volkskunde und Ethnologie,

oder auch Dialektologie - hat sich herausgestellt, daß ausgebildete einheimi¬

sche Gelehrte oft mit viel geringerer Mühe und besserer Hoffnung auf Gelm-

gen Feldforschung treiben können als Orientalisten. Ein zweiter Grund für

diese Kontaktsuche ist das besondere Interesse, das das Beiruter Institut der

modernen Entwicklung des Nahen Ostens entgegenbringt. Wenn irgendwo

Gespräche mit Theoretikern des arabischen Nationalismus, der palästinensi¬

schen Bewegung, der verschiedenen Baath-Richtungen möglich sind, dann

hier. Islamische Modernisten und Fundamentalisten, Marxisten und Agno¬

stiker der verschiedensten Observanz sind hier nicht nur zu treffen, sondern

auch im allgemeinen gesprächsbereit. Aber auch für den hauptsächlich am

klassischen Islam interessierten Islamwissenschaftler sind solche Kontakte

fruchtbar. Gespräche mit dem sunnitischen Mufti, mit dem Haupt der

sehiitischen Gemeinde, mit islamischen Mystikern - auch die gibt es in

Beirut! - können auf eine ganz andere Weise erkenntnisbringend sein, als

ganze Semester in einer deutschen Seminarbibliothek. Ein besonders wert¬

volles Ergebnis dieser Kontakte ist schließlich die Vermittlung deutscher

Orientahsten zur Einladung an Beiruter Universitäten und umgekehrt die

Vorbereitung und Auswahl orientalischer Gelehrter zu Studien- oder For¬

schungsaufenthalten in Deutschland.

Es mag Ihnen ein Bild von den Beziehungen des Instituts, aber auch von

den außergewöhnlichen Möglichkeiten Beiruts geben, wenn ich Ihnen sage,

daß das Institut allein in diesem Jahr Werkverträge mit libanesischen,

syrischen, palästinensischen, ägyptischen und irakischen Gelehrten abge¬

schlossen hat.

Die dritte Aufgabe, die für das Institut kennzeichnend ist, ist selbständige

Forschung und deren Publikation. Wir legen zunehmend Wert darauf, daß

die Ergebnisse der Forschungen der Institutsmitglieder auch veröffentheht

werden. Die überreiche Vielfalt der Fachzeitschriften um eine weitere zu

vermehren, erschien uns freilich sinnlos. Forschungsaufsätze werden daher in

den verschiedenen zur Verfügung stehenden Fachzeitschriften publiziert.

Soweit die Forschungen Buchform erreichen, werden sie in die Institutsserie

Beiruter Texte und Studien aufgenommen. Daneben unterstützen und be¬

treuen wir mit großem finanziellem und zeitlichem Aufwand die in Beirut zu

druckenden Bände der Bibliotheca Islamica. Eine bei der Gründung des

Instituts nicht vorhersehbare Entwicklung hat es mit sich gebracht, daß wir

(6)

Das Orient-Institut dor DMG in Beirut XXI

in Beirut nicht nur Texte bei orientahschen Druclsereien in orientahschen

Lettern erheblich billiger drucken als irgendwo in Deutschland - was selbst¬

verständlich ist. Vielmehr kann man mittlerweile auch deutsche wissenschaft¬

liche Texte und Texte in europäischen Transkriptionssystemen in Beirut

wesentlich billiger herstellen als irgendwo in West- oder Mitteleuropa.

An größeren sich über Jahre hinausziehenden Projekten planen wir eine

Aufnahme libanesischer Architektur und ein Archiv zur Geschichte der

modernen arabischen Literatur. Die Materialsammlung für das Corpus liba¬

nesischer Architektur hat bereits kräftig begonnen, die Entwicklung des

Archivs für moderne arabische Literatur steckt noch in den Anfängen.

Bevor ich nun zu einer abschließenden Kritik dieser Institutsaktivitäten

komme, noch ein Wort über unsere Bibliothek. Unsere Aufgabe erfordert eine

große wissenschaftliche Bibliothek. Die Bibliothek, die in elf Jahren auf über

40000 Buchbinderbände angewachsen ist, kostet ständig dem gesamten Stab

des Instituts Arbeit. Wir haben einen wissenschaftlichen, orientahstisch

breit gebildeten Bibliothekar. Ohne einen solchen wäre es unmöglich, die

Bibliothek auch nur aufrecht zu erhalten. Aber die Kaufpolitik, die Signie¬

rung und Katalogisierung, die periodisch notwendigen Revisionen, nehmen

einen erhebhchen Teil der Arbeitszeit der Referenten, auch des Direktors,

in Anspruch. Bei den Besonderheiten des orientalischen Büchermarkts ist

das ganz unvermeidlich. Diese Bibliothek zieht selbstverständlich auch

orientalische einheimische Benutzer an, was einerseits wünschenswert ist,

andererseits dem Bibliothekar neue Arbeit bringt. Da das Institut großen

Wert darauf legt, den modernen Orient in sein Forschungsgebiet mit einzu¬

beziehen, sammeln wir vier Tageszeitungen des arabischen Orients. In den

über hundert laufenden Zeitsclu-iften ist fast aus jedem arabischen Land eine

repräsentative Zeitschrift zu finden. Besondere Aufmerksamkeit gilt weiter

den Werken der klassisch-arabischen Literatur und des islamischen Rechts.

Im zweiten Teil meiner Skizze des Beiruter Instituts lasse ich nun einige

kritische Überlegungen zur Gesamtausrichtung des Instituts folgen. Diese

Gedanken gehen auf unter verschiedenen Umständen und mit verschiedenen

Partnern geführten Gespräche zurück, sie befassen sich rait konstanten Pro¬

blemen des Instituts und seiner Führung. Ich betone dabei, daß Kritisches

selbstkritisch verstanden werden will, denn ich habe ja die Verantwortung

für die letzten Jahre zu tragen, ich kann also niemanden anderen attackieren als höchstens mich selbst.

Die Quintessenz solcher kritischer Überlegungen läßt sich in drei Fragen

ausdrücken :

1. Welches Wissenschaftsverständnis liegt der Arbeit des Instituts zugrunde ?

2. Inwieweit bezieht das Institut den aktuellen Modernen Orient in seine

Arbeit ein ?

(7)

XXII Stefan Wild

3. Hat die wissenschaftliche Arbeit des Instituts em politisches Engage¬

ment?

Lassen Sie mich diese drei Fragen erläutern und darauf eine Antwort zu

geben versuchen.

Mit der Frage nach dem Wissenschaftsverständnis des Instituts ist ge¬

meint : wie planen wir unsere wissenschafthche Arbeit ? Und gibt es über¬

haupt eine solche Planung? Wenn ich diese Frage polemisch mit einem

Schuß Vorwurf aufladen darf : die wissenschaftliche Arbeit der Institutsan¬

gehörigen hat kein einheitliches Ziel, sie ist auf hberalistische Art abhängig

von den zufäUigen wissenschaftlichen Interessen der einzelnen Mitarbeiter.

Tatsächhch ist es wahr, daß das Institut wissenschafthch von der Einzelini¬

tiative, von dem privaten Interesse der dem Institut angehörigen Wissen¬

schaftler lebt. Wir hatten und haben Dialektologen, Historiker oder Litera¬

turwissenschaftler als Referenten, die jeweils isolierten und von ihnen selbst

gestellten Spezialproblemen ihres Faches nachgingen und nachgehen. Wohl

haben wir die zwei erwähnten größeren Projekte, die über eine zweijährige

Referentenzeit hinausgehen. Das Corpus hbanesischer Architektur wird aber

im wesentlichen das Werk eines Mannes sein. Das Archiv für moderne

arabische Literatur wkd zwar nur in Team-Arbeit über Generationen von

Referenten hin herstellbar sein, aber diese Aufgabe wird nicht das ganze

Institut prägen.

So spiegelt das Institut m diesem Punkt - wie könnte es auch anders sem -

getreu die Situation der meisten Orientahschen Seminare der Bundesrepu¬

bhk wider. Diese methodische und sachliche Vielfalt reflektiert die kompli¬

zierte Forschungssituation der Orientalistik ebenso, wie ihre nicht weniger

komplizierte Ausbildungssituation. Es wäre unmöghch gewesen, etwa alle

Referenten im Hinblick auf ein und nur ein Forschungsziel auszusuchen und

sie diesem Ziel unterzuordnen. Außerhalb der zwei genannten Projekte

gibt es keine lang- oder mittelfristige Wissenschaftsplanung, der die Arbeit

des Instituts, d. h. seiner Mitglieder unterhegt.

Meines Erachtens ist eine derartige ins Detail gehende Arbeitsplanung für

das Institut auch gar nicht wünschenswert. Es gibt keine absolut verbind-

hche Skala, an der man die Wichtigkeit islam-wissenschaftlicher, arabisti¬

scher oder semitistischer Themen ablesen könnte. Darum gibt es keine

andere Möghchkeit, als emen Kompromiß zwischen behutsamer Vorberei¬

tung von Projekten, die mehrere Referentengenerationen binden können

und strenger Respektierung der wissenschafthchen Einzelinitiative. Prak¬

tisch bedeutet das im konkreten FaU des Archivs für moderne arabische

Literatur, daß wh versuchen werden, unter den drei, bzw. ab 1974 hoffent¬

hch vier, Referenten jeweUs mindestens einen auszuwählen, der Neigung und

Quahfikation für die Arbeit mit modemer arabischer Literatur hat, im

(8)

Das Orient-Institut der DMG in Beirut XXIII

übrigen aber die Initiative der Einzelnen weder zu gängeln noch zu beschnei¬

den.

Die zweite kritische Frage, die ich nannte, war die des Verhältnisses

unserer Arbeit zum modernen Vorderen Orient. Am temperamentvollsten

wurde sie mir vor eüiem halben Jahr von einem deutschen Studenten der

Orientahstik gestellt, der das Beiruter Institut besuchte. Seine Argumenta¬

tion war etwa folgende : die Aktivität und das Interesse eines Instituts zeige

sich in seinen Veröffentlichungen. Das Orient-Institut publiziere die Beiruter

Texte und Studien und finanziere zum Teil die Bibliotheca Islamica. Die

letztere Serie fällt - da auf klassische islamische Texte beschränkt - für die

Erforschung des gegenwärtigen Nahen Ostens aus. Von den bisher erschiene¬

nen neun Bänden der Beiruter Texte und Studien befasse sich nur ein einziger

mit einer neuzeitlichen Problematik. Daraus folgerte mein Gesprächspart¬

ner, daß die Arbeit des Instituts in keiner Weise einen Neuanfang bedeute.

Insgesamt lägen alle diese Veröffentlichungen auf der Interessenlinie der

Generation Theodor Nöldekes, also der deutschen Orientalistik der Jahrhun¬

dertwende. Damit sei eino wichtige Chance der deutschen Orientalistik in

jeder Hinsicht verpaßt worden.

Das Problem, das mit diesem Vorwurf angeschnitten ist, ist nun nicht nur

für unser Institut, sondern für die gesamte deutsche Orientahstik von erheb¬

licher Bedeutung, und es lohnt sich, dabei etwas zu verweilen. Diese Argu¬

mentation läßt zunächst außer Acht, daß zwei Bände der Beiruter Texte und

Studien arabische Dialektologie behandehi, ein weiteres außerhalb der BTS

vom Institut publiziertes, drei monumentale Bände umfassendes Werk die

neuaramäische Sprache der Christen des Tür 'Abdin beschreibt. Aber selbst

wenn man diese Bände nicht ohne weiteres als für die Moderne belanglos

abtut, ist für den konkreten Fall Beirut zuzugeben, daß die orreichte Propor¬

tion für das Verhältnis Themen der klassischen Orientalistik imd moderner

Thematik tatsächlich unbefriedigend ist. Dieses Verhältnis zeigt das beson¬

dere Interesse unseres Instituts am Modernen Orient nur ungenügend. Aber

auch hier ist anzumerken, daß die Beiruter Situation primär die Ausbil¬

dungslage an den Orientalischen Seminaren spiegelt, in denen die Studenten

nicht immer genügend Anregungen finden, ihr Interesse auch modernen

Problemen zuzuwenden. Das Institut spiegelt jedoch diese Lage wider, in¬

dem es sie gleichzeitig zu ändern sucht. Die damit angestrebte Vermittlung

braucht jedoch Zeit. Es wird meine und meiner Nachfolger Aufgabe soin,

hier auch optisch in den Beiruter Publikationen einen Wandel deutlich zu

machen. Hinzuzufügen ist, daß bereits zwei wichtige Werke, die Geistesge¬

schiehte des 19. und 20. Jahrhunderts betreffend, in Vorbereitung sind.

Darüber hinaus aber sind die Publikationen des Instituts nicht die einzige

Skala, an der das Interesse des Instituts sichtbar wird. Nimmt man etwa die

Institutsbibliothek als Maßstab, so wird man finden, daß ein Drittel bis die

(9)

XXIV Stefan Wild

Hälfte aller angeschafften Werke den neuzeithchen Nahen Osten betreffen.

Die Funktion des Instituts, der deutschen Orientahstik ein Tor zum leben¬

den Vorderen Orient zu öffnen, läßt sich auf diese Weise mindestens stati¬

stisch zeigen. Ein besonders wichtiger Gesichtspunkt ist schheßlich, daß eine

Menge Forschungsarbeit, die im Institut geleistet wurde und geleistet wird,

gerade wenn sie aktuelle Probleme betrifft, nicht im Rahmen der Instituts¬

publikationen in Beirut veröffentlicht wird. Das hat wohlerwogene und

zwingende Gründe. Ein Institut wie das unsere steht und fällt mit dem

Wohlwollen des Landes, in dem es Gast ist. Außerhalb dieses Wohlwollens

haben wir kein Recht auf eine Existenz in diesem Land, und selbst wenn wir

uns ein Recht ausdächten, könnten wir es nicht durchsetzen. Theorien,

Erkenntnisse, Fakten, von denen befürchtet werden muß, daß sie Einzehien

oder Gruppen unseres Gastlandes unangenehm sind, werden wir in Beirut

nicht publizieren. Der Wissenschaft geschieht dabei kein Tort, denn es gibt

außerhalb Beiruts unzählige Möglichkeiten, solche Erkenntnisse der Fach¬

welt zugänghch zu machen. Es ist leicht einzusehen, daß damit eine ganze

Reihe wichtiger und interessanter Themen aus der Wissenschaft vom Moder¬

nen Orient für das Institut zur Veröffentlichung ausfallen.

Das Problem hat aber noch eine tiefere Dimension. Die Orientahstik

umfaßt der herrschenden Definition gemäß die Gebiete - und ich zitiere, was

die Satzung der DMG Paragraph 1, Abs. 1 als ,, Morgenland" versteht:

,, Asien, Ozeanien und Afrika". Dieses geographische Gebiet umfaßt heute

fast ausschheßlich Länder der sog. Dritten Welt, Entwicklungsländer, oder

welchen Terminus Sie auch verwenden wollen. Die wissenschaftliche Erfor¬

schung von Problemen, die mindestens teilweise Gegenwartsprobleme berüh¬

ren, ist in diesen Ländern umso schwieriger, je größer die Probleme sind, mit

denen die betreffenden Staaten zu kämpfen haben. Der westhche Wissen¬

schaftler wird im allgemeinen dann akzeptiert, wenn er sich mit den von den

östlichen Gesellschaften als verbindhch angesehenen Epochen vergangener

Größe beschäftigt, wenn er z. B. sich mit den schriftlichen und sonstigen

Denkmälern des klassischen Islams, der islamischen Poesie, der abbasidi¬

schen Geschichte beschäftigt. Themen, die dieser kulturellen Tradition

fremd suid, wie etwa die Erforschung moderner Dialekte, wird der westliche

Forscher im günstigen Fall unter dem Lächeln der Emheimischen anstellen

können. Im ungünstigen Fall wird er auf große Schwierigkeiten stoßen, weil

man ihm versteckte politische Motive nachsagt.

Freie Erforschung aktueller Probleme, d. h. Forschungen, die nicht in

unmittelbarem Zusammenhang mit einem von den Behörden genehmigten

Entwicklungsprojekt stehen, werden im allgemeinen als unerbetene Ein¬

mischung, wenn nicht als Spionage empfunden. Die Länder der Dritten Welt

lieben es - aus übrigens sehr verständlichen Gründen - nicht, wenn ihnen

beim Lösen ihrer Probleme über die Schulter gesehen wird. Auch hier steigt

(10)

Das Orient-Institut der DMG in Beirut XXV

die Empfindliclilceit proportional zur Schwierigkeit der Probleme. Was für

den einzelnen Forscher oder die einzelne Forschergruppe gilt, gilt in erhöh¬

tem Maß für ein Institut, das ohne aktives und ständig wirksames Wohlwol¬

len der einheimischen Behörden nicht existieren kann. Der Libanon kann

seiner Ökonomie und seiner Sozialstruktur nach auf keinen FaU einfach

unter die Länder der Dritten Welt subsumiert werden. Dennoch steht sich

schon im Beiruter Institut dieses Problem. Die Folgerung aus alledem ist

einfach: die vollständige oder auch nur überwiegende Orientierung eines

solchen Orient-Instituts auf moderne Problematik ist unmöglich. Diese Tat¬

sache ist besonders deswegen klar auszusprechen, weil sich auch in der

deutschen Orientalistik der Tag abzeichnet, an dem wissenschaftliche Vorha¬

ben, die moderne Fragestellungen haben, leichter zu finanzieren sind als

solche, die das nicht haben. Es wäre verhängnisvoU, wenn unser Institut,

oder auch geplante Institute, wie etwa das projektierte Indien-Institut der

DMG, in die fatale Zwickmühle des ,,je aktueller - desto besser" gerieten.

Um den Beifall nicht von der falschen Seite zu bekommen, muß ich sofort

hinzufügen, daß ich der festen Überzeugung bin, daß die deutsche Orientalis¬

tik, wie sie an den deutschen Universitäten vertreten wird, ein gutes Stück

Wegs in Richtung auf die Erforschung des modernen Vorderen Orients wird

tun müssen, wenn sie auf die Dauer und unter erträglichen Verhältnissen

überleben will. Das wissenschaftliche Interesse wird sich stärker als bisher

der Neuzeit zuwenden müssen, viele Fragestellungen der Orientalistik müs¬

sen mindestens durch ein polit wissenschaf tli ches oder soziologisches Fege¬

feuer gehen, bevor sie sich an den Tag wagen. Die Orientalistik wird sich mit

diesen Methoden schon deswegen auseinandersetzen müssen, um den An¬

spruch der aus dieser Methodik erwachsenen Arbeiten über den Nahen Osten

kontrollieren zu können. Es sieht so aus, als ob die Flut derartiger Arbeiten

in der nächsten Zeit eher anschwellen als abnehmen würde. Es wäre eine

besonders wichtige Aufgabe der Orientalistik, briUante und weniger brillante

Analysen trocken auf ihre Quellen- und Realienkenntnis hin zu untersuchen.

Um das zu können, darf man sich freilich nicht von dem benutzten Vokabu¬

lar und der zugrunde liegenden Methode abschrecken lassen, d. h., man muß

sie wenigstens in den Grundzügen kennen. Ich hoffe, daß das Institut, wenn

auch noch vage und undeutlich, die Möglichkeit einer Wissenschaft vom

Vorderen Orient zeigt, in der sich die traditionelle historische und philologi¬

sche Einzelforschung und moderne Problematiken und Methoden nicht aus¬

schließen, sondern ergänzen.

Die dritte Frage, die nach unserem politischen Engagement, wurde mir

von einem Araber, einem Palästinenser, gestellt. Es handelte sich um einen

sehr begabten jungen Intellektuellen, der eine RoUe bei einer der palästinen¬

sischen Guerillaorganisationen spielte. Kurz nach den blutigen Auseinander¬

setzungen im September 1970 in Amman, bei denen diese Organisationen

(11)

XXVI Stefan Wild

grausam dezimiert worden waren, saß er in meinem Arbeitszimmer in Beirut.

Er hatte sich das Institut angesehen und fragte mich nach der pohtischen

Ausrichtung des Instituts. Als ich antwortete, das Institut als Institut habe

kerne, sagte er ziemhch heftig, das könne er nicht als Antwort akzeptieren.

Die Mitglieder des Instituts seien entweder für das Unrecht oder gegen das

Unrecht im Nahen Osten, irgendwann müsse der Zeitpunkt kommen, wo das

Institut sich engagieren, d. h. SteUung beziehen müsse.

Sobald man sich in eine solche morahsch brisante Alternative drängen

läßt, hat man verspielt. Das Institut hat selbstverständUch nicht nur nicht

die Pflicht, sondern nicht einmal das Recht, im Libanon eine solche politi¬

sche Stellungnahme abzugeben, einfach deswegen nicht, weil es dazu keinen

Auftrag hat. Und die einzelnen Institutsmitglieder, die das Recht einer

politischen Stellungnahme haben, werden sich hüten müssen, daß man ihre

privaten Meinungen nicht als offiziös mißinterpretiert.

Abgesehen davon gilt in diesem Fall verstärkt, was vorhin bei der Erläu¬

terung der Abneigung junger orientahscher Staaten gegenüber aktuellen

Forschungen gutwUhger und meist hochbezahlter westhchcr Wissenschaftler

gesagt wurde. Eine solche Stellungnahme ist in noch höherem Maße eine

Einmischung, die auf die Dauer nicht geduldet werden wird. Pohtisehes

Engagement des Instituts in diesem Sinn bedeutet also auf die Dauer mit

unfehlbarer Sicherheit Schließung des Instituts durch die einhehnischen

Behörden. Wenn man das anstrebt, braucht man das Institut freUich gar

nicht erst eröffnen.

Das schheßt nicht aus, daß die Institutsmitgheder in Deutschland, einmal

an ihren ursprünglichen Arbeitsplatz zurückgekehrt, aUes in ihrer Macht

Stehende tun, um die oft einseitig und oberflächlich orientierte öffenthche

Meinung besser zu informieren. In einer Zeit, in der weite TeUe der deutschen

Presse zu einer Art Arabophobie, zu einer koUektiven Diskriminierung nei¬

gen, ist das eine besonders schwere, aber auch eine besonders wichtige

Aufgabe.

Ich weiß nicht, wie weit es mir gelungen ist, Ihnen nach dieser Bestands¬

aufnahme des Instituts die angedeuteten Probleme der wissenschafthchen

Entwicklung deuthch zu machen. Ich habe das Gefühl, daß ähnliche Institu¬

te - von denen wir alle hoffen, daß sie entstehen werden - ähnhche Probleme

haben werden. Das Orient-Institut der DMG in Beirut lebt mit diesen

Problemen. Das Institut ist kein Experiment mehr, das läßt sich ohne

Arroganz sagen. Es ist auf der anderen Seite - ohne falsche Bescheidenheit-

noch kein verbindliches ModeU.

Das Beiruter Institut bedeutet aber die Durchbrechung der Distanz der

deutschen Orientahstik gegen über dem Orient, es bedeutet mindestens auch

die Zuwendung zum modernen Orient. Das Beiruter Institut ist erwachsen

aus der Einsicht in die Notwendigkeit dieser Zuwendung. Die Existenz

(12)

Das Orient-Institut der DMG in Beirut XXVII

des Instituts ist aber nicht nur passives Indiz eines solchen Sinneswandels,

sie ist ebensogut treibendes Moment einer Entwicklung, deren Auswirkungen

nicht absehbar sind. Wichtiger als die Frage : Experiment oder Modell ? ist et¬

was anderes. Der Versuch der Vermittlung zwischen hergebrachter Orienta¬

listik und neuen Themen und Fragestellungen, wie er in Beirut zumindestens

nicht gescheitert ist, markiert für die deutsche Orientalistik einen neuen

Abschnitt. An diesem Punkt steht unser orientalistisches Bewußtsein.

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(14)

SEKTION I: ÄGYPTOLOGIE

SEKTIONSLEITER: E. OTTO, MÜLBEN

ZUR ADOPTION IM PHARAONISCHEN ÄGYPTEN

Von Schafik Allam, Tübingen

Die Adoption in engerem Sinne bedeutet die vertragliche Begründung

eines künstlichen Eltern-Kind-Verhältnisses unter Lebenden. Sie gehört zu

den ältesten Instituten des Familienrechts ; schon bei Naturvölkern wird sie

angetroffen. Auch in den Rechtskreisen des Alten Orients war sie bekannt

und ihr wurde in Rechtspraxis und Gesetzgebung ein nicht geringer Platz

eingeräumt. In der Literatur verwendet man denselben Begriff auch im

allgemeinen Sinne, wenn zwischen leiblich nicht verwandten Personen ein

besonderes Verhältnis durch Verwandtschaftsbezeichnungen (wie Vater und

Sohn) umschrieben wird. Auch spricht man hin und wieder von einer geistig¬

religiösen Adoption, z. B. in einer Pietätssituation zwischen Erzieher und

Zögling oder Lehrendem und Lernendem. Daß der Begriff der Adoption im

übertragenen Sinne gebraucht wird, mag zwar erlaubt sein, kann aber zu

Mißverständnissen führen, wenn juristische Belange gewürdigt werden. Da

wir im folgenden unseren Blick auf das Adoptionsinstitut im pharaonischen

Ägypten richten und demgemäß rechthche Tatbestände erörtern wollen,

kann der Begrift" der Adoption nur in engerem Sinne unseren Erörterungen zugrundegelegt werden.

Durch Adoption (d. h. Annahme einer fremden Person an Kindes Statt)

wird - nach heutigem wie nach römischem Verständnis - ein familienrechtli¬

ches Band geknüpft. Sie verfolgt in der Regel den Zweck, demjenigen, der

keine leibhche, erbberechtigte Nachkommenschaft hat, eine fingierte zum

Zwecke der Erhaltung seiner Familie zu schaffen. Sie ist ein famihenrechth-

cher Vertrag, durch den für den Adoptierten die SteUung eines ehehchen

Kindes des Annehmenden begründet wird. Gegen den Annehmenden erwirbt

das Adoptivkind ein gesetzliches Erbrecht. Eine besondere Form der Adop¬

tion ist die Arrogation {adrogatio). Während die Adoption für gewaltunter¬

worfene Personen (z.B. unter väterlicher Gewalt stehende Kinder) in Frage

kommt und demnach die Übertragung der väterhchen Gewalt nach sich

zieht, war die Arrogation für gewaltfreie bzw. mündige Personen gedacht.

Bei der Untersuchung der einschlägigen Urkunden sollten die durch den

terminus technicus ,, Adoption" bezeichneten Rechtsfolgen als Maßstab für

alles gelten, was diesem Begriff außerhalb des modernen sowie des römischen

Rechts zugeordnet werden soU.

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2 Or.-Tag 1973

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