March 20, 2014 1
EINF ¨UHRUNG IN DAS MATHEMATISCHE ARBEITEN
Der Fehler X im Injektivit¨ atsbeweis
Michael Grosser
In der Pr¨ufungsarbeit zur Vorlesung vom 27. Februar 2014 geht es im zweiten Teil von Aufgabe (1)(b)/Gruppe A beziehungsweise von (3)(b)/Gruppe B um die Situation X →f Y →g Z. Zu zeigen ist im Rahmen dieser Aufgabe:
(A) g◦f injektiv =⇒ f injektiv.
Der Fehler X (begangen von rund 51% aller KandidatInnen) besteht nun dar- in, statt dem gew¨unschten Beweis von (A) ohne viel Federlesens den Beweis der (von (A) absolut verschiedenen) Behauptung
(B) f injektiv und g injektiv =⇒ g◦f injektiv.
abzuliefern1.
Sie sehen sofort, dass zwischen (A) und (B) im wesentlichen die Rollen von Voraussetzung (steht vor dem =⇒) und Behauptung (steht nach dem
=⇒) vertauscht sind (wir wollen im Moment davon absehen, dass in (B) auch die Injektivit¨at vong vorkommt; konzentrieren wir uns auf f und g◦f).
Jetzt k¨onnen Sie auch erkennen, wie ich dazu komme, die
”Verwechslung“
von (A) mit (B) mit der Diagnose zu belegen, dass hier offenbar durcheinan- derkommt, was die Voraussetzung und was die Behauptung ist.
Um Ihnen nun das Nachschlagen in meinem Vorlesungsmanuskript (Propo- sition G 4.3.33A) oder ein Nachsehen in den Aufgabenstellungen der Pro- bepr¨ufung oder der Pr¨ufung vom 27.2.2014 (beide samt L¨osungen auf der EmA-Seite mat.univie.ac.at/∼michael/EmA unter
”Pruefungsaufgaben“ be- ziehungsweise
”Probepruefung 140224“) zu ersparen, schreibe ich Ihnen die beiden Beweise unten explizit hin - den gew¨unschten von (A) und den so h¨aufig f¨alschlich stattdessen gelieferten von (B). Sie k¨onnen dann die Unter- schiede leicht erkennen und sollten sie auch sorgf¨altig f¨ur sich analysieren.
Ich schreibe die Beweise so auf, dass sie m¨oglichst kurz und ¨ubersichtlich sind (jedesmal komme ich mit einem Zweizeiler aus!), jedoch derart, dass ich auf jeden Fall die volle Punktezahl vergeben w¨urde.
Damit Sie die beiden Beweise direkt untereinander sehen und so besser ver- gleichen k¨onnen, leisten wir uns jetzt eine neue Seite.
1(B) war bei den Terminen 1 und 3 gefragt (26.11.2013, 9.2.2014), (A) beim Termin 5 am 27.2.2014! Eine gemeine Falle, nicht wahr?
EmA: Der Fehler X 20. M¨arz 2014 2
Zu Beginn noch einmal die beiden Aussagen, um die es geht:
(A) g◦f injektiv =⇒ f injektiv.
(B) f injektiv und g injektiv =⇒ g◦f injektiv.
Beweis von (A). Seien x1, x2 ∈X mit f(x1) = f(x2) . g anwenden =⇒ g(f(x1)) =g(f(x2)) =⇒ (g◦f)(x1) = (g◦f)(x2) g◦f=⇒inj x1 =x2 .
Beweis von (B). Seien x1, x2 ∈X mit (g◦f)(x1) = (g◦f)(x2) =⇒ g(f(x1)) =g(f(x2)) g=inj⇒ f(x1) = f(x2) f=inj⇒ x1 =x2 .
Vergleichen wir nun die beiden Beweise miteinander. Ohne Zweifel weisen sie Ahnlichkeiten auf, sie sind jedoch in einem gewisssen Sinne (n¨¨ amlich was die Richtung des logischen Schließens betrifft) gerade entgegengesetzt zueinan- der. Machen Sie sich jeden einzelnen Schritt klar.
• Die Behauptungen finden Sie jeweils in den Boxen:
(A) ∀x1, x2 ∈X: f(x1) =f(x2) ⇒x1 =x2 (f inj.) (B) ∀x1, x2 ∈X: (g ◦f)(x1) = (g◦f)(x2) ⇒x1 =x2 (g◦f inj.)
Beachten Sie jedoch, dass die Behauptung jeweils auf zwei Boxen aufgeteilt ist, eine am Beginn und eine am Ende des betreffenden Beweises. Warum das?
Die Behauptungen (
”finj.“ beziehungsweise
”g◦f inj.“) sind in beiden F¨allen Implikationen der Bauartp⇒q. Daher bestehen sie Ihrerseits aus einer
”Sub- Voraussetzung“ p (f(x1) =f(x2) beziehungsweise (g◦f)(x1) = (g◦f)(x2)) und der
”Sub-Behauptung“ q (x1 = x2). Damit ist es aber ganz nat¨urlich, dass die Sub-Voraussetzung p am Beginn des Beweises auftritt (sie soll ja verwendet werden) und die Sub-Behauptung q am Ende: Sie soll sich ja zu guter Letzt duch logisches Schließen ergeben — und so ist es auch.
• Die in den beiden Beweisen verwendeten Voraussetzungen finden Sie jeweils in Kleinschrift ¨uber den Folgerungspfeilen, wo sie tats¨achlich zum Einsatz kommen.
Sie k¨onnen Ihr Verst¨andnis von dem hier Gesagten etwa dadurch ¨uberpr¨ufen, dass Sie sich klar zu machen versuchen, was meine handschriftliche Bemer- kung besagen soll, die ich all denen, die statt des verlangten Beweises (A) den Beweis (B) hingeschrieben haben, zu ihren Folgerungspfeilen g=inj⇒ und f=inj⇒ dazugesetzt habe:
”Das haben wir aber hier gar nicht als Voraussetzungen!“