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Würde mit Joe Biden eher wieder transatlantische Normalität einkehren?

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Academic year: 2022

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112 |IP • Mai/Juni 2020

Positionen Pro und Contra

Pro

A

uch wenn die Umstände tra- gisch sein mögen, so sind die Aussichten auf eine Präsident- schaft Joe Bidens in den vergangenen Wochen erheblich gestiegen und da- mit auf einen Reparaturversuch der transatlantischen Beziehungen. Das bedeutet nicht, dass die Regierungen da weitermachen können, wo sie auf- gehört haben.

Aber es wird Folgen haben, dass sich Bidens Weltsicht grundlegend von der Trumps unterscheidet und damit auch die Fundamente seiner Außenpolitik.

Trumps Welt des „America First“ sieht die USA als Opfer, multilaterale Ab- kommen als Fessel, Kooperation als Schwäche; sie hält Menschenrechte für Geschwätz, bewundert Diktatoren und verachtet die europäischen Partner als Schmarotzer und Konkurrenten.

Mit Joe Biden würde dagegen ein Präsident ins Weiße Haus einziehen, der die liberale internationale Ordnung nicht zerstören will, sondern unter- stützt; der davon ausgeht, dass Ameri- kas Sicherheit am besten durch globale Allianzen garantiert wird, dass sich die großen Probleme der Welt wie Klima- wandel, Abrüstung, Pandemien nur gemeinsam lösen lassen und dass die Förderung von Demokratie und Men- schenrechten ein wichtiger Teil ameri- kanischer Außenpolitik sein muss. Ein Präsident Biden würde danach streben, die Glaubwürdigkeit und Führungsfä- higkeit der USA wieder herzustellen.

Gelänge es ihm, Vertrauen schrittweise zurückzugewinnen, könnte auch die transatlantische Partnerschaft erneu- ert werden.

Zwar wird die unterschiedliche Weltsicht von Biden und Trump nicht zwangsläufig zu einem europäischen Wünsch-dir-was führen. Differenzen dürften bleiben, etwa im Hinblick auf das Verhältnis zu Russland und China, die Lastenteilung in der NATO und ganz generell die Führungsrolle der USA bei der Lösung von Konflikten. Auch eine Biden-Administration müsste die Müdigkeit der Amerikaner gegenüber globalem Engagement, hohen Lasten zur Verteidigung von Alliierten und ihre unveränderte Skepsis gegenüber Freihandel und Globalisierung be- rücksichtigen. Doch wer eine ähnliche Wertebasis besitzt und Allianzen als langfristige strategische Investments begreift, kann besser mit Differenzen umgehen und Kompromisse finden.

Vielleicht könnte eine Biden-Ad- ministration für Deutschland sogar anstrengender werden als diejenige Trumps. National-pazifistische, iso- lationistische und solidaritätsverwei- gernde Impulse ließen sich dann nicht länger hinter dem Republikaner verste- cken. Kein Wunder also, dass jene, die sich Deutschland als große Schweiz er- träumen, kaum Unterschiede zwischen Biden und Trump entdecken wollen und von der Unrettbarkeit des trans- atlantischen Verhältnisses raunen.

Mit Biden würde vieles besser …

Von Anna Kuchenbecker

Dr. Anna Kuchenbecker ist Senior Director, Strategic Partner­

ships beim European Council on Foreign Relations (ECFR).

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IP • Mai/Juni 2020 |113

Zurück zu transatlantischer Normalität?

Contra

T

rumps unprofessionelles Kri- senmanagement in der Corona- und Wirtschaftskrise könnte die Experimentierlaune der Amerikaner dämpfen und ihr Sicherheitsbedürfnis erhöhen, also dem steteren Demokra- ten Joe Biden in die Karten spielen – so die Hoffnung vieler deutscher Beobach- ter. Erinnert der ehemalige Vizepräsi- dent Barack Obamas doch auch viele westliche Verantwortliche wehmütig an das globale, multilaterale Krisen- management der Vorgängerregierung.

Doch es ist genau jene, in ihren sozio ökonomischen Folgen bis heute nicht ganz bewältigte Wirtschafts- und Finanzkrise 2008, die die politischen Koordinaten in den USA verschoben und Trumps Wahl begünstigt hat. Zu- dem wurden durch maßloses Finanz- gebaren, vor allem der US-Notenbank, die Mittel verbraucht, die für die Bewäl- tigung der nun absehbaren, viel größe- ren Wirtschaftskrise notwendig wären.

Noch knapper werdende Ressour- cen werden den Verteilungskampf und die politische Radikalisierung in Washington weiter befeuern und umso heftigere Auswirkungen auf die US-Außenpolitik haben. Bereits heute zeigt sich – auf beiden Seiten des poli- tischen Spektrums, vor allem unter der demokratischen Wählerschaft Bidens, um die auch Trump buhlt – Widerstand gegen den seit dem Zweiten Weltkrieg geltenden international engagierten außenpolitischen Kurs der USA.

Die traditionellen, den Gewerk- schaften nahen Demokraten befürch- ten insbesondere, dass Mittel für internationale beziehungsweise mi- litärische Zwecke verbraucht werden und somit für innere soziale Belange fehlen. Transatlantische Lastenteilung und Protektionismus in der Handels- politik werden insbesondere von de- mokratischer Seite gefordert – nicht zuletzt auch in der amerikanischen Legislative. So war der Widerstand der Demokraten im Kongress ursäch- lich dafür, dass die transatlantischen Freihandelsgespräche (TTIP) nicht, wie von US-Vizepräsident Biden seinerzeit angekündigt, „mit einer Tankfüllung“

zu Ende gebracht werden konnten.

Ohnehin war für Präsident Obama und seinen Vize Biden – zum Verdruss der Europäer – die „Hinwendung nach Asien“, also die Transpazifische Part- nerschaftsinitiative (TPP), wichtiger, mit der sie China handelspolitisch ein- zudämmen versuchten und von ihren Alliierten wirtschaftlichen Tribut und Gefolgschaft forderten. Das würde sich wohl auch unter einem Präsidenten Biden kaum ändern.

Auch unter einem Demokraten wür- den die Vereinigten Staaten im härter werdenden geoökonomischen Wett- bewerb ihre Wirtschafts- und Militär- macht als kompetitiven Wettbewerbs- vorteil einsetzen; das gilt erst recht gegenüber schutzbedürftigen Ländern wie Deutschland.

… aber längst nicht alles gut

Von Josef Braml

Dr. Josef Braml leitet das Amerika­

Programm der Deut­

schen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

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