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Entscheidungen - Keine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Sofortvollzug des Verbots einer unter dem Thema "Gedenken an Rudolf Heß" angemeldeten Versammlung - Klärung der Verfassungsmäßigkeit von StGB § 130 Abs 4 nur in

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Aktie "Entscheidungen - Keine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Sofortvollzug des Verbots einer unter dem Thema "Gedenken an Rudolf Heß" angemeldeten Versammlung - Klärung der Verfassungsmäßigkeit von StGB § 130 Abs 4 nur in"

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2 BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BVQ 25/05 -

In dem Verfahren über

den Antrag,

im Wege der einstweiligen Anordnung

unter Aufhebung der Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10.

August 2005 - 24 CS 05.2053 - und des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 25. Juli 2005 - B 1 S 05.634 - die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen das Verbot des Landratsamtes Wunsiedel i.F. vom 29. Ju- ni 2005 - 3/30 - 1341 - wiederherzustellen,

Antragsteller: Herr Rechtsanwalt R…

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier,

und die Richter Hoffmann-Riem, Gaier

gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93 d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 16. August 2005 ein- stimmig beschlossen:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betrifft den versammlungsbe- hördlich angeordneten Sofortvollzug eines Bescheids, mit dem eine für den 20. Au- gust 2005 in Wunsiedel angemeldete Versammlung unter dem Thema "Gedenken an Rudolf Heß" verboten worden ist. Das Bayerische Verwaltungsgericht in Bayreuth hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des vom Antragstel- ler eingelegten Widerspruchs mit Beschluss vom 25. Juli 2005 abgelehnt. Der Bayeri- sche Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 10. August 2005 - 24 CS 05.2053 - die Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zurück- gewiesen. Auf diese Entscheidung wird zur Darstellung des Sachverhalts Bezug ge- nommen.

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Der Antrag auf Eilrechtsschutz hat jedoch keinen Erfolg, wenn eine Verfas- sungsbeschwerde unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre (vgl. BVerfGE

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6 71, 158 <161>; 111, 147 <152 f.>; stRspr).

1. Eine Verfassungsbeschwerde wäre im vorliegenden Fall nicht unzulässig. Auch wäre sie nicht offensichtlich unbegründet. Der Ausgangskonflikt und die dem ver- sammlungsbehördlichen Verbot zu Grunde liegende Strafrechtsnorm werfen eine Reihe schwieriger Rechtsfragen auf, die letztlich nur in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden könnten. So wäre unter Auswertung der Gesetzgebungsmaterialien und unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Kritik die Verfassungsmäßigkeit des § 130 Abs. 4 StGB zu prüfen und die Frage zu entscheiden, ob diese Norm in Verbindung mit § 15 Abs. 1 VersG das Verbot einer Versammlung wie der für Wun- siedel geplanten rechtfertigen kann (vgl. dazu Poscher, NJW 2005, S. 1316 ff.; Ber- tram, NJW 2005, S. 1476 ff.).

In einem Eilverfahren lässt sich insbesondere nicht klären, ob die Annahme einer Störung des öffentlichen Friedens im Sinne des § 130 Abs. 4 StGB - wie der Verwal- tungsgerichtshof annimmt - darauf gestützt werden kann, "dass der demokratische Gesetzgeber die Aufmärsche der Rechtsextremen in Wunsiedel als Störung des öf- fentlichen Friedens ansah und deshalb sein Eingreifen für erforderlich und geboten gehalten hat". Auch bedürfte der Klärung, ob eine Billigung oder Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft ohne Verfassungsverstoß schon darin gesehen werden kann, dass einzelne Verantwortungsträger als Symbol- figuren hervorgehoben werden. Ebenfalls wäre zu prüfen, ob es verfassungsrechtli- chen Anforderungen genügt, dass - wie der Verwaltungsgerichtshof ausführt - schon

"jede auch nur ansatzweise Billigung des Nationalsozialismus als historische Er- scheinung ... gleichzeitig mittelbar eine Missachtung der Opfer von Gewalt und Will- kür" bedeute oder dass - wie das Verwaltungsgericht unter Rückgriff auf die Geset- zesmaterialien annimmt - eine Verletzung der Würde der Opfer in der Regel aus der Billigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft folge.

2. Bei einem - wie hier - offenen Ausgang eines möglichen Verfassungsbeschwer- deverfahrens sind gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweiligen Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die be- gehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 71, 158 <161>; 96, 120 <128 f.>; stRspr).

Bliebe die sofortige Vollziehbarkeit des Verbots der Kundgebung bestehen, hätte ei- ne Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg, so könnte der Antragsteller die ge- plante Versammlung nicht durchführen und würde dadurch um die Möglichkeit ge- bracht, von dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in der gewünschten Weise Gebrauch zu machen. Da es sich allerdings um eine in jährlichen Abständen immer wieder am Todestag von Rudolf Heß geplante Veranstaltung handelt, die in den letz- ten Jahren auch durchgeführt werden konnte, ist der Nachteil für den Antragsteller geringer, als wenn es um eine Demonstration aus einem besonderen aktuellen und insofern unwiederbringliche Anlass ginge. Im Falle eines Obsiegens im Hauptsache-

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8 verfahren bleibt es dem Antragsteller unbenommen, zukünftig wieder derartige Ge-

denkveranstaltungen zu planen und unter Beachtung des Versammlungsgesetzes durchzuführen.

Könnte die Versammlung wie geplant stattfinden, erwiese sich eine Verfassungsbe- schwerde aber später als unbegründet, so wäre die Versammlung durchgeführt wor- den, obwohl die Voraussetzungen für ein Verbot vorliegen. Einer derartigen Ver- sammlung hätte ein Verstoß gegen § 130 Abs. 4 StGB zu Grunde gelegen, also die Störung des öffentlichen Friedens in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch, dass die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft gebilligt, ver- herrlicht oder gerechtfertigt wird. Maßgebende Repräsentanten der politischen Par- teien, auf deren Initiative § 130 Abs. 4 StGB geschaffen worden ist, haben im Deut- schen Bundestag mit dem Blick auf die vom Antragsteller konkret geplante Veranstaltung zum Ausdruck gebracht, dass sie in ihr eine Störung des öffentlichen Friedens erkennen, die sogar ein Eingreifen des Gesetzgebers durch Schaffung ei- ner neuen Strafrechtsnorm erforderlich mache. Diese Beurteilung und die Verab- schiedung des Gesetzes indizieren, dass den von der Versammlung ausgehenden Gefahren vom Deutschen Bundestag ein hohes Gewicht beigemessen wird. Das Bundesverfassungsgericht legt diese Einschätzung des Gesetzgebers der Gewich- tung des Schutzguts zu Grunde, das der Versammlungsfreiheit des Antragstellers gegenüber steht. Die darauf aufbauende Folgenabwägung ergibt, dass die einstweili- ge Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile für den Antragsteller geboten ist.

Ihm bleibt es unbenommen, die Rechtmäßigkeit des Versammlungsverbots im Rah- men verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes überprüfen zu lassen.

Papier Hoffmann-Riem Gaier

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Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. August 2005 - 1 BvQ 25/05

Zitiervorschlag BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. Au- gust 2005 - 1 BvQ 25/05 - Rn. (1 - 8), http://www.bverfg.de/e/

qk20050816_1bvq002505.html

ECLI ECLI:DE:BVerfG:2005:qk20050816.1bvq002505

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