Martin Voß
Rechtsanwalt Maître en Droit Fachanwalt für Medizinrecht
Wilhelm-Schickard-Straße 11
48149 Münster Telefon +49 251 488835 – 0 Fax +49 251 488835 – 10
voss@voss-medizinrecht.de www.voss-medizinrecht.de Voß.Partner
Medizinrecht
Zahnärztliches Labor
DeutscherAnwaltVerein
- Arbeitsgruppe Berufsrecht und Vertragsgestaltung -
Überblick
I. Rechtliche Einordnung
II. Leistungsbeziehungen / Abrechnung von ZE Leistungen III. Berufs- und Sozialrecht
IV. Strafrecht V. Ausblick VI. Fazit
I. Rechtliche Einordnung
1. Abgrenzung Zahnheilkunde und Zahntechnik
keine gesetzliche Definition von „Zahntechnik“
§ 1 Abs. 3, 5 ZHG definiert Zahnheilkunde
Abs. 3: „Ausübung der Zahnheilkunde ist die berufsmäßige auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten.
Als Krankheit ist jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer anzusehen, einschließlich der Anomalien der Zahnstellung und des Fehlens von Zähnen.“
Abs. 5: „Approbierte Zahnärzte können insbesondere folgende Tätigkeiten an dafür qualifiziertes Prophylaxe-Personal mit abgeschlossener Ausbildung wie zahnmedizinische Fachhelferin, weitergebildete Zahnarzthelferin, Prophylaxehelferin oder Dental-Hygienikerin delegieren:
Herstellung von Röntgenaufnahmen, Entfernung von weichen und harten sowie klinisch erreichbaren subgingivalen Belägen, Füllungspolituren, Legen und Entfernen provisorischer Verschlüsse, Herstellung provisorischer Kronen und Brücken, Herstellung von
Situationsabdrücken, Trockenlegen des Arbeitsfeldes relativ und absolut, Erklärung der Ursache von Karies und Parodontopathien, Hinweise zu zahngesunder Ernährung, Hinweise zu häuslichen Fluoridierungsmaßnahmen, Motivation zu zweckmäßiger Mundhygiene,
Demonstration und praktische Übungen zur Mundhygiene, Remotivation, Einfärben der Zähne, Erstellen von Plaque-Indizes, Erstellung von Blutungs-Indizes, Kariesrisikobestimmung, lokale Fluoridierung z. B. mit Lack oder Gel, Versiegelung von kariesfreien Fissuren.“ 4
I. Rechtliche Einordnung
I. Rechtliche Einordnung
2. Zahnärztliches Labor
Fertigung/Anpassung zahntechnischer Leistungen, wie z.B.
Zahnkronen, Veeners, Brücken, Inlays, Beißschienen, etc.
durch Zahnarzt selbst oder (angestellte) Zahntechniker
maßgebliche Rechtnormen insb. Berufsrecht, SGB, Strafrecht
Unterscheide zwischen sog.Eigen- und Fremdlabor
I. Rechtliche Einordnung
Praxen ohne Labor 46%
Praxen mit Labor ohne Zahntechniker
36%
Praxen mit Labor mit Zahntechniker(n)
18%
Ausstattung der Praxen in Deutschland mit Laboren/Beschäftigung von Zahntechnikern 2017
I. Rechtliche Einordnung
Quelle: KZBV Jahrbuch 2019
I. Rechtliche Einordnung
3. Eigenlabor
gemäß § 11 MBO-Z ist der Zahnarzt berechtigt
„im Rahmen seiner Praxis“ ein zahntechnisches Labor zu betreiben (sog. Eigenlabor)
oder
„sich an einem gemeinschaftlichen zahntechnischen Labor zu beteiligen“ (sog. Praxislaborgemeinschaft)
I. Rechtliche Einordnung
3. Eigenlabor
BVerwG: Eigenlabor stellt „unselbstständigen Hilfsbetrieb der Zahnarztpraxis dar“
Zahntechnik ist Handwerk im Sinne des § 1 HwO, aber im Verhältnis zur zahnärztlichen Tätigkeit untergeordnet (str.)
Zahnarzt selbst zur Erbringung zahntechnischer Leistungen berechtigt (§ 1 Abs. 3 ZHG)
keine Eintragungspflicht in die Handwerksrolle (§ 3 Abs. 3 Nr. 3 HwO)
I. Rechtliche Einordnung
3. Eigenlabor
Steuerrechtlich als Einkünfte der selbstständigen Praxistätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, 3 EStG)
Rechtsgrundlage fürPraxislaborgemeinschaft durch Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 07.06.1994 geschaffen
zumeist in Rechtsform einer GbR (§§ 705 ff. BGB) als
„Kostengemeinschaft“ gegründet, ähnlich Praxisgemeinschaft
Keine Leistungserbringung zu Dritten!
Abgrenzung zumgewerblichen Labor
I. Rechtliche Einordnung
4. Fremdlabor
Nicht ausschließlich für eine Zahnarztpraxis/-gemeinschaft tätig
üblicherweise in der Rechtsform einer OHG oder GmbH
Erbringt zahntechnische Leistungen für Zahnärzte
Zahnarzt ist Vertragspartner des gewerblichen Labors (Werkvertrag)
I. Rechtliche Einordnung
4. Fremdlabor
als selbstständiger Handwerksbetrieb zwingend in die Handwerksrolle einzutragen
Unterliegt grundsätzlich dem sog. Meisterzwang der HwO
Zulässigkeit der Beteiligung von Zahnärzten am
Fremdlabor/ gewerblichen Labor umstritten (dazu später)
Exkurs: Befugnis von ZMVZ GmbH Praxislabor zu betreiben?(str.)
Argumente dagegen:
Berufsordnung sei auf MVZ GmbH nicht anwendbar
MVZ gewerblich tätig
angestellte Zahnärzte haben keine „eigenen Patienten“
Argumente dafür:
Berufsordnung gilt für angestellte Zahnärzte, Befugnis aus § 11 daher auch bei MVZ
§ 95 Abs. 1a SGB V erlaubt Ausübungen der zahnärztlichen Tätigkeit in einer ZMVZ GmbH ohne Einschränkungen
Zahnersatz ist nach § 73 Abs. 2 SGB V Teil der zahnärztlichen Versorgung, für ZMVZ über § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V ausdrücklich anwendbar
Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 12 SGB V
Art. 12, Art 19 Abs. 3 GG
13
I. Rechtliche Einordnung
II. Leistungsbeziehungen / Abrechnung von ZE
Leistungen
II. Abrechenbarkeit
Der Patient erhält „Leistung aus einer Hand“
Es wird keine Rechtsbeziehung zwischen Patienten und Zahnlabor begründet, sondern:
Das Zahnlabor erhält den Auftrag zur Anfertigung bestimmter zahntechnischer Arbeiten vom Zahnarzt
Labor Zahnarz
t
Patient
II. Abrechenbarkeit
Eigenlabor: Zahnersatzleistungen = eigene Leistungen des Zahnarztes
Grundsatz derpersönlichen Leistungserbringung gewahrt
Fremdlabor: Aufwendungsersatzsanspruch wg.
Laborkosten
Die hierfür zu entrichtende Vergütung stellt der Zahnarzt den Kostenträgern (GKV, Festzuschuss) und / oder dem Patienten (PKV) in Rechnung
Vergütung richtet sich nach § 88 SGB V
GKV: Höchstpreislisten in der BEL II
PKV: Abrechnungsfähige Positionen in der BEB
II. Abrechenbarkeit
Auslagenersatz, § 9 Abs. 1 GOZ: „tatsächlich entstandene angemessene Kosten für zahntechnische Leistungen soweit nicht mit den Gebühren abgegolten.“
Bei Eigenlabor einschließlich eines angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteils (BR Drs. 276/87, S. 76)
Pflicht zum Beifügen der Belege: § 87 Abs. 1a S. 9, 10 SGB V, § 10 Abs. 3 S. 5 GOZ
Bei GKV: für Eigenlaborleistungen sind Höchstpreise der BEB um 5% zu unterschreiten (§ 88 Abs. 3 SGB V)
II. Abrechenbarkeit
§ 23 Abs. 2 Satz 2 BMV-Z: Form der Abrechnung; „[…] Die Bestätigung beinhaltet auch, […] dass die abgerechneten Material- und Laborkosten der gewerblichen Laboratorien tatsächlich entstanden sind und dass Rückvergütungen, wie Preisnachlässe, Rabatte, Umsatzbeteiligungen, Bonifikationen und rückvergütungsgleiche
Gewinnbeteiligungen mit Ausnahme von
Barzahlungsrabatten an die Krankenkasse weitergibt […]“
einzige Ausnahme: Barzahlungsskonti bis max. 3%
Ausnahme Legierungen und insbesondere Zahngold (Tagespreise)
II. Abrechenbarkeit
„Globudent-Skandal“
Lieferung billigen Zahnersatzes aus China und der Türkei als
„deutsche Markenware“ zu vergünstigten Preisen an Zahnärzte
Rechnungen gegenüber Zahnärzten wiesen Rabatte nicht aus
Abrechnung der Zahnärzte gegenüber KZV bzw. Patienten unter Vorlage dieser Rechnungen ohne Erwähnung der Rückvergütungen
II. Abrechenbarkeit
„Globudent-Skandal“
LG Duisburg (22.09.2004 – 34 KLs 6/04)
Verurteilung der Geschäftsführer u.a wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges
Heute wohl auch §§ 299 a ff. StGB (dazu später)
III. Berufs- und Sozialrecht
III. Berufs- und Sozialrecht
Beteiligung des Zahnarztes am Fremdlabor
Zulässigkeit dieses Kooperationsmodells in Rechtsprechung und Literatur bisher nicht abschließend geklärt
Berufsrecht
Berufsordnungen der Zahnärztekammern (vgl. MBO-Z)
Sozialrecht
Verbot der Zuweisung gegen Entgelt (§ 73 Abs. 7 SGB V)
Unzulässige Zusammenarbeit (§ 128 SGB V)
III. Berufs- und Sozialrecht
1. Berufsrecht
Maßgebliches Kriterium: Diagnose- und Therapiefreiheit, Unabhängigkeit des Zahnarztes in seiner Berufsausübung
§ 2 Abs. 7 MBO-Z: „Dem Zahnarzt ist es nicht gestattet, für die Verordnung, die Empfehlung oder den Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln sowie Medizinprodukten für Patienten Vorteile für sich oder Dritte zu fordern, versprechen zu lassen oder anzunehmen.“
In der Vergangenheit nicht problematisiert bei nicht umsatzabhängiger Ergebnisbeteiligung am Labor!
III. Berufs- und Sozialrecht
1. Berufsrecht
§ 2 Abs. 8 MBO-Z: „Es ist dem Zahnarzt nicht gestattet, für die Zuweisung und Vermittlung von Patienten Vorteile zu fordern, sich versprechen oder gewähren zu lassen, selbst zu versprechen oder zu gewähren.“
entspricht dem gesetzlich normierten „Verbots der Zuweisung gegen Entgelt“ des § 73 Abs. 7 SGB V (dazu nachfolgend)
III. Berufs- und Sozialrecht
2. Verbot der Zuweisung gegen Entgelt, § 73 VII SGB V
§ 73 Abs. 7 SGB V:
„1Es ist Vertragsärzten nicht gestattet, für die Zuweisung von Versicherten oder für die Vergabe und Dokumentation von Diagnosen ein Entgelt oder sonstige wirtschaftliche Vorteile sich versprechen oder sich gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. 2§ 128 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.“
III. Berufs- und Sozialrecht
2. Verbot der Zuweisung gegen Entgelt, § 73 VII SGB V
Definition der „Zuweisung“ umfasst:
„alle Fälle der Überweisung, Verweisung und Empfehlung von Patienten an bestimmte andere Ärzte, an Apotheken, Geschäfte oder Anbieter von gesundheitlichen Leistungen und es ist insoweit allein entscheidend, dass der Arzt für eine erfolgreiche Patientenzuführung an einen anderen Leistungserbringer einen Vorteil erhält oder sich
III. Berufs- und Sozialrecht
2. Verbot der Zuweisung gegen Entgelt, § 73 VII SGB V
Patient erhält „Leistung aus einer Hand“, kein rechtliches Verhältnis zwischen Patient und Labor (s.o.)
es mangelt an erforderlicher Patientenzuführung
gefundenes Ergebnis bestätigt durch die Gesetzesbegründung: „Im Rahmen der Erbringung prothetischer […] Gesamtleistungen, für welche die Zahnärzte die volle Verantwortung tragen und einen Zahntechniker beauftragen, handelt es sich um keine Zuweisung. In diesen Fällen sei der § 73 Abs. 7 SGB V nicht anzuwenden.“ (BT-Drs. 17/8206, S. 40)
III. Berufs- und Sozialrecht
3. Unzulässige Zusammenarbeit, § 128 II SGB V
§ 128 Abs. 2 Satz 1 SGB V:
„Leistungserbringer dürfen Vertragsärzte sowie Ärzte in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen nicht gegen Entgelt oder Gewährung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile an der Durchführung der Versorgung mit Hilfsmitteln beteiligen oder solche Zuwendungen im Zusammenhang mit der Verordnung von Hilfsmitteln gewähren. “
III. Berufs- und Sozialrecht
3. Unzulässige Zusammenarbeit, § 128 II SGB V
§ 128 Abs. 2 Satz 3 SGB V:
„Unzulässige Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind auch die […] Einkünfte aus Beteiligungen an Unternehmen von Leistungserbringern, die Vertragsärzte durch ihr Verordnungs- oder Zuweisungsverhalten selbst maßgeblich beeinflussen.“
III. Berufs- und Sozialrecht
3. Unzulässige Zusammenarbeit, § 128 II SGB V
Zahnlabor / Zahntechniker = Leistungserbringer?
Zweifelhaft, da Teilnahme an der Versorgung von GKV-Patienten nicht auf Grundlage einer gesonderten Zulassung
Kein Verordnungs- oder Zuweisungsverhalten
Keine Erwähnung in §§ 124, 126, 132 SGB V
anders z.B. Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden
Leistungserbringer geben aufgrund einer Zulassung Hilfsmittel an Versicherte ab und rechnen ggü den KK´en ab (Juris PK, § 128 SGB V Rdn. 16)
III. Berufs- und Sozialrecht
3. Unzulässige Zusammenarbeit, § 128 II SGB V
Einkünfte aus Beteiligungen?
BGH (Hörgeräteversorgung I und II) und
Landesberufungsgericht für Heilberufe Münster (Zytostatikahersteller):
(+) wenn Höhe der Einkünfte durch das Verordnungs- /Zuweisungsverhalten der Vertrags[zahn]ärzte maßgeblich beeinflusst werden kann und Verweisung kausal für
zufließenden Vorteil ist
Anschlussfrage: wann liegt ein maßgeblicher Einfluss vor?
(offen)
III. Berufs- und Sozialrecht
3. Unzulässige Zusammenarbeit, § 128 II SGB V
Verhältnis HNO-Arzt zu Hörgeräteakustiker nicht auf das zwischen Zahnarzt und Zahnlabor übertragbar:
Zahnarzt ist zur Erbringung zahntechnischer Leistungen und Abrechnung als eigene Leistung berechtigt (§ 1 Abs.
3 ZHG)
keine Rechtsbeziehung zwischen Patient und Zahnlabor („Leistung aus einer Hand“)
III. Berufs- und Sozialrecht
3. Unzulässige Zusammenarbeit, § 128 II SGB V
Während Gesetzgebungsverfahrens zum GKV-VStG wurde von KZBV und BZÄK vertreten, dass die Beteiligung eines Zahnarztes an einem gewerblichen Labor nicht von der Vorschrift umfasst sei.
Arg: Fremdlabor i.E. nicht anders zu bewerten als Eigenlabor
Mit Inkrafttreten der §§ 299a ff. StGB: bestehen Zweifel an Zulässigkeit
Arg: BGH, Urteil vom 23.02.2012 - I ZR 231/10.
III. Berufs- und Sozialrecht
3. Unzulässige Zusammenarbeit, § 128 II SGB V
Fallkonstellation des BGH-Urteils:
Zahnarzt an (gewerblichem) Dentallabor beteiligt; mit diesem Kooperationsvertrag geschlossen
Vertragliche Verpflichtung, sämtliche Dentallaborleistungen bei diesem Labor zu beziehen
BGH: unangemessene, unsachliche Einflussnahme auf zahnärztliche Diagnose- und Therapiefreiheit
Dem ist zuzustimmen, darüber hinaus indes keine Aussage über generelle Zulässigkeit zu entnehmen
IV. Strafrecht
IV. Strafrecht
Beteiligung des Zahnarztes am Fremdlabor
Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen (§§
299a und 299b StGB)
Betrug (§ 263 StGB)
Besonders schwere Fälle (§§ 263 Abs. 3, 300 StGB)
IV. Strafrecht
§§ 299a und 299b StGB
§ 299a StGB (Bestechlichkeit im Gesundheitswesen):
„Wer als Angehöriger eines Heilberufs (…) einen Vorteil (…) als Gegenleistung dafür (…) annimmt, dass er (…) bei dem Bezug von (…) Medizinprodukten (…) einen anderen im (…) Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt, wird (…) bestraft.“
§ 299b StGB (Bestechung im Gesundheitswesen): - spiegelbildlich-
IV. Strafrecht
§§ 299a und 299b StGB
Auszug aus der Gesetzesbegründung:
Verdienstmöglichkeiten im Rahmen der beruflichen Zusammenarbeit begründen ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht den Verdacht der Korruption. Grenze ggf.
dann überschritten, wenn Entgelt nicht dem Wert der erbrachten heilberuflichen Leistung entspricht und eine verdeckte „Zuweiserprämie“ enthält (BT-Drs. 18/6446 S.17)
IV. Strafrecht
§§ 299a und 299b StGB
Normadressat (+): Zahnarzt als (akad.) Heilberuf
Tathandlung (+): Bezug von Zahnprothetik als Medizinprodukt
Vorteil (+): Gewinnbeteiligung an gewerblichem Labor
(str.) erfolgt nicht (unmittelbar) aufgrund Bezugsverhaltens, sondern aufgrund gehaltenem Anteil an gewerblichem Labor;
Ausschüttung des Gewinns (Leistung) durch Teilhaberschaft (Gegenleistung) gedeckt
IV. Strafrecht
§§ 299a und 299b StGB
„…als Gegenleistung für…“ =>
Konkrete Unrechtsvereinbarung als Einschränkung erfordert:
inhaltliche Verknüpfung zwischen einem Verstoß gegen eine Marktverhaltensregel im Sinne einer unlauteren Bevorzugung im Wettbewerb (Stufe 1) und
Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Vorteil und Gegenleistung im Sinne eines korruptionsspezifischen Unrechtsgehalts (Stufe 2)
IV. Strafrecht
§§ 299a und 299b StGB
Unlautere Bevorzugung im Wettbewerb = sachfremde Entscheidung zwischen mindestens zwei Bewerbern unter Benachteiligung eines Konkurrenten zu verstehen.
Sachfremdheit ist anzunehmen, wenn die Bevorzugung nicht auf, am freien Wettbewerb gemessenen, Erwägungen gründet, sondern durch den gesetzlich verlangten Vorteil verleitet ist (BGH, 18.06.2003 – 5 StR 489/02).
IV. Strafrecht
§§ 299a und 299b StGB
Wechselseitigkeit/inhaltliche Verknüpfung? (-) str.
Wenn Gewinnbeteiligung unabhängig vom Bezug
Gesetzesbegründung fordert neben wechselseitigen Zuwendungen „Hinzutreten weiterer Umstände“ für konkludent vereinbartes Gegenleistungsverhältnis
Gewinnausschüttung erfolgen durch die Gesellschaft aufgrund der Beteiligung und nicht aufgrund der Bestellung von ZE
IV. Strafrecht
Sachfremde Entscheidung?
Laut Gesetzesbegründung fehlt es an Unlauterkeit, wenn Bevorzugung berufsrechtlich zulässig ist;
über „Transformator“ § 3a UWG findet Berufsrecht des Zahnarztes als „Marktverhaltensregelung“
Anwendung: § 11 MBO-Z lässt (sogar) Eigenlabor zu
Unlauterkeit allenfalls wenn § 2 Abs. 7 MBO-Z einschlägig
Zahnärztliche Diagnose- und Therapiefreiheit? BGH:
bei objektiver Betrachtung „spürbarer Einfluss“ auf Gewinnertrag? (unklar, wann anzunehmen, s.o.)
Sachliche Gründe (Qualität, Schnelligkeit, gemeinsame Anschaffung von Geräten, Infrastrukturen, gemeinsame Entwicklung von Verfahren …)
IV. Strafrecht
§§ 299a und 299b StGB
Korruptionsspezifischer Unrechtsgehalt = über die Unlauterkeit hinausgehende, besonders strafwürdige Unrechtsgehalt des Gegenleistungsverhältnisses
Zielsetzung der §§ 299a und 299b StGB ist das Verhindern der Benachteiligung von Unternehmen, die selbst keine Beteiligung anbieten und dem
Entgegenwirken von schwindendem
Patientenvertrauen in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen
IV. Strafrecht
1. §§ 299a und 299b StGB
Benachteiligung von Unternehmen, die keine Beteiligung anbieten (-), da bereits der Vergleich zwischen gewerbliches Labor und Eigenlabor hinkt:
Eigenlabor ist „Quasi-Monopol“ in Zahnarztpraxis
Gewerbliches Labor unterliegt als selbstständiges Unternehmen den Grundsätzen der Marktwirtschaft (kostendeckendes/effizientes Wirtschaften) und ist gesteigertem Innovationsdruck ausgesetzt
IV. Strafrecht
1. §§ 299a und 299b StGB
Schwindendes Patientenvertrauen in die Integrität zahnärztlicher Heilentscheidungen (-)
Bezug von Zahntechnik erfolgt zwischen Zahnarzt und Labor, für Patienten zahnärztliche Leistung „aus einer Hand“ vom Zahnarzt
Zahnarzt trägt Verantwortung für gesamte Leistung (Haftung!)
i.E. aus diverseren Gründen keine grundsätzliche Strafbarkeit anzunehmen bei reiner Beteiligung eines ZA an einem gewerblichen Labor
IV. Strafrecht
2. § 263 Abs. 1 StGB
Erfasste Sachverhalte insbesondere Falschabrechnungen gegenüber den Kostenträgern (GKV, PKV, Patient, Unfallversicherung,…)
Diskrepanz zwischen geleisteter und abgerechneter Zahntechnik
Sowie Rückvergütungsmodelle (sog. „kick backs“), wie exemplarisch beim „Globudent-Skandal“ geschehen
IV. Strafrecht
3. Besonders schwere Fälle §§ 263 Abs. 3, 300 StGB
Vorteil großen Ausmaßes
Vorteilssumme mindestens 50.000€(BGH)
gewerbsmäßiges Handeln
„wer sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang verschafft“
Mitglied einer Bande
„Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten der im Gesetz genannten Art zu begehen“
IV. Neue Approbationsordnung 2019
Grundlage für Betrieb eines Praxislabors entzogen?
Bisher ZE Inhalt der Ausbildung nach ZApprO, demnächst (-)
„Durch die fast völlige Eliminierung der Herstellung zahntechnischer Produkte aus der zahnärztlichen Ausbildung in der neuen ZApprO gehört die Herstellung zahntechnischer Produkte nicht mehr zum zahnärztlichen Berufsbild. Die Herstellung zahntechnischer Produkte in einem ZMVZ kann nur dann als zahnärztliche Tätigkeit qualifiziert werden, wenn sie vor dem 1.10.2021 begonnen wurde und entweder höchstpersönlich durch Zahnärzte erfolgt, die unter der ZApprO 1955 ausgebildet worden sind, oder durch Mitarbeiter erfolgt, die durch solche Zahnärzte permanent engmaschig angeleitet und überwacht werden.“ – Detterbeck/Voit, Zahntechnische Eigenlabore in zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren, Mai 2020, S. 63
Andere Stimmen sehen „Interpretationsbedarf“
Praxislabore sind im Gesetzgebungsprozess schlicht nicht bedacht worden
Klarstellender Hinweis des Gesetzgebers wünschenswert
Alternativ: klarstellende Studienordnungen der Zahnmedizinischen Fakultäten
Zukunft des Praxislabors aktuell ungewiss
50
IV. Neue Approbationsordnung 2019
ERGEBNIS?
Reine gesellschaftsrechtliche Beteiligung von ZA an Labor m.E. zulässig.
auch Praxislabor, Praxislaborgemeinschaft derzeit zulässig
Zuweisung gegen Entgelt, 128 SGB V (-)
§ 299a ff. m.E. nur über § 3a UWG + § 2 Abs. 7 MBO, konkrete Unrechtsvereinbarung zweifelhaft
Sachverhalte anders zu beurteilen, wenn:
zwingende vertragliche Verpflichtungen
umsatzabhängige Gewinnbezüge o. sonst. Bezüge
Rat an den Mandanten?
Zukunft ungewiss!
51
Wilhelm-Schickard-Straße11
48149 Münster voss@voss-medizinrecht.de
www.voss-medizinrecht.de Voß.Partner
Medizinrecht
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Martin Voß
Rechtsanwalt Maître en Droit Fachanwalt für Medizinrecht
Telefon +49 251 488835 – 0 Fax +49 251 488835 – 10