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Pflüger: Spanien verstößt gegen die GenferFlüchtlingskonvention

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13.10.2005 IMI-Standpunkt 2005/065 - in: Schwäbisches Tagblatt online, 12.10.2005

Pflüger: Spanien verstößt gegen die Genfer Flüchtlingskonvention

Am Montag besuchte der Tübinger EU-Abgeordnete die spanische Exklave Melilla

Von Tobias Pflüger

Internet: http://www.imi-online.de/2005.php3?id=1240

(tol). Der Tübinger Tobias Pflüger, parteiloser Abgeordneter der Linksfraktion (GUE/NGL) des Europaparlaments war am Montag, 10. Oktober, mit fünf weiteren Abgeordneten in der spanischen Exklave Melilla. Dort informierte er sich über die Lage der Flüchtlinge aus Afrika, die zu Hunderten aus Afrika kommen und in Melilla die europäische Grenze passieren wollen. Hier seine Eindrücke.

"Noch sind blutbeschmierte Bekleidungsfetzen zu sehen, die bei dem Versuch der Flüchtlinge, den Stacheldraht zu überwinden, hängen blieben. Die Situation an dieser EU-Außengrenze ist einfach erschreckend. Der Grenzzaun von Melilla ist quasi das Symbol des Scheiterns der EU-Asyl- und Migrationspolitik und der EU-Afrikapolitik.

In den letzten beiden Wochen sind zwölf Tote an der Grenze zu beklagen gewesen. Ob spanische Grenzsoldaten oder marokkanische Polizisten die Flüchtlinge getötet haben, ist nicht zu erfahren.

Eine Untersuchung wurde bisher nicht eingeleitet, ist aber dringend überfällig.

Doch auch die Flüchtlinge, die es nach Europa geschafft haben, können sich nicht in Sicherheit wähnen. Vor Ort erfuhren wir, wie perfide die spanischen Behörden mit Flüchtlingen verfahren.

Die Grenze nach Marokko besteht aus einem Doppelzaun, in dessen Mitte sich eine Art Grenzstreifen befindet. Flüchtlinge, die nur den ersten Zaun überwunden haben, werden von den spanischen Behörden sofort wieder nach

Marokko zurückgeschickt. Diejenigen, die es aber

auch über den zweiten Zaun schaffen, werden in ein Auffanglager innerhalb Melillas gebracht.

Diese Leute sind aber ebenso in Gefahr, später wieder zurückgeschickt zu werden.

In den Flüchtlingslagern in Melilla scheint es einigermaßen korrekt

abzulaufen. Allerdings werden die Flüchtlinge so gut wie nie auf die Möglichkeit hingewiesen, dass sie einen Asylantrag stellen können, die offiziellen spanischen Vertreter vermieden klare Aussagen zu Fragestellungen in diese Richtung.

Stattdessen werden viele Flüchtlinge in Massenabschiebungen wieder nach Marokko gebracht. Somit ist klar, dass Spanien gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und gegen

internationale Flüchtlingsstandards verstößt.

Und Marokko hat gleich mehrere Gruppen von Flüchtlingen - völlig unmenschlich - mit Bussen einfach mitten in der Wüste - in Marokko, in der besetzten Westsahara und an der Grenze zu Mauretanien - ausgesetzt. Hätten nicht "Ärzte ohne Grenzen" einige der Flüchtlingsgruppen ausgemacht, wären sie elendlich verreckt. Ob alle Gruppen entdeckt wurden, ist offen.

Wir fuhren entlang der quasi militärisch

gesicherten Grenzanlage zwischen Marokko und Melilla, ein schrecklicher Eindruck. An einer Stelle liegen die von Hand gefertigten Leitern der Flüchtlinge zu einem großen meterhohen Haufen aufgetürmt. Bei den Flüchtlingen im Lager war aufgefallen, dass viele von ihnen Verletzungen an

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Händen und Füßen aufwiesen. Hier in Melilla kann man aus der Festung Europa hinaussehen, die marokkanischen Häuser und Zelte sind nur wenige Meter entfernt. Und die Menschen

außerhalb sehen in den Reichen "Norden" hinein.

Das Schlimmste ist aber, dass sich diese ganze Tragödie fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit abspielt. Selbstverständlichkeiten, etwa, dass kein Militär gegen Flüchtlinge eingesetzt werden und auch nicht auf Flüchtlinge geschossen werden darf, sind hier außer Kraft gesetzt. Aus den Gesprächen wurde klar, dass die spanischen Behörden sehr gut mit den marokkanischen zusammenarbeiten. Es entsteht der Eindruck, als habe man sich auf eine Arbeitsteilung

verständigt, wobei den Marokkanern die

"Drecksarbeit" überlassen wird.

Der afrikanische Himmel über Melilla ist

herbstlich eingefärbt, als wir abends wieder nach Madrid zurückfliegen. Wenn es Nacht wird, werden einige Flüchtlinge wieder einen neuen Versuch wagen, die Sperranlagen zu

überwinden. In Brüssel weist zugleich die EU-Kommission 40 Millionen an, um den Abwehrwall möglichst schon in der Sahara beginnen zu lassen.

Brüssel Dienstag 11. Oktober

Wieder zurück in Brüssel: Morgens Sitzung des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament. Wie der Zufall es will, steht eine Stellungnahme von mir zur Entwicklungsstrategie der

EU-Kommission für Afrika auf der Tagesordnung (einsehbar unter http://tobiaspflueger.twoday.net ). Doch eine Kritik der EU-Afrika-Politik ist bei meinen Kollegen nicht erwünscht. Die Anregung einer Debatte zu den Folgen des Kolonialismus im Entwurf wird brutal niedergebügelt.

Der Abgeordnete Charles Tannock, der für die britischen Konservativen im EU-Parlament sitzt, spricht in diesem Zusammenhang von "den Handelsüberschüssen", die die britischen Kolonien bei Entlassung in die Unabhängigkeit gehabt hätten. Erst danach seien sie von korrupten afrikanischen Machthabern

heruntergewirtschaftet worden. Die

sozialdemokratische Abgeordnete Véronique De Keyser verwahrt sich gegen die Erwähnung der Situation an der EU-Außengrenze in Nordafrika.

Generell wird dafür plädiert, dass man doch nicht fordern könne, die Kooperation mit den

marokkanischen Behörden abzubrechen, nur weil dieseTausende von Flüchtlingen in die Sahara deportierten. Einig ist man sich, dass die Stellungnahme aus diesen Gründen "zu ideologisch" und "zu radikal" wäre. Ungern möchte man hier im schönen Brüssel auf die hässlichen Realitäten "dort unten" verwiesen werden. Alles sollte doch etwas weicher gezeichnet werden.

Das ist die europäische Realität. Statt in reale Armutsbekämpfung und Unterstützung von Eigeninitiativen Geld zu stecken, gibt es Militärkooperationen mit afrikanischen Staaten.

Die eigene gescheiterte EU-Afrikapolitik ist man nicht bereit zur Kenntnis zu nehmen. Eine Verantwortung dafür, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufgeht und die

EU-Außengrenze zur Armutsgrenze wird, sieht man nicht. Tote an dieser Grenze nimmt man offenbar billigend in Kauf oder man will es einfach nicht wissen."

Quelle:

http://www.tagblatt.de/?artikel_id=35571412

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