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Wirtschaft aktuell 2 / 2011 - des Bereichs Grundsatzfragen und Gesellschaftspolitik

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Herausgeber: IG Metall Vorstand – Grundsatzfragen und Gesellschaftspolitik - 60519 Frankfurt am Main - 18. März 2011 - www.igmetall.de/download- Kontakt: Tel.: +49(69)6693-2641 - Fax: +49(69)6693-80-2641

Wirtschaft aktuell

2 / 2011 - des Bereichs Grundsatzfragen und Gesellschaftspolitik

Katastrophe in Japan

Erste Einschätzung ökonomischer Folgen

Das Erdbeben vor der Küste Honshus und der darauf folgende Tsunami sind die größte Naturkatastrophe Japans. Das Ausmaß der Schäden, insbesondere einer möglichen Atomkatastrophe, lässt sich bisher kaum abschätzen. Nach derzeitigem Informationsstand (16. März abends) gibt es 11.000 Tote und Vermiss- te. Das ist aber nur ein Zwischenergebnis, die Anzahl der Opfer muss leider noch ständig nach oben korri- giert werden. Und es ist völlig unklar, welche Schäden durch die Atomkatastrophe bis heute schon ent- standen und welche Konsequenzen eine Kernschmelze in einem der betroffenen Reaktoren noch haben kann.

Bei dem verheerenden Erdbeben 1995 in der Region von Kobe gab es 6.432 Tote. Dort wurden 15 Prozent der Wirtschaftsleistung Japans erbracht. Die Schäden hatten damals ein Volumen von 100 Milliarden Euro oder etwa zwei Prozent der japanischen Wirtschafts- leistung. Ökonomisch wurde das Unglück 1995 er- staunlich gut beherrscht. Der Wiederaufbau hatte zu einer deutlichen und schnellen Belebung der Wirt- schaft geführt (Kobe Effekt). Schon drei Monate nach dem Erdbeben lag die Industrieproduktion in der be- troffenen Region und in ganz Japan über dem Niveau von vor dem Erdbeben. Der Wiederaufbau hatte die Wirkung eines kräftigen Konjunkturprogramms.

Die heutigen Schäden des Erdbebens und des Tsu- namis sind noch unvollständig erfasst. Barclays Capi- tal schätzt die Schäden auf über 130 Milliarden Eu- ro, doch das sind nur erste Annäherungen. Auch die Angaben über die Wirtschaftsleistung in der betroffe- nen Region variieren zwischen 2,5 und 15 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung. Klar ist, dass die betrof- fene Region erheblich größer ist als 1995, dass mehr Menschen betroffen sind und auch die Schäden an Gebäuden und Infrastruktur deutlich größer ausfallen.

Das wird den Wiederaufbau erschweren und langwie- riger gestalten, auch wenn die betroffene Wirtschafts- leistung in der stark industrialisierten Region Kobe vergleichbar mit der heute betroffenen Region war.

Den Aufbau erschweren könnten auch Probleme mit der Energieversorgung. 11 der 54 AKW in Japan sind derzeit abgeschaltet, einige werden auf Dauer ausfallen.

Noch überhaupt nicht absehbar ist die weitere Ent- wicklung im kollabierten AKW Fukushima. Sollte es zu einer langfristigen Verstrahlung der Region kommen oder gar der Großraum Tokio, in dem 35 Millionen Menschen leben und 16 Prozent der japanischen Wirt- schaftsleistung erbracht werden, massiv von radioakti- ver Strahlung belastet werden, lassen sich die Folgen

noch nicht erfassen. Eine solche Katastrophe wäre ohne Beispiel in der Geschichte, die ökonomischen Rückwirkungen könnten dann auch die Weltwirtschaft treffen.

Folgen für Deutschland und die Welt

Die Folgen (bei Verhinderung eines Super-GAU im AKW) auf die Weltwirtschaft sind makroökonomisch begrenzt. Japan hat einen Anteil von 5,8 Prozent an der weltweiten Wirtschaftsleistung und von 4,8 Prozent am Welthandel. Ein starker Einbruch in Ja- pan hätte keine dramatischen Folgen für die Weltkon- junktur. Zudem erfolgt ein Drittel des japanischen Au- ßenhandels mit Asien. Die quantitative Bedeutung Ja- pans als deutscher Handelspartner ist überschaubar:

1,4 Prozent der deutschen Exporte gehen nach Japan, 2,7 Prozent der deutschen Importe kommen aus Ja- pan.

Deutsche Metall-Elektro-Ausfuhren nach Japan

sortiet nach Jahr 2010, Werte in Mrd. Euro

0,1 0,2

0,7 2,0 1,5

3,0

7,6

0,1 0,2 0,6

1,6 1,3

2,5

6,2

0,1 0,2

0,7 1,6

1,7

3,4

7,8

0 1 2 3 4 5 6 7 8

Sonstige Fahrzeuge Metallerzeugnisse Elektr. Ausrüstungen Maschinenbau DV, Elektronik, Optik Kraftwagen u.

Kraftwagenteile Metall- und Elektroindustrie

Quelle: Statis tisches Bundes amt Grafik: IG Metall 2010 2009 2008

Derzeit nicht zu ermessen sind die Wirkungen auf die zweite, dritte und weitere Ebenen der Wertschöp- fungskette. So können auch Lieferunterbrechungen in Drittländer durch die tiefe Vernetzung internationaler Wertschöpfung zu Folgeproblemen bei Unternehmen in Deutschland führen.

Vorstand

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02/2011 Wirtschaft aktuell: Katastrophe in Japan: Erste Einschätzung ökonomischer Folgen

Herausgeber: IG Metall Vorstand – Grundsatzfragen und Gesellschaftspolitik - 60519 Frankfurt am Main - 18. März 2011 - www.igmetall.de/download- Kontakt: Tel.: +49(69)6693-2641 - Fax: +49(69)6693-80-2641

Deutsche Metall-Elektro-Einfuhren aus Japan

sortiert nach Jahr 2010, Werte in Mrd. Euro

0,3 0,8

1,7 2,9

6,3 6,8

18,8

0,2 0,9

1,4 2,0

4,6 5,9

14,9 17,0

6,2

5,7

2,0

1,9

1,0

0,3

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1011 1213 1415 16 1718 1920

Metallerzeugnisse Sonstige Fahrzeuge Elektr. Ausrüstungen Kraftwagen u.

Kraftwagenteile Maschinenbau DV, Elektronik, Optik Metall- und Elektroindustrie

Quelle: Statistisches Bundesamt Grafik: IG Metall 2010 2009 2008

Bei Exporten der M+E-Industrie beträgt der Anteil der Exporte nach Japan 1,5 Prozent. Das sind vor allem Autos. Bei den Importen ist der Anteil mit 5,4 Prozent deutlich größer. Importiert werden vor allem Büroma- schinen (2,3 Mrd. Euro), elektronische Bauelemente (1,6 Mrd. Euro), Mess- und Kontrollinstrumente (1,3 Mrd. Euro) und optische und fotografische Instrumente (1,3 Mrd. Euro). Vor allem bei den elektronischen Bauelementen befinden sich auch viele Zulieferteile für die deutsche Industrie.

Auf der einen Seite hat Japan eine sehr ähnliche In- dustriestruktur wie Deutschland (Auto, Maschinenbau, Chemie) und ist ein unmittelbarer Konkurrent auf dem Weltmarkt. Derzeit steht die Produktion etwa in der Au- toindustrie weitgehend still, allerdings sind das tempo- räre Wirkungen. Der zeitweilige Ausfall japanischer Produktion verbessert die Marktchancen deutscher Waren. Außerdem wird ein Rückfluss japanischen Ka- pitals aus dem Ausland erwartet, um die Schäden und den Aufbau zu finanzieren. Das führt zu einer Aufwer- tung des Yen, was die Marktchancen deutscher Pro- dukte weiter verbessert. Diese Entwicklung wird von den Finanzmärkten vorweggenommen, schon heute wird auf einen steigenden Yen-Kurs gewettet.

Auf der anderen Seite ist Japan ein bedeutender Pro- duzent elektronischer Bauteile. 21 Prozent der welt- weiten Halbleiterproduktion kommt aus Japan. Auch in der zerstörten Region sitzen Zulieferer für elektroni- sche Bauteile. Ihre Produktion könnte für längere Zeit eingeschränkt sein. Auch viele deutsche Unternehmen sind auf diese Zulieferungen angewiesen. Bosch hat in Japan ein Netzwerk aus 350 Zulieferbetrieben. Auch BMW befürchtet Folgen durch nicht lieferbare Halblei- ter. Die Situation ist noch nicht überschaubar. BMW Einkaufsvorstand Diess erwartet (so in der FTD vom 16. März) in sieben bis zehn Tagen eine Prognose über mögliche Folgen. Produktionseinschränkungen sind nicht auszuschließen.

Belastung für die Finanzmärkte

Die Ereignisse haben zu Unsicherheiten an den Welt- finanzmärkten geführt. Insbesondere die Börse in To- kio ist abgestürzt. Der Nikkei-Index bewegt sich etwa

15 Prozent unterhalb des Niveaus von vor dem Erdbe- ben. Doch das sind Momentaufnahmen.

Viel bedeutsamer sind die mittelfristigen Probleme der Finanzierung. Der japanische Staat ist hoch verschul- det. Der Schuldenstand liegt bei etwa 200 Prozent der Wirtschaftsleistung, das ist höher als bei Griechenland.

Die Verschuldung wurde bisher durch eine sehr hohe Sparquote der Bevölkerung finanziert. Mit dem Kauf der Staatsanleihen haben viele Japaner ihre Altersvor- sorge betrieben. Die Katastrophe und der Wiederauf- bau werden zu einem Sinken der Sparquote führen, was die Auslandsverschuldung in die Höhe treibt.

Erste Schätzungen gehen von einer notwendigen Neuverschuldung von zehn Prozent der Wirtschafts- leistung aus. Das trifft auf einen Finanzmarkt, der die Folgen der schweren Krise noch lange nicht überwun- den und mit einer europäischen Schuldenkrise zu kämpfen hat. Zudem herrscht bei den Anlegern nach wie vor eine starke Verunsicherung und Risikoaversion vor.

Japanisches Kapital wird für den Wiederaufbau aus dem Ausland, vor allem aus den USA, abgezogen werden. Das kann zu Spannungen auf dem dortigen Finanzmarkt führen. Schon vor dem Erdbeben haben Ratingagenturen die Bonität Japans heruntergestuft.

Kommt es zu Zweifeln an der Zahlungsfähigkeit des japanischen Staates, drohen Probleme für den japa- nischen Bankensektor und ein weltweiter Rückzug von Anlegern aus Aktien und unsicheren Staatsan- leihen. Das würde die Eurokrise verschärfen und über sinkende Aktienkurse zu Vermögensverlusten führen.

Im Ergebnis brächte das Belastungen für Unterneh- men, Verbraucher und Banken und damit auch für die Weltkonjunktur.

Fazit

Die derzeitige Einschätzung geht davon aus, dass die Folgen der Atomkatastrophe beherrschbar bleiben und keine großflächige Verstrahlung der Region stattfindet.

Alle Prognosen sind Makulatur, wenn es zu einer großflächigen und langfristigen radioaktiven Ver- seuchung kommt. Die ökonomischen Folgen einer solchen Katastrophe sind nicht überschaubar.

Die eigentliche Aufbauleistung aus den Zerstörungen des Erdbebens und des Tsunamis sind für die japani- sche Ökonomie zu bewältigen, auch wenn es länger dauern wird als beim Erdbeben 1995 in Kobe. Die un- mittelbaren Rückwirkungen auf die Weltwirtschaft sind voraussichtlich gering. Für deutsche Unternehmen könnte das Fehlen einzelner Zulieferteile zu Prob- lemen führen.

Da der japanische Staat bereits hoch verschuldet ist und die Finanzmärkte die Krise immer noch nicht überwunden haben, führt die Finanzierung der Ka- tastrophenfolgen zu weiteren Belastungen auf den Finanzmärkten.

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