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Globales Lernen, Umwelt- und Gesundheits-bildung und die NachhaltigkeitEin Beitrag zum Kompetenz-Diskurs

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Der vorliegende Artikel präsentiert erste Ergeb- nisse einer Studie, die für die interdisziplinä- ren Bereiche Umweltbildung, Gesundheitsbil- dung und Globales Lernen Kompetenzformulie- rungen und Evaluationsinstrumente systema- tisch untersucht.

Seit den 90er-Jahren fanden kritische Selbstüberprüfungen in den Bereichen Umweltpädagogik, Gesundheitsbildung und Globales Lernen statt. Mit der Weiterentwicklung im gesellschaftspolitischen Kontext des globalen Aktions- plans für eine nachhaltige Entwicklung, der «Agenda 21»

von Rio 1992 (Keating 1993), kam es auch zu einer Annä- herung der genannten Bereiche (vgl. Nagel und Affolter 2004). In der Schweiz wurden nach dem Bildungskongress

«Nachhaltige Entwicklung macht Schule» vom November 2002auf nationaler und regionaler Ebene bildungspoliti- sche Ziele und Anforderungen zur Integration der Bildung für Nachhaltige Entwicklung in der Schule formuliert. Die durch die PISA-Studien angestossene öffentliche Debatte über die (fehlenden) Kompetenzen der Schüler/innen führ- te zur Entwicklung von nationalen Bildungsstandards für

die vier «Kernfächer» Erstsprache, Fremdsprachen, Mathe- matik und Naturwissenschaften. Während diese in Deutschland durch Expertengremien definiert und nun mit der Einführung erprobt werden, hat in der Schweiz die EDK im Projekt HarmoS für jedes Kernfach ein nationales Konsortium von Forschenden beauftragt, diese Kompe- tenzmodelle und Standards bis 2007 zu entwickeln und erproben.

Fragestellung, Methoden, erste Ergebnisse

Vor diesem Hintergrund stellt sich für einen interdiszipli- nären Studienbereich wie die Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE) die Frage, ob und wie eine Ausformulie- rung von Kompetenzmodellen und allenfalls Standards an die Hand genommen werden könnte.

Im vorliegenden Artikel werden erste Ergebnisse ei- ner Studie zusammengefasst, in der die interdisziplinären Bereiche Umweltbildung, Gesundheitsbildung und Globa- les Lernen1 untersucht werden, die im aktuellen Mehrjah- resprogramm der EDK im Arbeitsschwerpunkt 19 «Nachhal- tige Entwicklung» aufgeführt sind. Neben Literaturrecher- chen führten wir halbstandardisierte Interviews mit zwanzig Fachpersonen im deutschsprachigen Raum. Die befragten Personen – sieben Frauen und dreizehn Männer,

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Globales Lernen, Umwelt- und Gesundheits- bildung und die Nachhaltigkeit

E i n B e i t r a g z u m K o m p e t e n z - D i s k u r s

Von Ueli Nagel, Walter Kern und Verena Schwarz

Ueli Nagel ist Leiter der Fachgruppe Umweltbildung und Walter Kern ist Leiter des Fachbereichs Gesundheitsförderung an der Pädagogischen Hochschule Zürich.

Verena Schwarz ist Leiterin der Regionalstelle Zürich der Stiftung Bildung und Ent- wicklung.

Fotomontagen: Daniel Lienhard, rich

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die sich sowohl mit dem Forschungsdiskurs wie auch den Praxisfragen auskennen – decken ein breites Wissens- und Erfahrungsfeld in unterschiedlichen Fachgebieten ab: Päd- agogik, Psychologie, Soziologe, Umweltwissenschaft, Ent- wicklungszusammenarbeit, Schulqualität und Schulent- wicklung, Didaktik, Lehrmittelentwicklung und Lehrplan- arbeit (vgl. Liste am Schluss). Der Interview-Leitfaden er- fragte im Wesentlichen Begrifflichkeiten zur Thematik so- wie vorhandene Konzepte und Modelle; Erfahrungen zu ihrer Anwendung in der Praxis waren ebenfalls Gegen- stand der Gespräche. Die Fachleute konnten aber auch ihre Ansichten über Möglichkeiten und Grenzen dieses Steue- rungs- und Qualitätssicherungsinstrumentes erläutern.

Kompetenzen und Standards in der Schule

Ausgangspunkt der Gespräche mit den Expertinnen und Experten sind die mehr oder weniger ausformulierten Kompetenzmodelle. So wird einerseits auf die DeSeCo-Stu- die2 hingewiesen, mit der die OECD Schlüsselkompetenzen in einem internationalen Referenzrahmen definiert, an- derseits auf die Beschreibung von kompetenzbasierten Bil- dungsstandards des Klieme-Gutachtens (Klieme et al.

2003) und den Kompetenzbegriff von Weinert (2001).

Unsere Interviewpartner betonen alle die Notwen- digkeit, sich auf den wissenschaftlichen Diskurs und die öffentliche Debatte einzulassen. Eine Orientierung an Stan- dards und Kompetenzen zur Output- und Qualitätssteue- rung wird mehrheitlich begrüsst. Gleichzeitig teilen aber alle eine Skepsis hinsichtlich des Diskurses unter den ge- genwärtigen bildungspolitischen Rahmenbedingungen.

Grundsätzlich ist seitens der Expert/innen unbestritten, dass BNE, insbesondere in den untersuchten Themenberei- chen, über eigenständige Outputqualitäten verfügen sollte.

Welche Kompetenzmodelle für die BNE

Die befragten Fachleute beziehen sich – mit Ausnahme von Bögeholz, de Haan, Herz, Maag Merki und Schirp – bei ihren Aussagen nicht auf einen eigenen Kompetenzbegriff oder eigene Kompetenzmodelle. Sie positionieren ihre Ar- beit mit Bezug auf die gängigen Modelle, insbesondere Weinert und Klieme sowie DeSeCo, teils auch auf die ältere Unterscheidung von Roth in Sach-, Sozial- und Methoden- kompetenz. In der Gesundheitsförderung wird, wenn überhaupt, eher auf die Ottawa Chartaals Rahmenkonzept für Qualitätsziele und Standards verwiesen (WHO 1986).

Gerhard De Haan hat den Begriff «Gestaltungskompe- tenz» als ein übergeordnetes Lernziel für die BNE einge- führt, auch um das gängige Konzept der Handlungskomp- etenz zu erweitern. Wenn Handlungskompetenz bedeutet, reaktiv auf Problemsituationen zu reagieren, versteht de Haan seinen Gestaltungsbegriff als Aufforderung, aktiv an Zukunftszielen im Sinne der nachhaltigen Entwicklung zu arbeiten: «...es geht darum, selber Ideen zu haben und

diese Ideen auch ... umsetzen zu können». Im Rahmen des BLK-Programms 21 sind dazu acht Teilkompetenzen formu- liert worden3. Die Vorstellung einer von Inhalten unab- hängigen Sozial- und Methodenkompetenz lehnt de Haan ab, da Kompetenzen immer nur bezogen auf spezifische Domänen und Inhalte erworben werden können.

Susanne Bögeholz unterscheidet zwischen deskripti- ven und normativen Kompetenzen und kritisiert unter diesem Gesichtspunkt die Aufteilung der acht Teilkompe- tenzen der Gestaltungskompetenz. Sie unterscheidet für die Biologiedidaktik vier Teilkompetenzen – Fachwissen, Erkenntnisgewinnung, Bewerten und Kommunikation – und bezieht sich auf das Kompetenzmodell der «Scientific Literacy», der naturwissenschaftlichen Grundbildung, das in den PISA-Studien verwendet wird, eine Anschlussmög- lichkeit, deren Wert auch Regula Kyburz-Graber im Inter- view betont. Ihre Forschung bezieht sich besonders auf die Bewertungskompetenz, für die sie bei Lehramtsstudie- renden den grössten Klärungsbedarf sieht. «Das Spezifi- sche ist ja, dass man systematisch versucht, Wissen mit Werten in Verbindung zu bringen und Transparenz zu schaffen, damit man nicht implizit Bewertungen einfach einsetzt und deren normative Implikationen gar nicht kennt.» Ihre Forschungsgruppe hat ein Modell der ökologi- schen Bewertungs- und Urteilskompetenz in elf Schritten entwickelt, nach denen man im Unterricht vorgehen kann, und sie hat dieses systematisch mit anderen Bewertungs- modellen, insbesondere den Dilemma-Diskussionen nach Kohlberg, verglichen (Bögeholz et al. 2004).

Heinz Schirp verweist auf das Modellprojekt GÖS (Ge- staltung des Schullebens und Öffnung der Schule) des Lan- des Nordrhein-Westfalen, mit über 2500 beteiligten Schu- len, als Beispiel eines Schulentwicklungsansatzes zur För- derung von politisch-sozialen Kompetenzen des communi- ty learnings. In diesem Projekt wurde unter geregelten Rahmenbedingungen und Einbindung aller Beteiligten das demokratische Zusammenleben im Rahmen der Schule und des kommunalen Schulumfeldes eingeübt. Dazu wur- de auch ein differenziertes Stufenmodell mit einer Neuner- matrix zur Förderung politisch-sozialer Kompetenzen für Unterricht, Schulleben und Gemeinwesen entwickelt (Schirp 2003).

Einen anderen Weg beschreitet der Pädagoge und Schulberater Otto Herz – selber einer der Berater des GÖS- Projektes – mit seinen acht «Lernzielen für eine zukunfts- fähige Schule»5. Er setzt seinen Kompetenzbegriff inhalt- lich mit der Aussage von Saul Robinson, «Ausstattung für das Verhalten in der Welt», gleich und betont: «Meine Lernziele sind ja immer doppelseitig formuliert. Einmi- schungs-Kompetenz und Verständigungs-Suche! Es gilt nicht nur ich mische mich ein, sondern ich mische mich ein, um Verständigung zu erreichen.» Herz führt sein Kon- zept dabei mit konkreten, operationalisierten Beispielen

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aus, in denen Partizipation und Mitverantwortung im Sin- ne einer demokratischen Schulkultur wichtig sind.

Annette Scheunpflug betont ihrerseits die Brauchbar- keit der DeSeCo-Studie. Die dort formulierten Schlüssel- kompetenzen lassen sich ihrer Meinung nach gut an Glo- bales Lernen anknüpfen: «Mit der DeSeCo-Beschreibung werden unterschiedliche Bereiche ausgewiesen, mit denen sich das Anliegen Globalen Lernens gut beschreiben lässt.»

Im Bereich der Gesundheitsförderung findet ein Dis- kurs über Kompetenzmodelle und Bildungsstandards nur marginal statt. Konzepte und Anleitungen zur Qualitätssi- cherung im Sinne der Veränderung von Verhalten und Ver- hältnissen sind recht elaboriert. Diese bewegen sich na- turgemäss auf einer häufig ziel- und projektorientierten Ebene des alltäglichen Schullebens. Der Einsatz von auf ihre Wirksamkeit überprüften und auf eine lange Frist an- gelegten Programmen ist ein weiterer Ansatz zur Standar- disierung und Qualitätssicherung, der zunehmend an Be- deutung gewinnt.6

Grenzen und Befürchtungen

Diskutiert wird die Frage des sinnvollen Einsatzes von Standards auch hinsichtlich der Systemebene (content, student performance, opportunity to learn), aber dann vor allem bezüglich der Umsetzung (Operationalisierung und Messung) und den Auswirkungen auf den Schulalltag un- ter den gegenwärtig herrschenden ökonomisch-politischen Rahmenbedingungen. Die von fast allen befragten Fach- leuten geäusserten Bedenken lassen sich in politische, pä- dagogische und pragmatisch-operationelle gliedern.

Nach Klaus Seitz nimmt mit der Outputorientierung die Gefahr einer totalen Leistungsmessung in einem inter- nationalen Wettbewerb um die besten Köpfe zu.

«Das ist in England schon recht weit gediehen. Seit mehr als zehn Jahren ist dort das Ranking von Schulen verbreitete Praxis, unter Federführung einer eigens dafür eingerichteteten Agentur. Diese Kultur der Leistungsmes- sung schlägt als learning for the tests zwangsläufig bis auf die Unterrichtspraxis durch. Das ist eine Form einer markt- liberalen, marktorientierten Umgestaltung des Bildungs- wesens, die ich für problematisch halte».

Ruth Kaufmann hegt Zweifel was die Güte der Mess- instrumente zur Überprüfung der Kompetenzerreichung anbelangt: «...wenn man von der Psychologie her kommt, ist man sich eigentlich gewohnt, dass die Instrumente, die man verwendet, geprüft und geeicht sind. (...) Und das gilt natürlich besonders für die Messung solcher schwierig zu operationalisierender Kompetenzen».

Siegfried Seeger erkennt das Dilemma: «...das heisst der Standard hat eine ermutigende, orientierungsstiftende Funktion, aber dann auch eine kontrollierende. (...) Die Rückseite der Medaille ist, dass er (der Output-Diskurs) gleichzeitig geführt wird bei knapper, oder knapper wer-

dender Kasse und dann wird es für mich schon zynisch.»

Tina Hascher sieht das gar als «kleinen Etiketten- schwindel» an, indem es letztendlich Nuancen im Sprach- gebrauch seien, ob man im Kerncurriculum festlegt, was jemand zu lernen hat, oder ob man Standards formuliert.

Es wird von mehreren Befragten darauf hingewiesen, dass bei allen Anstrengungen um objektivierbare Rück- meldungen über Standards und andere mögliche Steue- rungsinstrumente der Eindruck bleibt, dass damit nur ein Teil dessen erfasst wird, was eigentlich in der Bildungsar- beit geleistet werden will.

Gottfried Strobl verweist dabei auf das Bild vom Netz des Physikers Hanspeter Dürr, der sagt: «All das, was ich mit meinem Netz nicht fangen kann, existiert nicht», wo- mit sich die Frage stellt: «wie müsste das Netz gestrickt sein, damit man das Wichtigste auch fangen kann?» Und das Wichtigste, darin sind sich unabhängig von der fach- lichen Ausrichtung die meisten Interviewpartner einig, sind die Wert- und Sinnfragen, die den eigentlichen Bil- dungswert der BNE ausmachen.

Kompetenzen und die Transfer-Frage

Kompetenzen können nur bezogen auf konkrete Hand- lungssituationen, in denen es immer um konkrete Themen und Inhalte geht, erworben werden. Fachliche Kompeten- zen sind also – im Sinne des Kontext- und Orientierungs- wissens – eine Voraussetzung für jedes Handeln in der Welt und damit für den Erwerb überfachlicher Kompeten- zen. «Die Nachhaltigkeitsfragen sind Kompetenzfragen, in dem Sinne, dass fachliche Souveränität, ethische Orientie- rung, soziale Verständigungsformen und hohe individuel- le Motivation zusammenkommen müssen.» (O. Herz) «In- haltsleeres Lernen gibt es nicht» (A. Scheunpflug), darin sind sich alle Befragten einig. Darin wird auch eine wich- tige Weiterentwicklung und Abgrenzung zum früheren Be- griff der inhalts- und fächerunabhängigen «Schlüsselqua- lifikationen» gesehen. Auch überfachliche Kompetenzen in der BNE sind immer domänenspezifisch, allerdings sind diese «lebensweltlichen Domänen» (Edelmann und De Haan, 2004) nicht so wohldefiniert wie die üblichen Schulfächer. Damit stellen sich zwei wichtige Fragen für die Praxis:

Auswahl geeigneter Themenfelder und Inhalte

Nach welchen Kriterien werden relevante und geeignete Themenfelder und Inhalte ausgewählt, an denen Kern- Kompetenzen für die BNE geschult werden können? Die Gefahr einer gewissen Themenbeliebigkeit ist seit langem im Sachunterricht, beziehungsweise in der Mensch-und- Umwelt-Fachdidaktik diskutiert worden. Mehrere von uns befragte Fachleute bezogen sich auf dieses Dilemma und betonen ausdrücklich die Orientierungsfunktion des Leit- bildes der nachhaltigen Entwicklung: Die BNE hat also ein

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– noch viel zu wenig entdecktes – Potenzial als orientie- rendes Leitbild für den ganzen Sachunterricht in der Schu- le! Ute Stoltenberg hält dazu fest: «Ressourcenverantwor- tung und Gerechtigkeit als zentrale ethische Prinzipien des Nachhaltigkeitsgedankens sind inhaltliche Orientierungen und haben Konsequenzen für die konkrete inhaltliche Auseinandersetzung mit der Welt.»

Schwierigkeiten beim Transfer von Kompetenzen

Wenn Kompetenzen immer nur in einem bestimmten Handlungskontext geschult und geprüft werden können, stellt sich die Frage nach dem Transfer, das heisst nach den Möglichkeiten und Bedingungen für die Übertragung und Verallgemeinerung bestimmter Kompetenzen über un- terschiedliche Kontexte und Handlungssituationen hin- weg. Alle Interviewten, die sich spezifisch zu dieser Frage äussern, betonen die Schwierigkeiten des Transfers.

De Haan resümiert, «die Lernpsychologie sagt uns, je diffuser das Feld, je weniger gut definiert die Domäne, desto weniger ist die Chance eines Transfers da». Susanne Bögeholz sieht aufgrund ihrer Forschungsarbeit zur Bewer- tungskompetenz zwei Möglichkeiten, Transfer zu ermögli- chen: a) «Flexibilisieren» und «Routinisieren» durch Üben der gleichen Aufgabengrundstruktur in möglichst vielen Kontexten und b) Anknüpfen an den subjektiven Theorien und Präkonzepten der Schüler/innen.

Mögliche Forschungsfragen und Ausblick

Ein Hauptziel dieser Studie war es, einen Überblick über den Stand des Diskurses über Kompetenzen und Standards in verschiedenen Themenfeldern der BNE zu gewinnen.

Neben der Klärung der Begrifflichkeiten und Positionierun- gen geht es dabei vordringlich um die Identifizierung von offenen Fragen, insbesondere Forschungsfragen, für die weitere Entwicklung im Feld. Aus den Interviews hat sich eine Fülle von möglichen Folgefragen ergeben, die hier nicht alle aufgeführt werden können. Wir greifen daher drei Themenkreise heraus, um einige weiterführende For- schungs- und Entwicklungslinien zu skizzieren.

· Ein erstes Forschungsfeld beinhaltet Fragen zur Entwick- lung und Operationalisierung von Struktur- und Ent- wicklungsmodellen für Kompetenzen, die für die BNE besonders wichtig sind, vor allem zu Fragen der Bewer- tung komplexer Sachverhalte, der Urteilsfähigkeit, des Einmischens und Aushandelns und des vernetzten/sys- temischen Denkens. Zum Systemdenken hat U. Nagel ein Kooperationsprojekt mehrerer Pädagogischer Hochschu- len gestartet, welches didaktische Modelle der Lehrper- sonen und Präkonzepte der Schüler/innen in der Volks- schule untersucht. Bei allen erwähnten Kompetenzen stellt sich, wie bereits begründet, die Frage nach dem Transfer, das heisst nach den Möglichkeiten und Bedin- gungen der Übertragung und Verallgemeinerung über

unterschiedliche Kontexte und Handlungssituationen hinweg. Eine allgemeine Forschungsfrage dazu formu- liert Katharina Maag Merki: «Meine These wäre, dass es durchaus ein Kontinuum gibt von Variationsmöglichkei- ten, die bereits als Transfer zu erkennen sind, wo man also funktionale Handlungskompetenzen für verschiede- ne Situationen hat, die in gewissen Aspekten allerdings vergleichbar sind.»

· Die Weiterentwicklung von Qualitätskriterien und -stan- dards ist ein zweiter Bereich praxisnaher Entwicklungs- und Forschungsarbeiten für das interdisziplinäre Feld der BNE, der von Befragten unterschiedlicher Fachrichtungen erwähnt wird. Hier ergibt sich auch eine Chance für eine bessere Zusammenarbeit der hier untersuchten Quer- schnittbereiche, denn auch für die Gesundheitsförderung (zum Beispiel Qualitätskriterien für Projekte in «quint- essenz»6), die politische Bildung (z.B. Schirp 2003) und das Globale Lernen (Scheunpflug 2003, Seitz 2002) wird seit längerem an Qualitätskriterien für Unterricht und Schule gearbeitet. Damit kann zudem eine Verbindung zwischen der parallel – und leider oft unabhängig – lau- fenden Diskussion um Schulqualität und der Kompetenz- Diskussion geschaffen werden. Ein Anschluss ergibt sich auch zu den internationalen Entwicklungen im Rahmen des ENSI-Projektes7, wo seit rund 20 Jahren mit Aktions- forschungsmethodik das Potential der Umweltbildung – und nun der BNE – für die Schulentwicklung erforscht wird. In diesem Rahmen erschien soeben die Broschüre

«Quality Criteria for ESD-Schools. Guidelines to Enhance the Quality of Education for Sustainable Development».

· Als drittes fruchtbares Feld für schulnahe Forschung er- scheint uns die Frage nach der Auswahl von relevanten Inhalten für die Förderung von Kompetenzen der BNE.

Dies ist besonders für die Curriculum- und Lehrmittel-

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Leitbild «Nachhaltige Entwicklung»

Nachhaltig ist eine Entwicklung, «...die den Bedürfnis- sen der heutigen Generation entspricht, ohne die Mög- lichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.» Weltkommission für Umwelt und Entwick- lung (Brundtland-Report, 1987)

Das bei uns gebräuchliche Modell zur nachhaltigen Ent- wicklung unterscheidet drei Dimensionen: Gesellschaft, Umwelt, Wirtschaft. Ziel ist globale Gerechtigkeit, dau- erhafte Naturverträglichkeit und eine zukunftsfähige Wirtschaft. Die Gesamtvernetzung aller drei Dimensio- nen («Retinität») ist das Schlüsselprinzip der nachhalti- gen Entwicklung. Rücksichtnahme auf kommende Ge- nerationen und die Solidarität mit benachteiligten Län- dern sind dabei zentral.

Definitionen zu BNE zusammengestellt von Barbara Gugerli-Dol- der (BGD), Dozentin PHZH

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Entwicklung von Bedeutung, wird doch die BNE in den Lehrplänen in der Regel dem Sachunterricht, beziehungs- weise dem Unterrichtsbereich Mensch und Umwelt zuge- ordnet. Gerade dieses Integrationsfach ist aber in der laufenden Diskussion um die Bildungsstandards für

«Kernfächer» unter Druck geraten und droht an Bedeu- tung sowohl in der Schule wie in der Lehrerbildung zu verlieren. Die Gesellschaft für die Didaktik des Sachun- terrichts GDSU hat vor diesem Hintergrund einen «Pers- pektivrahmen Sachunterricht» erarbeitet, in welchem auch das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung als Ori- entierung dient (GDSU 2001). Ute Stoltenberg – Mitautorin des GDSU-Papiers und an der Universität Lüneburg in der Lehrerausbildung tätig – betont auch den Wert des Nach- haltigkeits-Leitbildes als Orientierungsrahmen in der Lehrerbildung. Eine systematische Ausarbeitung dieses Zugangs, der auch in verschiedenen Praxiskonzepten und Unterrichtsmaterialien erscheint (zum Beispiel SBE 2001), könnte Thema einer weiteren Studie sein.

Literatur

Bögeholz, S., Hössle, C., Langlet, J., Sander, E. und K. Schlüter (2004): Bewerten – Urteilen – Entscheiden im biologischen Kontext: Modelle der Biologiedidaktik. Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften/ZfDN, 10, S. 88–114.

De Haan, G. (in diesem Heft, S. 20–23)

Edelstein, W. und De Haan, G. (2004): Lernkonzepte für eine zu- kunftsfähige Schule. Von Schlüsselkompetenzen zum Curricu- lum (Empfehlung 5), in: Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.):

Selbstständig lernen. Bildung stärkt Zivilgesellschaft. Sechs Empfehlungen der Bildungskommission der Heinrich-Böll- Stiftung. Weinheim: Beltz, S. 130–188.

Gesellschaft für die Didaktik des Sachunterrichts (Hrsg.) (2001):

Perspektivrahmen Sachunterricht. Bielefeld: GDSU (www.sach- unterricht-online.de/gdsu)

Grob, U. & Maag Merki, K. (2001): Überfachliche Kompetenzen.

Theoretische Grundlagen und empirische Erprobung eines In- dikatorensystems. Bern: Lang

Keating, M. (1993): Centre for Our Common Future: Erdgipfel 1992:

Agenda für eine nachhaltige Entwicklung. Genf (Neuauflage:

BUWAL, Bern 2002).

Klieme, E. et al. (2003): Zur Entwicklung nationaler Bildungsstan- dards, Eine Expertise. Hrsg. Vom Bundesministerium für Bil- dung und Forschung. Bonn: BMBF.

Lattmann, U. P. et al. (2004): Eltern und Schule stärken Kinder. Ein Projekt zur Förderung der Gesundheit von Lehrpersonen, Schü- lerinnen und Schülern. Konzept.

Maag Merki, K. (2004): Lernkompetenzen als Bildungsstandards – eine Diskussion der Umsetzungsmöglichkeiten. Zeitschrift für Erziehungswissenschaften, 7 (4), S. 537–550.

Nagel, U. und Affolter, C. (2004): Umweltbildung und Bildung für eine nachhaltige Entwicklung – Von der Wissensvermittlung zur Kompetenzförderung. Beiträge zur Lehrerbildung, 22 (1), S.

95–104.

Rychen, D. (in diesem Heft, S. 15–18)

Scheunpflug, A. und Schröck, N. (2000). Globales Lernen. Einfüh- rung in eine pädagogische Konzeption zur entwicklungsbezo-

genen Bildung. Hrsg. Brot für die Welt: Stuttgart. (überarbeite- te Auflage 2003).

Schirp, H. (2003): Schülerdemokratie und Schulentwicklung: Kon- zeptuelle und organisatorische Ansätze zur Entwicklung einer demokratischen und sozialen Lernkultur, in: Palentien, Ch., Hurrelmann, K., Schülerdemokratie. Mitbestimmung in der Schule, München, Neuwied: Wolters Kluver (S. 47–67)

Seitz, K. (2002): Bildung in der Weltgesellschaft. Gesellschaftsthe- oretische Grundlagen Globalen Lernens. Frankfurt am Main:

Brandes & Apsel.

Stiftung Bildung und Entwicklung/SBE, Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke (Hrsg.) (2001). sorgen für morgen. 20 erprobte Un- terrichtsprojekte zu nachhaltiger Entwicklung für alle Schul- stufen. Zürich: Verlag Pestalozzianum.

Weinert, F. E. (2001): Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit; in Weinert (Hrsg.):

Leistungsmessung in Schulen, (S. 17–31) Weinheim: Beltz World Health Organisation (1986): The Ottawa Charta, Charter for

health promotion, WHO Geneva

WHO (1993): Health for all in Europe by the year 2000, Regional Targets. WHO, Copenhagen

Interviewte Expertinnen und Experten Susanne Bögeholz, Universität Göttingen, D

Christian Graf-Zumsteg, Bildung und Kommunikation, CH Martin Hafen, Hochschule für Soziale Arbeit, Luzern, CH Gerhard de Haan, Freie Universität Berlin, D

Tina Hascher, Universität Bern, CH

Otto Herz, Pädagoge und Schulberater, Bielefeld/Leipzig, D Michael Kalff, «Open Mind Talent Training», Staufen, D.

Ruth Kaufmann-Hayoz, Universität Bern, CH Regula Kyburz-Graber, Universität Zürich, CH Urs-Peter Lattmann, PH Aargau/FHA Pädagogik, CH Katharina Maag Merki, Universität Frankfurt, D Annette Scheunpflug, Universität Erlangen-Nürnberg, D Heinz Schirp, Landesinstitut für Schule,Nordrhein-Westfalen, D Siegfried Seeger, Freier Bildungsreferent, Niedernhausen, D Klaus Seitz, Redakteur Zeitschrift epd-Entwicklungspolitik, D Hannes Siege, Hessisches Landesinstitut für Pädagogik, D Ute Stoltenberg, Universität Lüneburg, D

Gottfried Strobl, Universität Bielefeld, Oberstufenkolleg, D Alfred Uhl, Anton-Proksch-Institut, Wien, A

Felix Wettstein, FH Aargau, Brugg, CH

Anmerkungen

1 Da die Abgrenzung von Umweltbildung und globalem Lernen zur politischen Bildung nicht scharf ist, wie sich in mehreren Interviews gezeigt hat, wird dieser Bereich hier mitdiskutiert 2 siehe Beitrag von D. Rychen in diesem Heft, S. 15–18 3 mehr dazu unter www.tranfer-21.de

4 siehe www.learn-line.nrw.de/angebote/goesneu) 5 siehe www.otto-herz.de

6 siehe z.B. das Mehrebenenprojekt von Lattmann et al. (2004)

«Eltern+Schule stärken Kinder» (ESSKI), www.bildungundge- sundheit.ch

7 siehe www.ensi.org

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