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Academic year: 2022

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Passivhäuser entwerfen

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Roberto Gonzalo Rainer Vallentin

Planung und Gestaltung hocheffizienter Gebäude

Edition ∂ Green Books

Passivhäuser

entwerfen

(4)

Autoren:

Roberto Gonzalo, Dr.-Ing. Architekt Rainer Vallentin, Dr.-Ing. Architekt Koautor (Kapitel Haustechnik):

Wolfgang Nowak, Prof. Dr.-Ing.

Projektleitung und Lektorat:

Jakob Schoof, Dipl.-Ing.

Redaktion und Layout:

Jana Rackwitz, Dipl.-Ing.

Jakob Schoof, Dipl.-Ing.

Korrektorat:

Kirsten Rachowiak, M. A.

Zeichnungen:

Ralph Donhauser, Dipl.-Ing. (FH) Titelgestaltung:

Cornelia Hellstern, Dipl.-Ing. (FH)

Die für dieses Buch verwendeten FSC-zertifizierten Papiere werden aus Fasern hergestellt, die nachweislich aus umwelt- und sozialverträglicher Herkunft stammen.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des  Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbil- dungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikrover- filmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugs weiser Verwertung, vorbehalten.

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DTP & Produktion:

Roswitha Siegler Reproduktion:

ludwig:media, Zell am See Druck:

Firmengruppe APPL, aprinta druck, Wemding 1. Auflage 2013

Institut für internationale

Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG Hackerbrücke 6, D-80335 München Telefon: +49/89/38 16 20-0

Telefax: +49/89/39 86 70 www.detail.de

© 2013 Institut für internationale

Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG, München Ein Fachbuch aus der Redaktion DETAIL

ISBN: 978-3-920034-97-3

(5)

Inhalt

Einführung 6

Grundlagen 8

Konzeptansatz: Energieeffizienz 8

Definition des Passivhausstandards 8

Passivhauskomponenten 8 Wie funktioniert ein Passivhaus in den

verschiedenen Jahreszeiten? 10

Behaglichkeit und Komfort 12

Anwendungsspektrum und Verbreitung 14

Ökonomie 16

Energetische Nachhaltigkeit und Klimaschutz 18 Passivhausprojektierung 22 Grundlagen und Vergleich mit anderen Standards 22 Passivhauskriterien 22 Passivhaus-Projektierungspaket (PHPP) 24 Zertifizierte Bau- und Technikkomponenten 28

Zertifizierung von Passivhäusern 28

Zertifizierter Passivhausplaner 28

EnerPHit-Standard 28

Minergie-P-Standard 30

2000-Watt-Gesellschaft – SIA D 216 31

»Nearly-Zero-Energy«/Nullenergiestandard 31 Entwurfs- und Planungsprinzipien 32

Allgemeine Entwurfsfragen 32

Planungsprinzipien von Passivhäusern 34 Hüllflächenprinzip und Kompaktheit 34 Homogenitätsprinzip 36

Solares Bauen mit Passivhäusern 38

Der Fensteranschluss – ein Schlüsseldetail 40

Planung der Passivhaustechnik 42

Entwurfsbegleitende Energiebilanzierung 44 Einfluss des Regional- und Stadtklimas 46 Zusammenführung der Einzelaspekte 46 Wohnbauprojekte 46

Wohngebäude – Beispiele 48

Städtebau 68 Einbindung energetischer Themen

in den städtebaulichen Entwurf 68

Entwurfsprinzipien des kompakten

und solaren Bauens 69

Städtebauliches Erklärungsmodell 72

Praxisbeispiel 73

Realisierte Passivhausbebauungen 74

Nichtwohngebäude 76 Passivhausprinzipien bei Nichtwohnbauten 76 Energiebilanz 77 Besonderheiten verschiedener Gebäudetypologien 80 Nichtwohngebäude – Beispiele 84 Passivhaussanierung 100 Rahmenbedingungen für die

energetische Sanierung 100

Sanierungsstandards und -strategien 102 Energiebilanz und Einzelmaßnahmen 103 Perspektiven 105 Passivhaussanierung – Beispiele 106 Komponenten der Gebäudehülle 126

Die Bedeutung der Gebäudehülle 126

Opak gedämmte Hüllkonstruktionen 126

Transparente Bauteile 129

Sonstige Bauteile und Spezial komponenten 131 Bauweisen und Konstruktionssysteme 132 Haustechnik 134

Be- und Entlüftung 134

Beheizung und Wärmeübergabe 139

Wärmeversorgungskonzepte 140

Energieeffiziente Raumkühlung 143

Ausblick 144 Anhang 146

(6)

Energieeffizienz entwerfen

Das Thema dieses Buchs ist der Entwurf von Passivhäusern. Das ihnen zugrunde liegende Konzept wird bewusst aus der Perspektive der Architekten und Stadtpla- ner und nicht allein, wie in vielen bislang publizierten Büchern zum Thema, aus der Sichtweise der Bau- und Energietechnik oder der Bauphysik betrachtet.

Andererseits soll dieses Buch auch keine vollständige, akademische Entwurfslehre des energieeffizienten Bauens begrün- den. Stattdessen wird dargelegt, wel- chen Beitrag Theorie und Praxis des Passivhauses bislang zur Klärung offener Entwurfsfragen leisten konnten. Hierbei interessiert uns vor allem, inwieweit die Entwurfsprinzipien des solaren und ener- gieeffizienten Bauens zielführend und für sich gesehen zwingend sind. Dies beinhaltet notwendigerweise auch eine Kritik dieser Prinzipien bis hin zur Infrage- stellung von Optimierungsstrategien im Entwurfsprozess.

Vor allem ein Aspekt ist dabei in der kur- zen Zeitspanne von etwa 20 Jahren, in der Passivhäuser bislang entworfen wer- den, deutlich hervorgetreten: Die Ent- wurfs- und Planungsstrategien standen stets in enger Wechselwirkung mit den zum Erstellungszeitpunkt verfügbaren Effizienztechnologien. Durch die Weiter- entwicklung dieser Technologien änderte sich auch jeweils der Stellenwert und die Bewertung der mit ihnen korrespondie- renden Entwurfsansätze.

Dabei können ganz unterschiedliche Entwurfshaltungen und -strategien zum Erfolg führen, solange nur die überge- ordnete energetische Zielsetzung nicht aus den Augen verloren wird. Sie lautet, Stadtquartiere, Siedlungen und Gebäu- de zu entwerfen, die energetisch nach- haltig sind – auch im Hinblick auf die langfristig sehr anspruchsvollen Klima- schutzziele.

Zielgruppen

Das Passivhaus erfreut sich eines stei- genden Interesses, auch bei Architekten.

Dies aber nicht aufgrund eines geschick- ten Marketings, sondern weil es einer der wissenschaftlich fundiertesten und praxistauglichsten Effizienzstandards für Gebäude, Siedlungen und Stadt- quartiere ist, die derzeit existieren.

Das vorliegende Buch richtet sich daher an alle Architekten, Stadt- und Fachpla- ner, die das Passivhauskonzept näher kennenlernen wollen oder kurz davor stehen, das erste Passivhaus oder die erste Passivhaussiedlung zu entwerfen.

Auch den mit dem Passivhausstandard bereits vertrauten Architekten und Pla- nern bietet das Buch an vielen Stellen Neues. Beispielsweise stellt es die künf- tige Bewertung von Passivhäusern unter den Gesichtspunkten energetischer Nachhaltigkeit vor und erörtert deren Konsequenzen für den Entwurf. Für am Thema inte ressierte Bauherren sind sowohl die vielen Projektbeispiele als auch der Einblick in das Entwurfsdenken von Architekten und Fachplanern von Interesse.

Passivhauskonzept und Entwurf Das Passivhauskonzept basiert auf ein- deutigen, objektiv begründbaren energe- tischen Anforderungen und dem Nach- weis über ein dafür speziell entwickeltes Projektierungstool: das Passivhaus- Projektierungspaket (PHPP). Das Konzept lässt dem Architekten große Freiheiten, um die Zielgrößen zu erfüllen, da es den Weg, wie sie zu erreichen sind, bewusst nicht vorgibt. Es ist daher spannend nachzuvollziehen, wie diese Spielräume nach und nach von den Entwerferinnen und Entwerfern erweitert wurden.

In diesem Ausloten der Möglichkeiten liegt unserer Meinung nach der eigen- ständige Beitrag der Architekten zur Wei- terentwicklung des Passivhausstandards.

Zu strenge Kriterien?

Häufig wird die Frage gestellt, ob die strenge Forderung beim Heizwärmebe- darf – er soll maximal 15 kWh/m2a betra- gen – wirklich zwingend ist. Darauf lassen sich gleich mehrere Antworten geben:

• In der Praxis haben sich die Grenz- werte des Passivhausstandards und seine konstruktiven und technischen Lösungsansätze bewährt. Sie verbin- den auf ausgewogene Weise eine hohe Behaglichkeit und bauphysikalische Qualität mit ökonomischer und funk- tionaler Effizienz.

• Der Heizwärmekennwert ist der zen trale Kennwert, der die energetische Güte eines Gebäudes beschreibt. Er kenn- zeichnet damit auch den architektoni- schen Entwurf im Hinblick auf die erreichte Energieeffizienz der Gesamt- konzeption.

• Wesentliche Entwurfsmerkmale und Eigenschaften von Passivhäusern beru- hen auf dem extrem niedrigen Heizwär- mebedarf und der sehr geringen Heiz- last. Hierzu zählen die hohe thermische Behaglichkeit im Winter, die Zugluftfrei- heit und hohe Innenluftqualität in den Räumen, der Wegfall der sonst erfor- derlichen Heizflächen unter Verglasun- gen sowie die Möglichkeit zur einfa- chen Anordnung der Technik im Gebäudekern.

• Auch im Passivhaus zeigen sich erheb- liche Unterschiede im Nutzerverhalten.

Bewohner wünschen unterschiedliche Raumtemperaturen – zwischen 18 und 24 °C – und sie lüften bisweilen selbst im Winter über die Fenster. Die Spanne der gemessenen Heizwärmeverbräu- che variiert daher in ansonsten bauglei- chen Wohneinheiten zwischen 3 und über 40 kWh/m2a. Das Versorgungs- konzept von Passivhäusern sollte daher so ausgelegt werden, dass sich auch sehr unterschiedliche Nutzeransprüche im Hinblick auf Heizleistungen und voll-

(7)

7 Energieeffizienz entwerfen

wertigen Komfort erfüllen lassen. Würde man den Heizwärmekennwert z. B. auf 20 kWh/m2a erhöhen, wäre die beim Passivhaus übliche Vereinfachung des Heizsystems in vielen Fällen nicht mehr möglich.

Entwurfsfoffenheit versus »Laissez-faire«

Dieses Buch vertritt einen betont offe- nen Entwurfsansatz für energieeffiziente Gebäude. Als einziger verlässlicher Prüf- stein hat sich die Energiebilanzierung mit validierten Rechenprogrammen und Simulationen erwiesen. Wer seinen Ent- wurf dieser Prüfung unterzieht und dabei die unzweifelhaft wirksamen Planungs- prinzipien aus guten Gründen erweitert, durch andere ersetzt oder auf den Kopf stellt – bitte schön! Ein solches Vorgehen setzt jedoch Verantwortungsbewusstsein voraus: Jede kreative Regelüberschrei- tung bedarf einer genauen Kenntnis der Prinzipien und ihrer Hintergründe.

Diese Herangehensweise ist mithin das genaue Gegenteil einer »laissez faire«- Haltung: Letztere ignoriert wichtige System eigenschaften, lässt Notwendiges willkürlich weg und vernachlässigt wich- tige Schritte der Qualitätssicherung. Das führt in der Regel zu negativen Rück- meldungen der Nutzer. Denn aufgrund seiner geringen Leistungsreserven ist ein Passivhaus viel weniger fehlertolerant als ein Gebäude mit üppig dimensioniertem Heiz- oder Kühlsystem.

Aufbau des Buchs

Die Gliederung dieses Buchs orientiert sich am Planungsprozess von Passivhäu- sern. Zu Beginn werden die wesentlichen Grundlagen zu Standarddefinitionen, Pro- jektierung, Bauphysik und Gebäudetech- nik erläutert. Der thematische Schwer- punkt liegt beim architektenrelevanten Entwurfswissen. Es folgt ein Exkurs zur Anwendung der Passivhausprinzipien im Städtebau, da diese Planungsebene die Grundlage für die sinnvolle Entwicklung energieeffizienter Bauten bildet.

Ein eigenes Kapitel befasst sich mit dem Nichtwohnbau im Passivhausstandard.

Gerade in diesem Bereich ist eine immer größere typologische Vielfalt – von Schu- len bis zu Museen und Hallenbädern – zu beobachten. Die Gewichtung der Fakto- ren in der Energiebilanz variiert dabei je nach Nutzungsart und Gebäudetyp. Doch auch hier haben Entwurf und Konstruktion einen bedeutenden Einfluss auf die Gesamteffizienz.

Auch energetische Sanierungen sind inzwischen ein wichtiges Anwendungs- feld von Passivhauskomponenten. Aller- dings machen es schwierige Rand- bedingungen hier meist unmöglich, alle Anschlüsse auf das energetische Niveau eines Passivhaus-Neubaus zu verbes- sern. Häufig kommen weitere Restrik ti- onen hinzu, wie hohe Eingriffsempfind- lichkeit (Denkmalschutz), Platz- und Genehmigungsprobleme sowie die Erfor-

dernis schrittweiser Modernisierungen.

Mit dem EnerPHit-Standard hat das Pas- sivhaus-Institut ein abgestimmtes und praxisorientiertes Planungskonzept für energetische Sanierungen entwickelt.

Projektbeispiele

Zahlreiche realisierte Passivhäuser demonstrieren in diesem Buch die vor- bildliche Umsetzung der Prinzipien des energieeffizienten und solaren Bauens.

Es handelt sich vor allem um Objekte des

»Bauens im Normalzustand« mit gewöhn- lichem Budget und alltäglichen Nutzungs- anforderungen. Die ausgewählten Bei- spiele zeigen ein breites Spektrum von Gebäudetypen, Bau- und Konstruktions- formen sowie Versorgungslösungen.

Auch in gestalterischer Hinsicht doku- mentieren die Gebäude die heutige Viel- schichtigkeit energieeffizienten Bauens.

Als Passivhausstandard wird in diesem Buch das »klassische« Passivhauskon- zept, wie es vom deutschen Passivhaus- Institut definiert wird, verstanden. Um die Passivhausentwicklung in anderen Län- dern (z. B. den schweizerischen Minergie- P-Standard) mit darzustellen, wurden bei der Projektauswahl jedoch auch einige Projekte berücksichtigt, die diese Grenze leicht überschreiten.

1.1 Wohnanlage in Frankfurt am Main (D) 2008, Stefan Forster Architekten. Auf dem Areal eines ehema ligen innerstädtischen Straßenbahnde- pots entstand ein Gebäude für eine Mischung aus Wohnen, Einkaufen und Gastronomie.

1.1

(8)

Konzeptansatz: Energieeffizienz Das Passivhauskonzept basiert auf einer wissenschaftlich objektiven Grundlage und zeichnet sich durch Konstanz und Transparenz aus. Seine energetischen Zielsetzungen stecken einen klar umrisse- nen Rahmen ab, in dem sich der Entwurf eines Passivhauses abspielt. Der Weg, wie diese Zielwerte erreicht werden, ist bewusst der Entwerferin oder dem Ent- werfer freigestellt. Es werden somit keine Entwurfsprinzipien, Bauweisen oder Ver- sorgungslösungen vorgegeben. Entschei- dend ist alleine die energetische Qualität des Gebäudes und seiner baulichen und technischen Bestandteile. Die Kriterien sind einfach gehalten und wohlbegrün- det. So werden beispielsweise kompli- zierte Abhängigkeiten der geforderten Grenzwerte von der Größe bzw. der Kom- paktheit des Gebäudes oder dem Gebäu- detyp vermieden.

Der übergeordnete Konzeptansatz ist denkbar einfach: In Wirklichkeit ist nie- mandem an einem verschwenderischen Einsatz von Energie und Ressourcen als Selbstzweck gelegen. Unser Interesse gilt vielmehr dem dadurch gestifteten Nutzen und Komfort. Das sind beispielsweise Energiedienstleistungen wie eine behag- liche Arbeitsstätte oder Wohnung, die im Winter angenehm warm und im Sommer angenehm kühl ist. In den Innenräumen soll immer frische Luft vorhanden sein, ohne jedoch, dass es zieht. Weiter wün- schen wir in Gebäuden Vorrichtungen zum Waschen, Baden und Duschen, Wäsche waschen und Trocknen, zur Lagerung und Zubereitung von Speisen vorzufinden und gemäß unserem Tages- ablauf und unseren bisweilen auch spon- tanen Wünschen in Anspruch nehmen zu können. Wo (räumlich oder zeitlich) Tageslicht fehlt, soll eine unserer momen- tanen Tätigkeit angepasste Beleuchtung dieses möglichst gleichartig ersetzen.

Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Sie umfasst im Grunde unseren gesamten Lebensbereich und alle wirtschaftlichen, öffentlichen und privaten Tätigkeiten.

Die meisten dieser Dienstleistungen las- sen sich mit einem sehr viel geringeren Einsatz von Energie erbringen als heute üblich. Bei vielen Vorgängen, wie z. B. der Beheizung oder Kühlung von Gebäuden, handelt es sich physikalisch gesehen um die Aufrechterhaltung von Gleich- gewichtszuständen, die theoretisch mit einem Minimum an Energieaufwand möglich sind. Das Passivhauskonzept versucht, den Effizienzgedanken konse- quent für Entwurf, Planung, Erstellung und die Nutzung von Gebäuden umzu- setzen. Aus wirtschaftlichen und prak- tischen Gründen setzt es bei den Kom- ponenten an, die ohnehin in jedem Gebäude vorhanden sind. Diese werden so weiterentwickelt, dass in der Summe ein – verglichen mit dem geringen baulich- tech nischen Zusatzaufwand – überpropor- tionaler Nutzen und Komfort entsteht.

Definition des Passivhausstandards In einem Passivhaus wird zunächst der Energieumsatz mit passiven Maßnahmen auf ein so niedriges Niveau abgesenkt, dass unter Einhaltung der vorgegebenen Klima- und Behaglichkeitsbedingungen kaum noch geheizt, gekühlt sowie be- und entfeuchtet werden muss.

Den entscheidenden passiven Beitrag leistet der sehr gute Wärmeschutz der Gebäudehülle. Im Winter können dann passive Wärmequellen, wie Sonne, Perso- nen, Geräte und Wärme aus der Fortluft, den Großteil des Wärmebedarfs decken.

Im Sommer hilft der Wärmeschutz die Wärmeinträge in die Räume zu begren- zen. Weitere passive Maßnahmen, wie Verschattung, freie Lüftung und frei zugängliche Speichermassen sowie eine

• Konzeptansatz: Energieeffizienz

• Definition des Passivhausstandards

• Passivhauskomponenten

• Wie funktioniert ein Passivhaus in den verschiedenen Jahreszeiten?

• Behaglichkeit und Komfort

• Anwendungsspektrum und Verbreitung

• Ökonomie

• Energetische Nachhaltigkeit und Klimaschutz

konsequente Reduktion der internen Las- ten, halten entweder alleine das Gebäude kühl oder reduzieren den Kühlbedarf so weit, dass dieser mit einem sehr geringen Energieeinsatz gedeckt werden kann. Der Einsatz aktiver Technik beschränkt sich auf die aktive Be- und Entlüftung der Räume mit Wärmerückgewinnung, gege- benenfalls gekoppelt mit einer Feuchte- rückgewinnung. Des Weiteren sieht das Passivhauskonzept die geregelte Bereit- stellung des sehr geringen Restwärme- und gegebenenfalls Restkühlbedarfs abhängig von den individuellen Komfort- wünschen der Bewohner bzw. Nutzer vor.

Passivhauskomponenten

Passivhäuser stellen den heutigen tech- nischen Stand des energieeffizienten Bauens dar. Sie sind eine konsequente Weiterentwicklung der Niederigenergie- häuser aus den 1980er- und 1990er-Jah- ren. Dabei werden die in jedem Gebäude vorhandenen baulichen und anlagen- technischen Komponenten energetisch so weit verbessert, dass sich das Heizsystem erheblich vereinfachen lässt. Die Haupt- komponenten von Passivhäusern sind:

Sehr guter Wärmeschutz

Das augenscheinlichste Merkmal von Passivhäusern ist der sehr gute Wärme- schutz der gesamten Gebäudehülle. Die opak gedämmten Bauteile (Außenwände, Dächer, Kellerdecke bzw. Bodenplatte) weisen, abhängig von der Kompaktheit des Gebäudes und den Qualitäten der sonstigen baulichen und technischen Komponenten, U-Werte zwischen 0,08 und 0,18 W/m2K auf. Um einen hohen thermischer Komfort zu gewährleisten, liegen die U-Werte der Fenster unter 0,80 W/m2K. Hierzu sind in der Regel.

wärmegedämmte Rahmen und Dreifach- Wärmeschutzverglasungen erforderlich.

(9)

9 Passivhauskomponenten

Wärmebrückenfreie, luft- und winddichte Ausbildung der Gebäudehülle

Zu einem guten Wärmeschutz gehört auch eine hochwertige Qualität aller Anschlüsse. Das ist nicht nur aus energe- tischen, sondern auch aus bauphysika- lischen Gründen geboten (Abb. 2.4, S. 10):

• Damit der Wärmeschutz der Regelflä- chen nicht »ins Leere läuft«, ist es not- wendig, konsequent auf eine Vermei- dung bzw. eine Begrenzung von Wär- mebrücken zu achten.

• Eine luftdichte Ausbildung der Gebäu- dehülle ist zur Vermeidung von Zugluft, leckagebedingten Feuchteschäden und Lüftungswärmeverlusten notwendig.

• Die winddichte Ausführung der Gebäu- dehülle verhindert, dass Dämmkon- struk tionen mit Außenluft hinterströmt und damit unwirksam werden können.

Abgestimmte passiv-solare Komponenten Mit passivhaustauglichen Fenster- und Verglasungssystemen lassen sich hohe solare Heizbeiträge erzielen. Dafür ist keine übermäßig große Solarapertur not- wendig, d. h., auch moderate Vergla- sungsanteile können hierzu ausreichen.

Die Dimensionierung der verglasten Flä- chen kann unter anderen Gesichtspunk- ten wie z. B. der Tageslichtautonomie oder der gewünschten Innen-/Außenbe- ziehung oder gestalterischen Aspekten

2.1 Sprachheilschule in Griesheim (D) 2011, Ramona Buxbaum Architekten. Der Neubau besteht aus drei pavillonartigen, kompakten Einzelgebäuden in Holzrahmenbauweise.

erfolgen. Nur wenn die Wärmeverluste von Rahmen und Verglasung gering gehalten werden, können die solaren Gewinne über die Fenster einen wesent- lichen Heizbeitrag leisten. Im Sommerfall ist, wie in allen Gebäuden, eine Begren- zung der Solar apertur auf die notwendige Größe (Belichtung, Außenbezug) oder eine regelbare Verschattung notwendig.

Entwurfsabhängig ist zu prüfen und abzu- wägen, wie sich unterschiedliche Vergla- sungsquantitäten (z. B. Fenstergrößen) und -qualitäten (U-Wert der Fenster und g-Wert der Verglasungen) sowohl im Win- ter- als auch im Sommerfall auswirken.

Diese Entscheidungen haben neben der Energiebilanz immer auch großen Einfluss auf die Gestaltung und Nutzungsqualität des Gebäudes.

Hocheffiziente Lüftungsanlage

Der niedrige Heizwärmebedarf eines Pas- sivhauses basiert neben der Reduzierung der Transmissionswärmeverluste ganz entscheidend auf der Verringerung der Lüftungswärmeverluste duch die Wärme- rückgewinnung der Lüftungsanlage. Alle Räume innerhalb der thermischen Hülle eines Passivhauses werden daher über eine Komfortlüftungsanlage mit Wärme- rückgewinnung und geregelter Zu- und Abluft mit Frischluft versorgt. Hauptaspekt ist die Sicherstellung des hygienisch not-

wendigen Luftwechsels. Der effektive Wärmebereitstellungsgrad der Lüftungs- anlage sollte mindestens 75 % betragen, um eine hohe Effizienz und Behaglichkeit sicherzustellen.

Angepasste Heiz- und Kühlsysteme Im Passivhaus sind Heiz- und Kühlsys- teme notwendig, die auf den geringen Heiz- und Kühlbedarf abgestimmt sind.

Um die hohe Energieeffizienz des Gebäu- des nicht versorgungsseitig infrage zu stellen, ist eine Begrenzung der Erzeu- gungs-, Speicher- und Wärmeverteilver- luste sowie des Hilfsenergieeinsatzes auf das unverzichtbare Maß notwendig.

Grundsätzlich können alle konventionel- len Heizsysteme eingesetzt werden. In vielen Fällen lassen sich Passivhäuser alleine über die Zuluft beheizen. Ergän- zende Heizflächen – sofern erforderlich – müssen im Passivhaus in der Regel nicht mehr unter den Fenstern platziert werden.

Dadurch ergibt sich ein reduzierter Instal- lationsaufwand, der den Zusatzaufwand für die Wärmerückgewinnung der Lüf- tungsanlage kompensieren hilft. Das trägt entscheidend zur Wirtschaftlichkeit des Passivhauskonzepts insgesamt bei.

2.1

(10)

20 °C -5 °C 35 W/m2

8 W/m2

3 W/m2

U = 1,40 W/m2K Bestand

U = 0,30 W/m2K EnEV

U = 0,12 W/m2K Passivhaus

Außenluft

0 °C 20 °C

Abluft

Fortluft

Jahresheizwärmebedarf [kWh/m2a]Primärenergie (nicht erneuerbar) [kWh/m2a]

Passivhausgrenzwert

3,0

heute übliche Stromeffizienz

verbessert effizient 0

5 10 15 20 25 30

150

100 120

50

20 20 20

25 25 25

25 15

90

10 50

5

0 35

1,5 28,2

19,8 17,1

15,0 13,5

1,0 0,6 0,3

n50-Drucktestkennwert

3 °C 18 °C

Wärmetauscher ηWRG = 90 %

Zuluft

Passivhausgrenzwert

Haushalts- strom Hilfsstrom Warmwasser Heizung

Stromeffiziente Elektroausstattung Die Ausstattung der Gebäude mit strom- effizienten Geräten, Arbeits- und Leucht- mitteln sowie allen sonstigen Anlagen (z. B. Aufzügen) und elektronischen Ein- richtungen (z. B. Kommunikationstechnik) ist eine Schlüsselkomponente des Passiv- hauskonzepts (Abb. 2.5). Ihre Umsetzung wird von den entwerfenden Architekten und Fachplanern oft kritisch gesehen, weil sie nicht zu ihrem üblichen Aufga- benspektrum zählt. Der Einfluss auf die Primärenergiebilanz und die Treibhaus- gasemissionen sowie auf die Behaglich- keit im Sommerfall ist jedoch sehr hoch.

Daher werden beim Primärenergiekrite- rium alle Stromverbraucher in die Elektro- bilanz einbezogen und bewertet.

Wie funktioniert ein Passivhaus in den verschiedenen Jahreszeiten?

Im Folgenden wird die Funktionsweise eines Passivhauses im mitteleuropäi- schen Klima exemplarisch und unter Ein- beziehung der Bewohnerperspektive für ein Wohnhaus erläutert. Eine zentrale Rolle spielt dabei das an die jeweilige Jahreszeit angepasste Lüftungskonzept und -verhalten.

Kernwinter

Frische Außenluft wird über eine Ansaug- stelle bzw. -bauwerk mit integriertem Filter angesaugt und mittels stromspa renden Ventilatoren zum Kernstück der Lüftungs- anlage, dem Wärmetauscher, transportiert.

Ein zweiter Ventilator führt gleich zeitig aus den mit Feuchtigkeit und Gerüchen belas- teten Räumen (z. B. Küche, Bad, WC, Hauswirtschaftsraum) verbrauchte Luft ab.

Im Wärmetauscher wird die in der Abluft enthaltene Wärme auf die Frischluft über- tragen (Abb. 2.3). Die derart vorerwärmte Frischluft wird konti nuierlich den Aufent- haltsräumen (Wohnzimmer, Individual- räume) zugeführt. Durch den gleichmäßi- gen Luftwechsel ist ganztägig eine hohe Luftqualität gewährleistet. Eine Fenster- lüftung ist nicht notwendig, aber bedarfs- weise möglich (z. B. bei einer Hausparty oder bei gewünschten kühleren Schlaf- räumen).

Der sehr gute Wärmeschutz der Gebäu- dehülle und der geregelte Luftwechsel über die Lüftungsanlage mit Wärmerück- gewinnung reduzieren die Wärmeverluste auf ein Minimum. Die hochwertigen Ver- glasungen sorgen selbst im Kernwinter für hohe solare Heizbeiträge. Der verblei- bende Restheizbedarf lässt sich den Rämen allein über die Zuluft und gegebe-

nenfalls wenige ergänzende, frei platzier- bare Heizflächen zuführen. Es ist auch möglich, Lüftung und Beheizung komplett getrennt voneinander zu führen und zu regeln. Die Heizperiode dauert im Passiv- haus von November bis März und ist damit im Vergleich zu konventionell errichteten Gebäuden deutlich verkürzt.

Übergangsjahreszeiten

In den Übergangsjahreszeiten weist ein Passivhaus keinen Heizbedarf mehr auf.

Voraussetzung hierfür ist, dass die Wär- merückgewinnung der Lüftungsanlage aktiv bleibt. Die Temperaturregulierung in der Wohnung ist sehr leicht über kurzzei- tige Fensterlüftung möglich, indem Über- temperaturen (z. B. unerwünschte solare Erwärmung der Räume) weggelüftet wer- den. Der Einsatz von Sonnen- und Blend- schutz ist an Strahlungstagen wegen der tief stehenden Sonne besonders wichtig.

Sommer

Im Sommer verhalten sich Passivhäuser ganz ähnlich wie vergleichbare konven- tionelle Gebäude gleicher Bauweise. Ent- gegen häufig geäußerten Vorbehalten hilft der sehr gute Wärmeschutz, die Räume angenehm kühl zu halten. Das gilt vor allem für die ansonsten häufig problema- tischen Dachgeschosse. Über forcierte nächtliche Fensterlüftung und eine bewegliche Verschattung der Hauptver- glasungen haben die Bewohner wirksame passive Kühlstrategien an der Hand. Die Voraussetzungen dafür müssen jedoch bereits im Entwurf geschaffen werden.

Hierzu zählen die Anordnung von Öff- nungsflügeln für Quer- bzw. geschoss- übergreifende Lüftung sowie die Integra- tion eines Sonnenschutzes.

Häufig wird die Lüftungsanlage aus Kom- fortgründen auch im Sommer betrieben.

Dabei sollte die Wärmerückgewinnung mithilfe eines Bypasses bzw. durch den Austausch des Wärmetauschers durch eine Sommerkassette umgangen werden.

Für einen guten Sommerkomfort ist ferner die Ausstattung mit stromeffizienten Gerä- ten entscheidend, weil dadurch kritische Wärmeeinträge in den Räumen vermie- den werden.

Fensterlüftung im Passivhaus

Im Gegensatz zu dem immer noch geäu- ßerten Irrglauben, dass man in einem Passivhaus die Fenster nicht öffnen dürfe, spielt die Fensterlüftung eine zentrale Rolle. Zwar kann im Kernwinter auf sie verzichtet werden, weil die Lüftungsan- lage bereits alleine für den hygienisch notwendigen Luftwechsel sorgt. Bewoh-

2.2

2.3

2.4

2.5

(11)

Jahres-Heizwärmebilanz [kWh/m2a] 100 80 90

40 60 70

20 30 50

10

23,2 50 %

8,1 18 %

15 32 %

40,4 87 % 5,9 13%

24,5 35 %

29,2 42 %

40,4 58 % 8,5

12 %

36,6 53 %

0

Gewinne Verluste Gewinne

ohne Lüftungs-WRG ohne Erdreich-WT

Lüftungswärmerückgewinnung 80 % Erdreich-Wärmetauscher 20 %

Verluste Passivhaus ohne Wärmerückgewinnung Passivhaus

Übertemperaturhäufigkeit h (δ>25°C) [%]

25

20

10 15

5

0

Normallüfter

Viellüfter Weniglüfter Heizwärme interne Wärmegewinne Solargewinne Transmission Lüftung

21 22

25

13

12 23

11 10

14 Zuluft Abluft Zuluft

19 19

26

18 17

16 20 21 1

2 3

5 4

24

15 8 9

7

6

11 Wie funktioniert ein Passivhaus in den verschiedenen Jahreszeiten?

12 optional ergänzende Heizfläche

13 zentraler Schacht mit F 90-Lüftungskanälen 14 Sanitärräume im Grundrisskern

15 Abluftfilter

16 hochwärmedämmende Außenwand 17 winddichte Ebene (z. B. Außenputz) 18 luftdichte Ebene (z. B. Innenputz) 19 Passivhausfenster mit Dreifachverglasung 20 Jalousienschacht, in Dämmebene integriert 21 fest stehender Überhang (z. B. Balkonplatte)

als Sonnenschutz für Südverglasungen 22 Balkon als vorgestellte Konstruktion

(nur punktweise mit Gebäude verbunden) 23 Fensterlüftung (Kippstellung)

24 Fensterlüftung (Querlüftung/Sommerfall) 25 Dachüberstand zur Verschattung (im Süden) 26 Kimmsteinlage aus Porenbeton

2.7 Einfluss des individuellen Fenster-Lüftungs ver- haltens der Bewohner auf den Sommerkomfort (Häufigkeit der Innentemperaturen > 25 °C).

2.8 Übersicht über die wichtigsten Passivhauskom- ponenten und deren Zusammenwirken anhand eines schematischen Gebäudeschnitts.

1 Ansaugstelle mit Filterbox (F 7-Filter) 2 Frostschutzregister

3 Wärmetauscher Lüftungsanlage 4 Stützventilator (Zuluftstrang) 5 Stützventilator (Abluftstrang) 6 Fortluftauslass (z. B. Deflektorhaube) 7 Brandschutzklappen

8 Zuluftventilator Wohnung 9 Nachheizregister 10 Abluftventilator 11 Badheizkörper 2.2 Wärmestrom durch eine Außenwand abhängig

vom U-Wert der Konstruktion

2.3 Wirkung der hocheffizienten Wärmerückgewin- nung einer Lüftungsanlage (mit ηWRG = 90 %) 2.4 Jahresheizwärmebedarf eines Passivhauses abhängig von der gemessenen Luftdichtig keit beim Drucktest mit der Blower Door

2.5 Primärenergiekennwert eines Passivhauses abhängig von der Stromeffizienz der Elektro- ausstattung (Haushaltsgeräte, Kommuni ka- tionselektronik, Beleuchtung, Pumpen, Ven ti- latoren)

2.6 Einfluss der Lüftungswärmerückgewinnung auf die Energiebilanz eines Passivhauses.

Ohne diese Komponente würde der Jahres- heizwärmebedarf von 15 auf fast 40 kWh/m2a ansteigen.

2.6 2.7

2.8

(12)

Prozentsatz Unzufriedener (PPD) [%]

23,6 operative Temperatur [°C]

30 25

20

15

10

5

22,7 21,8 20,9 19,1 20 18,2 17,3 16,4 0

Prozentsatz Unzufriedener (PPD) [%]

27,9 operative Temperatur [°C]

30 25

20

15

10

5

27 26,1 25,2 24,3 (PPD = 6 %)

ASHRAE »A«

DIN EN ISO 7730 (PPD = 10 %)

23,4 22,5 21,6 20,7 0 (PPD = 6 %)

ASHRAE »A«

DIN EN ISO 7730 (PPD = 10 %)

Winterfall Sommerfall

operative Raumtemperatur [°C]

35 gleitender Mittelwert der Außentemperatur [°C]

34

30

26

22

18

30 25 20 15 10 5 0 -5 14

ohne Kühlung mit Kühlung

ner nehmen dies übereinstimmend als eine wesentliche Entlastung und Komfort- steigerung wahr. In allen anderen Jahres- zeiten ist hingegen die Fensterlüftung unverzichtbar, um behagliche Tempera- turen in den Innenräumen herzustellen.

Messungen in bewohnten Gebäuden zei- gen, dass sich gerade im Hochsommer je nach Lüftungsverhalten unterschiedliche Temperaturen einstellen: Während ein

»Viellüfter« kühle Wohnräume vorfindet, steigen die Temperaturen während einer Hitzeperiode bei »Weniglüftern« spürbar an (Abb. 2.7, S. 11).

Fazit

Die Funktionsweise und energetische Qualität eines Passivhauses erlaubt es heute, Gebäude mit hochwertigem ther- mischem Komfort zu konzipieren, ohne dass eine unzureichende baukonstruk tive Qualität durch Energie und aufwendige Technik ausgeglichen werden muss. Der Energiebedarf von Passivhäusern ist jedoch nicht null. Dies einerseits aus wirtschaftlichen Gründen und anderer- seits, um eine ausreichende Flexibilität im Hinblick auf sich ändernde Belegun- gen, Anwesenheiten und Nutzungen zu gewährleisten. Das vorhandene Heiz- system hat ferner die Aufgabe, individu- elle, von den Bewohnern gewünschte Raumtemperaturen herzustellen und die im Kernwinter ergänzend zur Lüftungs- anlage stattfindende Fensterlüftung wär- meseitig auszugleichen.

Behaglichkeit und Komfort

Ausgangspunkt des energieeffizienten Entwerfens ist der Mensch. Damit er sich in einem Raum wohlfühlt, müssen die Tem peratur- und Feuchtebedingungen im komfortablen Bereich liegen sowie räum- lich und zeitlich möglichst gleichmäßig sein. Von besonderer Bedeutung ist hier

der Wärmekomfort. Er hängt von einer Reihe von Parametern ab, die sich mit- hilfe von naturwissenschaftlichen und sta- tistischen Methoden sehr gut eingrenzen lassen [1]. Die Empfindlichkeitsschwellen sind je nach Parameter recht unterschied- lich. Zusätzlich spielen individuelle Unter- schiede eine Rolle, die damit wichtiger Bestandteil von Behaglichkeitsdefinitio- nen werden.

Das Raumklima lässt sich in guter Nähe- rung mithilfe von vier Größen beschrei- ben, die auf einen sich im Raum befind- lichen Menschen einwirken. Dies sind in der Reihenfolge ihrer Bedeutung:

• die Strahlungstemperatur der umge- benden Flächen,

• die Lufttemperatur,

• die relative Lufttgeschwindigkeit in Körpernähe

• und die Luftfeuchtigkeit

Bei »naiver« empirischer Betrachtung fin- det man in Gebäuden je nach Baukultur und davon abhängiger Bauweise große Unterschiede hinsichtlich der vorhande- nen Behaglichkeitsbedingungen vor.

Da raus ließe sich der falsche Schluss ziehen, dass die Behaglichkeitsanforde- rungen kulturell geprägt sind. Führt man jedoch systematische Befragungen durch, sind so gut wie keine kulturellen Unterschiede mehr feststellbar. Auch die Klimazone (tropisch, subtropisch, gemä- ßigt, kalt) spielt keine Rolle. Das ist eine überaus wichtige Entdeckung von Ole Fanger [2], derzufolge der Mensch und sein Wärmehaushalt einen objektiven – weil biologisch bedingten – Maßstab für die Behaglichkeit bilden. Dabei sind fol- gende Faktoren auschlaggebend:

• die Aktivität und die damit verbundene Wärmeproduktion des Körpers

• die Bekleidung, speziell ihr thermischer Widerstand und ihre Winddichtigkeit

• physikalische Prozesse wie Wärmelei- tung, Wärmeabstrahlung, Konvektion

und Verdunstung im und am Körper sowie in Wechselwirkung mit der Umgebung

Thermischer Komfort

Für das Innenklima von Wohn- und Arbeitsräumen lassen sich die Behaglich- keitsbedingungen, bei denen wenigstens 90 – 95 % der Befragten zufrieden sind, folgendermaßen eingrenzen [1, 2, 3]:

• Die Lufttemperatur sollte im Bereich von 21 °C (± 1 Kelvin) liegen und in einem Bereich zwischen 18 und 24 °C regulier- bar sein. Im Sommer werden höhere Temperaturen von 24 °C (± 2 Kelvin) akzeptiert, indem die Kleidung entspre- chend angepasst wird (Abb. 2.9).

• Die durchschnittliche Oberflächentem- peratur sollte von der Lufttemperatur um nicht mehr als 2 – 3 Kelvin abwei- chen und die Unterschiede zwischen Teilflächen nicht mehr als 3 – 4 Kelvin betragen. Behagliche Fußbodentempe- raturen liegen zwischen 19 und 26 °C.

• Das Temperaturgefälle zwischen Kopf und Fußknöchel (sitzende Tätigkeit) soll sowohl im Winter als auch im Sommer 2 Kelvin nicht überschreiten.

• Die Luftfeuchte sollte zwischen 40 und 70 % rel. Feuchte liegen. Aus medizini- scher Sicht sind Feuchten unter 30 % rel. Feuchte unerwünscht.

• Die Luftbewegungen im Raum sollen in den Aufenthaltsbereichen 0,08 m/s nicht überschreiten (Zugluftkriterium).

• Im Sommer kann jedoch bei operativen Innentemperaturen über 25 °C eine erhöhte Luftgeschwindigkeit helfen, das Wärmeempfinden wieder in den behaglichen Bereich zu führen.

• Bei hohen operativen Temperaturen (> 25 °C) werden jegliche abstrahlende Wärmequellen (Strahlungstemperatur

> 25 °C, z. B. Überkopf-Verglasungen) als sehr unangenehm empfunden.

• Bei hohen Temperaturen (> 30 °C) und höherer Luftfeuchtigkeit (> 50 % rel.

2.9

a b 2.10

(13)

13 Behaglichkeit und Komfort

Feuchte) wird die Wärmeregulierung des Körpers so stark reduziert, dass zwingend Gegen maßnahmen (Kühlung, Entfeuchtung) erforderlich sind.

Adaptives Modell

Während die Bedingungen für einen hohen thermischen Komfort im Winter wenig strittig sind, existieren für die Übergangsjahreszeiten und den Som mer- fall unterschiedliche Ansätze, um den Behaglichkeitsbereich abhängig von Bekleidung und Kühlstrategien zu defi- nieren (Abb. 2.9 und 2.10). Im Sommer sind Menschen leichter bekleidet, und dadurch steigt die als optimal empfun- dene Temperatur. Besonders in Hitzeperi- oden werden stärkere Luftbewegungen nicht als störend empfunden. Ferner gilt, dass Gebäudenutzer unter bestimmten Bedingungen (kein Kleiderzwang, freier Einfluss der Nutzer auf Fensterlüftung und Sonnenschutz) in Hitzeperioden höhere operative Temperaturen akzeptieren. Ent- wurfsstrategisch erweitert sich dadurch der Bereich passiver Kühlstrategien ohne aktive Kühlung, solange eine die Nutzer bevormundende Klimatisierung vermieden wird und dies mit Bauherren und Fach- planern abgestimmt ist (Abb. 2.10).

Bewertung Passivhauskonzept – Winterfall Durch den sehr guten Wärmeschutz wer- den im Passivhaus im Winter überall hohe Oberflächentemperaturen erreicht. Beson- ders wichtig für die thermische Behaglich- keit ist die hohe Qualität von Rahmen und Verglasungen, weil sich nur über sie kom- fortable Innenoberflächentemperaturen einhalten und der Kaltluftabfall am Fenster begrenzen lassen. Um dies auch für raum- hohe Verglasungen (bis etwa 3 m Höhe) sicherzustellen, wird für Passivhäuser ge- fordert, dass der U-Wert des Fensters im eingebauten Zustand ≤ 0,85 W/m2K betra- gen soll. Nur dann können die Heizflächen unter raumhohen Fenstern entfallen.

2.9 Anteil unzufriedener Nutzer (PPD) bei unter- schiedlichen operativen Raumtemperaturen.

Angegeben sind auch die Toleranzbereiche nach ASHRAE comfort class A und DIN EN ISO 7730.

a Winterfall (Winterkleidung 1,2 clo, sitzende Tätigkeit, z. B. Wohnung, Schule, Büro mit 1,2 met)

b Sommerfall (Sommerkleidung 0,5 clo, sitzende Tätigkeit mit 1,2 met).

2.10 Behaglichkeitsbereiche für die operative Tempera- tur gemäß DIN EN 15 251 für Gebäude ohne Küh- lung (adaptiver Ansatz, Kategorie II) und mit Küh- lung/Beheizung (PMV-PPD-Ansatz, Kategorie II) 2.11 Wohngebäude in Paris (F) 2004, Edouard Fran- çois: Pflanzen als Sichtschutz und Klimakompo- nenten

2.12 Uferpromenade in Split (HR) 2008, 3LHD Archi- tects: Sonnenschutz als Teil einer Platzgestal- tung. Das Verschattungselement zoniert den öffentlichen Raum in Bereiche mit unterschied- licher Nutzung.

In Passivhäusern gelingt es zudem, die Luftbewegungen im Aufenthaltsbereich im sehr günstigen Bereich (< 0,07 m/s) zu halten. Erreicht wird dies durch die sehr gute Luftdichtigkeit (kritisch wären hier vor allem Leckagen im Sockel- und Fensterbereich), die Passivhausfenster und eine Zulufteinbringung in Decken- nähe. Insgesamt ist die Temperatur- schichtung in einem Passivhausraum deutlich geringer als in sonstigen Gebäu- den. Fußkälte tritt nicht auf. Entwurfs- strategisch ist es von Bedeutung, dass die in »normalen« Gebäuden kritischen Raumbereiche in Fassadennähe bei Passivhäusern vollwertig nutzbar sind.

Dadurch lassen sich neue Konzepte der Raumnutzung und Möblierung mit inten- siver Innen-/Außenraum-Beziehung über- haupt erst realisieren.

Passivhauskonzept – Sommerfall

Im Sommer verhalten sich Passivhäuser kaum anders als sonstige Gebäude gleicher Bauweise. Aus Effizienzgründen ist hier jedoch der Energieaufwand für aktive Kühlung zu begrenzen. Daher sind zunächst alle passiven Kühlstrategien (guter Wärmeschutz, geringe Fenster- flächenanteile bzw. wirksamer Sonnen- schutz, freie Lüftung über Fenster, ge- rin ge interne Wärmelasten, Speicher- massen) von besonderer Bedeutung. Erst wenn diese ausgeschöpft sind, sollten ergänzend gering dimensionierte Kühl- systeme installiert werden (siehe S. 143).

Temperaturdifferenzierung in der Wohnung Das gleichmäßige Temperaturfeld in einem Passivhaus führt dazu, dass küh- lere Räume (z. B. Schlafräume, Speise- kammern) oder wärmere Räume (z. B.

Bäder) spezielle Maßnahmen erfordern.

In Bädern ist immer eine Zusatzheizung vorzusehen.Der Schlafkomfort ist stark abhängig vom Wärmedurchgang von Matratze, Bettdecke und Schlafkleidung.

Ohne zusätzliche Fensterlüftung ist es in Passivhäusern schwierig, das häufig gewünschte »kühle Schlafzimmer« herzu- stellen. Jedoch handelt es sich hierbei eher um eine Gewöhnungsfrage, wie die persönliche Erfahrung des Autors und seiner Familie im Passivhaus belegt: Im ersten Winter wurde das Schlafzimmer in der Nacht noch regelmäßig über Kipplüf- tung kühl gehalten. Im zweiten Winter hat sich diese Frage durch angepasste Bett- kleidung und -decken (wie im Sommer) von selbst erledigt. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass ein Teil der zu beob- achtenden Fensterlüftung in Passivhäu- sern im Winter auch auf den Wunsch nach kühleren Schlafräumen zurückzu- führen ist.

Konzept der »Klimakomposition«

Die Gestaltung von Innen- und Außenräu- men erfordert im Hinblick auf deren ther- mische Eigenschaften spezifische Antwor- ten im Entwurf: In den Freiräumen spielt das Außenklima in nahezu allen Fällen eine wesentliche, wenn nicht die entschei- dende Rolle. In den Innenräumen wird hingegen ein Raumklima geschaffen, das stark vom Außenklima abkoppelt ist. Darü- ber hinaus gibt es Übergangsbe reiche wie z. B. Balkone, Terrassen, gedeckte Sitz- und Eingangsbereiche, die auch kli- matisch gesehen Zwischen zonen darstel- len. Genau genommen gehören zu diesen Übergangsbereichen alle städtebaulich geprägten Außenräume, ähnlich wie dies z. B. Bruno Taut in seinem Konzept des

»Außenwohnraums« [4] dargelegt hat.

Die Schaffung menschlicher Lebens- räume lässt sich in diesem Sinn auch als

»Klimakomposition« [5] inter pretieren. Erst im Zusammenspiel der Behaglichkeit von Innen- und Außenräumen unter den unter- schiedlichen jahres- und tageszeitlichen Bedingungen kann man von einer »voll- ständigen« und klima gerechten Architek- tur sprechen.

2.11 2.12

(14)

Anwendungsspektrum und Verbreitung Seit seinen Anfängen vor 1990 hat das Passivhauskonzept eine stetige Erweite- rung seiner Anwendungen erlebt. Das gilt sowohl im Hinblick auf die Gebäudetypen und Bauaufgaben als auch für die Stand- orte und Klimazonen, in denen bislang Passivhäuser, -siedlungen und -quartiere entstanden sind. Einen wichtigen Beitrag haben die entwerfenden Architekten bei- gesteuert, indem sie die typologischen, funktionalen und gestalterischen Spiel- räume mehr und mehr ausgelotet haben.

Entwicklung des Prototypen

Das Passivhauskonzept wurde nicht von Architekten, sondern von einem theoreti- schen Physiker zur Praxisreife entwickelt.

Dies trug maßgeblich zu seiner wissen- schaftlichen Validität und letztlich auch zu seinem Erfolg bei. Das energieeffiziente Bauen Anfang der 1990er-Jahre war dominiert von dem Widerstreit zwischen Solararchitektur und Wärmeschutz, wobei Letzterer bestenfalls auf Niedrigenergie- niveau ausgeführt wurde.

Offensichtlich war ein systematisch- kriti- scher Blick notwendig, um aus dieser unbefriedigenden Situation zu einem zukunftsweisenden Konzept zu gelangen.

In seiner Dissertation [6] hat Wolfgang Feist sich zunächst intensiv mit der dynamischen Gebäudesimulation aus- einandergesetzt. Im darauf aufbauenden zweiten Teil begründete er das Passiv- hauskonzept anhand systematischer Parameterstudien und spezifizierte die dafür grundlegenden baulichen und technischen Lösungsansätze. Bei der Realisierung des ersten Passivhauses in Darmstadt standen viele Passivhauskom- ponenten noch nicht zur Verfügung. Das galt insbesondere für die Fenster und die Lüftungsanlagen, bei denen zum Teil aufwendige Einzelentwicklungen und Spezialanfertigungen notwendig waren.

Passivhäuser der zweiten Generation Erstaunlicherweise war es die Einführung der Wärmeschutzverordnung 1995, die einen Entwicklungsschub in der Bau- industrie in Richtung Energieeffizienz ausgelöst hat. Während die Architektur- professoren noch die Anforderungen der Wärmeschutzverordnung als »auf- oktroyierte Superdämmungen« [7]

kri tisierten, waren auf einmal Dreifach- Wärmeschutzverglasungen und hoch- wertige Dämmsysteme marktverfügbar.

In diesem stimulierenden Umfeld ent- wickelten kleine mittelständische Firmen, die den Kon zept ansatz als zukunftswei- send erkannten, passivhaustaugliche Fenster, Lüftungsanlagen, Luftdicht- und Dämm systeme zur Marktreife. Nur ein kleiner Kreis von Architekten und Haus- technikplanern kannte das Konzept und traute sich die Planung und Realisierung eines Passivhauses zu. Der kollegiale Austausch von Wissen und Erfahrungen war in dieser Phase besonders ausge- prägt.

Parallel dazu führte das gerade gegrün- dete Passivhaus-Institut eine ganze Reihe von systematischen Simulationen und darauf bezogenen Messkampagnen durch, deren Ergebnisse immer zeitnah veröffentlicht wurden. Diese Entwicklung lässt sich sehr gut anhand der Tagungs- bände der Passivhaustagungen und der Protokollbände des Arbeitskreises Kosten- günstige Passivhäuser [8] nachvollziehen.

Zunächst entstanden Passivhäuser vor allem als Wohnbauten (Reihen-, Mehr- und Einfamilienhäuser) mit Schwerpunkt in Deutschland, Vorarlberg, der Schweiz und in Skandinavien. Viele wurden plane- risch und messtechnisch begleitet. Für die Validierung des Konzepts waren ins- besondere die Verbrauchsmessungen inbewohnten Passivhaussiedlungen wich- tig, weil nur hier statistisch belastbare Aussagen möglichst sind: Einerseits wird dabei der Einfluss der Nutzer sichtbar

(in Form normalverteilter Verbrauchswerte zwischen fast null und etwa 40 kWh/m2 a), andererseits entsprechen die Mittelwerte sehr genau den mit dem Passivhaus-Pro- jektierungspaket berechneten Bedarfs- werten (Abb. 12.32, S. 142).

Entwicklung bis heute

Inzwischen hat sich das Passivhauskon- zept zu einem etablierten Standard mit sehr breitem Anwendungsspektrum ent- wickelt. Das lässt sich nicht nur an den bislang realisierten Passivhäusern, son- dern auch an dem vielfältigen Angebot von passivhaustauglichen Bau- und Technikkomponenten sowie Dienstleis- tungen (z. B. Zertifizierungen und Fort- bildungsangeboten) ablesen. Aus Sicht der Entwerfer ist der offenkundige Wan- del in den Planungskonzepten beson- ders interessant, die heute ungleich freier interpretiert und umgesetzt werden als in der Anfangsphase.

Nichtwohngebäude

Es dauerte einige Jahre, bis die ersten Nichtwohngebäude in Form von Verwal- tungsbauten, Schulen und Kindergärten als Passivhäuser realisiert wurden. Im Vorfeld war zu klären, ob das Konzept hier – angesichts anderer Nutzungsrand- bedingungen als im Wohnungsbau – überhaupt tragfähig ist. Tatsächlich sind bei Nichtwohngebäuden angepasste und zum Teil auch aufwendigere Lüftungs- und Beheizungskonzepte notwendig.

Andererseits ließen sich gerade diese Gebäude – im Vergleich zum gesetz- lichen Energiestandard – fallweise sogar kostenneutral als Passivhäuser errichten.

Ein wesentlicher Grund hierfür ist ihre hohe Kompaktheit.

In jüngster Zeit werden immer mehr Gebäudetypen als Passivhäuser reali- siert, darunter, um nur einige zu nennen, Kirchen, Museen, Versammlungsstätten, Supermärkte, Fabriken und Werkhallen.

2.13 2.14 2.15

(15)

15 Anwendungsspektrum und Verbreitung

2.13 Reihenhäuser in Darmstadt-Kranichstein (D) 1991, Architekten Bott-Ridder-Westermeyer.

Das erste Passivhaus überhaupt wurde als Massivbau mit Wärmedämmverbundsystem errichtet. In der Südfassade maximieren große Fensterflächen die solare Gewinne. Im Norden dient ein unbeheizter Wintergarten als thermi- sche Pufferzone. Zahlreiche Bauteile (z. B. die Fenster) wurden für das Gebäude erstmals in Passivhausqualität entwickelt.

2.14 Wohnanlage in Dornbirn (A) 1997, Hermann Kaufmann Architekten. Die erste Passivhaus- Wohnanlage Österreichs entstand als Prototyp eines mehrgeschossigen Holzbausystems.

Laubengänge erschließen die Wohnungen von Osten; die Schlaf- und Wohnräume sind nach Westen ausgerichtet. Die Fensterflächen sind (auch aus Kostengründen) eher klein gehalten.

2.15 Montessorischule in Aufkirchen bei München (D) 2002, Architekten Grotz-Wallbrunn-Vallen- tin. Die erste zertifizierte Passivhausschule ist

Anwendung des Passivhauskozepts in anderen Klimazonen und Baukulturen Mit der Internationalisierung des Passiv- hauskonzepts kommen nun andere Klimazonen und Baukulturen mit ihren Tra ditionen und Entwurfsvorstellungen ins Spiel. Es bleibt zu hoffen, dass hierbei, statt die westlichen, speziell mitteleuropä- ischen Architekturvorstellungen zu kopie- ren, eigenständige und regional differen- zierte Konzepte entstehen, welche die baukulturellen und sozioökonomischen Besonderheiten berücksichtigen.

Energetische Modernisierung mit Passiv- hauskomponenten

Dem Einsatz von Passivhauskomponen- ten bei der energetischen Modernisierung von Bestandsgebäuden schienen am Anfang unüberwindliche Schwierigkeiten im Weg zu stehen: Wie soll man mit den dann unvermeidlichen Wärmebrücken (z. B. bei Sockel-, Balkon- Dachanschlüs- sen) umgehen? Ist bei Sanierungen der Einsatz hochwertiger Dämmungen in der Fläche überhaupt sinnvoll? Auch hier führte der Weg, der mit Forschungsarbei- ten und wissenschaftlich begleiteten Pilotprojekten begann und sich mit der Aufarbeitung der Praxiserfahrungen fortsetzte, schließlich zum Ziel. Heute ist die Verwendung von Passivhauskompo- nenten zu einem selbstverstädlichen Teil der Sanierungspraxis geworden. Viele der neuen Produktentwicklungen sind gerade für diesen Anwendungsbereich interessant.

Zunehmend wird erkannt, dass die breite Anwendung des Passivhauskonzepts im Alt- und Neubau gerade aus Nachhaltig- keitssicht ein wichtiger Lösungsansatz ist:

Eine überwiegend erneuerbare Energie- versorgung kann aus mehreren Gründen nur dann gelingen, wenn der gesamte Gebäudebestand Schritt für Schritt auf ein insgesamt sehr niedriges Verbrauchs- niveau gebracht wird.

ein Massivbau mit elementierten Holzfassa- den. Ihr wellenförmiges Gründach geht an den Gebäudeenden in die Landschaft über, so- dass das Gebäude nur zwei Fassaden besitzt.

Die Klassenzimmer sind nach Südosten orien- tiert, die Fach räume und Büros nach Nordwes- ten. Mit einem n50-Wert von 0,09/h unterstreicht das Gebäude die Vorteile größerer, kompakter Bauten bei der Luftdichtheit.

2.16 Sanierung eines Reihenhauses in Barcelona (E) 2012, Calderon-Folch-Sarsanedas Arqui- tectes. Der Heizwärmebedarf des Hauses aus dem Jahr 1918 wurde mithilfe von Passiv- hauskomponenten von 171 auf 17 kWh/m2a gesenkt.

2.17 Hauptschule Klaus-Weiler-Fraxern (A) 2003, Dietrich Untertrifaller Architekten. Die erste Passivhausschule Österreichs wurde als Holz- bau aus weitgehend vorgefertigten Elementen erstellt. Gegenüber einem konventionellen Massivbau betrugen die Mehrkosten nur 3 %.

2.16

2.17

(16)

optimale U-Werte kapitalisierte Kosten (Barwert) [/m2]

75 spezifischer Jahresheizwärmebedarf [kWh/m2a]

180 160 140 120 100 80 60

60 45 30 15 0 0 40 20

investive Mehrkosten [/m2 (EBF)]

350 300 250 200 150 100 50

Mehrfamilien- haus

Reihen- haus

Einfamilien- haus 0

Gesamtkosten in 30 Jahren [1000

] 35

30 25 20 15 10 5

EnEV 2002

EnEV 2009

Passiv- haus

Passivhaus + Förderung 0

jährliche Kosten (Barwert) [/m2]16

14 12 10 8 6

2 4

36 cm (U = 0,09) 24 cm

(U = 0,13) 12 cm

(U = 0,24) 0 cm

(U = 1,41)

Dämmstoffstärke [cm]/U-Wert [W/m2K)]

0

Zusatzkosten Energiekosten Gesamtkosten

sehr niedrig sehr hoch

BW Wartungskosten BW Lüfterstromkosten Mittelfeld

Mehrinvestition BW Heizkosten

Investitionskosten Energiekosten

Kostensprung

Ökonomie

Passivhäuser haben einen interessanten ökonomischen Konzeptansatz: Die energetisch relevanten Bauteile und das Lüftungskonzept werden so weit verbessert, dass eine kostenrelevante Vereinfachung des Heizsystems mög lich ist. Genau an dieser Stelle findet ein Kos tensprung nach unten statt. Trotz höherer Investi tionskosten kann ein Pas- sivhaus dadurch wirtschaftlich günstiger abschneiden als ein Niedrigenergiehaus.

Jenseits dieses Optimums steigen die Gesamtkosten jedoch wieder steil an (Abb. 2.18).

Die Definition des Passivhausstandards hat somit eine nachvollziehbare ökono- misch-energetische Grundlage:

• Das funktionale Kriterium ist so gewählt, dass eine Beheizung über die ohnehin vorhandene Lüftungsanlage alleine oder gemeinsam mit wenigen ergän- zenden Heizflächen möglich ist. Dazu ist es notwendig, dass die tagesmittlere Heizlast ≤ 10 W/m2 Nutzfläche beträgt.

• Um das Heizlastkriterium zu erfüllen, muss die energetische Qualität der Gebäudehülle und des Lüftungssys- tems ausreichend hoch sein. Dies ist in etwa bei einem Heizwärmebedarf

≤ 15 kWh/m2NFa der Fall.

Der Bezug zu objektiven, ökonomischen und funktionalen Kriterien hat zur Folge, dass – anders als in den nationalen Energiestandards – keine Abhängigkeit der Anforderungen von der Kompaktheit oder Größe der Gebäude zugelassen werden kann. Der Spielraum für eine

»Laissez-faire«-Haltung ist nicht sehr groß und führt bei Nichtbeachtung der Anforderungen zwangsläufig zu Proble- men: Die Vereinfachung des Heizsystems ist wegen der geringen Leistungsreser- ven des Systems nur in engen Grenzen möglich.

Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen Neben den Fragen der Zuverlässigkeit und der energetischen Effizienz steht bei Maßnahmen zur Energieeinsparung die Beurteilung ihrer Wirtschaftlichkeit im Vor- dergrund. Für die Träger von Investitions- entscheidungen ist es wichtig, geeignete Auswahlmethoden und -kriterien an der Hand zu haben. Dabei spielen u. a. fol- gende Größen eine Rolle:

• Investitionskosten

• Nutzungsdauer der Maßnahmen

• Kalkulationszinssatz bzw. Annuität

• jährlicher Energieverbrauch

• mittlere Energiekosten während der Nutzungsdauer und damit Annahmen zur künftigen Energiepreisentwicklung

• Wartungs- und Instandhaltungskosten

• Förderungen, Finanzierungshilfen und steuerliche Erleichterungen

Aussagefähigkeit

Nachdem die Wirtschaftlichkeit von lang- lebigen Gütern immer auch von den An nah men künftiger Preise, Inflations- und Zinsraten abhängen, sind Aussagen zu künftigen Kosten und Nutzen immer mit Unsicherheiten behaftet. Die häufig noch verwendete Amortisationszeit ist prinzipiell als Kriterium ungeeignet, weil dort die Nutzungsdauer keine Berück- sichtigung findet. Geeignete Methoden sind z. B. die dynamische Kapitalwert- bzw. Annuitätenmethode. Dabei werden Kosten, die zu unterschiedlichen Zeit- punkten anfallen, auf den Anfangs- oder sonstigen Bezugszeitpunkt zurückgezinst.

Ein gegenüber den Annahmen relativ unempfindliches Kriterium ist der Preis für die eingesparte Energieeinheit einer Maß- nahme gegenüber einer Referenz variante in Euro/kWh. Das Hauptproblem der übli- chen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen ist jedoch deren einzelwirtschaft liche Sicht- weise, bei der die externen Kos ten, die volkswirtschaftlich sehr wohl aufzubrin- gen sind, unberücksichtigt bleiben.

Wirtschaftlich optimales Dämmniveau Eine typische ökonomische Fragestellung lautet: Welche Dämmstärke ist wirtschaft- lich optimal? In Abb. 2.21 wird dies für den Fall einer energetischen Modernisie- rung einer Fassade mit Außendämmung in Kopplung mit einem ohnehin anstehen- den Anstrich kalkuliert. Die wirtschaftlich günstigen Werte liegen im Bereich von Dämmstärken (WLG 035) zwischen 18 und 30 cm sowie U-Werten von 0,17 bis 0,11 W/m2K. Es handelt sich um ein fla- ches Optimum, da die Rüstkosten unab- hängig von der Dämmstärke in etwa kon- stant sind und im Wesentlichen nur die zusätzlichen Materialkosten anfallen.

Wenn man noch etwas höhere Dämm- qualitäten wählt, ist der »Verlust« minimal, jedoch kann dadurch unter Umständen eine größere Unabhängigkeit von Ener- giekostensteigerungen erreicht werden.

Wirtschaftliche Bewertung von einzelnen Bau- und Technikkomponenten

Eine wirtschaftliche Bewertung ist für jede Einzelmaßnahme separat möglich. Hier- bei zeigt sich, dass die »Kosteneffizienz«

der Passivhauskomponenten unter- schiedlich ausfällt (Abb. 2.23):

2.18

2.19

2.20

2.21

Abbildung

Abb. 2.30 stellt diese für Deutschland  gemeinsam mit der bisherigen Entwick-Energetische Nachhaltigkeit und

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