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Empirische Ergebnisse zum Güteverfahren vor dem SchiedsmannDorothea Jansen

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© F. Enke Verlag Stuttgart Zeitschrift für Soziologie, Jg. 17, Heft 5, Oktober 1988, S. 328-348

Parteiautonomie im Vermittlungsverfahren?

Empirische Ergebnisse zum Güteverfahren vor dem Schiedsmann

Dorothea Jansen

Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Lothringerstr. 78, D-5000 Köln 1

Z u s a m m e n f a s s u n g : Der Beitrag knüpft an das in Heft 1/1988 vorgestellte Modell zur Analyse von Vermittlungs­

verfahren an und konfrontiert die dort entwickelten Hypothesen mit Daten zu 194 Schiedsmannsverhandlungen. Das Ergebnis von Vermittlungsverfahren wird - entgegen seiner Legitimation durch Parteiautonomie - nicht in erster Linie von den Parteien, sondern vom Vermittler bestimmt. Das Ziel des Vermittlers, das Verfahren erfolgreich durchzufüh­

ren, führt ihn zu einer rechtspolitisch bedenklichen Ausbeutung seiner Situationsmacht zu Lasten der schwächeren Partei. Sind dagegen beide Parteien „autonom“ und überlassen dem Vermittler die Situationssteuerung nicht, so ist ein erfolgreicher Abschluß theoretisch nur unter bestimmten Bedingungen möglich, die sich aus der spieltheoretischen Analyse des Gefangenendilemmas ergeben. D ie Daten zeigen, daß diese Bedingungen durch die Komplexität der Parteibeziehungen nicht adäquat zu operationalisieren sind. Vielmehr ist als zweite, hinreichende Bedingung die Höhe und subjektive Wahrscheinlichkeit der durch die Kooperation der Streitparteien abgewendeten Verluste zu berück­

sichtigen.

1. Einleitung

In der Rechtssoziologie und -politik haben auf Vermittlung basierende Verfahren seit dem Ende der Reformära und mit dem Beginn der Diskus­

sion um die Überlastung der Gerichte und die Prozeßsucht der Bürger Konjunktur. Kleinere Streitigkeiten sollen von den Gerichten weg auf Schieds- und Schlichtungsstellen der verschieden­

sten Provinienz verlagert werden (vgl. Benda 1979;

Pfeiffer 1981; Strempel 1981 und 1983; Broschüre

„Schlichten ist besser als Richten“ Reihe: Bürger- Service 1983; BMJ 1987). Diese Verfahren sollen billiger, schneller und bürgernäher arbeiten als die Gerichte. Sie sollen nicht Recht und Schuld klä­

ren, sondern zu einer interessenausgleichenden Kompromißlösung führen, die dem subjektiven Gerechtigkeitsgefühl der Parteien entspricht. An­

ders als Gerichtsverfahren setzen Vermittlungsver­

fahren auf die Partizipation der Parteien. Ziel ist die parteiautonome Einigung, an der der Vermitt­

ler lediglich als Katalysator des Gesprächs der Parteien mitwirkt. Diese Autonomie der Parteien ist die Legitimationsgrundlage der Verfahren. Sie soll auch die Einhaltung der Verhandlungslösun­

gen garantieren. Die dem Konflikt zugrundelie­

genden Sozialbeziehungen sollen erhalten bleiben, Regelungen für die Zukunft gefunden und künfti­

ge Konflikte vermieden werden (vgl. Blankenburg et al. 1980; Gottwald 1981; Blankenburg et al.

1982; Falke/Gessner 1982 a; Abel 1982c).

Der folgende Beitrag will aufzeigen, daß die Vor­

stellungen der Befürworter konsensueller Kon­

fliktregelungsverfahren (Informal Justice) einen

erheblichen Mittelschichtbias tragen. Vorausset­

zung ihres Funktionierens sind aktive, handlungs­

kompetente Streitparteien. Anhand von Daten zu Vermittlungsverfahren vor dem Schiedsmann läßt sich jedoch zeigen, daß diese Voraussetzung in der Regel fehlt. Das Verfahrensergebnis wird deshalb nicht in erster Linie von den Parteien, sondern vom Dritten im Streit bestimmt. Dessen Ziele sind in der Alternativendiskussion viel zu wenig reflek­

tiert worden. Sie führen zu rechtspolitisch bedenk­

lichen Konsequenzen, wenn Einigungen mit der strategischen Ausbeutung der weniger handlungs­

fähigen Partei durch den die Verhandlung bestim­

menden Vermittler erkauft werden. Weiter läßt sich anhand der hier vorgestellten Daten zeigen, daß in den vergleichsweise seltenen Fällen hoher Handlungskompetenz auf beiden Seiten ein spiel­

theoretisches Modell auf die Vermittlungssituation angewandt werden kann.

2. Theoretischer Rahmen

Theoriegrundlage der vorgestellten Untersuchung ist die von Langenheder (1975) formulierte Hand­

lungstheorie mit einer von Esser (1980) vorgeleg­

ten attributionstheoretischen Erweiterung. Perso­

nen entscheiden sich auf der Grundlage ihrer Lern­

erfahrungen und wahrgenommenen gegenwärtigen und künftigen (Ziel-)Situationen für diejenige Handlung, von der sie den meisten Nutzen erwar­

ten. Die Alltagstheorie einer Person verknüpft gegenwärtige und künftige Situationen durch Übergangsbedingungen und -Wahrscheinlichkei­

ten. Hinsichtlich der Struktur der Alltagstheorien

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Dorothea Jansen: Parteiautonomie im Vermittlungsverfahren? 329

unterscheidet Esser zwischen einem P-Typ (Per­

son-Typ) und einem U-Typ (Umgebungs-Typ) des Handelns. P-Typen vertrauen auf die Manipulier­

barkeit ihrer Umgebung durch eigenes Handeln, während U-Typen dazu tendieren, abzuwarten und anderen die Steuerung der Situation zu über­

lassen. Aufgrund typischer Sozialisationsumge­

bungen korreliert diese Neigung zum Deferenzver- halten mit Merkmalen wie Geschlecht, Bildung und Berufsstatus. Je unbekannter des weiteren eine Situation für eine Person ist, desto eher ten­

diert sie zu Deferenzverhalten (ausführlicher: Jan­

sen 1988a: 6f.).

Vermittlungsverfahren sind für den größten Teil der Bevölkerung weitgehend unbekannte Situatio­

nen. Erlerntes Standardverhalten für unbekannte, nicht definierte Situationen ist Deferenz, d. h. die Steuerung der Situation und damit auch ihre Aus­

beutung wird anderen überlassen. Die Erwartun­

gen der Informal Justice-Anhänger an die Partizi­

pation der Parteien erweisen sich damit als illuso­

risch. Sie gelten allenfalls für eine kleine Minder­

heit mit hoher Handlungskompetenz und starker interner Attributierung, die auch in nicht-definier- ten Situationen ihre eigenen Ziele aktiv verfolgen.

Können die Partizipationsansprüche nicht einge­

löst werden, so kommt aber nicht den Zielen und Gerechtigkeitsvorstellungen der Parteien, sondern dem Vermittler die entscheidende Rolle im Ver­

fahren zu. Meine These ist, daß das Ziel des Ver­

mittlers, das Verfahren erfolgreich abzuschließen, ihn zu einer problematischen Ausbeutung seiner Situationsmacht führen kann. Dies ist um so wahr­

scheinlicher, wenn es sich bei dem Vermittler um einen psychologischen und/oder juristischen Laien handelt, dem andere Zielvorstellungen (etwa nicht-direktive, nicht-wertende Verhandlungsfüh­

rung oder juristische Lösung des Falls) nicht zu­

gänglich sind. Ergebnis der Erfolgsorientierung des Vermittlers wird die systematische Ausbeu­

tung von Parteien mit hoher Kompromißbereit­

schaft und geringer Handlungskompetenz sein.

Unter der Voraussetzung, daß wenigstens eine Sei­

te ihm die Verhandlungssteuerung überläßt, kann er auf Kosten der schwächeren Partei Einigungen zustandebringen. Bei Fehlen der Partizipations­

voraussetzungen führt Informal Justice zu einer systematischen Übervorteilung der weniger hand­

lungsfähigen Streitparteien (ausführlicher: Jansen 1988a: 8).

Erfolgreiche Vermittlung kann zweitens unter spe­

zifischen Bedingungen auch als parteiautonome Einigung Zustandekommen. Die Situation von

zwei handlungskompetenten Parteien kann als Ge­

fangenendilemma beschrieben werden, in der je­

der Seite Unnachgiebigkeit als günstigste Hand­

lungsalternative erscheint. Diese paradoxe Blok- kierung läßt sich dann zugunsten beiderseitigen Nachgebens auflösen, wenn zwischen den Parteien eine sogenannte „institutionen-generierende Situa­

tion“ (Voss 1985; Raub/Voss 1986) besteht. Die Lösung des Gefangenendilemmas führt über ein sogenanntes Superspiel. Das sind mehrere hinter­

einandergeschachtelte Spiele des gleichen Typs.

Für das iterierte Gefangenendilemma gibt es bei bestimmten Bedingungen eine Gleichgewichtslö­

sung, die Kooperation im Einzelspiel vorschreibt.

Diese Bedingungen sind - kurz zusammengefaßt - Unabsehbarkeit des Superspielendes, ausreichen­

de Wertigkeit künftiger Kooperationsgewinne im Verhältnis zum Verzicht auf Ausbeutungsgewinne (= niedriger Diskontfaktor), Koorientierung der Akteure und vollständige und vollkommene Infor­

mation beider Seiten (ausführlicher: Jansen 1988 a:

9ff.; vgl. zur theoretischen Ableitung der Bedin­

gungen Voss 1985).

Auf die Situation der beiden handlungskompeten­

ten Konfliktparteien angewandt, bedeutet das: Die Parteien müssen sich in einer auf absehbare Zeit andauernden Beziehung befinden (unendliches Su­

perspiel), sie müssen erwarten können, daß ein aktueller Verzicht auf die „Ausbeutung“ des Geg­

ners durch künftig in diesem Verhältnis anfallende

„Gewinne“ ausgeglichen wird (Diskontfaktor).

Dies ist um so wahrscheinlicher, je enger die Be­

ziehung und je kostspieliger eine Nichteinigung für beide Seiten ist. Sie müssen Reziprozitätsnormen entwickelt haben, die eine bestimmte Aufteilung des „Gewinns“ steuern (Koorientierung). Und sie müssen ausreichend sicher sein, daß sie sich auch in Zukunft über das Verhalten des anderen valide Informationen beschaffen können, damit keine Anreize zu einer versteckten Nichtkooperation entstehen. Empirisch lassen sich die Bedingungen einer institutionen-generierenden Situation am ehesten an den Indikatoren Verhältnis der Partei­

en zueinander und Intensität des Konflikts festma- chen.

Der wesentlichen Bedeutung der Parteibeziehung trägt auch das in der rechtssoziologischen Alterna­

tivendiskussion von Falke und Gessner (1982 a und 1982 b) entwickelte Modell der Konfliktnähe Rech­

nung. Die Thematisierung eines Konflikts in recht­

lichen Kategorien, die eine Verhandlung ausschlie­

ßen, ist in diesem Modell um so wahrscheinlicher, je geringer die Komplexität der Parteibeziehungen

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330 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 17, Heft 5, Oktober 1988, S. 328-348

(person-, rollen- und normbezogene Konflikte) und je geringer die Interdependenz des Teilsy­

stems, dem der Konflikt entstammt (Falke/Gessner 1982b: 31). Während Vermittlung in diesem Mo­

dell bei person- und rollenbezogenen Konflikten angemessen ist, bleibt bei rein normbezogenen Konflikten nur der Richter als konfliktnahe Streit­

beendigungsinstanz. Dagegen wird im hier vertre­

tenen Modell von Vermittlungsverfahren deutlich, daß komplexe Parteibeziehungen nur in einem Sonderfall notwendige Bedingungen von Vermitt­

lung sind, nämlich dann, wenn beide Parteien als P-Typen die Steuerung der Verhandlung selbst in die Hand nehmen. Unterstellt man, daß konflikt­

nahe Streitbeendigungsformen erfolgreicher sein sollten als nicht konfliktnahe, so ergibt sich im Lichte der Entscheidungs- und Spieltheorie eine Reformulierung des Theorems der Konfliktnähe:

Hohe Konfliktkomplexität, d. h. enge Parteibezie­

hung, impliziert bei handlungskompetenten Streit­

parteien die Entstehung einer institutionen-gene- rierenden Situation. Nur im Falle nicht-deferenter Parteien sollte daher ein positiver Zusammenhang zwischen Vermittlungserfolg und Parteibeziehung bestehen (ausführlicher: Jansen 1988a: 12ff.).

Im folgenden werden die hier entwickelten Hypo­

thesen zur Partizipation der Parteien im Verfah­

1 D er Schiedsmann ist eine noch aus dem vorigen Jahr­

hundert stammende vor- und außergerichtliche Ver­

mittlungsinstitution zur Beilegung kleinerer strafrecht­

licher Vorwürfe und zivilrechtlicher Streitigkeiten (vgl.

Falke 1977, Bierbrauer et al. 1978). Im G efolge der Diskussion um Alternativen zur überlasteten Justiz hat diese inzwischen fast verkümmerte Institution erneute Aufmerksamkeit erfahren (vgl. Seetzen 1980, 1982;

Donnepp 1981). D ie Schiedsleute sind juristische und psychologische Laien, die von der Gemeinde in ihr Ehrenamt gewählt werden. Das Güteverfahren vor dem Schiedsmann wird durch einen Antrag des „An­

tragstellers“ beim zuständigen Schiedsmann in Gang gesetzt. D er Schiedsmann lädt beide Parteien zu einer Aussprache, die in der Regel abends in der Wohnung des Schiedsmanns stattfindet. Können sich die Parteien unter Anleitung des Schiedsmanns einigen, so proto­

kolliert dieser den Vergleich, der vollstreckbar ist.

Kommt es nicht zur Einigung, so steht den Parteien der Rechtsweg offen. Obligatorisch vorgeschaltet ist dieses Güteverfahren vor einer Privatklage in bestimmten Strafsachen (einfache Körperverletzung, Beleidigung, Hausfriedensbruch etc.). In Zivilsachen ist das Vorver­

fahren aus der Sicht des Antragstellers optional. Wird es allerdings beschritten, müssen in NRW beide Partei­

en nach Ladung durch den Schiedsmann bei Andro­

hung von Ordnungsgeld zum Termin erscheinen (Schm O N W ).

ren, zur Situationssteuerung und Ausbeutung durch den Vermittler und zu den Bedingungen des Erfolgs von Vermittlungs verfahren anhand von Daten zu 194 Vermittlungsverfahren vor dem Schiedsmann1 auf ihre Tragfähigkeit überprüft2.

3. Ergebnisse

3.1 Partizipation der Parteien im Verfahren Die Partizipation der Parteien im Güteverfahren ist gering. Nach einer ersten Phase der Verhand­

lung, in der der Schiedsmann sich um die Aufklä­

rung des Sachverhalts bemüht und an der die Par­

teien - wenn auch meist reaktiv - noch vergleichs­

weise stark beteiligt sind, sinkt die Partizipation der Parteien in der eigentlichen Verhandlungspha­

se drastisch ab. Den ersten Vergleichsvorschlag macht in drei Viertel der Verfahren der Schieds­

mann. Nur in etwa jedem fünften Fall kommt der erste Vorschlag von einer der Parteien. Nur jede dritte Partei macht überhaupt während der gesam­

ten Verhandlung einen eigenen Einigungsvor- schlag und nur jede zehnte „verhandelt“ mit der anderen Seite über einen Vorschlag.

Der vom Schiedsmann unterbreitete Vorschlag fällt ganz überwiegend zugunsten des Antragstel­

lers aus. 70% der ersten Vorschläge erfüllen die Forderungen des Antragstellers ganz oder über­

wiegend. Nur knapp 20% sind echte Kompromiß­

vorschläge, die von beiden Seiten ein etwa gleich starkes Nachgeben verlangen. Hintergrund für die massive Übervorteilung des Antragsgegners ist der

2 D ie Daten wurden im Rahmen der Begleitforschung zur Evaluation der neuen Schiedsmannsordnung NW (Auftraggeber: BMJ) erhoben, die ich am Lehrstuhl für Rechtssoziologie und -philosophic an der Ruhr- Universität Bochum durchgeführt habe. In der Zeit vom 1.9.-3 1 .1 2 .1 9 8 4 wurden alle zivilrechtlichen Gü­

teverfahren in Nordrhein-Westfalen sowie in ausge­

wählten Amtsgerichtsbezirken zusätzlich gemischte Fälle erhoben. In gemischten Fällen wird neben einem strafrechtlichen Vorwurf (z. B. Sachbeschädigung) eine zivilrechtliche Forderung (z. B. Schadenersatz) erho­

ben und verhandelt. Erhebungsinstrumente waren drei zusammengehörige Fragebögen, von denen einer vom Schiedsmann auszufüllen war, und die beiden anderen vom Schiedsmann den Parteien übergeben wurden.

Insgesamt konnten im Erhebungszeitraum 194 Güte­

verhandlungen erfaßt werden, wobei neben den Schiedsmannsfragebögen 133 Fragebögen von Antrag­

stellern und 101 Fragebögen von Antragsgegnern ein­

gingen (vgl. zur Anlage der Untersuchung und den Instrumenten Jansen 1987 b).

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Dorothea Jansen: Parteiautonomie im Vermittlungsverfahren? 331

Ablauf des Vorverfahrens. Während der Antrag­

steller fast immer die Gelegenheit hat, seine Sach­

verhaltsversion und seine Vorwürfe dem Schieds- mann bei der Antragstellung persönlich vorzutra­

gen, haben nur 37% der Antragsgegner - zumeist in eigener Initiative nach Erhalt der Ladung - ein in der Regel telefonisches Vorgespräch mit dem Schiedsmann geführt. Der Ablauf dieses Ge­

sprächs unterscheidet sich erheblich vom Vorge­

spräch mit dem Antragsteller. Nur in der Hälfte der Gespräche erhält der Antragsgegner die Gele­

genheit, seine Version der Geschichte darzustel­

len. In 28% der Vorgespräche blockt der Schieds­

mann diesen Versuch unter Verweis auf die Ver­

handlung ab. Die übrigen Antragsgegner „woll­

ten“ laut Angabe des Schiedsmanns den Sachver­

halt nicht schildern. Dies ist aber noch vor der Erkundigung nach dem Verhandlungsablauf (44%) das wichtigste Motiv der Antragsgegner für den Kontakt mit dem Schiedsmann (63%).

Die aufgrund der Schiedsmannsangaben erstellte Charakterisierung der Vorverhandlungssituation wird durch die Eindrücke der Parteien bestätigt.

Der Schiedsmann verhält sich im Vorgespräch mit dem Antragsgegner eher ablehnend. Er ist wesent­

lich zurückhaltender mit Fragen zum Sachverhalt ebenso wie mit Auskünften über das Verfahren.

Statt über Ablauf und Kosten wie gegenüber dem Antragsteller zu informieren, wird dem Antrags­

gegner mit Ordnungsgeld bei Nichterscheinen ge-

Tabeile 1 Partizipation des An­

tragstellers in der Verhandlung in Abhängigkeit von seinem Berufssta­

tus, der persönlichen Bekanntheit beim Schiedsmann, der Kenntnis der Schiedsmannsinstitution und der Gerichtserfahrung als Kläger bei Konstanz des Streitwerts.

1. Unabhängige Empirische Bereinigte Bereinigte Berufsstatus Mittelwerte Mittelwerte Mittelwerte

niedrig 1,72 1,71 1,72

mittel 1,54 1,54 1,54

hoch 1,75 1,75 1,76

Eta/Beta/Beta 0,20 0,19 0,20

2. Unabhängige

Bekanntheit beim Schiedsmann (SM)

ja 1,63 1,61 1,59

nein 1,65 1,65 1,66

Eta/Beta/Beta 0,02 0,04 0,06

3. Unabhängige

Kenntnis der SM-Institution

nein 1,72 1,73 1,72

ja 1,61 1,61 1,61

Eta/Beta/Beta 0,10 0,10 0,10

4. Unabhängige Gerichtserfahrung

als Kläger 1,56 1,58 1,57

andere Gerichtserfahrung 1,64 1,66 1,65

keine 1,68 1,66 1,67

Eta/Beta/Beta 0,10 0,08 0,08

Multiples R 0,236 0,253

Erklärte Varianz 0,056 0,064

Gesamtmittelwert* 1,64

Basis n = 105

*) Die Ausprägungen der abhängigen Variable, deren Mittelwerte die Tabel­

le ausweist, sind:

1 = Partizipation in der Verhandlung (Vorschlag gemacht) 2 = keine Partizipation.

(5)

332 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 17, Heft 5, Oktober 1988, S. 328-348 Tabelle 2 Partizipation des A n­

tragsgegners in der Verhandlung in Abhängigkeit von seinem Berufssta­

tus, der persönlichen Bekanntheit beim Schiedsmann, der Kenntnis der Schiedsmannsinstitution und der Gerichtserfahrung als Kläger bei Konstanz des Streitwerts.

1. Unabhängige Empirische Bereinigte Bereinigte Berufsstatus Mittelwerte Mittelwerte Mittelwerte

niedrig 1,75 1,71 1,75

mittel 1,64 1,65 1,65

hoch 1,50 1,53 1,49

Eta/Beta/Beta 0,19 0,14 0,20

2. Unabhängige Bekanntheit beim S M

ja 1,52 1,54 1,58

nein 1,68 1,68 1,68

Eta/Beta/Beta 0,16 0,13 0,07

3. Unabhängige

Kenntnis der SM-Institution

nein 1,57 1,53 1,52

ja 1,64 1,65 1,65

Eta/Beta/Beta 0,05 0,10 0,11

4. Unabhängige Gerichtserfahrung

als Kläger 1,48 1,49 1,49

andere Gerichtserfahrung 1,71 1,69 1,70

keine 1,67 1,68 1,67

Eta/Beta/Beta 0,20 0,18 0,18

Multiples R 0,297 0,373

Erklärte Varianz

Gesamtmittelwert* 1,63

0,088 0,139

Basis Z3 II ^1 Ol

*) Vgl. zur Bedeutung der Mittelwerte Anm. * zu Tab. 1.

droht und zur Einigung, d. h. zur Anerkennung der Forderung des Antragstellers geraten. Die sub­

jektiv erlebte Parteinahme des Schiedsmanns für den Antragsteller geht aus den Antworten der Parteien deutlich hervor. Fast jeder zweite Antrag­

steller (47,2%) fühlt sich schon im Vorgespräch vom Schiedsmann in seinem Recht bestätigt, aber nur 15% der Antragsgegner. 27% der Antragsgeg­

ner meinen, der Schiedsmann habe durchblicken lassen, sie seien im Unrecht, dagegen nur 3% der Antragsteller.

Insgesamt ist die Vorverhandlungssituation dazu angetan, den Schiedsmann für den Antragsteller einzunehmen. Er gerät mehr oder weniger freiwil­

lig in die Rolle des Anwalts des Antragstellers, der

diesem zu seinem Recht verhilft. Der Antragsgeg­

ner wird unverhohlen eingeschüchtert. Er hat we­

sentlich weniger Chancen zur Sachverhalts- und Selbstdarstellung, er erfährt wenig über den Ver­

fahrensablauf, statt dessen wird ihm mit dem Ord­

nungsgeld gedroht und zur „Einigung“ geraten. Er ist somit als deferentes „Opfer“, auf dessen Kosten eine Einigung gehen wird, prädestiniert.

Im folgenden wird untersucht, inwiefern der er­

wartungsgemäß niedrige Grad der Partizipation der Parteien im Verfahren mit Indikatoren für den generellen Attributionstyp der Parteien ko variiert.

In Frage kommen hier der Berufsstatus und der Bildungsgrad der Parteien. Als weitere Einfluß­

größen, die situationsspezifisch verschiedene At-

(6)

Dorothea Jansen: Parteiautonomie im Vermittlungsverfahren? 333 tribuierungsweisen auslösen, werden die Bekannt­

heit des Schiedsmanns als Person3 und als Institu­

tion und etwaige Vor er fahr ungen mit Gerichtsver­

fahren untersucht. Je mehr Vorerfahrungen vorlie­

gen, desto vertrauter ist die Situation der Gütever­

handlung für die Parteien, desto seltener sollte Deferenzverhalten sein. Für die Gerichtserfahrung wird postuliert, daß insbesondere Erfahrungen als Kläger dazu führen, die Güteverhandlung als defi­

nierte Situation mit strategischen Handlungsmög­

lichkeiten zu sehen. Kläger haben im Gerichtsver­

fahren eine eher aktivere Rolle als Beklagte und sie verfügen auch tendenziell über positivere Er­

fahrungen, da sie in der Regel obsiegen. Der Parti­

zipationsgrad der Parteien wird durch den dichoto- men Indikator „eigener Einigungsvorschlag“ ge­

messen.

Als Analyseverfahren wurde die multiple Klassifi­

kationsanalyse4 (SPSS9, Anova) gewählt. Sie er­

laubt es, wie in der multiplen Regression gleichzei­

tig den Einfluß mehrerer Variablen zu untersu­

chen, stellt aber keinerlei Anforderungen an das Skalenniveau der unabhängigen Variablen5. Ge­

genüber der Varianzanalyse hat das Verfahren den Vorteil, daß es mit korrelierten Faktoren umgehen kann. Problematisch bleibt allerdings das Skalen­

niveau der abhängigen Variable, für die Intervall­

skalenqualität gefordert werden muß. Für den größten Teil der hier vorgestellten Analysen ist diese Einschränkung jedoch ohne Belang, da es sich um dichotome Abhängige handelt (vgl. Opp/

Schmidt 1976: 45ff.; Hummell/Ziegler 1976: E78;

Bortz 1985: Kap. 14). Die ausgewiesenen Mittel­

werte können als Prozentsatz der in der zweiten Kategorie befindlichen Fälle bzw. als bedingte Wahrscheinlichkeit interpretiert werden.

Die beiden folgenden Tabellen geben die Einfluß­

struktur der allgemeinen und situationsspezifi­

schen Indikatoren für den Attributionstyp auf die Verhandlungsbeteiligung wieder. Ihr Beitrag zur Erklärung des Partizipationsgrades der Parteien ist eher niedrig (Antragsteller 6,4%; Antragsgegner 13,9%). D ie Effekte gehen aber zumeist in die vermutete Richtung. Die Erklärungskraft der Un­

abhängigen ist für die Partizipation des Antrags­

gegners höher als für den Antragsteller. Ursache ist wohl, daß der Antragsgegner angesichts der mangelnden Berücksichtigung seiner Position

3 Der Indikator mißt eigentlich, ob der Schiedsmann die Konfliktpartei persönlich kennt. Es wird aber unter­

stellt, daß damit auch die umgekehrte Bekanntheit in der Regel gegeben ist.

durch den Vorschlag des Schiedsmanns eher Grund hat, in die Verhandlung einzugreifen.

Je höher der Status der Parteien ist, desto eher tendieren sie dazu, einen eigenen Vergleichsvor­

schlag in der Verhandlung vorzubringen. Bei den Antragstellern ist allerdings in der statushöchsten Kategorie eine Gegentendenz vorhanden. Sie be­

4 Die multiple Klassifikationsanalyse liefert ähnlich wie ein Breakdown empirische Mittelwerte der abhängigen Variablen für die Kategorien der unabhängigen Varia­

blen. Sie liefert darüber hinaus adjustierte Mittelwerte, die den Einfluß einer unabhängigen Variablen bei Kon­

stanz aller anderen Unabhängigen widerspiegeln. Drit­

tens können wie in der Varianzanalyse Kovariaten auspartialisiert werden. Der Vergleich der empirischen Mittelwerte, der bereinigten Mittelwerte bei Konstanz der anderen Unabhängigen und der bereinigten Mittel­

werte bei Konstanz der anderen Unabhängigen und der Kovariaten zeigt anschaulich die Überlagerung der ver­

schiedenen Einflußgrößen auf. Als zusammenfassende Maßzahlen des Einflusses der unabhängigen Variablen werden für jede Unabhängige sogenannte Eta- und Beta-Koeffizienten berechnet. Eta entspricht dem ein­

fachen Korrelationskoeffizienten. Beta ist ein Analo­

gon zum standardisierten Regressionskoeffizienten. Es gibt die Rangordnung der Einzeleffekte an. Der qua­

drierte Beta-Koeffizient ist das Verhältnis der Varianz, die sich unter Zugrundelegung der adjustierten Abwei­

chungen vom Gesamtmittel für die untersuchte Varia­

ble ergibt, zur Gesamtvarianz in der Abhängigen. Bei korrelierten Unabhängigen ist Beta jedoch kein Maß für die durch die betrachtete Variable erklärte Varianz.

Die Summe der Betas kann den multiplen Korrela­

tionskoeffizienten, der ebenfalls ausgewiesen wird, über- oder untertreffen. Zwischen dem quadrierten Beta-Koeffizienten und dem quadrierten partiellen Korrelationskoeffizienten besteht folgender Zusam­

menhang:

(1) r212.3.. .n “ ß212.3. (i

.. n “ R22.3., ( i - R21.2.. . n) bzw.

(2) ß212.3.. . n - r2“ r 12.3 . (i

. . n

- R21.3. ,.n) (i - R22.3..

Beta ist also immer dann größer als der partielle Korre­

lationskoeffizient, wenn die untersuchte abhängige Va­

riable durch alle unabhängigen Variablen zusammen schlechter erklärt werden kann als die unabhängige Variable selbst (vgl. Andrews et al. 1973:49).

5 Mathematisch gesehen handelt es sich um eine multiple Regression, in der statt mit den unabhängigen Varia­

blen mit diese abbildenden Dummies gerechnet wird.

Eine ausführliche Darstellung des Verfahrens findet sich in Andrews et al. 1973 und Kim/Kohout 1975b.

(7)

334 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 17, Heft 5, Oktober 1988, S. 328-348

teiligen sich am seltensten mit einem eigenen Vor­

schlag, möglicherweise weil sie geschickt genug sind, die für ihre Interessen wirkende Rolle des Schiedsmanns nicht zu stören. Ein ähnlicher Effekt ist bei ihnen für den Bildungsgrad festzustellen.

Der Einbezug der Bildungsvariable statt des Be­

rufsstatus führt bei beiden Parteien zu einer besse­

ren Varianzaufklärung (AS: 10,9% bei n = 106;

AG: 22,3% bei n = 80), aber auch zu einer Verrin­

gerung der Fallzahlen (keine Tabellen). Bei beiden Parteien wirkt sich die Statushöhe des Gegners negativ auf die eigene Beteiligungsrate aus (keine Tabellen). Die persönliche Bekanntheit der Partei­

en, die hier als Indikator für Vertrautheit mit dem Schiedsmann als Person herangezogen wird, wirkt positiv auf die Beteiligungsintensität beider Partei­

en. Ebenfalls positiv wirkt die Gerichtserfahrung als Kläger, allerdings beim Antragsgegner wesent­

lich stärker, was wohl darauf zurückzuführen ist, daß er seine Interessen eher gefährdet sieht als der Antragsteller. Die Kenntnis der Schiedsmannsin- stitution, die ebenso wie die Gerichtserfahrung für Vorkenntnisse im Umgang mit formalisierten Ver­

fahren steht, wirkt nur beim Antragsteller wie vermutet positiv auf den Partizipationsgrad. Beim Antragsgegner ist empirisch ein schwacher negati­

ver Zusammenhang festzustellen, der sich nach Kontrolle der anderen Indikatoren für generelle und situationsabhängige Deferenz verstärkt. Wird statt des Berufstatus der Bildungsgrad auspartiali- siert, wird der Effekt noch deutlicher. Ob hier aus den Vorerfahrungen mit dem Schiedsmann Ein­

sicht in die Nutzlosigkeit eigener Vorschläge resul­

tiert, kann hier nicht weiter überprüft werden.

Möglich ist auch, daß es sich um einen Rückzug in grundsätzliche Ablehnung der Verhandlung han­

delt, an der man nur wegen des Ordnungsgeldes teilnimmt. Während der Streitwert, der als Kova- riate auspartialisiert wird, für die Beteiligung des Antragstellers von geringer Bedeutung ist, hat er auf den Antragsgegner einen aktivierenden Effekt (Beta = -0,033).

3.2 Die Steuerung der Verhandlung durch den Vermittler

Nach dem theoretischen Modell sollte für den In­

halt des ersten Vorschlags die vom Schiedsmann wahrgenommene „Widerständigkeit“ der Parteien eine wesentliche Bestimmungsgröße sein, wenn der Vorschlag - wie das in 75% der Verhandlun­

gen der Fall ist - vom Schiedsmann unterbreitet wird. Die These des Modells geht dahin, daß der Vorschlag um so günstiger für eine Partei ausfällt,

je mehr Widerstand sie der Situationssteuerung des Schiedsmanns in Richtung Einigung entgegen­

setzt.

Die Vorschlagstendenz ist im Verhältnis zur Aus­

gangsforderung in fünf Stufen ordinal gemessen worden6. Als Indikator für den vom Schiedsmann erlebten Widerstand der Parteien werden seine Angaben zur Einigungsbereitschaft der Parteien eingesetzt, die mit den subjektiven Verhandlungs­

absichten der Parteien nur gering korrelieren (AS:

r = 0,085; AG: r = 0,26), dafür aber mehr mit dem Widerspruch der Parteien gegen die Verhand­

lungsführung des Schiedsmanns zu tun haben. Die Analyse bezieht nur solche Verhandlungen ein, in denen der erste Vorschlag vom Schiedsmann ge­

macht wurde. Da theoretisch eine interaktive Ver­

knüpfung der wahrgenommenen Widerständigkeit beider Parteien zu erwarten ist, wird zusätzlich zur Klassifikationsanalyse die Bedeutsamkeit der Interaktion in einer hierarchischen Varianzzerle­

gung überprüft. Rund 5% der erklärbaren Varianz entfallen auf die interaktiven Wirkungen der Va­

riablen. Die Ausrichtung des Vorschlags an der Widerständigkeit einer Partei ist gleichzeitig ab­

hängig von dem von der anderen Seite erwarteten Widerstand.

Die bereinigten Mittelwerte für den Inhalt des ersten Vorschlags zeigen, daß die Vorschläge gün­

stiger für den Antragsteller sind, wenn dieser nach Ansicht des Schiedsmanns nicht einigungsbereit ist, als wenn er geringe oder mittlere Bereitschaft zu Zugeständnissen hatte. Der gleiche Zusammen­

hang gilt für den Antragsgegner. Beide Effekte sind etwa gleich stark. Mit der Ausbeutungshypo-

6 Für das hier verwandte Analyseverfahren stellt das insofern ein Problem dar, als hinsichtlich der abhängi­

gen Variable Intervallskalenqualität vorausgesetzt wird. Hier kann jedoch unterstellt werden, daß das angezielte hypothetische Konstrukt intervallskaliert ist.

D ie Ordinalskalenqualität der Daten ist also nur eine Folge der ungenauen Meßoperation. D ie erhobenen Daten stellen eine unregelmäßige, aber monotone Transformation der wahren Skala dar. Wie Boyle zei­

gen konnte, führt die falsche Annahme der Äquidi- stanz bei Ordinaldaten zu einer Unterschätzung des wahren Korrelationskoeffizienten. D ie Schätzung wird um so konservativer, je unzutreffender die Annahme gleicher Abstände ist und je näher der wahre Korrela­

tionskoeffizient bei 1 liegt (Boyle 1976: 239). Unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse ist die Verwendung auch ordinalskalierter abhängiger Variablen in der multiplen Klassifikationsanalyse ohne die Gefahr einer Überschätzung der erklärten Varianz möglich.

(8)

Dorothea Jansen: Parteiautonomie im Vermittlungsverfahren? 335 Tabelle 3 Inhalt des ersten Vor­

schlags, soweit er vom Schieds- mann stammt, in Abhängigkeit von der vom Schiedsmann wahrgenom­

menen Einigungsbereitschaft der Parteien bei Konstanz des Streit­

werts.

Hierarchische Varianzanalyse

Quadratsumme Erklärte Varianz in %

Faktoren 39,091 25,3

Faktoren und Kovariate Faktoren, Kovariate und

44,905 29,0

Interaktion 2. Ordnung 52,232 33,8

Gesamtvarianz 154,623

Multiple Klassifikationsanalyse 1. Unabhängige

Vom S M wahrgenommene Einigungsbereitschaft des Antragsteller (AS)

Empirische Mittelwerte

Bereinigte Mittelwerte

Bereinigte Mittelwerte

keine 1,92 1,83 1,85

gering 2,66 2,71 2,66

mittel 2,47 2,51 2,50

hoch 1,66 1,71 1,72

Eta/Beta/Beta 0,35 0,37 0,35

2. Unabhängige Vom S M wahrgenommene Einigungsbereitschaft des Antragsgegner (AG)

keine 2,69 2,72 2,70

gering 1,98 1,81 1,77

mittel 1,56 1,57 1,59

hoch 2,02 2,05 2,08

Eta/Beta/Beta 0,34 0,36 0,36

Multiples R 0,503 0,539

Erklärte Varianz 0,253 0,290

Gesamtmittelwert* 2,05

Basis c II CO o

*) Die Kategorien der abhängigen Variable „Inhalt des ersten Vergleichsvor­

schlags“, deren Mittelwerte für die Kategorien der unabhängigen Varia­

blen die Tabelle ausweist, sind:

1 = Vorschlag erfüllte die Forderungen des Antragstellers ganz.

2 = Vorschlag erfüllte die Forderungen des Antragstellers überwiegend.

3 = Vorschlag erfüllte etwa die Hälfte der Forderungen des Antragstel­

lers.

4 = Vorschlag erfüllte weniger als 5 0 % der Forderungen des Antragstel­

lers.

5 = Vorschlag erfüllte die Forderungen des Antragstellers nicht.

Je näher die ausgewiesenen Mittelwerte dem Wert 1,00 kommen, desto günstiger ist der Vorschlag für den Antragsteller, je näher sie dem Wert 5,00 kommen, desto günstiger ist er für den Antrags­

gegner.

these nicht übereinstimmt, daß die ersten Vor­

schläge bei hoher Vergleichsbereitschaft des An­

tragstellers für diesen gleich günstig sind wie bei Fehlen jeglicher Kompromißbereitschaft. Eben­

falls paßt nicht ins Bild, daß die ersten Vorschläge

bei hoher Kompromißbereitschaft der Antragsgeg­

ner nicht ungünstiger für sie ausfallen als bei gerin­

ger und mittlerer Einigungsbereitschaft.

Es könnte sein, daß die kurvilineare Beziehung zwischen wahrgenommener Einigungsbereitschaft

(9)

336 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 17, H eft 5, Oktober 1988, S. 328-348

der Parteien und Inhalt des ersten Vorschlags auf die Interaktion zwischen den Faktoren zurückgeht.

Um dies zu klären, wird der interaktiven Wirkung der Variablen durch die Bildung einer Kombina­

tionsvariablen weiter nachgegangen. Mit insge­

samt 130 für die Analyse zur Verfügung stehenden Fällen ist auch eine Schätzung von 16 Einzelkoeffi­

zienten noch vertretbar. Die Kategorienbesetzung wird zusätzlich in der Vorspalte der Tabelle 4 in Klammern ausgewiesen. Die Qualität der beding­

ten Wirkung der Einigungsbereitschaft des An­

tragstellers bzw. Antragsgegners wird durch die zusätzlich zu den empirischen Mittelwerten ausge­

wiesenen ungewichteten Mittelwerte des Vor­

schlagsinhaltes bei „konstanter“ Bedingung in der Tabelle deutlich. Weiter sind die gleichen Werte in zwei verschiedenen Ordnungen dargestellt, wobei zunächst der wahrgenommene Widerstand des An­

tragsgegners und dann der des Antragstellers vari­

iert wird.

Für den Antragsteller gilt bei eher hohem Wider­

stand von seiten des Antragsgegners, daß der Schiedsmannsvorschlag für ihn um so günstiger ist, je kompromißbereiter er dem Schiedsmann er­

scheint (vgl. Ordnung B). Dies trifft jedoch nicht für kompromißlose Antragsteller zu, die noch gün­

stigere (bei geringer Einigungsbereitschaft des An­

tragsgegners) oder fast genauso günstige (bei Feh­

len von Einigungsbereitschaft beim Antragsgeg­

ner) Vorschläge für sich erreichen. Ist der vom Antragsgegner dem Schiedsmann entgegengesetz­

te Widerstand dagegen eher schwach, so kommen die Antragsteller mit zunehmendem Widerstand im ersten Vorschlag des Schiedsmanns besser weg.

Dies trifft dann umgekehrt für die sehr kompro­

mißbereiten Antragsteller nicht zu, die die günstig­

sten ersten Vorschläge überhaupt unterbreitet be­

kommen. Fast dasselbe Muster liegt auch der be­

dingten Wirkung des wahrgenommenen Wider­

standes des Antragsgegners zugrunde (vgl. Ord­

nung A). Bei geringer bis hoher Kompromißbe­

reitschaft des Antragstellers ist der erste Vorschlag des Schiedsmanns für ihn um so günstiger, je stär­

ker sein Widerstand, mit Ausnahme der hohen Kompromißbereitschaft. Sie führt in etwa zum zweitbesten Vorschlag für den Antragsgegner. Bei Fehlen von Kompromißbereitschaft auf seiten des Antragstellers ist es für den Antragsgegner günsti­

ger, sich einlenkungswillig zu zeigen. Auch unter dieser Bedingung tritt der für ihn günstigste Vor­

schlag jedoch bei höchstem Widerstand auf.

Hinter diesem Muster kann folgende Bewertungs­

maxime des Schiedsmanns identifiziert werden: Ist eine der beiden Streitparteien seinen Einigungs­

versuchen wenig aufgeschlossen, so führen Zei­

chen der Einigungsbereitschaft der anderen Partei tendenziell zu einem günstigeren „Urteil“ für die einigungsbereite Partei. Ein solches Verhalten von Vermittlern wurde auch in rechtsethnographischen Studien bei Völkern ohne formales Rechtssystem festgestellt, die aber gleichzeitig von einer Ten­

denz des Vermittlers zum „Mittelweg“ berichten (Hoebel 1954). Scheitert der Mittelwegvorschlag des Vermittlers, der diesem den größten Prestige­

gewinn verspricht (beide Kontrahenten hatten Un­

recht), so verbündet sich der Vermittler mit der kompromißwilligen gegen die kompromißunwilli­

ge Partei. Dieses Vorgehen ist nach Ansicht von Aubert Grundlage für die Herausbildung rechtli­

cher Techniken der Konfliktlösung. Durch die Übermacht von Vermittler und kompromißwilliger Partei lassen sich gegen die unwillige Partei Lösun­

gen durchsetzen, die von einem Kompromiß, der der Stärke der Parteien entspricht, abweichen (Aubert 1973).

Eine zuvor verfolgte Mittelwegtendenz läßt sich beim Schiedsmann nicht feststellen, wohl aber ein der Tendenz der Ausnutzung mangelnden Partei­

widerstandes bzw. mangelnder Handlungskompe­

tenz entgegen wirkender Trend zur Allianz mit dem Kompromißwilligen gegen den Kompromiß­

unwilligen. Hierbei benachteiligt der Schiedsmann den Antragsgegner insofern, als bei ihm auch schon geringe Einigungsbereitschaft dieses Reak­

tionsmusters zugunsten des Antragstellers auslöst.

Beim Antragsteller reagiert er dagegen nur auf völliges Fehlen von Kompromißbereitschaft zu­

gunsten des Antragsgegners. Jeweils nicht zutref­

fend ist dieses Muster für die absolut kompromiß­

lose zweite Partei, die für sich auch gegenüber einer kompromißlosen Gegenseite den günstigsten Vorschlag herausholen kann. Handelt es sich bei der ersten Partei dagegen um eine eher zugängli­

che Partei, deren Bereitschaft zu Zugeständnissen der Schiedsmann für eine „Lösung“ des Konflikts ausnutzen kann, so führt Widerstand der Gegen­

seite zu für letztere günstigeren Vorschlägen.

Auch von dieser Regel gibt es eine moralische Ausnahme: den Fall der hohen Einigungsbereit­

schaft der zweiten Partei. In diesem Fall weicht der Schiedsmann zugunsten der zweiten Partei von der Regel des Ausnutzens von Widerstandslosigkeit ab. Auch hier benachteiligt er den Antragsgegner, der mit hoher Einigungsbereitschaft jeweils nur den zweit- bis drittbesten Vorschlag für sich er­

reicht, während der Schiedsmann auf Willfährig­

keit des Antragstellers stets mit dem günstigsten Vorschlag reagiert.

(10)

Dorothea Jansen: Parteiautonomie im Vermittlungsverfahren? 337 Tabelle 4 Inhalt des ersten Vor­

schlags, soweit er vom Schieds- mann stammt, in Abhängigkeit von der kombinierten wahrgenommenen Einigungsbereitschaft beider Partei­

en bei Konstanz des Streitwerts.

Ordnung A

Vom Schiedsmann wahr- Empirische Ungewichte­ Bereinigte genommene Einigungsbe­

reitschaften des Antrag- stellers/Antragsgegners

Mittelwerte tes Mittel Mittelwerte

keine keine (16) 2,50 2,49

keine gering (7) 1,14

1,81 1,03

keine mittel (11) 1,45 1,48

keine hoch (7) 2,14 1,82

gering keine (3) 4,00 3,98

gering gering (6) 2,66

2,78 2,42

gering mittel (3) 2,00 2,03

gering hoch(9) 2,44 2,49

mittel keine (5) 2,80 2,72

mittel gering (9) 2,33

2,50 2,30

mittel mittel (4) 2,25 2,32

mittel hoch (4) 2,60 2,58

hoch keine (5) 2,40 2,42

hoch gering (12) 1,58

1,67 1,65

hoch mittel (5) 1,00 0,92*

hoch hoch(23) 1,69 1,71

Ordnung B

Vom Schiedsmann wahr­ Empirische Ungewichte­ Bereinigte genommene Einigungsbe­

reitschaften des Antrags- gegners/Antragstellers

Mittelwerte tes Mittel Mittelwerte

keine keine (16) 2,50 2,49

keine gering (3) 4,00

2,93 3,98

keine mittel (5) 2,80 2,72

keine hoch (5) 2,40 2,42

gering keine (7) 1,14 1,03

gering gering (6) 2,66

1,93 2,42

gering mittel (9) 2,33 2,30

gering hoch (12) 1,58 1,65

mittel keine (11) 1,45 1,48

mittel gering (3) 2,00 1,68 2,03

mittel mittel (4) 2,25 2,32

mittel hoch(5) 1,00 0,92*

hoch keine (7) 2,14 1,82

hoch gering (9) 2,44

2,22 2,49

hoch mittel (5) 2,60 2,58

hoch hoch(23) 1,69 1,71

Eta/Beta 0,54 0,54

Multiples R 0,581

Erklärte Varianz

Gesamtmittelwert** 2,05

0,338

Basis n = 130

*) Die Koeffizientenschätzung führt hier methodisch bedingt zu geschätzten Mittelwerten, die außerhalb des empirisch interpretierten Wertebereichs der Abhängigen liegen. In der inhaltlichen Interpretation der Werte sollte von den jeweiligen Extremwerten ausgegangen werden.

**) val. zur Bedeutung der Mittelwerte der abhängigen Variable Anm. * zu Tab. 3.

(11)

338 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 17, Heft 5, Oktober 1988, S. 328-348

Insgesamt bestätigt die Analyse die Hypothese, daß der Schiedsmann sich in der Tendenz seines Vergleichsvorschlags an dem von den Parteien er­

warteten Widerstand orientiert und deferente bzw.

einigungswillige Parteien deshalb systematisch be­

nachteiligt. Dies gilt insbesondere für den Antrags­

gegner. Die Analyse läßt jedoch einen zweiten Maßstab erkennen, der als Bevorzugung des Ein­

sichtigen, insbesondere gegenüber einer uneinsich­

tigen Gegenseite bezeichnet werden kann. Dieser zweite Maßstab ist die Ursache dafür, daß die im additiven Modell berechneten Effekte jeweils für die sehr einigungsbereiten Parteien im Wider­

spruch zu meiner Hypothese günstigere Vor­

schlagsinhalte aufweisen. Dieser „Einsichtseffekt“

gilt stärker für den Antragsteller.

Das zugrundegelegte Modell zur Analyse von Ver­

mittlungsverfahren geht davon aus, daß der Schiedsmann in der Mehrzahl der Verhandlungen das Verfahrensergebnis bestimmt, weil die Partei­

en ihm in der U-Typ-Situation Güteverhandlung die Situationssteuerung überlassen. Bei Richtig­

keit des Modells ist zu erwarten, daß zwischen erstem und letztem Vorschlag kein großer Unter­

schied besteht, da die ersten Vorschläge zu 75%

vom Schiedsmann stammen.

Für insgesamt 167 Verhandlungen lassen sich er­

ster und letzter Vorschlag direkt miteinander ver­

gleichen. In über 70% dieser Fälle besteht nach den Schiedsmannsangaben kein Unterschied zwi­

schen den Vorschlägen. Dies wird durch die Anga­

ben der Parteien bestätigt. In jeweils etwa der Hälfte der Verhandlungen gab es überhaupt kei­

nen Alternativvorschlag und in einem weiteren Fünftel bestand kein Unterschied zwischen erstem und letztem Vorschlag. Veränderungen zugunsten des Antragsgegners sind lt. Schiedsmann mit 13,8% geringfügig seltener als Veränderungen zu­

gunsten des Antragstellers (15%). Allerdings weicht der letzte Vorschlag nur in 1,2% der Fälle um mehr als eine Kategorie zugunsten des An­

tragsgegners vom ersten ab, während die Antrag­

steller immerhin in 4,8% der Fälle eine derartige Veränderung zu ihren Gunsten durchsetzen konn­

ten. Die Richtung der Veränderung des Vor­

schlags korreliert deutlich mit Bildungsniveau und Geschlecht der Parteien, die hier als Indikatoren für die Neigung zu deferentem Verhalten in Unde­

finierten Situationen herangezogen werden. Bei Veränderungen zu Ungunsten einer Partei handelt es sich häufiger um weibliche bzw. um Personen mit geringer formaler Bildung, während Verände­

rungen zu den eigenen Gunsten häufiger von

männlichen bzw. Personen mit besserer formaler Bildung erreicht werden (Prozentsatzdifferenzen für Geschlecht beim AS: 10%, beim AG: 7%; für Bildung beim AS: 26%, beim AG: 25%).

Die multiple Klassifikationsanalyse für den letzten Einigungsvorschlag bestätigt sowohl die Bedeu­

tung des ersten Vorschlags als auch die Wirkung deferenten Parteiverhaltens. Der erste Vorschlag alleine erklärt fast 50% der Varianz7. Je günstiger4 der erste Vorschlag für den Antragsteller ist, desto günstiger für ihn ist auch der letzte Vorschlag, der dem eventuell geschlossenen Vergleich zugrunde­

liegt. Zwischen erstem und letztem Vorschlag fin­

det in allen Kategorien bis auf die erste eine Ver­

schiebung zugunsten des Antragstellers statt. In den drei mittleren Kategorien ist die Verschiebung gering (-0,04 bis -0,13), in der letzten Kategorie tritt im Mittel eine Verschiebung um eine ganze Ausprägung (von 5,00 auf 4,00) ein. Erfüllte der erste Vorschlag die Antragstellerforderungen gänzlich, so unterscheidet sich der letzte Vorschlag deutlich (+0,46) zugunsten des Antragsgegners.

Ob und in welcher Richtung sich zwischen erstem und letztem Vorschlag etwas ändert, hängt nach dem Modell vor allem von der Widerständigkeit der Parteien gegenüber dem Schiedsmannvor- schlag ab. Als Indikator hierfür kann wieder die vom Schiedsmann wahrgenommene Einigungsbe­

reitschaft der beiden Parteien herangezogen wer­

den, die negativ mit Protestreaktionen der Partei­

en korreliert.

7 D ie Analyse leidet allerdings unter zwei gegensätzli­

chen Verzerrungen. Da der (wahre) Korrelationskoef­

fizient sehr hoch sein dürfte, führt die (falsche) Annah­

me der Äquidistanz der Kategorien der abhängigen Variable tendenziell zu einer Unterschätzung der Kor­

relation (vgl. Boyle 1976: 239). D ie zweite Verzerrung entsteht durch das Problem der Autokorrelation. D ie Analyse bezieht hier dieselbe Variable, Inhalt des Ver­

gleichsvorschlags, zu zwei verschiedenen Zeitpunkten (erster Vorschlag und letzter Vorschlag) ein. Bei Meß­

wiederholungen ist davon auszugehen, daß es stabile implizite Variablen gibt (z. B. Meßfehler), die die Va­

riable zu beiden Zeitpunkten beeinflussen. Damit wird im Regressionsmodell die Annahme der Nichtkorrela­

tion der unabhängigen Variablen mit dem Residuum verletzt. Wie gezeigt werden kann, führt dies jedoch nicht zur Verzerrung aller Regressionskoeffizienten, sondern nur zu einer Überschätzung des Regressions­

koeffizienten, der den Einfluß der Variable zu tj auf die Variable zu t2 angibt, sowie zu einer entsprechenden Überschätzung des multiplen Bestimmtheitsmaßes (vgl. W eede 1977:39).

(12)

Dorothea Jansen: Parteiautonomie im Vermittlungsverfahren? 339

Tabelle 5 Inhalt des letzten Vor­

schlags in Abhängigkeit vom Inhalt des ersten Vorschlags und der vom Schiedsmann wahrgenommenen Einigungsbereitschaft der Parteien bei Konstanz des Streitwerts.

1. Unabhängige Empirische Bereinigte Bereinigte Erster Vorschlag: Erfüllung

der AS-Forderungen

Mittelwerte Mittelwerte Mittelwerte

ganz 1,47 1,59 1,61

meist 1,96 1,95 1,95

5 0 % 2,87 2,74 2,59

weniger als 5 0 % 3,87 3,79 3,77

nicht 4,00 3,85 3,83

Eta/Beta/Beta 0,72 0,64 0,62

2. Unabhängige

Einigungsbereitschaft des A S

keine 1,93 2,03 2,03

gering 2,65 2,31 2,32

mittel 2,48 2,38 2,39

hoch 1,89 2,04 2,03

Eta/Beta/Beta 0,31 0,14 0,15

3. Unabhängige

Einigungsbereitschaft des AG

keine 2,72 2,39 2,39

gering 2,07 2,19 2,18

mittel 1,55 1,82 1,81

hoch 2,18 2,15 2,16

Eta/Beta/Beta 0,36 0,18 0,18

Multiples R 0,749 0,753

Erklärte Varianz

Gesamtmittelwert* 2,15 n = 163

0,562 0,567

*) Vgl. zur Bedeutung der Mittelwerte der abhängigen Variablen Anm. * zu Tab. 3.

Auch nach Konstanthalten des ersten Vorschlags übt die vom Schiedsmann perzipierte Einigungsbe­

reitschaft der Parteien auf den Inhalt des letzten Vorschlags einen deutlichen Effekt aus. Je stärker der Widerstand einer Partei gegen die Situations­

steuerung durch den Schiedsmann ist, desto günsti­

ger ist der letzte Vorschlag für sie, mit Ausnahme des „Einsichtseffekts“, der für den Antragsteller wiederum stärker ausfällt als für den Antragsgeg­

ner. Der eigenständige Einfluß der vom Schieds­

mann wahrgenommenen Widerständigkeit der Parteien erklärt einen zusätzlichen Varianzanteil (gut 4%). Die additive Analyse erklärt 56,7% der Varianz des letzten Vorschlags, wovon nur ein halbes Prozent auf die (zusätzliche) Wirkung des Streitwerts zurückzuführen ist.

3.3 D ie Bedingungen des Erfolgs von Vermittlung Erfolgreiche Vermittlung kann nach dem hier vor­

gestellten Theoriemodell auf zwei sehr verschiede­

nen Wegen Zustandekommen. Erstens kann der Vermittler dann, wenn wenigstens eine der Streit­

parteien deferentes Verhalten zeigt, eine Einigung auf Kosten dieser Partei zustandebringen. Als we­

sentliche Einflußgrößen sind hier der Widerstand beider Seiten gegen die Steuerung des Vermittlers sowie der Inhalt des Vergleichsvorschlages zu un­

tersuchen. Zweitens können Einigungen zwischen nicht-deferenten, handlungskompetenten Parteien nur dann Zustandekommen, wenn die Vorausset­

zungen einer institutionen-generierenden Situation vorliegen.

(13)

340 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 17, Heft 5, Oktober 1988, S. 328-348 Tabelle 6 Verhandlungserfolg in

Abhängigkeit vom Inhalt des letzten Vorschlags und der vom Schieds- mann wahrgenommenen Einigungs­

bereitschaft der Parteien bei Kon­

stanz des Streitwerts.

Hierarchische Varianzanalyse Faktoren

Faktoren und Kovariate Faktoren, Kovariate und Interaktionen 2. Ordnung Faktoren, Kovariate und Interaktionen 2. und 3.

Ordnung Gesamtvarianz

Quadratsumme Erklärte Varianz in %

19,480 62,7

19,817 63,8

25,387 81,8

26,375 84,9

31,053 Multiple Klassifikationsanalyse

1. Unabhängige Empirische Bereinigte Bereinigte Letzter Vorschlag: Erfül­

lung der AS-Forderungen

Mittelwerte Mittelwerte Mittelwerte

ganz 1,12 1,21 1,22

meist 1,27 1,29 1,29

ca. 5 0 % 1,28 1,28 1,27

weniger als 5 0 % 1,28 1,12 1,11

nicht 1,50 1,09 1,07

Eta/Beta/Beta 2. Unabhängige

Vom S M wahrgenommene Einigungsbereitschaft des A S

0,21 0,14 0,15

keine 1,40 1,32 1,32

gering 1,16 1,21 1,22

mittel 1,26 1,18 1,19

hoch 1,12 1,22 1,21

Eta/Beta/Beta 3. Unabhängige

Vom S M wahrgenommene Einigungsbereitschaft des AG

0,26 0,13 0,12

keine 1,84 1,85 1,86

gering 1,05 1,04 1,04

mittel 1,06 1,04 1,04

hoch 1,07 1,08 1,08

Eta/Beta/Beta 0,77 0,78 0,79

Multiples R 0,792 0,799

Erklärte Varianz Gesamtmittelwert*

Basis

1,24 n = 169

0,627 0,638

*) Die Ausprägungen der abhängigen Variable sind:

1 = Vergleich 2 = Scheitern.

Die Dezimalzahl entspricht dem Prozentsatz der gescheiterten Verhand­

lungen bzw. der bedingten Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns.

Abbildung

Tabelle  5  Inhalt  des  letzten  Vor­
Tabelle  9  Verhandlungserfolg  in  Abhängigkeit von der  Konfliktintensität laut Parteiangaben  und dem  Inhalt des  letzten Vergleichsvorschlags für nichtdeferente Parteien.

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