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Nach der Erschließung dieses Grabes, das man Ma-wang-tui Nr

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1653

NEUE ASPEKTE IN DER CHINESISCHEN ORNAMENTIK AUFGRUND DER

LACK- UND TEXTILFUNDE VON MA-WANG-TUI

Von Gisela Pause, Köln

Mit 20 Abbildungen

In der zu Südchina gehörigen Provinz Hunan liegt eine für die chinesische

Kultur- und Kunstgeschichte mannigfach bedeutsame Stadt Ch' angsha . Dort

entdeckte man 1972 ein fürstlich ausgestattetes Grab, dessen Grabkammer

unangetastet noch alles enthielt, was man einst für einen wohlversorgten Auf¬

enthalt im unterirdischen Zwischenreich der Verstorbenen und für die Reise

ins Reich der Seligen für nötig erachtet hat; und das in einem ungewöhnlich

guten Erhaltungszustand, der wohl auf eine Isolierung der Grabkammer mit

Holzkohle und kaolinhaltiger Tonerde zurückzuführen ist, so daß uns nun ein

unermeßlicher intakter Fundbestand zur Auswertung vorliegt (l).

Nach der Erschließung dieses Grabes, das man Ma-wang-tui Nr. 1 genannt

hat, legte man noch zwei benachbarte Gräber frei. Diese beiden Gräber je¬

doch, namentlich Grab 2, enthielten nach den Grabungsberichten weniger Ge¬

genstände und hatten die über 2000 Jahre ihres Bestehens nicht so nahezu un¬

versehrt wie Grab 1 überdauert. Wir werden uns deshalb hier nur mit den

Fundkstücken von Ma-wang-tui Nr. 1 befassen.

Bestattet war in diesem Grab, etwa im Alter von 50 Jahren, die Gemahlin

eines Marquis von Tai , des Li Ts' ang Tai hou . der zur Zeit der West-Han-Dy-

nastie, von 193-186 v. Chr., über ein Gebiet im Bereich des heutigen Honan

oder aber Hupei geherrscht hat und zugleich Minister von Ch'angsha gewe¬

sen ist. Seine Grablege fand man in Grab 2, die seines im Alter von nur drei¬

ßig Jahren 168 v. Chr. verstorbenen Sohnes in Grab 3 von Ma-wang-tui .

Das Grab der Marquise von Tai ist wohl in die 70-60-er Jahre des 2. Jahr¬

hunderts v.Chr. zu datieren. Die Gegenstände aus ihrem Besitz und zu ihrer

Versorgung nach dem Tode sind von hervorragender Qualität und großer Viel¬

falt, dazu in mehrfacher Hinsicht aufschlußreich. Da sie aus dem Hause eines

sehr einflußreichen, wohlhabenden Edelmannes im südchinesischen Lehns¬

staat Ch'u stammen, dürften wir sie als repräsentativ für die Feudalkultur

ihrer Zeit und ihres Entstehungsgebietes von Ch ' angsha und dessen Umkreis

ansehen und es wagen, motiv- und stilgeschichtliche Faktoren dieses Fundbe¬

standes als typisch für den Bereich von Ch' angsha bzw. von Ch' u zu erachten.

Wenigstens ist dies für die Lackgeräte von Ma-wang-tui anzunehmen. Wenn

bisher auch nur vereinzelte Funde von den Lackarbeiten aus Ch' u Kunde ga¬

ben, so reichen sie doch aus, eine Vorstellung von der Lackkunst dieses Lehns¬

staates, insbesondere von Ch' angsha , zu gewinnen, und ihr entsprechen im

großen und ganzen die Lackfunde von Ma-wang-tui in Gefäßtypen, Dekor und

Farbstellung. Der Dekor der Lackgeräte weist die üblichen Charakteristika

auf: vorrangig ein- und dreiachsige Komposition mit vielen Spiral- und Wir¬

belmotiven in gegenwendiger Kombination, mit gerade durchgezogenen Dia¬

gonalachsen in ausgreifenden Überschneidungen und Zickzackbändern; dazu

(2)

gehören unzählige Häkchen und kleine Spiralen, so als hätten sich die Spiralen

und Hakenvoluten aus den lei-wen yün-wen Mustern von den Leibern der Dra¬

chenmotive spät-Chou-zeitlicher Ornamentkunst hier verselbständigt und zu

dynamischem Spiel entfaltet (2).

Völlig unerwartet hingegen waren die Textilfunde aus dem Grab der Marquise.

Die Farbenpracht, die Mannigfaltigkeit der gewebten, gedruckten, gemalten,

gefärbten und gestickten Muster und die vorzügliche Qualität mußten uns sehr

überraschen, mehr noch die geradezu sensationellen technologischen Fakten

ihrer Herstellung (3). Größte Beachtung fand ein in lebhaften Farben mit

Szenen und Motiven nach den früh-Han-zeitlichen Vorstellungen über die Gei¬

ster- und Totenwelt bemaltes Seidentuch (4). Als "Geisterbanner" ( lin chi ) oder "Seelenfluggewand" ( fei-i ) war es wohl in der Grabprozession vorange¬

tragen und dann über den Sarkophag der Marquise gebreitet worden; ein sol¬

ches Totenbanner lag übrigens auch auf dem Sarkophag ihres Sohnes in Grab

Nr. 3 (5).

So sehr die Textilien von Ma-wang-tui eine Erörterung bezüglich ihrer Her¬

stellungsweisen verdienten und so interessant eine ikonographisehe Erläute¬

rung der Darstellungen des nun ältesten erhalten gebliebenen Seidenbildes aus

der chinesischen Kunst wäre, wollen wir uns hier aus bestimmtem Grund

allein den Stoffmustern zuwenden.

Vorausgehend sei dazu eine terminologische Erklärung erlaubt. Muster,

Ornament, Motiv und Motivelement sind in sukzessiver Subordina¬

tionskette zu sehen. Ein Muster besteht aus mehreren Ornamenten oder we¬

nigstens Motiven in vielfacher, prinzipiell unendlicher Wiederholung. Ein Or¬

nament dagegen ist ein organisch geschlossenes Gefüge. Dessen wichtigste

Glieder sind die Motive, die Sinnträger, die Aufschluß geben über Be¬

deutung und Funktionen eines Ornaments bzw. - bei Kombination von Moti¬

ven oder von Ornamenten - eines ganzen Musters.

Solchen motivischen Einzelheiten, über die sich Formcharakter und Sinn

der am meisten bewunderten, aber eigentlich unverstandenen Stoffmuster von

Ma-wang-tui ermitteln lassen, soll nun unser besonderes Augenmerk gelten.

Damit kommen wir auf eine alte Kernfrage zurück, nämlich auf die Frage

nach dem Beginn der Pflanzenornamente in der chinesischen Kunst; und bei

allen Versuchen zur Klärung dieses Problems stand und steht auch weiterhin

die viel umstrittene Frage nach dem Ursprung: Sind die mit relativ großer

Verzögerung in der chinesischen Ornamentik aufgekommenen vegetabilen Or¬

namente autochthon entstanden, oder wurden sie übernommen?

Denn die altchinesische Ornamentkunst hat (wenigstens seit der Shang-Dy¬

nastie) offenbar außer den geometrischen ausschließlich Tier- und Wolken¬

ornamente gekannt. Wirkliche, unmißverständliche Pflanzenornamente sind

nach bisherigem Forschungsstand in der chinesischen Kunst erst sehr viel

später als in den umliegenden Kulturen in Erscheinung getreten, frühestens

im 3. Jahrhundert nach der Zeitenwende.

Selbst die südsibirischen Nomadenstämme, die "Nordbarbaren", wie die

Chinesen sie nannten, deren Ornamentik wie die chinesische vorrangig auf

Tier- und Geistersymbolik abgestimmt war, verfügten spätestens im 3. Jahr¬

hundert vor Christi Geburt über echte Pflanzenornamente, die sie freilich

nachweislich westlichen, mit hellenistischer Kultur in Verbindung gekommenen

Ubermittlern zu verdanken hatten. Funde aus dem 5. Kurgan von Pazyryk im

(3)

1655

Abb. 1: "Zweige des Ulunbaumes mit Phönixen", Teil einer Seidenstickerei

aus dem 5. Kurgan von Pazyryk im Altai; wohl Mitte 3. Jh. v.Chr. (Nach

Grjasnow 5.-4. Jh. v.Chr.); Ermitage, Leningrad. Zeichng. d. Verf. nach

Grjasnow, Südsibirien, Taf. 129, mit leichten Ergänzungen.

(4)

Altai, russischer Datierung gemäß aus dem 5. -4. Jahrhundert v.Chr. (Gr¬

jasnow), vermutlich aber eher aus der Mitte des 3. Jahrhunderts, belegen

das zweifelsfrei.

Gestatten Sie mir einen kleinen Exkurs, der uns zum Verständnis der Stoff¬

muster von Ma-wang-tui dienlich sein wird. Das erstaunlichste Exemplar der

erwähnten Pazyryk- Funde ist eine vielfarbige Seidenstickerei auf einer Sattel¬

decke (Abb. l), (6) ein Muster aus Doppelranken mit Glockenblumen, Blätt¬

chen, Blütenknospen und Blattkelchen mit Fruchtknoten; nach der Komposi¬

tionsform, der Motivwahl und der eingehender Naturbeobachtung folgenden

Motivgestaltung ein beredtes Zeugnis westlicher Einflußströmung in der nörd¬

lichen Nachbarregion Chinas. Ob nun tatsächlich die "Zweige des Ulunbaumes

mit singenden Phönixen" hier wiedergegeben sind-, wie Grjasnow meint, mag

dahingestellt bleiben. Der pflanzliche Charakter des Musters jedenfalls ist

vollkommen glaubhaft.

Freilich finden sich im oberen Abschnitt, wo die weichen Kurvenlinien ge¬

brochen sind, rätselhafte Motive und Elemente, die gewiß Vorbildern aus der

chinesischen Ornamentik der späten Chou-Zeit entnommen wurden. Da über¬

dies sowohl der Deckenstoff wie die nach chinesischer Art in Kettenstich aus¬

geführte Stickerei aus Seide bestehen, erwägen die russischen Archäologen,

namentlich Grjasnow, eine Abkunft dieses Musters, wenn nicht überhaupt des

ganzen, heute in der Ermitage zu Leningrad befindlichen Stückes aus China (7).

Sie übergehen dabei die Tatsache chinesischer Tributzahlungen in Seide zur Be¬

sänftigung der "Nordbarbaren" und halten es für möglich, daß eine in den Nor¬

den verheiratete Prinzessin zumindest die Vorlage zu dem Satteldeckenmuster

mitgebracht habe. Eine Herkunft aus Ch' angsha könnte man dabei wohl an¬

nehmen, weil zum einen aus der Nordchinesischen Ornamentik überhaupt nichts

Vergleichbares bekannt geworden ist und zum anderen, die Zartgliedrigkeit der

Formen und der gefällige Duktus der Kurvenlinien sowie die abstrus wirkenden

Phantasiegebilde offenbar zoomorphen Ursprungs das Muster in der Tat mit

der Formensprache von Ch' angsha -Funden, vor allem der Lackgeräte, ver¬

wandt erscheinen lassen (8).

Wäre das Muster der Seidenstickerei aus Pazyryk tatsächlich maßgeblich

von Arbeiten aus Ch' angsha beeinflußt worden, so hätte man spätestens im

3. Jahrhundert v.Chr. in Ch'u über ausgeprägte Blumenranken-Ornamente

verfügen müssen. Funde solcher oder auch nur annähernd ähnlicher Art sind

bisher nicht gemacht worden, aber die Ornamente der etwa ein Jahrhundert

jüngeren Funde von Ma-wang-tui , insbesondere diejenigen der bestickten Stof¬

fe, lassen nun Rückschlüsse zu; unter ihnen müßten dann ganz bestimmt Pflan¬

zenornamente zu finden sein.

In ihrer heiteren Vielfarbigkeit und den schmiegsam gebildeten Motiven wir¬

ken manche der Stoffmuster unabweisbar wie Blumenmuster, und in der gro¬

ßen Ma-wang-tui Publikation von 1973 wird eines sogar mit einem Pflanzen¬

namen benannt. Das ist das vierfarbig gestickte Muster eines Fragments aus

einfacher Seide unter dem Namen " Shu-yü wen " (Abb. 2) (9). Shu-yü . Cor-

nus officinalis, Hornstrauch oder Hartriegel, ist ein auf der nördlichen

Hemisphäre weit verbreiteter Strauch, der in China Baumhöhe erreichen kann

und dessen Zweige in der chinesischen Medizin Verwendung finden. In der chi¬

nesischen Kunst begegnet Shu-yü nirgends sonst, nur in der chinesischen Lyrik

läßt es sich nachweisen, in Zusammenhang mit einem jahreszeitlichen Brauch;

(5)

1657

Abb. 2

Abb. 3

Sogenanntes Shu-yü-Ornament, aus einer Seidenstickerei aus Ma-wang-tui,

Grab 1; China, West-Han-Zeit, ca. 170 - 160 v.Chr. Reprod. nach MWT

Bd. I, Fig. 48.4.

"Blitzdrachenmuster" eines Spiegels aus Shou-hsien; China, Chan-Kuo-Zeit,

ca. 3. Jh. v.Chr.; F. Caro Coll., New York. Zeichnung d. Verf. nachBuUing,

Han Mirrors 1960, PI. 3, Detail.

(6)

aber das auch erst seit den Jahrhunderten nach der Han-Zeit (lO). Das ein¬

zelne Ornamente aus dem dieses " Shu-yü -Muster" in Reihenwiederholung be¬

steht, fordert hinsichtlich seiner glockenähnlichen Motive zu einer Gegenüber¬

stellung mit der Seidenstickerei aus Pazyryk heraus.

Die Wiedergabe der "Ulunbaum"-Zweige gibt zu erkennen, wie solche Zwei¬

ge allmählich, mit Wachstumsknoten und Verästelungsstellen gesproßt sein

mögen, bis sie aus der äußersten Kelchbildung in der letzten Phase ihrer M e-

tamorphose Blättchen und Knospen an feingliedrigen Stielen hervorbrachten,

die sich zu Glockenblüten entfalteten.

Einfachere, aber doch glockenartige Motive an langen, dünnen Stielen be¬

sitzt auch das sogenannte " Shu-yü" -Ornament. Doch die tropfenförmigen Ele¬

mente, die vermeintlichen Shu-yü-Kerne, sitzen nicht, wie bei einer Blüten¬

knospe oder einem Fruchstand, in drei- oder mehrblättrigen Blattkelchen,

sondern sind nur zweizipfelig umfaßt; und die langen Stiele brechen aus For¬

men hervor, die keine vegetabil wachstumsmäßige Bildung erkennen lassen,

vielmehr mit voluten- und widerhakenförmigen Elementen besetzt sind, ähn¬

lich wie die Glieder der Leiber von Drachenornamenten. Zudem ist die dem

offenen Wirbelornament zugrundeliegende Struktur die für die Figurierung von

Vogel- und Schlangendrachen charakteristische C-Schlinge, an den Enden und

auf der Außenseite knorpelig verdickt. Was vollends gegen die Deutung als

Pflanzenornament spricht, das ist das in der Nachzeichnung gut erkennbare

offene Rauten-Motiv, allem Anschein nach ein übriggebliebener Bestandteil

aus dem mit der "Blitzraute" kombinierten Vogeldrachen-Ornament der Spie¬

gelmuster von Shou-hsien aus dem 3. Jahrhundert v.Chr. (z.B. Abb. 3). Dem¬

nach könnten wir uns die glocken- oder quastenförmigen Motive möglicherweise

als die schmuckvollen Enden von Vogelschweifen erklären, zumal sie in paral¬

lel geführtem Schwung ausgeführt wurden; ob sie diese Bedeutung behielten,

das ist ein anderes Problem.

Weit fraglicher noch ist die vegetabile Bedeutung der weiteren Beispiele aus

dem Stickmusterfundus von Ma-wang-tui , etwa der im beigegebenen Grabin¬

ventar so genannten " Hsin-ch'i Stickerei " (Abb. 4 - 5). Betrachten wir diese

" Hsin-ch' i "-Stickmuster eingehender, so entdecken wir im einen Fall in dem

Gefüge aus Voluten- und Hakenelementen in regelmäßigen Abständen die Spu¬

ren vom Kopf eines Vogeldrachen - mit großem rundem Auge, Hakenschna¬

bel und Schopf (Abb. 4b), im anderen Fall, weniger deutlich, aber doch les¬

bar, den Rest vom Kopf eines Rüsseldrachen (Abb. 5b). Wir sollten wohl

den übermittelten Namen, der offensichtlich auch den Herausgebern der Ma -

wang-tui Publikation rätselhaft erschienen ist, wörtlich nehmen: "Treue -

Hundert Jahre - Stickerei". Wie dieser Name entstanden ist, was

sich dahinter verbirgt, das muß offenbleiben; er scheint sich jedenfalls nicht

auf eine Pflanze zu beziehen (ll).

Das blattähnliche Motiv in der " Hsin-ch ' i -Stickerei" mit den langen, gran-

nenförmig ausgezogenen Enden, in dem man klar die Dreieck- oder "Flügel¬

volute" der altchinesischen Drachenornamente unterscheiden kann, begegnet

auch in vielen anderen, formal verwandten Stickmustern, die alle gemäß dem

Grabinventar die Bezeichnung "Langes-Leben-Stickerei" (" Chang shou hsiu ") führen.

Einige solcher Stickmuster verraten ihre eigentliche Bedeutung leichter,

weil sie einwandfrei Tierkopf-Motive enthalten. So finden wir bei zwei Stoffen

sogar unverkennbar den Kopf eines Drachen (Abb. 6a- b u. 7), dessen Ge-

(7)

1659

"Hsin-ch'i hsiu" Sl^ Ii

Wolkenmuster mit Vogeldrachenkopf (Abb. 4 b) bzw. mit Rüsseldrachen¬

kopf (Abb. 5b). Teile aus Seidenstickereien aus Ma-wang-tui, Grab 1; China,

West-Han-Zeit, ca. 170- 160 v.Chr. Reprod. u. Detailzeichng. d. Verf. nach

MWT Bd. I, Fig. 48.3 und 48.2.

(8)

Abb. 6 a

Abb. 6 c

"Chang shou hsiu" ^ ^

Wolkenmuster mit Drachenkopf (Abb. 6b), Flügelvoluten- (Abb. 6 c) und

anderen Motiven zoomorpher Herkunft. Teil aus einer Seidenstickerei aus

Ma-wang-tui, Grab Ij China, West-Han-Dynastie, ca. 170 - 160 v. Chr. Re¬

prod. u. Detailzeichnung d. Verf. nach MWT Bd. I, Fig. 49, unten.

(9)

^ Abb. 8

"Chang shou hsiu" £ ^ |^

Wolkenmuster mit Drachenkopf und verschiedenen Motiven und Elementen

zoomorphen Ursprungs. Teile von Seiden-Stickereien aus Ma-wang-tui,

Grab 1; wie Abb. 6. Reprod. nach MWT, Bd. 1, Fig. 50 oben u. unten!

(10)

Abb. 10

"Fei-i wen" it M

Doppelleibige Drachenschlange (fei-i). Detail aus dem Dekor des Ta fang

ting, Bronzegefäß aus der frühen West-Chou-Zeit; Palast Museum, Taipei.

Zeichng. d. Verf. nach T'an Tan-chiung, Chung-kuo t'ung-ch'i hua-wen chi

1959, Nr. 51, PI. XVIII.

Schlangendrachengeschlinge ("Flutendrachen-Muster", chiao-lung wen),

Teil aus dem Dekor des Sung hu, Bronzegefäß aus der West-Chou-Zeit,

825 v.Chr. (?); Palast Museum, Taipei.

Zeichng. d. Verf. nach op. cit., Nr. 53, PI. XX.

(11)

1663

Abb. 16

Transformierung des Tierbandgeflechts im Li-yü-Stil von Bronzegefäßen

aus dem 6.-5. Jh. zum Bandornament mit intermittierender Welle und

Elementen zoomorphen Ursprungs im Bronze- und Lackdekor des 4. - 3. Jhs.

V. Chr.

Zeichnungend. Verf. nach Karlgren, Pillsbury Coli. Cat., 1952, Fig. 54;

Watson, Ancient Chinese Bronzes, 1962, Fig. 1; Chung-kuo t'ung-ch'i hua-wen

Chi 1959, Nr. 60, PI. XXIII; Speiser, China - Geist und Gesellschaft, 1959, S.

68; Watson, op.cit., PI. 75; Akiyama u.a.. Arts of China I, 1968, No. 104.

Genauere Angaben in einer demnächst erscheinenden Diss. d. Verf., Die Ranke

in der chinesischen Kunst.

(12)

stalt sich freilich in dem dynamischen Formengefüge verliert, so wie der

nach chinesischer Vorstellung überaus verwandlungsfähige Drache in turbu¬

lenten Wolkenwirbeln entschwindet.

Auch die herzblatt- oder spateiförmigen Motive in diesen und anderen Mu¬

stern ihrer Art (z.B. Abb. 8) gehören dem ursprünglich zoomorphen Formen¬

bestand an. Einst waren es die Köpfe der doppell ei bigen Schlangendrachen

( fei-i ) (Abb. 9 u. 10). Nach fortlaufender Umformung und unaufhaltsamem

Formabtrag sind schließlich nur noch ihre Umrisse geblieben, wie es mit al¬

len Tiermotiven und -Ornamenten am Ende der Chou-Zeit geschehen ist (s.

Abb. 11 - 16).

In dem Dekor eines wohl im späten 4. Jahrhundert v.Chr. entstandenen Bron

zebeckens, das heute dem Nezu Museum in Tokyo gehört (Abb. 17 a - c), las¬

sen sich die Tierfiguren noch erahnen, weil ihre Struktur noch nicht zerstört

ist. Auch bei den Mustern der Lackgeräte aus Ma-wang-tui können wir bis¬

weilen noch die zugrundeliegenden Tiergestalten aufspüren. Anders verhält

es sich mit den Stoffmustern, besonders den Stickereien. Hier sind aus den

charakteristischen Bestandteilen der zur Auflösung gebrachten zoomorphen

Ornamente völlig neuartige Gefüge komponiert, die wir gewiß als ornamentale

Umsetzung der Vorstellung von tiergeisterbehausten Wolken zu verstehen ha¬

ben. Der Vergleich von motivischen Details der Stickmuster mit Teilen aus

dem Ritzdekor einer Lackdose aus Ch' ang-sha läßt darüber wohl keinen Zwei¬

fel (Abb. 18 u. 19).

Es sind keine Blumenmuster, auch wenn sie uns im Falle der Stickereien

mit ihren Formen und Farben noch so täuschen (Abb. 20). Ihre Motive sind

nicht Blätter und Blüten, ihre Struktur ist nicht die pflanzlicher Gebilde. Pflan-

zenrankenornamente hat es auch im 3. Jahrhundert v.Chr. in China nicht ge¬

geben .

Dennoch rufen die Motive und Ornamente vieler Stoffmuster und auch einiger

Lackgeräte aus Ma-wang-tui unleugbar den Eindruck pflanzlicher Erscheinungs¬

formen in uns hervor. Als zoomorph lassen sie sich nicht mehr klassifizieren,

und mit der Interpretation phantasievoll gestalteter Wolkengebilde sind sie

nicht zureichend charsütterisiert. Wir müssen sie neu definieren: Es sind pro-

tovegetabile Motive und Ornamente; das heißt, ihr Formcharakter

ist vegetabil, nicht aber ihre Bedeutung.

Das ist ein unerhörtes Novum für die chinesische Ornamentkunst der dama¬

ligen Zeit. Es wurde möglich durch einen großen Auflösungsprozeß, der die

chinesische Ornamentik allgemein im 3. Jahrhundert v.Chr. erfaßt zu haben

scheint, vielleicht durch Anstöße von außen in Gang gebracht oder begünstigt,

aber in keiner Weise als Adaptionsvorgang zu sehen. Eine ideelle Umwertung,

die simplifizierende und entweihende Loslösung von alten Glaubensvorstellungen

muß den Urgrund für diesen wesentlich innerchinesischen Vorgang gebildet ha¬

ben, der den Impetus einer ganz neuen Fabulierfreude auch in der Ornament¬

kunst freigab und so die Voraussetzung schuf, nach der Zeitenwende Fremd¬

anregungen vegetabiler Ornamentik aufzugreifen und den Schritt zur Gestaltung

von Pflanzenornamenten zu vollziehen.

Allem Anschein nach ist diese Entwicklung in Südchina eher in Gang gekom¬

men und rascher vorangeschritten als im Norden, und in der Textilornamentik

scheinen die einzelnen Entwicklungsphasen schneller abgelaufen zu sein als in

der Ornamentik der Lackwaren oder gar der Bronzen. Das alles lehren zu

nicht unerheblichem Teil die Funde von Ma-wang-tui .

(13)

1665

Abb. 17 a

Ornamente aus dem abstrahierten zoomorphen Dekor eines Bronzege¬

fäßes (chien) aus der Zeit der Streitenden Reiche (Chan Kuo, 403 - 221

v.Chr. ); Nezu Museum, Tokyo.

Zeichnungen d. Verf. nach Seizanso Seisho (Illustrated Catalogue of the

Nezu Collection ), Bd. VI ( Chinese Bronzes ), 1942, Abreibungen zu Tafel¬

abbildung XL.

(14)

Wolkenmuster mit verschiedenen Tieren, Details aus dem Nadelritzdekor

einer Lackdose (lien) aus Ch'ang-sha. China, Zeit der Streitenden Reiche,

ca. 3. Jh. v.Chr. (?). Zeichng d. Verf. nach Akiyama u. a. , Arts of China

(Recent Discoveries), 1968, Nr. 90 a u. c.

Details aus dem Wolkenmuster einer Stickerei aus Ma-wang-tui, Grab 1;

China, West-Han-Dynastie, ca. 170 - 160 v.Chr. Zeichng. d. Verf. nach

China Reconstructs (Sept. 1972), Abb. zu S. 20 Vgl. Abb. 20.

(15)

Abb. 20

^

t *

CZ]

"Chang shou hsiu'

shen lu tzu hui kan-lan lu tan tsung hung ft t'Ä

tief grün grauviolett olivgrün hell braunrot

Wolkenmuster mit Tierkopf-, Flügelvoluten- und anderen Motiven und

Elementen protovegetabilen Charakters, aber zoomorphen Ursprungs. Teil

aus einer Seidenstickerei aus Ma-wang-tui, Grab 1; China West-Han-Dyna¬

stie, ca. 170 - 160 v.Chr. Reprod. nach MWT Bd. I, Fig. 49 oben.

(16)

Anmerkungen

1. Veröffentlicht wurden die Funde in ersten Grabungsberichten in Wen Wu .

Nr. 7 u. 9. (1973) und Nr. 7, 9 u. 10 (1974), sowie später in einer gro¬

ßen zweibändigen Buchausgabe: Ch'angsha Ma-wang-tui i-hou Han mu .

Peking 1973. a) (von nun an abgekürzt zitiert als MWT . ) Der erste Wen

Wu Bericht (über Ma-wang-tui Grab 1) vom Juli 1972 ist in englischer

Übersetzung von Fong Chow und Cheng Yeh in AA. XXXV l/2 (1973),

S. 15-24, erschienen.

2. Farbige Abbildungen dieser nunmehr größten und besterhaltenen Gruppe

von Lackwaren aus der West-Han-Zeit, dazu der artenreichsten, die Je

in China ausgegraben wurde, enthält MWT Bd. 11 in reicher Zahl und

großem Format.

3. Unter den Funden gibt es z.B. ein seidenes Schlingenpolgewebe, d.h.

einen Stoff mit Schlingenflordekor, der sich nur auf einem Webstuhl mit

äußerst komplizierter Mechanik weben ließ. s. Kaogu Xuebao Nr. 1 (l974),

S. 175: Ch'angsha Ma-wang-tui i-hou Han mu ch'u t'u te chien ch'üan

chin. ^) (Pile-loop brocade). Auch die Drehergewebe (Gaze) sind Zeu¬

gen einer hochentwickelten Webmechanik. Farbige Abbildungen: MWT

Bd. 11, Nr. 123 (dazu sw. Details Nr. 137 - 8) sowie Nr. 121, 122 u.

128.

4. Fong Chow, Ma-wang-tui - A Treasure-Trove from the Western Han

Dynasty , in AA. XXXV l/2, S. 5; MWT Bd. 11, Nr; 71-77.

5. Wen Wu Nr. 7 (1974), Tafel V, zu S. 42f.

6. Eine gute Abbildung enthält: Grjasnow, Südsibirien . Genf 1970, Nr.

129-130; zwei große Details: ders., Drevne Iskustwo Altai - L'Art Ancien

de l'altai . Leningrad 1958, Nr. 52-53.

7. vgl. Grjasnow. op.cit., S. 199.

8. Man vergleiche z.B. mit dem gemalten Dekor einer Ohrenschale aus

Ch'angsha, heute in der Nelson Gallery of Art, Kansas City, abgebildet

in: Willetts, Chinese Art 1965, PI. 106. Wie ein den Ulunzweigen struk¬

turell ähnliches Muster als Lackdekor von Ch ' angsha-Ware ausgesehen

haben könnte, das wird deutlich am Vergleich mit dem Muster auf dem

Boden einer Ohrenschale aus Ma-wang-tui , abgebildet in MWT Bd. 11,

Nr. 189.

9. Farbige Abbildung des in Stahlblau, hellem Braunrot, Goldbraun und

Zinnoberrot bestickten Stoffes von heller rötlichbrauner Farbe mit

dem sogenannten Shu-yü -Muster in: MWT Bd. II, Tafel 125.

10. Prof. Chang Hao verdanke ich den nachträglichen Hinweis auf ein Ge¬

dicht aus der T'ang-Zeit, in dem Wang Wei auf eine alte Erzählung aus

den " Merkwürdigen Begebenheiten von Ch'i " anspielt, derzufolge man

in China seit dem 4. Jh. am 9. Tage des 9. Monats mit der ganzen Fa¬

milie in die Berge geht, um Shu-yü -Zweige zu holen, weil auf diese Wei¬

se in alter Zeit ein Mann im Lande Ch' i (in Shantung), seltsamem Rat

folgend, seine Sippe vor einer unerwarteten Katastrophe bewahrte.

s. T'ang shih San-pai shou hsiao-hsi. Taiwan Chung Hua Shu 1973, S. 291,

Nr. 260: Wang Wei - Chiu yüeh chiu jih i Shan-tung hsiung ti .c)

11. "Hundert Jahre", pai sui . das war ein im alten China kaum erreichbares

Alter und wurde darum als Umschreibung für "Tod" gebraucht. Demnach

könnte " hsin ch ' i " auch als "Treue bis in den Tod" verstanden werden.

Vermutlich wurde die Hsin-ch' i Stickerei ursprünglich nur für die Ge¬

wänder verheirateter Frauen, möglicherweise nur für deren Totengewänder

verwendet.

(17)

1669

Namen - Termini - Titel

Ma-wang-tui *

Li Ts ' ang Tai hou I'l t'IXl#.

Ch'u ^

lei-wen yün-wen ^ix-Sli

Donner- u. Wolken-Muster

lin-chi Mn Geisterbanner

fei-i #fc

Seelenfluggewand

Shu-yü wen 3( Pi Ix

"Hsin-ch'i hsiu" 1a tU% "Treue Hundert Jahre Stickerei

"Chang shou hsiu" ^ -1'^" "Langes Leben Stickerei"

fei-i doppelleibige Drachenschlange

chiao-lung wen Flutendrachen-Muster

pai sui

"IT -J-'=^

S fg!, hundert Jahre - Tod

a) ^ 2; I tt - ^ i , --"3.

b) ^ ^ 4U "97'* ^ ai? ; ^ -5- Ji] ii - ^ v3Z S ± ± li^ M .

c) t Z ra # W , 1 i# t ¥ # ^'73 : i M ,

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(18)

DIE YOGESVARIHÖHLE IN ANDHERI

Von Heimo Rau, New Delhi - Heidelberg

I.

Die Göttin YogesvarT ist eine Sakti des Siva, die er hervorbrachte, als er

mit dem Dämon Andhaka kämpfte (l). Aus den Wunden seines Gegners tropfte

das Blut, und aus jedem Tropfen, der zur Erde fiel, entstand ein neuer Dä¬

mon. YogesvarT fing die Blutstropfen in einer Schale auf und verhinderte da¬

mit die unaufhörliche Vermehrung des Feindes, so daß ^iva seinen Kampf

siegreich beenden konnte. In der ihr geweihten Kulthöhle, die unter dem Dorfe

Amboli im Gebiet von Andheri auf der Insel Salsette im Norden Bombays liegt,

tritt dieser Aspekt der Sakti nicht in Erscheinung. Sie wird zur Devi schlecht¬

hin, die mit Pärvati in Eins verfließt. Die Göttin gilt als Hüterin und Schütze¬

rin der Familie. Die Frauen der Umgebung kommen zur püjä, die Kinder¬

segen erwarten oder erbitten. In der Cella befand sich lange Zeit ein moder¬

nes Kultbild der Durgä. Vor kurzem wurde es entfernt. Jetzt werden die

Fußspuren der Göttin verehrt und mit Blumen überhäuft, die in den gewachse¬

nen Fels im Zentrum der Zella eingeprägt sind. Eine Darstellung des Siva

als Andhakaripu wie auf Elephanta, wo der Dämon auf seinem trisüla aufge¬

spießt verblutet und YogesvarT die Schale emporhält, um die Tropfen aufzu¬

fangen und unschädlich zu machen, ist in dem ausgedehnten Tempelkomplex

der Yogesvarihöhle nirgends erhalten. Die Kulthöhle liegt in einem niedrigen

von den Hütten des Dorfes Amboli bedeckten Felsenhügel (2). Ihr Erhaltungs¬

zustand war denkbar schlecht. Ständig rieselndes Sinterwasser in Monsun¬

zeiten und aus der darüber liegenden Siedlung eindringende Abwässer hatten

die künstlich angelegte Höhle stellenweise in eine Naturhöhle und die ausge¬

hauenen Säulen in Tropfsteingebilde verwandelt. Skulpturen und Reliefs, mit

denen die Höhle nicht zu reichlich ausgestattet ist, haben unter diesen phy¬

sikalischen Bedingungen besonders gelitten und sind z.T. bis zur Unkenntlich¬

keit zerstört worden. Eine durchgreifende Restauration hat im Jahre 1973

die schlimmsten, reparierbaren Schäden behoben und die versinterten Säulen

durch Nachformungen aus Beton ersetzt. So gibt es kaum noch eine aus dem

Naturfelsen gehauene Stütze. Skulpturen und Reliefs wurden mit Recht so be¬

lassen, wie sie waren.

II.

Die Besucher betreten die Höhle von Westen. Der Haupteingang liegt aber

wie auf Elephanta im Osten. Er ist von der Hügelkuppe her tief in den Felsen

eingeschnitten. Durch einen absteigenden Hohlweg gelangt man über eine

3.00 - 3.5o m breite, vielstufige Treppe in einen kleinen Vorhof. Nach Westen

öffnet sich ein Tor mit kannelierten Pilastern und Särdülakonsolen. Das Re¬

lief über dem Türsturz ist eine Rävanänugrahamürti, leider stark zerstört.

Man betritt eine Eingangshalle von 11 m zu 13. 7o m Ausdehnung. An jeder

Abbildung

Abb. 1: "Zweige des Ulunbaumes mit Phönixen", Teil einer Seidenstickerei

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