Research Collection
Doctoral Thesis
Beiträge zur Kenntnis der verholzten Faser
Author(s):
Ungar, Endre Publication Date:
1914
Permanent Link:
https://doi.org/10.3929/ethz-a-000089058
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ETH Library
BEITRAGE
ZUR KENNTNIS
DER VERHOLZTEN FASER
VON DER
EIDGENÖSSISCHEN TECHNISCHEN HOCHSCHULE IN
ZÜRICH
ZUR ERLANGUNG DER
WÜRDE
EINES DOKTORS DER TECHNISCHEN WISSENSCHAFTENGENEHMIGTE PROMOTIONSARBEIT
VORGELEGT VON
ENDRE UNGAR
DIPL. TECHN. CHEMIKERE. T. H.
AUS BUDAPEST
Referent: Herr Prof.Dr.H.STAUDINGER Korreferent:Herr Prof. Dr.M.CÉRÉSOLE
ZÜRICH,
1914DRUCKEREI DER PESTER LLOYD-GESELLSCHAFT BUDAPEST, 1916
IN
DANKBARKEIT
GEWIDMET
LaboratoriumderEidgenössischenTechnischen Hoch¬
schule in Zürich, teilsim Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin-Dahlem unter Leitung des Herrn
GEH.REG.-RAT
Prof. Dr.
RICHARD WILLSTÄTTER
ausgeführt.Für dasWohlwollenunddieUnterstützung, die mein verehrter Lehrer mir zu jeder Zeit und in jeder Weise zuteil werden Hess, spreche ich auch
an dieser Stelle meinen innigsten Dank aus.
I\ pest (Ungarn) geboren,besuchte daselbstdas Â. \. Gymnasium der evang. Gemeindeund erhielt dasReifezeugnis imJuni 1907.Nachdem ichder Mili¬
tärpflicht als Einjährig-Freiwilliger genügt und die Reserve-Offiziers-Prüfung bestanden habe, immatri¬
kulierte ichmichanderEidgenössischenTechnischen Hochschule in Zürich. Das Diplom einestechnischen Chemikers wurde mir im März 1912 erteilt. Zunächst arbeitete ich dann an der Eidgenössischen Techni¬
schen Hochschule, später amKaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Dahlem(Berlin)unter derLeitungdes
Herrn Geheimrat Prof. Dr. R. Willstätter an vorlie¬
gender Promotionsarbeit.
Allgemeiner
Im folgenden soll unter einheitlichen
Gesichtspunkten
eine kurze Zusammenfassung der Kenntnisse über die verholzte Faser gegeben werden, wobei auch die Resul¬
tatevorliegender Arbeit teilweise Berücksichtigung gefun¬
den haben.
1. Verholzung.—Bestandteile der Holzfaser.
Unter Verholzung von Pflanzenorganen verstehen wir einen Vorgang, welcher eigentlich in einem Absterben der lebenden Zellen besteht, die jedoch auch weiter inner¬
halb des Pflanzenorganismus gebunden verbleiben. Der Zelleninhalt verschwindet und die Wand erleidet zu glei¬
cher Zeit noch im lebenden protoplasma-erfüllten Zu¬
stande eine beginnende1 Umwandlung: bisher fast aus¬
schliesslich aus Kohlenhydraten bestehend und entspre¬
chend reagierend, nimmt sie andere
Eigenschaften
an.Ein augenfälliges physikalisches Merkmal dieser Ver¬
wandlung ist die Abnahme der Elastizität und starke Zu¬
nahme der
Festigkeit.2
Es scheint, dass die verholzten Zellen keine eigentliche physiologische Funktion besitzen.Sie sind aus dem Lebensprozesse der Pflanze ausgeschal¬
tet und dienen sozusagen als mechanisches Gerüstbei der
1 A. Natanson: Jahrb. f. wiss. Bot. 32, 671 (1898).
2 Sonntag: Ber. d. Deutsch. Botan. Gesellschaft 19, 138 (1901).
1
Weiterentwicklung. Z. B. liefern sie geschützte Kanäle für die Saftzirkulation. — Zum Teil funktionieren sie als Speicherungsgewebe.
Die
Verholzung
wird chemischgekennzeichnet
durchdas Auftreten der sogenannten Holzsubstanzen, des Li- gnins („Inkrustierende
Materie").1
Ältere Hölzer sind ligninreicher als jüngere.2 Dies gilt nicht nur für die verholzten Zellgruppen innerhalb einer Pflanzensorte, sondern auch annähernd beim Ver¬
gleich verschiedener Faserarten. Jute z. B., eine Einjahrs- pflanze, ist ligninärmer
(kohlenhydratreicher)
als die mehrjährigen Hölzer. Es liegt kein Qrund vor, die Jute als die typische, einfachste Lignocellulose aufzufassen,3 denn sie zeigt alle und dieselben Merkmale wie die Koniferen und die übrigen Dicotyledonen.Als Hauptbestandteile der verholzten Zellwand4 kön¬
nen zwei Gruppen unterschieden werden: die Kohlen¬
hydrate
(zumeist
sehrhochmolekular)
und die Lignine unbekannter Konstitution. In geringenMengen
kommenausserdem verschiedene Begleiter vor. Einige aro¬
matische Stoffe sind mittels verschiedener Verfahren isoliert worden (Hadromal,5 Vanillin,6 Brenzkatechin,7
Protokatechusäure8),
des weiteren Furole[Methylfurol9],
die möglicherweise in irgendeiner Form aus dem Cam- bialsafte adsorbiert und hartnäckigzurückgehalten
wer¬den. Das gleiche gilt für die Spuren von
stickstoffhaltigen
Substanzen(0,1—0,3% Stickstoff)
und die mineralischen Bestandteile(sehr kalkreich),
die sich im Holze vorfin¬den. Ausserdem sollen als regelmässige und nicht orga-
1 Payen: C. r. VII, 1052 (1838), usw.—F. Schulze: Zur Kennt¬
nis des Lignins usw. Festschrift. (Rostock, 1856).
2 A. Cieslar: Centralfbi. f. Agrlkulturchemie, 28, 250 (1898).
3 Annahme von Cross und Bcvan: Cellulose, an Outline etc.
(London, 1910).
4 Vgl. auch die Einteilung von J. König: Ch.-Z. 36, 1101 (1912).
5 F. Czapek: H. 24, 144 (1899).
6 V. Gräfe: M. 25, 1028 (1904).
7 V. Gräfe: 1. c.
8 G. Lange: H. !4, 15 1890).
* G. Lange: I. c.
nisch dazu gehörende Bestandteile verschiedene Harze und Fette
(in
wechselndenMengen vorkommend)
erwähntwerden.
Die Identität bezw. nahe chemische Verwandtschaft des Kohlenhydratanteiles der verholzten Zellwand bei allen Fasern ist seit langem ziemlich festgestellt. Es han¬
delt sich in erster Linie um Hexosane und Pentosane, deren Hauptbausteine einerseits Qlucose, andererseits Xylose
(und Arabinose)
bilden.Es lässt sich nicht genau
entscheiden,
ob es sich bei den verschiedenen Pflanzensorten um dieselben Lignin- substanzen handelt. Die Einheitlichkeit wird selbst bei den einzelnen Arten angezweifelt. So sind z. B. vonG. Lange1 bei der Alkalischmelze des Eichenholzes und des Buchenholzes aus jeder
Ligninart
zwei Säuren erhal¬ten worden, und nach P. Klason2 besteht das Fichtenholz- lignin aus „mindestens zwei Hauptbestandteilen". Es ist aber infolge ihrer übereinstimmenden chemischen Eigen¬
schaften anzunehmen, dass es sich mindestens um sehr verwandte Stoffe handelt. Auffallend ist die Abwesenheit
von Zellinhaltbestandteilen und die Unabhängigkeit
von der
Zusammensetzung
des Cambialsaftes. Würde das Lignin nach H. Wislicenus und M. Kleinstück3 ein -wech¬selndes
Gemenge
aus den Säften ausgeschiedener Kolloide sein, welche sich an die Cellulose angelagert haben, so müssten sich grössere Unterschiede in der stofflichen Natur der Inkrusten ergeben.Dass die
Verholzung
bei derFrühjahrssaftbildung,
wobei der Cambialsaft sehr reich an adsorbierbaren Kol¬loiden ist, vornehmlich vor sich geht, erscheint natürlich,
wenn man
bedenkt,
dass die Holzbildung einen beträcht¬lichen Teil des Wachstums der Pflanze bedeutet und daher zur Zeit der höchsten
Energieentfaltung
in stär¬kerem Masse einsetzt.
1 i.e.
1 Bettrag« zur Kenntnis d. ehem. Zusammensetzung cf. Fichten¬
holzes. (Berlin, 1911.)
» Zeitschr. f. Chemie und Ind. d. Kolloide. 6, 17, 87 (1910).
1*
2. Methoxyl-, Acetyl- und Hydroxylgruppen. — Furfuroide.
a) Bei der
Verholzung
steigt derKohlenstoffgehalt
von ca. 44% auf
50%,
und parallel damit tritt ein Qehaltan Methoxyl auf.1 Durch konzentrierte Jodwasserstoff¬
säure nach Zeisel lassen sich die Methylgruppen ab¬
spalten, und sie bieten ein wichtiges quantitativ-analy¬
tisches Merkmal zum Nachweis für die Ligninstoffe. Die Methylzahlen der verschiedenen Hölzer schwanken zwi¬
schen
2,1%
und3,6%.
Das kohlenhydratfreie isolierte Lignin des Fichtenholzes enthielt fast das gesamte Methyl desAusgangsmaterials.5
Es ist vollkommen berechtigt, das Methyl als Meth¬
oxyl anzugeben, denn gerade die Verseifung der äthe¬
rischen Bindung kommt der siedenden Jodwasserstoff¬
säure zu, dagegen ist eine Spaltung von Kohlenstoff¬
bindungen kaum denkbar. Dies sei gegenüber den Zweifeln von J. König und F. Huhn2 hervorgehoben. Die Methylalkoholausbeute bei der Holzdestillation ist wohl in direktem Zusammenhange mit dem Methoxylgehalt.
b) Bei der gelinden Hydrolyse mit Säuren spalten sich Acetyl- (und
Formyl-)
Gruppen vom Holze ab.3 Wird die Hydrolyse mit Oxydation kombiniert, so entsteht nach C. F. Cross und E. J. Bevan* in grossen Mengen Essigsäure. Bei der direkten Oxydation des isolierten Lignins war ebenfalls Essigsäure nachweisbar.5 Als zweifellos gilt daher die Anwesenheit von Acetylgruppen, oder von Gebilden, die durch Hydrolyse oder Oxydation dieselbe leicht liefern können. Beispielsweise: Methyl- furan- oder Methylpyronderivate.1 R. Benedikt und M. Bamberger: M. 11, 260 (1890).—A. Cies- lar: 1. c.
2 Bestimmung der Cellulose in Holzarten und Gespinstfasern, S. 45. (Berlin, 1912.)
3 Wm. E. Cross: B. 43, 43, 1526 (1910). — Wm. E. Cross und B. Tollens: C. 1911 II. 1, 971. — M. Honig: Ch.-Z. 36, 889 (1912).
4 Cellulose, — insbes. aber Researches III, 101 (1912).
5 Diese Arbeit.
c) Die Anwesenheit von
Hydroxylen
im Ligno- cellulosekomplex ist durch Esterbildungen(Benzoat,
Acetat,Nitrat) festgestellt
worden.1 Selbst bei rech¬nerischen Vergleichen mit ligninfreien Cellulosen, z. B.
Baumwolleester, lässt es sich nicht entscheiden, ob und in welcher Verteilung, diese
Hydroxylreaktionen
denKohlenhydratkomponenten
oder dem Lignin der verholz¬ten Faser zukommen.
ImligninsulfosaurenBarytvonP. Klason2ist dagegen mittels
Brombenzoylierung
ein Hydroxyl wahrscheinlich gemacht worden. Ein weiterer Hinweis auf die Anwesen¬heit von wenn auch geringen
Mengen
freien Hydroxyls, phenolischen oder ähnlichen Charakters, ist die neu auf¬gefundene Kupplungsreaktion der
„Holzsubstanz".3
Schliesslich sei noch eines Resultatesgedacht,
daszwar einstweilen nur als vorläufig zu bezeichnen ist, wonach aber im Ligninmolekül die Anwesenheit von ver¬
esterungsfähigem Hydroxyl wahrscheinlich erscheint. Mit Diazomethan methylierte Holzfaser wurde mit kalter Salzsäure gespalten und die aufgenommenen Methyle auf beide Komponenten verteilt
gefunden.3
d) Pentosane sind regelmässige Bestandteile der Zellen. Der
Pentosangehalt
ist eine Funktion des Alters,er steigt damit. Bei ein und derselben Holzart scheint die Furol liefernde Gruppe konstant zu sein. Die auch in der referierenden Literatur vorkommende scharfe Unter¬
scheidung
von Pentosanen und „Furfuroiden" entbehrt der einwandfreien Unterlage, sofern es sich um Zellwand¬bestandteile handelt.
Es ist eher wahrscheinlich, dass bei den Pentosanen die gleiche Abstufung wie bei den genauer untersuchten Cellulosen
(Hexosanen)
vorhanden ist. Es könnte Hemi- pentosane(analog
denHemicellulosen)
geben, die in massig konzentriertem Alkali löslich und mit verdünnten1 Cross und Bevan: Cellulose, S. 131 ff.
* 1. c. S. 20.
3 Diese Arbeit.
Säuren leicht hydrolysierbar wären (z. B.
„Holzgummi"
von
Thomsenl),
— und „echte" Pentosane, die aus den¬selben Bausteinenaufgebaut sind, aber eingrösseres Mo¬
lekül,
und grössereWiderstandsfähigkeit gegenüber
Alka¬lien und Säuren besitzen. Möglicherweise lässt sich die Tatsache, dass man aus den meisten Dicotyledonen mit Alkali viel, dagegen aus Coniferen (und auch aus Jute)
nur sehr wenig Holzgummi extrahieren kann, in dieser Weise erklären.
Die verholzte Faser liefert bei der Destillation mit verdünnter Säure nach Tollens Furol neben etwas Methylfurol.
Die Fähigkeit der Polysaccharide Furol und Methyl¬
furol, beziehungsweise deren Derivate zu liefern, wird behandelt in den Arbeiten von B. Tollens und Mit¬
arbeitern,2 C. F. Cross und E. J. Bevan,3 L. Vignon,*
K. fromherz-' J. König und F. Huhn,6 H. J. H. Fenton und M. Gostling,7 W. A. van Ekenstein und /. /.
Blanksma* und E. Erdmann.9
Im allgemeinen kann als festgestellt gelten, dass die Cellulose und die Aldohexosen,10 unter den normalen
— Toüensschen — Bedingungen nur sehr wenig Furol liefern, und dementsprechend muss die Furolausbeute der Pflanzenfasern auf Rechnung der Pentosane gesetzt werden.
1 J. pr. (2) 19, 146 (1879). — Siehe weiter Poumarède und Figuier: C.r. 23, 918 (1846). —Koch: B. 20, 145 1887). — A. Wheeler und B. Tollens: B. 22, 1046 (1889). — J. Allen und B. Tollens:
A. 260, 289 (1890).
2 Z. B. L. V. St. 42, 381. — B. 24, 694, 3577 (1891). — B. 25, 2912 (1892). — Z. Ang. 9, 40 (1896) usw.
3 Cellulose. S. 82, 99, 160. — Researches I, 84. III. 45.
4 Bl. (3) 19, 790 (1898); 25, 136 (1901); 29, 513 (1903). — .C. r. 126, 1355 (1898).
5 H. 50, 210 (1906).
« I. c. S. 52.
7 Soc. 75, 423 (1899); 79, 361 (1901).
8 B. 43, 2355 (1910).
9 B. 43, 2391 (1910).
10 Im Gegensatz zu den Ketohexosen.
Es soll nicht näher auf diese komplizierte Frage ein¬
gegangen werden, nur an die Provenienz des Furols bei der Destillation der verholzten Faser mit
12%iger
Salz¬säure mögen einige Bemerkungen
geknüpft
werden. Eswurde nämlich im Laufe dieser Arbeit die merkwürdige Beobachtung gemacht, dass das isolierte Fichtenholz- lignin bei der Destillation nach Tollens
2,02%
Furol zu geben vermochte. Von Kohlenhydraten war das Prä¬parat frei, wie es sich durch die Verzuckerungsprobe mit 40%iger Salzsäure feststellen liess. Auf Holz umge¬
rechnet entspräche diese Zahl
0,61%
Furol. Die Gesamt¬ausbeute war
5,02%
Furol(8,84% „Xylose"),
dagegen ist bei der quantitativen Holzverzuckerung nur4,44%
Furol
(7,87% Xylose)
erhalten worden. Wie ersichtlich, ist eine guteÜbereinstimmung
und Kontrolle der Zahlen vorhanden.Diese Tatsache ist von Wichtigkeit.
Die Existenz von
Hydroxyfurfurolderivaten,
die nach Cross und Bevan1 in geringeren Mengen als ständige Begleiter der Holzsubstanz und als Träger der Wiesner- schen Reaktionen anzunehmen sind, wird weniger pro¬blematisch und ist mit dem eigentlichen Ligninmolekül in Beziehung zu bringen.
3. Ungesättigter Charakter, Oxydierbarkeit, Hydrolyse.
a) Angaben über vorhandene Doppelbindungen im Lignin bewegen sich in zwei Richtungen, erstens in der
Fähigkeit,
Halogenwasserstoff, zweitensSchwefligsäure¬
anhydrid zu addieren. Objektiv muss aber bemerkt werden, dass es sich in keinem Falle um einwandfrei defi¬
nierte, glatte Reaktionen handelt.
Die Chloraufnahmenach Cross undBevan2kannnicht
zu dieser Kategorie gerechnet werden, da bei der Reak¬
tion mindestens ebensoviel Chlorwasserstoff auftritt, als Chlor gebunden wird. Es
erfolgt
also eine Substitution,1 Soc. 75, 747 (1899). — Resarches I. S. 115/116.
* Cellulose, S. 102 ff.
die bei den eigentlichen Hölzern von Oxydation, jeden¬
falls aber von Hydrolyse begleitet wird.1 Dagegen wird Jod von Jute aus einer
Jodkalilösung
im Betrage vonca. 13%
absorbiert,
ohne dass Jodwasserstoff bei der Reaktion auftritt.2 Dass Chlorwasserstoff als solcher fest, undissoziierbar gebunden wird, wird dadurch angedeutet, dass das isolierte Salzsäurelignin sich als ca. 3% chlor-wasserstoffhaltig
erwies.5Der von P. Klason3 isolierte „lignosulfosaure Baryt"
addiert 1 Mol Jod. Nach demselben Autor heisst es, dass
„das Lignin auf 40 Kohlenstoffatome 2 Mol SO2 fest, ein drittes locker und ein viertes sehr locker binden kann", und „dass Lignin, das 2 Mol SO2 fest gebunden hat, noch weitere zwei Atome Jod addieren kann und demnach drei Aethylenbindungen hat".4
b) Anschliessend an diese ungesättigten Eigenschaf¬
ten sei der
Aufnahmefähigkeit
der verholzten Faser ge¬genüber einigen Reagentien
Erwähnung
getan. Hierher gehört die nochunaufgeklärte
Affinität gegenüber Phlo- roglucin. Beträchtliche Mengen des letzteren werden ge¬bunden
(bis
ca.10%),
und das Produkt erweist sich als sehr beständig, beispielsweise gegen Alkalien.6Im Laufe dieser Arbeit ist beobachtet worden, dass trockener Chlorwasserstoff in erheblicher Menge vom
Holze labil gebunden wird. Die
Erscheinung
ist von einer intensivenGelbfärbung
begleitet, die beim Entfernen des Chlorwasserstoffes verschwindet. Dies würde eine schwach basische Gruppierung im Lignin nahelegen;vielleicht handelt es sich um eine Art von Oxoniumsalz, welches vollkommen dissoziierbar ist.
Bemerkenswert sind noch die Absorptionen von Luft¬
feuchtigkeit
(ziemliche
konstanteHygroskopizität:
1 Cross und Bevan: I. c. — E. Häuser und R. Sieber: Z. Ang.
26, 801 (1913).
2 Cross und Bevan: Researches, III, 99 (1912).
8 1. c. S. 24.
4 1. c. S. 37.
s Diese Arbeit.
« C. F. Cross, E. J. Bevan, J. F. Briggs: B. 40, 3119 (1907).
11—12%,
weiter die(labile) Adsorption
von trockenem Chlor in einerQrössenordnung,
die die für Cellulosen ähnlicher äusserer Beschaffenheit festgestellten Adsorp¬tionswerte bei weitem übertrifft.1
c) Zu den wichtigsten chemischen Merkmalen des Lignins gehört seine ungemein leichte
Oxydierbarkeit.
Diese Oxydation, unter den gelindesten Bedingungen aus¬
geführt, hat eine fast vollkommene Auflösung des Mole¬
küls zur Folge.
Zahlreiche Methoden der Cellulosebestimmung in verholzten Stoffen2 gründen sich darauf, dass die Lignine bei
gelinder
oxydativer Behandlung(oft
mit gleichzeitigerHydrolyse)
total abgebaut und entfernt werden können.Verdünnte kalte Chromsäurelösungen in 5%iger Schwefelsäure verwandeln mehr als die Hälfte des Jute- lignins in Essigsäure, Oxalsäure undKohlensäure.3
Keine Ligninformel kann in Betracht kommen, die mit den Ergebnissen der Oxydation nicht im Einklang steht.
Wohldefinierte Zwischenstufen der Ligninoxydation sind nicht bekannt. Durch ein gelindes Anoxydieren wird fast das gesamte Lignin in einnoch hochmolekulares, aber in verdünntem Alkali lösliches Produkt verwandelt.4 Bei der
Behandlung
des isolierten Fichtenholzlignins mit Sal¬petersäure wird ein Nitroprodukt erhalten, das besonders in organischen Lösungsmitteln bei Luftzutritt eine sehr ausgeprägte Neigung zur Verharzung zeigt.4
d) Weniger leicht als der Oxydation ist das Lignin- molekül einer durchgreifenden Hydrolyse zugänglich.
Durch Kochen mit Alkalien,6 Auflösen in Bromacetyl5
1 Diese Arbeit.
2 F. Schulze: 1. c: J. 1857, 491. — H. Müller: Zentralbl. f.
Agrik.-Ch. 11, 273 (1877). — W. Hoffmeister: Landw. Jahrb. 17, 239 (1888); 18, 767 (1889). — Cross und Bevan: Cellulose, 97. — J. König: Ztschr. f. Unters, d. Nahrungs- und Qenussmittel, 6, 780 (1903). — Zeisel und Stritar: B.35, 1252 (1903), usw.
3 Cross und Bevan: Cellulose usw.
4 Diese Arbeit.
5 L. Zechmeister: Zur Kenntnis der Cellulose und des Lignins.
Diss. 1913, S. 46.
* Z. B. Natronverfahren der Papierfabrikation.
scheint ein Vorgang in der angedeuteten Richtung statt¬
zufinden. Bei energischerBehandlungmit Säure entstehen oft alkohollösliche Stoffe, die möglicherweise der eigent¬
lichen
Ligninsubstanz
noch nahestehen.1Die Auflösung des Lignins der Hölzer bei der Chlo¬
rierungsreaktion und bei manchen oxydativen Verfahren wird durch Hydrolyse begleitetund befördert. Es ist wohl anzunehmen, dass das abgebaute
(anoxydierte)
Lignin der Hydrolyse leichter zugänglich ist.Über die durchgreifende Hydrolyse finden sich wenig positive Angaben in der Literatur.
4. Die Aldehydgruppe. — Holzreaktionen.
Die verholzte Faser zeichnet sich durch eine Reihe
von schönen Farbenreaktionen aus, und eine Anzahl der¬
selben
(Reaktionen
mit Basen undPhenolen)
sind auf Aldehydgruppen zurückzuführen.Es wurde festgestellt, dass die Menge der Carbonyl-
gruppe gering ist (beim Fichtenholz keinesfalls über
0,8%),
und dass sie einerseits durch Kondensation (Oxim,Semicarbazon)
reversibel, andererseits durch gelinde Oxydation (Bleiche, —Benzopersäure),
und auch durch energische Hydrolyse, irreversibel verändert werden kann, ohne dass eineÄnderung,
insbesondere in quanti¬tativer Beziehung, mit der verholzten Faser vorgegangen wäre.1 Ferner ist es wahrscheinlich, dass eine Oxyalde-
hyd-Gruppierung
in Betracht kommt, da nach der Ver- deckung des Carbonyls Ligninreaktionen anderer Art,z. B. die Kupplung mit Diazoniumsalz, noch eintreten.1 Es ist nicht gelungen, diese chromogenen Substanzen
aus dem Holze herauszuholen, obgleich die Forschung
in der Holzchemie von jeher darauf bedacht war, die Träger der Farbenreaktionen zu isolieren und gemeint hat, so der Lösung der Ligninfrage näherzukommen. Man darf wohl sagen, dass die
Vernachlässigung
der quanti¬tativen Verhältnisse die Forschungin diesem Qebiet lange
1 Diese Arbeit.
Zeit irregeleitet liât. Nach unserer heutigen Kenntnis besitzt die An- oder Abwesenheit der Carbonylgruppe für die Natur des Lignins keine weitgehende Bedeutung. Bei gewissen Pflanzensorten*
(Markhölzer
von Schwimm¬pflanzen)
ist ein teilweises Ausbleiben und Abschwächung der Farbreaktionen beobachtet worden.Einerseits erblickte man in aromatischen Substanzen
(Coniferin,2
„Hadromal",3Vanillin4),
andererseits aber in Hydroxylfuroldiveraten5 diejenigen Bestandteile der verholzten Faser, die die schönen Farbenerscheinungen hervorrufen.Was den Charakter derAminreaktionen betrifft, so ist wahrscheinlichgemacht worden, dass es sich um chinoide Salze von Anilen, sogenannte Schiffschen Basen handelt.6 Mit Rücksichtnahme auf präparative Arbeiten über die Kondensation von Phloroglucin mit Aldehyden soll hier auf die Möglichkeit hingewiesen werden, dass die mittels Phenolen erzeugten Holzfärbungen als chinoide Salze von Xanthenderivaten mit Halogenwasserstoffen gedeutet werden können.7
Die Träger der Carbonylreaktionen — zweifellos acccssorische Bestandteile der Hölzer, vielleicht aus dem Cambialsafte eingewandert, vielleicht Produkte lokaler
Umwandlung
des Lignins oder der Kohlenhydrate — können als beigemischt oder als chemisch gebunden be¬trachtet werden. Für die letztere Annahme spricht ihre Nichtextrahierbarkeit mit Lösungsmitteln, ferner nach L. Zechmeister* eine ähnliche Beständigkeit der Anil- färbungen des Holzes gegenüber Äther und Salzsäure, wie sie von ihm bei Glucoaldehydanilen gefunden wurde.
1 W. C. Hancock und O. W. Dahl: B. 28, 1558 (1895).
2 F. Tiemann und W. Haarmann: B. 7, 608 (1874); 8, 1136 (1875).
3 F. Czapek: 1. c.
4 M. Singer: Sitzungsber. d. Wiener Akad. 86, I, 345 (1882).
V. Gräfe, l. c. — J. B. Lindsey und B. Tollens: A. 267, 341 (1891).
5 C. F. Cross, E. J. Bevan, J. F. Briggs, B. 33, 3132 (1900).
0 L. Zechmeister: 1. c. S. 25.
7 M. 3, 637 (1882). —iM. 3-1, 1955 (1913). —Diese Arbeit: S. 28.
8 1. c.
5. Die Holzcellulose.
Gegenüber Cross und Bevan1 muss hier die Ansicht vertreten werden, dass kein Qrund
vorliegt,
dielignifi-
zierten Cellulosen der Natur als Oxycellulosen anzusehen.Die im Laufe
vorliegender
Untersuchung mittels konzen¬trierter Salzsäure aus dem Fichtenholze isolierte Cellu¬
lose ist sicherlich keine Oxycellulose, wie dies aus ihren Reaktionen
(gegen
Fehlingsche Lösung, Phenylhydrazin,Methylenblau),
sowie aus der Analyse hervorgeht. Auchmuss ich mich gegen die Existenz einer sogenannten ß-Cellulose aussprechen. Diese ^Cellulose soll Methoxyl-
gruppen enthalten und ein Furfuroid sein.2 Demgegenüber kann hervorgehoben werden: 1. dass die isolierte Holzcel¬
lulose sich als vollkommenmethoxylfrei erwies; 2. dassim
Salzsaurelignin
alles Methyl des Holzes enthalten ist, und 3. dass wenn wir z. B. in einer löslichen Kupferoxyd¬ammoniakfraktion5 eine methoxylhaltige Cellulose anneh¬
men würden, so müssten bei der
Verzuckerung
teilweise entstehende methylierte Qlucosen einenReduktionswert
liefern, der auf Cellulose umgerechnet statt der gefunde¬nen 80
%,
weit über 90 % Ausbeute bedeuten würde.3 4 Für Fichtenholz ist mit diesen Fiefunden die Frage erledigt, aber die Schlüsse lassen sich für die anderen Pflanzenfasern verallgemeinern und zwar in erster Linie für Coniferen undfürJute. InpflanzenphysiologischerHin¬sicht ist zwischen letzteren als Hauptunterschied zu nen¬
nen, dass Jute Einjahrspflanze ist. Es ist schon darauf hin¬
gewiesen worden, dass aus chemischen Gesichtspunkten,
1 Cellulose, S. 82.
2 Cross und Bevan: Cellulose, S. 92—94. — Resarches III, 104, Anm. 3.
3 Es käme nämlich auf viele Qlucosereste ein Methoxyl, da
nur ein Teil des OCfisder Faser in der ß- Cellulose vorhanden sein soll, und der Qesamtmethylgehalt der Faser auch relativ niedrig ist. Z. B.: Fichtenholz: 5,28% OCHs; Jute: 4,5% OCH3; Monomethyl- cellulose: 17,6% OCHs.
4 Bisher ist kein Anzeichenfür das natürliche Vorkommen von
methylierten Cellulosen.
3 Siehe Kapitel III dieser Arbeit.
bis auf den
Ligningehalt,
eine weitgehende Gleichartigkeitzu herrschen scheint. Proportionalität der Methylzahlen, der Chlorwasserstoffabsorptionen, des Kohlenhydratan- teiles usw. Bemerkenswert ist der gleiche Zustand der Furol liefernden Stoffe, der Pentosane, die im Gegensatz
zu denLaubhölzern nicht mit Alkalien direkt extrahierbar sind. Es sei nochmals daran erinnert, dass es zulässig ist, die Pentosane bezüglich Unlöslichkeit
(in
intaktem Zu¬stand!)
und Beständigkeit(z.
B. gegenOxydation)
mitden Hexosanen zu vergleichen. Grössere Unterschiede treten in der
Empfindlichkeit
gegen saure Hydrolyse auf.Esistzuvermuten, dassdie ß Cellulose in Cross und Bevans schematischer Darstellung teilweise vielleicht aus weniger resistenten Hexosanen, jedenfalls aber aus Pen- tosanen1 und geringen Resten von Ligninsubstanzen
(Methoxylzahl)
resultiert. Dies ist umso wahrscheinlicher, da eineIsolierung
nicht durchgeführt ist; ihre Existenz wurde lediglich auf indirektem Wege abgeleitet: bei derChlorierung
in der Kälte blieb die ß-Cellulose intakt, beim Bisulfitprozess nicht; dies ist aber auch in Übereinstim¬mung mit obigen Anschauungen, aus dem Unterschied in der chemischen
Wirkung
der beiden Verfahren voll¬kommen erklärlich.
6. Chemische Natur des Lignins.
Überdie chemischeNatur desLignins herrscht infolge der verschiedenartigsten Ansichten eine
vollständige
Un¬klarheit. Während einerseits die Anwesenheit von aro¬
matischen Stoffen als festgestellt betrachtet wird, sind dieselben doch nur in sehr geringem Betrage isolierbar
gewesen. Dies berechtigt zu dem Einwand, dass jene Stoffe nicht die eigentliche Holzsubstanz, sondern mehr
1 Nach M. Renker (Über Bestimmungsmethoden der Cellulose.
Berlin, 1910) gaben fast alle seine Präparate (Seite 31) die Pentosen-Reaktionen von A. Wheeler und B. Tollens (I. c.) mit Phloroglucinsatesäure.
•
oder weniger zufällige Begleiter derselben, herrührend
aus dem Lebensprozess der
Pflanzen,
vorstellen. Immer¬hin lässt sich kaum bestreiten, dass gerade diese Stoffe in einer ausserordentlich intensiven Weise mit der ver¬
holzten Zellsubstanz vermengt, im wahrsten Sinne des Wortes inkrustiert sind, denn bei den mannigfaltigsten Bearbeitungen und Abbauversuchen wurden sie ange¬
troffen. Isoliert wurde das sogenannte Hadromal,1 ein
Aldehyd
unbekannter Konstitution, das möglicherweise ein üemenge von Vanillin, Brenzcatechin undMethyl-
furol darstellt.2 Die Identität der letztgenannten Substan¬zen wurde
festgestellt.
Auch etwas Protocatechusäure ist gelegentlich isoliert worden.3Andererseits ist das Lignin als ein Kondensationspro¬
dukt von Coniferyl- und Oxyconiferylalkohol ange¬
sprochen worden,4 das ja mit dem Vanillin in direkte Be¬
ziehung
zu bringen ist. Die oben gemachten Einwände müssen hier wiederholt werden; dazu gesellt sich noch, dass Comferylalkohol in Substanz nicht einwandfrei ausder Holzfaser isoliert wurde,5 und Analysen und Beweis¬
führungen nur indirekter Natur sind.
Die bei der
Chlorierung
des Lignins erhaltene Sub¬stanz ist als ein Chinonchlorid aufgefasst worden.6 Die daraus in winzigen
Mengen
isolierten aromatischen Sub¬stanzen sind nur flüchtigund qualitativ
untersucht;
neuer¬dings ist deren Entstehung überhaupt bezweifelt worden.7 Jedenfalls müsste der Beweis, dass sie in direkter Bezie¬
hung
mit dem Lignin stehen, erst erbracht werden.Die genannten
Anschauungen
über die aromatische Natur desLignins
stehen in Widerspruch mit einigen sehr charakteristischen chemischen Eigenschaften der Holz¬substanz,
in erster Linie mit der Tatsache, dass es sick1 F. Czapek: H. 24, 144 (1899).
2 V. Gräfe: M. 25, 1028 (1904).
3 Q. Lange: H. 14, 15 (1890).
* P. Klason: 1. c.
5 Wohl aber aus dem Cambium.
• C. F. Cross und E. J. Bevan: Cellulose, 134.
7 E.Heussei uniR. Sieber,Z. Ang. 26, 801 (1913).
bei der Oxydation in überraschend leichter Weise zu
niedrig
molekularen Konstituenten auflöst. Würde dasLignin
aromatische Struktur besitzen, so müsste die Oxy¬dation wenigstens teilweise zu wohldefinierten Benzol¬
carbonsäuren führen.
Aus demselben Grunde ist die Ansicht, dass das Li¬
gnin ausder Cellulose durchEinlagerung von Methylgrup¬
pen entstünde,1 nicht stichhaltig, da eine methylierte Cellulose gegen Oxydationsmittel mindestens ebenso widerstandsfähig sein müsste, als Cellulose selbst, und
gegen hydrolysierende Reagentien müsste sie ebenfalls
eingleiches Verhaltenzeigen, also mit kalter, konzentrier¬
ter Salzsäure sich in Glucosederivate aufspalten. Gegen Alkalien müsste in diesem Falle das Lignin sehr beständig sein, was ja absolut nicht zutrifft. Eine Methylierung am Kohlenstoff würde den Verhältnissen der Analyse und der Methoxylbestimmung nicht gerecht werden.
Cross und Bevan haben eine ganz neuartige Aus¬
drucksweise für die Darstellung der chemischen Eigen¬
schaften des Lignins gesucht. Sie stellten folgende sche¬
matische Formel für den
Ligninkomplex
auf:2CO 0 0
/ \ /
\/ \ /OH
CH CH—
[CH2 C0]2
—HC CH—CH — CH—CH<fi
CH CO CH3OHC CHOCH
|
X0H3
\
/
CH2 CO
Indessen scheint diese spekulative Formel, die schon aus rein chemischen Erwägungen unwahrscheinlich ist, keine gute Arbeitshypothese darzustellen, obgleich sie einer Anzahl der
Eigenschaften
des Lignins Rechnung trägt.Überhaupt
ist es mindestens verfrüht, den Versuch zu1 J. König: Ch.-Z. 36, 1101 (1912). — Zeitschr. f. Unters, d.
NaJwungs- und Genussmittel, 12, 385 (1906).
2 Researches III, 104.
machen, die Eigenschaften der Holzsubstanz in bestimmte Formelbilder zu bannen.
Als eine wertvolle Anregung ist die Annahme des Vorkommens des Pyronkernes1 zu betrachten.
Die Erfahrungen vorliegender Arbeit lassen eine ähnliche Deutung zu; namentlich wird die Anwesenheit eines Oxoniumsauerstoffsaus der
Salzbildung
mit trocke¬nem Chlorwasserstoff vermutet.
Ein methyliertes Derivat
(Methyl
am Kohlenstoff) des Pyrons oder des Furans würde die hohen Essigsäure¬ausbeuten bei dem oxydativen Abbau erklären.
Die Ergebnisse der trockenen Destillation der Hölzer, namentlich die reichliche Acetonbildung würde ebenfalls
mit dem Vorkommen solcher Gebilde in Einklang stehen.
7. Über die Konstitution der Holzfaser.
Die Beziehung derKohlenhydrate und desLignins zu¬
einander, also die Konstitution der Hölzer ist der Gegen¬
stand einer fast hundertjährigen Streitfrage. Noch heute, trotz der vielen aufgewandten Arbeit und Bemühungen, kann in keiner
Richtung
eine eindeutige experimentelle Entscheidung getroffen werden. Man ist mehr oder we¬niger auf Mutmassungen angewiesen.
Dem chemischen Inhalte nach sind zwei Qruppen von Ansichten zu unterscheiden, wobei das Problem zweck¬
mässig im
Zusammenhang
mit der Qenesis der „Holzsub¬stanz" behandelt wird.
Einmal wird angenommen, dass das Lignin aus einer molekularen Veränderung der Cellulose abzuleiten sei, das andere Mal denkt man sich die Verholzung als
Paarung
des vorhandenen Zellstoffgerüstes mit neu hin¬zutretenden fremden Substanzen
(„Lignin").
Bei jeder dieser Annahmen kann es sich dann um zwei Alternativenhandeln,
je nachdem zwischen denKohlenhydraten
und dem Lignineine chemischeVerbindungangenommenwird,1 In der obigen Formel ist allerdings ein //ydropyronring enthalten.
oder nur eine
physikalische
Vereinigung(Inkrustierungs- theorie),
dieallerdings
anFestigkeit
nlir wenig Analogien aufweisen kann.Die „Adsorptionshypothese'" von H. Wislicenus und M. Kleinstück,1 die ja in ihrem
Gedankengang
und ihrenEndfolgerungen
der alten Inkrustationshypothese nahe¬steht, und die jetzt häufig den „chemischen Theorien"
gegenübergestellt wird, ist in der obigen Gruppierung mit einbegriffen. Sie repräsentiert den Fall: die Entstehung einer
Verbindung
(möglicherweise Adsorptionsverbin¬dung)
zwischen Cellulose und dazutretenden Fremdkör¬pern. Die
Belege
beziehen sich in erster Linie auf einenVorgang.Wie dargetan, ist aber dessen stofflicher Zusam¬
menhang mitderVerholzung nicht ohne weiteres einleuch¬
tend.2 Diese Theorie entbehrt des chemischen Inhalts, legt das Hauptgewicht auf eine biologische Erklärung des Ver¬
holzungsvorganges
und vermag über den Endzustand nichts auszusagen.Als Umwandlungsprodukt der Cellulose wird das Lignin von R. Sachse3
(„vielleicht
Abspaltung einer sauerstoffreichen Substanz, die zu CO2 oder andere Ver¬bindungen umgewandelt
wird"),
von C. F. Cross und E. J. Bevan4 (lignification as a process of continuous modification of cellulose" —„Metabolismus")
von K- Fromherz5(an
Cross und Bevan anschliessend: „Ligno- cellulose: eine Kette von Gruppen, wo alle Stufen derUmwandlung
vertretensind"),
undvonJ. König6(Methyl- cellulosen)
betrachtet. Cross und Bevan, und Fromherz bekennen sich zu der Annahme einer chemischen Bin¬dungsweise,
während Sachsse und König eine Einlagerung des Lignins befürworten.In die zweite Gruppe obiger
Einteilung
lassen sich1 Zeitschr f. Ch. u. Ind. d. Koll. 6, 17, 87 (1910).
2 S. 6.
3 Die Chemie und Physiologie der Farbstoffe, Kohlenhydrate und Proteinsubstanzen (Leipzig, 1877), S. 133, 143 ff.
4 Cellulose, S. 155, 179, 180 usw.
5 H. SO, 210 (1906).
8 1. c.
2
die Ansichten von Payen,1 F. Schulze,2 P. Klason? J. Erd¬
mann,*
Hoppe-Seyler
und G. Lange,5 F. Czapek6 und V. Gräfe7 reihen. Namentlich die ersten drei vertretenbezüglich des Zustandes der Holzfaser die Inkrustierungs- hypothese, die letzteren dagegen sprechen sich für eine chemische Bindung, ester- oder ätherartiger Natur aus.
Cross und Bevan8 haben in neuester Zeit die Frage der Bindungsweise noch für offen erklärt. Die Existenz
von besonderen Affinitäten ist bisher von keiner Seite an¬
genommen worden. Im folgenden soll eine Zusammenstel¬
lung
der Argumente für und gegen die Theorie der chemi¬schen Bindung zwischen Lignin und Cellulose gegeben werden.
Für ein blosses Verwachsen
(Inkrustation)
sind zu¬nächstpflanzenphysiologische Gründe und Beobachtungen anzuführen. Die Lignifizierung in diesem Sinne wird als
ein Hineinwachsen, beginnend an der äusseren Wand¬
fläche der Zelle, betrachtet. Hiefür sprechen mikrosko¬
pische und mikrochemische Beobachtungen. Eine genaue, differenzierende Betrachtung der Zellwand zeigt die letz¬
tere als ein zusammengesetztes System. Die „lamelies interne, intermédiaire, moyenne" von E. Oilson9 entspre¬
chen vollkommen den tertiären, mittleren, primären
(äussersten)
Lamellen der verholzten Zelle von H. Wisli- cenus.u> Die innerste Lamelle besteht aus fast reiner Cellu¬lose, wobei es allerdings als ein Widerspruch klingt, dass gerade diese die jüngste sein soll.
Für diese Auffassung spricht, dass beim Zerstören und Weglösen des Lignins die Cellulose in der ursprüng¬
lichen Faserform zurückbleibt, wobei noch zu berücksich¬
tigen ist, dass diese Auflösung zuweilen durch gelinde Oxydationsmittel, aber ohne Hydrolyse bewirkt werden kann.
(Anoxydieren
mit nachträglicherExtraktion).
Fer-1 2 S 5 « 7 J c
4 A. Suppl. V. 223 (1867).
8 Researches III, 109.
9 La Cellule, 9, 397 (1893).
10 Tharandter forstl. Jahrb. 60, 335 (1909).
ner wird die obige Hypothese für das Holz auch durch logische
Überlegung
eine Unterstützung erfahren für den Fall, dass die Lignifizierung als eine Einwanderung von Fremdstoffen betrachtet wird. Da dieser Vorgang im Sinne von H. Wislicenus1 einen kolloid-chemischen Cha¬rakter besitzt, kann er leicht zu Adsorptionsverbindungen führen.
Von der obigen morphologisch begründeten Lamel¬
lentheorie weicht die eigentliche
Inkrustationshypothese,
ursprünglich von F. Schulze2 entwickelt, und in neuererZeit von J. König3 befürwortet, wesentlich ab. Diese Theorie nimmt nicht nur eine blosse Anlagerung mit teil¬
weiser Durchdringung, sondern eine totale Imprägnierung, ein mechanisches Durchwachsen der Cellulose mit den Ligninen in der Zellmembran an, ähnlich wie „Kalk¬
phosphat und Leim in den Knochen oder die Kieselsäure und Zellmembran in den üraminaeen". Als besonders
beweiskräftiges
Experiment wird angeführt, dass nach derVerzuckerung
mit Schwefelsäure zurückbleibendes Lignin noch die Faserstruktur des Ausgangsmaterials besitzt.Die Lehren der vergeblichen Versuche, die Lignin- komponente mit irgend einem Lösungsmittel zu extra¬
hieren, sagen weder für, noch gegen die Bindung etwas
aus, da — C. Schwalbes Ansicht4 anschliessend — unter Umständen ein Inkrustat sich schwerer in seine Bestand¬
teile spalten lassen
kann,
als eine chemische Verbindung.Für eine chemische Bindung spricht, dass die Zell¬
membran die gebräuchlichen Cellulosereaktionen, z. B.
Blaufärbung
mit Jodschwefelsäure nicht zeigt. Dagegen sind, wie dargetan worden, freieHydroxylgruppen
darin vorhanden, so dass selbst bei der Annahme von ätheri¬schen Bindungsweisen nur ein Teil der Cellulose- hydroxyle besetzt sein kann.
1 H. Wislicenus und M. Kleinstück: 1. c.
s» 1. c.
4 C. O. Schwalbe: Die Chemie der Cellulose. (Berlin, 1911.)
S. 452.
2*
Cross und Bevan1 traten für eine chemische Bindung ein mit der experimentellen Begründung, dass Jute-Ligno- cellulose verschiedene von ihren Reaktionen als Ganzes
eingeht.
Der selektiven
Einwirkung
von starken Säuren auf ligninhaltige Stoffe2 könnte eine Spaltung zugrunde liegen, obgleich man den Einwand erheben kann, dasses sich nach König um einen einfachen Lösungsprozess handelte.
Die stärksten Stützen für chemische Bindung wären die Resultate von Extraktionsversuchen mittels Cellulose- lösungsmittel
(Kupferoxydammoniak),
wobei lösliche und unlösliche Lignocellulosen von konstanter Zusammen¬setzung, auch bei der Umfällung von löslichen Fraktionen erhalten wurden.3 Die einfachste Erklärung für diese Tat¬
sachen wäre die Annahme eines Gemenges von wirklichen Lignocellulosen im Holze. —
Es ist also nach den bisher bekannten Tatsachen nicht möglich, die Frage in irgend einer der beiden Rich¬
tungen als entschiedenzu betrachten.
MitRücksicht auf dieseUnsicherheit soll dieAufmerk¬
samkeit auf eine Frage mehr praktischer, positiver Natur, auf die bemerkenswerte Gleichartigkeit betreffend das Wesentliche in der Zusammensetzung aller Hölzer hinge¬
lenkt werden. In jedem Falle handelt es sich um dieselben .drei Komponenten, die auch in quantitativer Beziehung
ein mindestens ähnliches Verhältnis aufweisen. Die Men¬
gen der Cellulose
(Hexosane)
und der nach den speziellen Bedingungen von Tollens Furol liefernden Stoffe(Pento- sane)
verschieben sich in gewissen Fällen, aber der gesamte Kohlenhydratanteil schwankt nur in geringen Grenzen, ebenso wie sein Verhältnis zum Ligninanteil.41 Researches, I, 134, III, 109—110.
2 3 Siehe spezieller Teil dieser Arbeit.
4 Der Ligningehalt der Jute ist entsprechend ihrem Charakter als Einjahrspflanze geringer (circa 20%). — Die Methylzahlen und die Ligninausbeuten (HCl-Methode) gegenübergestellt, lassen die Vermutung von methylreicheren und methylärmeren Ligninstoffen aufkommen. Vgl. auch P. KJason: 1. c.
Coniferen sind pentosanärmer, aber hexosanreicher als die Laubhölzer.
Diese einheitliche
Auffassung ermöglicht
erstens eine klarepraktische
Betrachtungsweise der Hölzer, bereitsanein Schemagrenzend, das aber allen Tatsachen gerecht wird. Zweitens kann es auch zu einer allerdings sehr ge¬
wagten Hypothese über die genetischeBeziehung und Zu¬
sammenhang der Komponentenführen. Der
Übergang
derHexosen zu Kohlenstoff-Fünfketten
(oder
Methylpento-sen)
istbekannt,
und die jetzt so naheliegende Annahmevon Pyron oder
Furangruppierungen
imLigninmolekül
lässt dieMöglichkeit
einer Bildung der letzteren aus ali¬phatischem Material zu. .
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Spezieller
I. Kapitel: Über Holzreaktionen.
1. Geschichtliches und Theoretisches.
a) Rungex war der erste, der eine Farbreaktion der verholzten Faser, die Grünfärbung mit Phenol und Salz¬
säure im Sonnenlicht, beschrieb. Auf die erste Aminreak- tion (.Anilinchlorhydrat) machte Schapringer2 aufmerk¬
sam, ihre Bedeutung wurde von J. Wiesner3 erkannt und für den Holznachweis nutzbar gemacht. Von Wiesner
stammt die schöne Reaktion mit Phloroglucinsalzsäure, die wohl heutzutage am meistenAnwendung findet. Später wurden zahlreiche Substanzen ähnlicher Art zum Lignin- nachweis empfohlen. Eine Zusammenstellung findet sich bei H. Grandmougin*
Als die Träger dieser Reaktionen haben meistens aro¬
matische Aldehyde gegolten, eine Annahme, welche auch eine Stütze in der Isolierung von geringen Mengen Vanil¬
lin erfahren hat.
Den Charakter der Aminreaktionen betreffend, hat in
neuester Zeit L. Zechmeister5 einen Vergleich zwischen
1 Poggendorfs Ann. 31, 65 (1834).
2 D. 176, 166 (1865).
8 Karstens: Botan. Unters. 1, 120 (1860).
4 Zeitschr. f. Farben- und Textil-Chemie, 5, 317 (1906).
5 Zur Kenntnis der Cellulose und des Lignins. (Diss.
Zürich, 1913.)