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Academic year: 2022

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Landesverband Berlin

Artenschutz

Wie klappt die Umsetzung der Berliner

Biodiversitätsstrategie?

Natur in Berlin Ausgabe 4/2020

Mit dem Exkursionsprogramm

von Dezember bis März

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NABU Berlin e.V., Wollankstraße 4, 13187 Berlin; 1. Vorsitzender: Rainer Altenkamp, 2. Vorsitzende: Melanie von Orlow, Geschäftsführerin (V.i.S.d.P.): Jutta Sandkühler; www.nabu-berlin.

de, www.facebook.com/NABU-Berlin; Redaktion: Rainer Altenkamp (ra) und Jutta Sandkühler (jsa); Text und Layout Alexandra Rigos (ar); Redaktionelle Beiträge Marc Engler, Lisa Hörig, Carola Krauß, Britta Laube, Max Noack, Melanie von Orlow, Ansgar Poloczek, Alexandra Rigos, Jutta Sandkühler; Anzeigendaten: NABU Berlin e.V., Wollankstraße 4, 13187 Berlin, Tel.: (030) 9860837-18, arigos@nabu-berlin. de; Mediadaten unter www.nabu-berlin.de; Erscheinungsweise vierteljährlich; Nächster Redaktionsschluss 06.02.21, nächster Veranstal- tungszeitraum April-Juni 2021; Papier 100% Recycling, Auflage 13.300, Druck Dierichs Druck + Media GmbH, Kassel; Bildnachweis: Titel: Zwergdommel: Martin Semisch, S.2: Rainer Altenkamp: Carmen Baden, S.3: Zwergdommel-Plakat: NABU, Flughafensee: Alexandra Rigos, S.4: Einsatz Wuhlheide: Max Noack, Juliana Schlaberg: Max Noack, S. 5: Aktiventreffen:

Alexandra Rigos, Jutta Sandkühler: Max Noack, Kerstin Brümmer: Ulrike Kielhorn, S.6: Kraniche: NABU/Klemens Karkow, Wildvogelstation: Max Noack, S.7: Parkautomat/Feldwespen- nest: Stefan Härtel, Hornissennest: Melanie von Orlow, S. 8: Rotbauchunke: NABU/Oscar Klose, Kahnschnecke: F. Lamiot/wikimedia.de, S.19: Gottesanbeterin: Clément Bardot/wikime- dia.de, Biber: NABU/Klemens Karkow, Mauersegler: NABU/Fotonatur, S. 10: Schlingnatter: Christian Fischer/wikimedia.de, Großer Odermennig: H. Zell/wikimedia.de, Wiesen-Kuhschelle:

Stefan Lefnaer/wikimedia.de, S. 11: Kindergruppe Pankow: Annette Prien, S.12: Bussardnest: Marc Engler, Kletterer: Alexandre Courtiol, S. 13: junger Mäusebussard: Marc Engler, Beringung: Alexandre Courtiol, S.14: NochMall: Alexandra Rigos, S.16: Fischotter: Wolfgang Stürzbecher, Insel Kratzbruch: A. Savin/wikimedia.de, S.17: Glühwürmchengrund: NABU- Bezirksgruppe Spandau, Berg-Sandglöckchen: Britta Laube; U4: Anzeigengestaltung: Moira Burges, Waldkauz: Christoph Bosch, Hinweise der Redaktion: Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich Kürzungen und Bearbeitung von Beiträgen vor. Der NABU Berlin haftet nicht für unverlangt eingesandte Beiträge. Das Magazin und alle in ihm enthaltende Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Eine Verwertung bedarf der Genehmigung. Bankverbindung Spendenkonto NABU Berlin, Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE 76 1002 05000 003 2932 00 BIC: BFSWDE33 BER

LIEBE MITGLIEDER,

LIEBE FREUNDINNEN UND FREUNDE DES NABU,

IMPRESSUM

AKTUELLES

Vogel des Jahres 3

Aktion in der Wuhlheide 4

Aktiventreffen 5

Zukunft der Storchenschmiede 6

Wespen auf Abwegen 7

SCHWERPUNKT BIODIVERSITÄT Berliner Strategie 8

Artenkenntnis bei Jugendlichen 11

SPEKTRUM Mäusebussarde in der Stadt 12

Geschenke aus zweiter Hand 14

BERLINER MITBEWOHNER Der Fischotter 16

NABU VOR ORT Glühwürmchengrund 17

TERMINE UND ADRESSEN 18 seit September nennt Berlin sich offiziell

„Kommune für biologische Vielfalt“. Nicht ganz zu Unrecht, denn mit seinen vielen verschiedenen Lebensräumen von der menschengemachten Felslandschaft am Alexanderplatz bis zu den Mooren und Feuchtwiesen am Stadtrand beherbergt die Haupstadt tatsächlich eine erstaunli- che Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten.

Aber tut Berlin auch etwas für diesen Reichtum?

Da bleiben für uns als Naturschützer leider viele Wünsche offen. Während Umweltse- natorin Regine Günther mit vielen neu eingestellten Fachleuten die Klima- und Verkehrspolitik vorantreibt, bleiben der Naturschutz und damit die Biodiversität links liegen. Und das, obwohl sich allmählich herumgesprochen hat, dass Naturschutz auch Klimaschutz ist. Denn intakte Ökosysteme speichern große Mengen klimaschädliches Kohlendioxid.

In diesem Heft analysiert unser Artenschutzreferent Ansgar Poloczek, wie es um die Umsetzung der Berliner Biodiversitätsstrategie steht, die der Senat 2012 anlässlich der „UN-Dekade der biologischen Vielfalt“ beschlossen hat. Seine ernüchternde Bilanz lesen Sie auf Seite 8.

Besonders krass zeigt sich das Desinteresse des rot-rot-grünen Senats am Beispiel des Flughafensees und der Tegeler Stadthei- de. Nach der Schließung des Flughafens ist das Schicksal dieser Naturjuwelen ungewiss. Deshalb bitte ich Sie herzlich: Unter- zeichnen Sie, falls nicht schon geschehen, unsere Petition an Umweltsenatorin Günther mit dem Ziel, diese Oase der Artenviel- falt als Naturschutzgebiet auszuweisen.

Ich wünsche Ihnen einen schönen und vor allem gesunden Advent!

1. Vorsitzender NABU Berlin

Jetzt Petition unterzeichnen!

berlin.nabu.de/petition Oder QR-Code scannen.

...für die Natur am Flughafen Tegel

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AKTUELLES | 3

NATUR IN BERLIN 4/20

Endspurt für das Naturparadies in Tegel Naturschutzbeirat unterstützt NABU-Petition

Wir trommeln für die Dommel

Unser Kandidat für den Vogel des Jahres 2021

Zum ersten Mal dürfen die Deutschen den Vogel des Jahres wählen, und natür- lich beteiligt sich auch die Geschäftsstel- le des NABU Berlin an der Aktion: Wir schlagen die Zwergdommel (Ixobrychus minutus) als Kandidaten vor. Für Deutsch- lands kleinsten Reihervogel haben wir uns entschieden, weil die Art im Vogel- schutzreservat am Flughafensee in Tegel brütet, für das sich der NABU Berlin seit

mehr als 30 Jahren einsetzt – und für dessen Ausweisung als Naturschutzge- biet wir kürzlich eine Petition gestartet haben (siehe unten).

Die Zwergdommel ist der wohl seltens- te Vogel im Naturparadies neben dem ehemaligen Rollfeld: Im Schilfgürtel des Flughafensees brütet eines von insge- samt nur vier Berliner Zwergdommel- Paaren. Der gesamte deutsche Bestand

wird auf weniger als 300 Paare geschätzt.

Die Art steht in Berlin als „gefährdet“, bundesweit sogar als „stark gefährdet“

auf der Roten Liste.

Hauptgrund für ihren starken Rückgang seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist der Verlust ihrer Lebensräume: Der nur etwa 30 Zentimeter große Reiher bewohnt schilfreiche Sümpfe und Uferzonen, Au- wälder und Torfmoore und gilt als eher scheu und störungsanfällig. Damit steht er stellvertretend für viele andere Bewoh- ner feuchter Lebensräume, die durch Ha- bitatzerstörung und auch durch unser Freizeitverhalten unter Druck stehen.

Neue Heimat Flughafensee

Im Fall der Zwergdommel kommen ver- mutlich Umweltveränderungen im Win- terquartier hinzu, denn anders als die verwandte Große Rohrdommel (Botaurus stellaris) zieht sie im Herbst nach Afrika, wo sie südlich der Sahara überwintert.

Dass die Zwergdommel am Flughafensee, einer ehemaligen Kiesgrube, eine neue Heimat gefunden hat, zeigt, wie wert- voll solche Naturparadiese „aus zweiter Hand“ als Ersatzlebensräume sind.

Zu Gesicht bekommen sie dort allerdings nur geduldige Beobachter, denn der Vo- gel fliegt selten auf und ist durch sein Streifenmuster im Schilf perfekt getarnt.

Kaum zu überhören ist jedoch sein kehli- ger Balzruf. ar

Wenn Sie unseren Wahlvorschlag unterstützen möchten, stimmen Sie unter vogeldesjahres.de/vor- wahl/Zwergdommel/NABU Berlin für unseren Kan- didaten. Oder schlagen Sie Ihren eigenen Favoriten auf der NABU-Aktionsseite vor!

Jetzt Petition unterzeichnen!

berlin.nabu.de/petition Oder QR-Code scannen.

...für die Natur am Flughafen Tegel

Am 1. Oktober startete der NABU Berlin die Online-Petition „Schützt das Natur- paradies am Flughafen Tegel“. Innerhalb nur einer Woche kamen fast 2.000 Un- terschriften zusammen, Mitte November waren es über 5.000.

Zugleich konnten wir uns über viel Re- sonanz in der Presse freuen. Lokalzeitun- gen berichteten gleich mehrfach, auch in Radio und TV war der NABU Berlin mit seinem Anliegen und unserer Kritik an der schlechten Personalausstattung der Obersten Naturschutzbehörde präsent.

Besonders freuten wir uns auch über die Unterstützung des Sachverständigenbei-

rats für Naturschutz und Landschafts- pflege. Dieses Gremium, in dem vor allem Wissenschaftler sitzen, berät die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. „Der Beirat unterstützt den Antrag des NABU vollinhaltlich und fordert SenUVK auf, das darin bezeichne- te Gebiet schnellstmöglich als NSG unter Schutz zu stellen“, heißt es in dem Bei- ratsbeschluss vom 23. September.

All das ist fantastisch, aber noch nicht genug, um Senatorin Günther zu über- zeugen, die artenreiche Tegeler Stadt- heide mit dem Vogelschutzreservat am Flughafensee jetzt unter Naturschutz zu

stellen. Deshalb: Bitte unterschreiben Sie die Petition des NABU Berlin, und verges- sen Sie nicht, Freunde und Verwandte auf unsere Aktion hinzuweisen!

Flughafensee im Winter

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Nachdem unsere langjährige Natur- schutzreferentin Ulrike Kielhorn im Mai in den

R u h e s t a n d gegangen ist (dem NABU Berlin aber zu- mindest noch einen Tag pro Woche weiter zur Seite steht), hat im Okto- ber Juliana Schlaberg ihre

Nachfolge übernommen. Juliana hat ih- ren Bachelor in Geoökologie an der Uni Potsdam und ihren Master in Raument- wicklung an der TU Dresden gemacht.

Beim NABU wird sie sich in der Verbän- debeteiligung und der Begleitung der Stadtplanung von Senat und Bezirken einsetzen. In ihrer Freizeit möchte sie ihren neuen Balkon in eine grüne Oase verwandeln, Rettungsschwimmen ma- chen und Salsa Rueda tanzen.

4 | AKTUELLES / MEINUNG

Im September trafen sich Mitglieder mehrerer NABU-Bezirksgruppen, die zum Thema „ökologische Pflege von Grünanlagen“ arbeiten, zu einem Erfah- rungsaustausch.

Berlin ist eine grüne Stadt, doch vie- le Grünanlagen sind ökologisch wenig wertvoll. Oft herrschen artenarme Tritt- rasen und sterile Ziersträucher vor. Meh- rere AGs innerhalb der Bezirksgruppen des NABU Berlin setzen sich dafür ein, unser Stadtgrün attraktiver zu machen.

In letzter Zeit hat das Thema für die Gruppen deutlich an Bedeutung gewon- nen und wird auf unterschiedliche Wei- se angegangen.

So konnte die BG Reinickendorf die Be- zirksverordnetenversammlung zu einem Beschluss zur nachhaltigen Grünpflege bewegen. Einige Wiesen wurden bereits angelegt. Die BG Mitte arbeitet seit eini- gen Jahren mit Wohnungsverwaltungen zusammen und hat an verschiedenen Objekten Fassadenbegrünungen und

NABU-Gruppen für naturnahe Grünanlagen Bezirksübergreifender Austausch

Müllangeln in der Wuhlheide Erster Arbeitseinsatz der neuen Bezirksgruppe Treptow-Köpenick

An einem bewölkten, nassen Samstagvormittag Ende Septem- ber trafen sich fünf Freiwillige der neu (wieder-)gegründeten Bezirksgruppe Treptow-Köpenick zu ihrem ersten gemeinsa- men Arbeitseinsatz: Es galt, den ehemaligen Feuerlöschteich in der Wuhlheide zu entmüllen. Trotz des schlechten Wetters war die Gruppe hoch motiviert. Beladen mit Wathosen, Harken und Müllsäcken machten sie sich auf den Weg zum Feuerlösch- teich, der noch aus DDR-Zeiten stammt und heute nicht mehr genutzt wird.

Beherzt fischten die Aktiven bei Nieselregen Müll und allerlei merkwürdigen Metallschrott aus dem schlammigen Gewässer, darunter eine verbeulte Metallschüssel, ein 1,5 Meter langes Rohr und ein Modellauto. Das Schmatzen der Gummistiefel im Schlamm sorgte zusammen mit dem Plätschern des Regens für eine leicht surreale Stimmung. Nach zwei Stunden waren sechs Müllsäcke gefüllt. „Ich war zum ersten Mal bei einem Arbeitseinsatz der Bezirksgruppe dabei“, sagt Helferin Hannah Miethner, „schön, dass man sich so unkompliziert einbringen kann und schnell Erfolge sieht.“

Auch in Zukunft wird die neue NABU-Gruppe interessante Ar- beitseinsätze anbieten. Betätigungsmöglichkeiten sind etwa die Anbringung und Reinigung von Nistkästen, Biotoppflege und Gewässerschutz. Interessierte sind willkommen! Max Noack Kontakt: Kontakt: taraw.roedel@web.de

Unter anderem bargen die Aktiven eine große Metallwanne.

Strauchpflanzungen initiiert. Die BG Spandau erreichte, dass die Mahd im Spektegürtel ausgesetzt wird, so dass sich dort neue Pflanzen etablieren kön- nen. Workshops und Informationstage für potentielle Partner sind geplant.

Das Team in Friedrichshain-Kreuzberg schließlich hat eine Petition an das Ab- geordnetenhaus gestartet, die darauf abzielt, das „Handbuch Gute Pflege“ der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz für die städtischen Wohnungsbaugesellschaften zum ver- bindlichen Standard zu machen.

Zudem gibt es im Bezirk Gespräche mit der Umweltstadträtin und der Unte- ren Naturschutzbehörde, bei denen die nachhaltige Grünpflege auf öffentlichen Flächen ebenfalls zur Sprache kommt.

Künftig wollen sich die NABU-Aktiven, die zu diesem Thema arbeiten, häufiger treffen und austauschen, um ihre Arbeit zielgerichteter gestalten zu können.

Carola Krauß Petition der BG Friedrichshain-Kreuzberg:

www.change.org/p/die-fraktionsvorsitzenden-der- regierungsparteien-im-abgeordnetenhaus-von- berlin-rettet-das-grün-vor-unserer-haustür

Neue Naturschutzreferentin Verstärkung für die Geschäftsstelle

Juliana Schlaberg

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AKTUELLES | 5

NATUR IN BERLIN 4/20

kommentar

Zahnlose Ranger

Jutta Sandkühler

Geschäftsführerin NABU Berlin

Ein Dankeschön für die Ehrenamtlichen Trotz Corona gute Stimmung

beim NABU-Aktiventreffen unter Palmen

Professionell auch hinter dem Tresen: Bienen- Expertin Melanie von Orlow beim Aktiventreffen

Premiere im Zoomiversum

Bericht von der digitalen Mitgliederversammlung am 21. September

Erstmals musste die Mitgliederversamm- lung des NABU Berlin im Internet statt- finden, da wegen Corona kein geeigneter Raum zur Verfügung stand. Die Tech- nik bereitete Ehrenamtskoordinatorin Nina Baudis ein paar schlaflose Nächte, doch am Ende

klappte alles zur allgemei- nen Zufrieden- heit.

Per digitaler Abstimmung entlasteten die Mitglieder den Vorstand und wählten Kers-

tin Brümmer zur neuen 2. Vorsitzenden.

Sie folgt auf Melanie von Orlow, die seit letztem Jahr hauptamtlich beim NABU Berlin beschäftigt ist und dieses Ehren- amt deshalb nicht länger ausüben darf.

Kerstin Brümmer arbeitet im Bundes- umweltminsterium, ist bereits seit 2014 Mitglied des Vorstands und freut sich auf die neue Aufgabe.

Ebenfalls ausgeschieden ist Thomas Tennhardt, der dem Vorstand als Beisit- zer angehörte und nun hauptamtlich für den NABU-Bundesverband tätig ist. Als Delegierte für die Bundesvertreterver- sammlung gewählt wurden Rainer Al- tenkamp, Kerstin Brümmer, Jutta Sand- kühler und Wolfgang Steffenhagen.

Kerstin Brümmer Unter Beachtung aller Hygienevor- schriften trafen sich Mitte Septem- ber etwa 50 Ehrenamtliche des NABU Berlin zum Aktiventreffen, das dieses Jahr in der Gartenarbeitsschule Fried- richshain-Kreuzberg stattfand. Trotz der Corona-Maßnahmen herrschte eine entspannte, angeregte Stimmung, die Teilnehmer*innen genossen sichtlich die Gelegenheit zum persönlichen Aus- tausch. Das große Gewächshaus voller üppiger Kübelpflanzen sorgte für eine luftige, aber zugleich geborgene Atmo- sphäre. Zum exotischem Ambiente trug

auch der Kaiman bei, den angeblich der kubanische Revolutionsführer Fidel Cas- tro noch zu DDR-Zeiten als Geschenk nach Berlin mitgebracht haben soll.

Wie in den Vorjahren zeichnete Rainer Altenkamp, 1. Vorsitzender des NABU Berlin, wieder besonders verdiente Mit- glieder aus. Diesmal erhielt Marianne Gohlke eine silberne, Pascale Krüger eine bronzene Ehrennadel. Die beiden Geehrten engagieren sich intensiv in der Fachgruppe Naturgarten, Marianne Gohlke ist überdies in der Bezirksgruppe Reinickendorf aktiv.

Eigentlich ist es eine gute Idee:

Ranger*innen streifen durch die Stadt- natur und sensibilisieren die Menschen für Flora und Fauna. Im Rahmen eines zweijährigen Modellprojekts der Stif- tung Naturschutz Berlin sind seit dem Frühjahr solche „Stadtnatur-Ranger“ in mehreren Bezirken unterwegs. Zu ihren Aufgaben gehört, so die Senatsverwal- tung für Umwelt, Verkehr und Klima- schutz, die das Projekt mit zwei Millio- nen Euro finanziert, „der Schutz und die Pflege ökologisch bedeutsamer Flächen, Umwelt- und Gebietsbeobachtungen und Umweltbildung“.

So weit, so schön. Für die intensivere Be- treuung der Naturschutzgebiete haben wir lange gekämpft. Doch ohne Voll- zugskompetenz laufen die Bemühun- gen um den Naturschutz oft ins Leere.

Wer in Naturschutzgebieten querfeldein geht oder Grillfeuer im Wald entzün- det, kann von Ranger*innen derzeit nur höflich gebeten werden, das Feuer zu lö- schen. Im Konfliktfall bleibt nur, Polizei oder Ordnungsamt zur Hilfe zu rufen.

Bis die Verstärkung anrückt, dürfte das letzte Grillwürstchen aufgegessen sein.

Dabei ist gerade in Zeiten von Corona der Druck auf die Natur am Stadtrand groß. So erfreulich es ist, dass viele Berliner*innen ihr Umland erkunden – oft fehlt es an grundlegendem Wissen darüber, wie man sich rücksichtsvoll in der Natur verhält. Ranger, die auch am Wochenende und abends unterwegs sind und mal einen Strafzettel ausstellen können, würden wohl eher zum Nach- denken bewegen, ob es wirklich eine gute Idee ist, mit dem Auto ans Seeufer zu fahren oder Äste fürs Lagerfeuer ab- zubrechen. Hier ist dringend eine Nach- steuerung erforderlich!

Juliana Schlaberg

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6 | AKTUELLES

Neue Perspektiven für Linum

Anwohner übernehmen Storchenschmiede

Hinter den Kulissen der Wildvogelstation Großer Andrang am Tag der Unterstützer*innen

Seit 1991 führt der NABU Berlin das Na- turschutzzentrum „Storchenschmiede in Linum” und bietet Ausstellungen, Führungen, Vorträge und Projekttage zur Tier- und Pflanzenwelt des Linu- mer Naturschutzgebiets an. Tausen- de kranich- und storchenbegeisterte Besucher*innen kommen jedes Jahr, um die eleganten Vögel zu bestaunen, sich in der Ausstellung zu informieren und

im Naturgarten Kaffee und Kuchen zu genießen.

Mit den Jahren hat sich die Bausubs- tanz der Verwaltungsgebäude jedoch so verschlechtert, dass eine Sanierung not- wendig wäre, um die Umweltbildung zeitgemäß auszubauen. Letztendlich mussten wir aber erkennen, dass ein großangelegter Umbau, auch mit Hilfe von EU-Fördergeldern, sowie der Wei-

terbetrieb der Station ohne weitere per- sonelle und finanzielle Unterstützung von uns nicht zu leisten ist.

Nach längerer Suche hat sich nun eine erfreuliche Lösung gefunden: Die Stor- chenschmiede gGmbH, eine von enga- gierten Bürger*innen und Ehrenamtli- chen gegründete gemeinnützige GmbH aus Linum, wird den operativen Betrieb der Station ab dem 1. Januar 2021 über- nehmen. Durch die örtliche Nähe und die Vernetzung in Gemeinde und Land- kreis ist die gGmbH der ideale Partner, um den Bestand der Station langfristig zu sichern. Der NABU Berlin ist als Ge- sellschafter der gGmbH, Kooperations- partner und Förderer weiterhin an dem Projekt beteiligt und behält auch die Option eines Umweltbildungshauses im Blick.

Neues Café, mehr Angebote

Das Wesen der Station als Naturschutz- zentrum bleibt erhalten, doch wird es einige Neuerungen geben: Der Cafébe- trieb und das Bildungsangebot werden erweitert. Zusätzlich zum Naturerleb- nisgarten soll ein Klima-Bildungsgarten entstehen, in dem nachhaltige, regene- rative und saisonale Landwirtschaft be- trieben wird. Die angebauten Produkte kann man als wöchentliche Gemüsekis- te abonnieren und damit die Storchen- schmiede unterstützen.

Lisa Hörig Weitere Informationen gibt es auf der neuen Website www.storchenschmiede.org.

59.000

Kraniche wurden am 27. Oktober 2020 in Linum gezählt. Zwei Wochen zuvor dürften es sogar einige tausend Vögel mehr gewesen sein, doch war wegen des nebligen Wetters keine Zählung möglich.

Mehr als 50 Gäste – und damit mehr als je zuvor – begrüßte die Wildvogelstati- on des NABU Berlin am traditionellen

„Tag der Unterstützer*innen“ Ende Sep- tember. Die Gäste entdeckten im Rah- men von Führungen das Gelände, un- terhielten sich bei Kaffee und Kuchen (selbstverständlich mit gebührendem Abstand) und beobachteten als Höhe- punkt die Freilassung eines Habichts.

Der Greifvogel hatte nach einem Kno- chenbruch in der Schulter mehrere Wo- chen in der Wildvogelstation verbracht und konnte nun nach völliger Gene- sung wieder ausgewildert werden.

Allein im Jahr 2019 betreute die Wild- vogelstation 1.046 Vögel von 43 Arten.

90 Prozent der Tiere konnte das Team wieder in die Freiheit entlassen. Zu- dem führten die

Mitarbeiter*innen mehr als 4.000 Be- ratungsgespräche.

Trotz oder gerade wegen der Coro- na-Pandemie war der Beratungsbe- darf zu Fragen des Wildvogelschutzes auch 2020 enorm.

Das NABU-Team bewältigt diese Herausforderung wegen des Infekti-

onsschutzes unter erschwerten Bedin- gungen: Jeweils abwechselnd arbeiten zwei Mitarbeiter*innen im Homeoffice, während die beiden anderen den Au- ßendienst und die Tierpflege in der Sta- tion übernehmen.

NABU-Mitarbeiterin Rebekka Sens zeigt Besuchern die Volieren.

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AKTUELLES | 7

NATUR IN BERLIN 4/20

Frei parken für Feldwespen

Der NABU-Hymenopterendienst blickt auf einen erlebnisreichen Sommer zurück

E

in ungewohnter Anblick in ei- ner ruhigen Seitenstraße in Alt- Buch: Ein Straßenbaum ist mit folienverhangenen Bauzäunen um- stellt, Fußgänger*innen sehen sich zu einem kurzen Umweg über die Fahr- bahn genötigt. Ein kleiner Schritt für die Passanten, aber ein ungleich größe- rer für den Hornissenschutz: Erstmals weichen Menschen Berlins größten Faltenwespen aus – und nicht wie sonst umgekehrt.

Die Tiere hatten ihre Burg aus zerbis- senem Holz in einer Baumhöhle errich- tet. Mehr als 20 der rund vier Zentime- ter großen Insekten flogen Ende Juli pro Minute quer über den Gehweg und

stießen immer wieder mit Pas- santen zusammen. Vereinzelt soll es zu Stichen gekommen sein, so dass Anwohner*innen den Hymenopterendienst des NABU Berlin alarmierten.

Bei der Besichtigung vor Ort wurde schnell klar: Spätestens im Septem- ber, wenn die jungen Königinnen und Männchen zur Paarung ausfliegen, würde dieser Neststandort nicht mehr zu tolerieren sein. Doch das tief im Baum liegende Nest war für eine Um- siedlung nicht zugänglich.

Und so wagten wir einen Vorschlag:

Was, wenn einfach mal der Mensch Platz macht? Da die verschlafene Straße genug Raum zum gefahrlosen Auswei- chen bot, wurde der Baum rundum ver- packt, und die Hornissen lernten, über

den Zaun zu fliegen. Nach dem Abster- ben des Nestes Ende Oktober wurden die Zäune entfernt und die Nisthöhle verschlossen, damit die Insekten nächs- tes Jahr nicht wieder einziehen.

Der Hymenopterendienst schaut auf ein ebenso bewegtes wie erfolgreiches ers- tes Jahr zurück. Endlich haben wir die Aufgaben, die der NABU Berlin bereits seit 2003 wahrnimmt, hauptamtlich or- ganisiert und ausgebaut. Möglich wur- de dies durch eine Projektförderung der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz.

Leider konnten viele Veranstaltungen und Schulungen wegen Corona nicht wie geplant stattfinden. Dennoch gab es einige Vorträge und Infoveranstal- tungen zum Hymenopterenschutz, und die erste Auflage unseres Projektflyers fand reißenden Absatz, so dass das Te- lefon schon bald ständig klingelte. Über 1.000 Anrufe und mehr als 300 Anfra-

gen per Mail und Social Media gingen bis Ende Oktober ein.

Sehr viele besorgte Bürger*innen woll- ten Asiatische Hornissen gesichtet haben, nachdem die Art in Hamburg aufgetaucht war. Die verdächtigen In- sekten entpuppten sich aber ausnahms- los als Holzwespen oder einheimische Hornissen.

Rund einhundertmal rückten wir und die sieben ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen zu Beratungen und Umsiedlungen aus. Wir siedel- ten Hummelnester in Vogelnistkästen

um, bewunderten ein besonders schö- nes Hornissennest im Rollladenkasten einer Villa des diplomatischen Diens- tes und staunten über die originelle Wohnortwahl eines Feldwespen-Volks:

Die Tiere hatten sich vor dem Konrad- Adenauer-Haus in einem Parkschein-

automaten angesiedelt. Autofahrer, die sich ein Ticket ziehen wollten, be- kamen einen Stich mit auf dem Weg.

Auch dieses Nest konnten wir erfolg- reich an einen weniger belebten Ort umsiedeln.

Mehrere Baustellen standen still, da sich Hummeln in der Wärmedäm- mung oder Hornissen in Dachkästen fanden. Erfreulich und auffällig in dieser Saison war die zunehmende Bereitschaft in der Bevölkerung, un- gebetene Gäste zu dulden und sogar zu verteidigen.

Mehrfach verhinderten Mieter das Ab- töten von Wespennestern, indem sie den beauftragten Schädlingsbekämp- fer nicht in die Wohnung ließen. An- dere brachten die Vernichtung eines Bienenschwarms zur Anzeige, den eine einschlägige Firma fälschlich als

„Wespennest“ deklariert hatte.

So viel Einsatz für sonst eher lästi- ge „Kuchenwespen“ dürfte ebenfalls eine Folge der Corona-Pandemie sein:

Offenbar nutzten viele Berliner*innen ihre Zeit im Homeoffice, um die Stadtnatur vor ihrer Haustür besser kennen und damit auch mehr schät- zen zu lernen. Melanie von Orlow Nest der Galli-

schen Feldwespe in einem Park- automaten

Hornissen an einem Vogelnist- kasten

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wie es beispielsweise um Fische und vie- le Insektengruppen wie Wildbienen oder Käfer steht. Dennoch kristallisieren sich erste Trends heraus. So sind bei allen in Berlin vorkommenden Amphibienarten Bestandsrückgänge zu verzeichnen. Der letzten Berliner Kreuzkröten-Population droht sogar das Aus, da ihr Lebensraum in Pankow bebaut werden soll.

Kaum Daten zu Reptilien

Ähnlich sieht es bei den Reptilien aus, wo- bei hier eine teilweise sehr dünne Daten- lage zu berücksichtigen ist. Über äußerst seltene Arten wie die Schlingnatter lässt sich nichts Valides sagen. Trotzdem kann man nur für die Ringelnatter von einem vergleichsweise hohen und zumindest stabilen Bestand ausgehen.

Wirbellose Tiere sind deutlich schlechter erforscht, häufig erlaubt die Datenlage kaum belastbare Aussagen zu Bestands- situation und -entwicklung. Generell ist aber auch hier von einem kritischen Zu- stand auszugehen. Von einer umfassen- den Sicherung der Bestände, wie in der Zielvorgabe formuliert, kann keine Rede sein. Bei den Weichtieren (Schnecken und Muscheln) gilt ein Fünftel aller Arten als Die Strategie umfasst also ein

ziemlich weites Feld, und oft- mals klingen die Zielvorgaben erstaunlich unkonkret. Jetzt, Ende 2020, bietet es sich an, Bilanz zu ziehen und zu über- prüfen, was der Senat erreicht hat. Das allerdings ist nicht immer einfach – einerseits we- gen der schwammigen Formu- lierung einiger Ziele, anderer- seits, weil es bei vielen Themen an Informationen mangelt, um etwaige Fortschritte beur- teilen zu können. Viele Daten liegen nicht in auswertbarer Form vor oder sind schlicht noch nicht erhoben worden.

Ernüchternde Bilanz

Naturschutzfachlich besonders interes- sant und auch quantitativ zu bewerten ist Ziel 1: „Artenvielfalt und Verantwor- tung für besondere Arten“ sowie Ziel 18:

„Typisch urbane Arten“. Hier stellt sich Berlin die Aufgabe, „die hohe Anzahl von Tier- und Pflanzenarten auf seinem Ge- biet zu erhalten und dabei insbesondere die Bestände seltener und gefährdeter (…) Arten zu sichern. Für ausgewählte Arten soll zudem eine Verbesserung der Be- standssituation herbeigeführt werden.“

Das klingt gut, doch fällt die Bilanz lei- der ernüchternd aus. Sofern überhaupt

vergleichsfähige Daten vorlie- gen, lassen sich zumindest bei Tieren kaum konkrete Verbes- serungen fest- stellen.

Zwar liegen viele Rote Listen für die betrachte- te Dekade noch nicht vor. Des- halb wissen wir wenig darüber, 8 | SCHWERPUNKT

Kahnpartie: Pechsee um 1930

Die UN-Dekade der biologischen Vielfalt (2011 – 2020) liegt hinter uns. Was hat dieses Jahrzehnt für die Artenvielfalt in Berlin gebracht? Im März 2012 beschloss der Senat die „Berliner Strategie zur bio- logischen Vielfalt“. Er bekannte sich da- bei „im Bewusstsein der lebenswichtigen Funktionen und Leistungen biologischer Vielfalt (…) sowie im Bewusstsein des Eigenwerts ihrer Bestandteile“ und „in Sorge darüber, dass biologische Vielfalt durch zahlreiche Faktoren weltweit rück- läufig und auch in Berlin stark beein- trächtigt ist“ zu den Zielen der Strategie und versprach, „nachdrücklich deren Er- reichung“ zu verfolgen.

Insgesamt 38 Ziele

Diese Ziele verteilen sich auf vier „Arbeits- felder“ ( „Arten und Lebensräume“, „Ge- netische Vielfalt“, „Urbane Vielfalt“ und

„Gesellschaft“), die wiederum in insge- samt 38 Unterpunkte („Ziele“) gegliedert sind. Dazu zählen Punkte wie „Durchgän- gigkeit von Gewässern“, „Röhricht“ und

„Moore“, „Erhaltung durch Nutzung“

(traditioneller Nutztier- und Pflanzenras- sen), „Biologische Vielfalt auf Firmenge- länden“ oder „Umweltbildung: Biologi- sche Vielfalt in Schulen und Kitas“.

Z ehn (fast) verlorene Jahre für den Artenschutz

Halbherzige Umsetzung der Berliner Biodiversitätsstrategie

Diese schön gezeichnete Süßwasserschnecke war einst über ganz Europa verbreitet. Inzwischen ist sie vielererorts ausgestorben. In Berlin kommt sie noch vereinzelt in der Müggelspree vor, gilt aber auch hier als vom Aussterben bedroht. Hauptursache ihres Rückgangs sind eingewanderte Fressfeinde wie der Große Höckerflohkrebs. Die Schnecke lebt in Süß- und Brackwasser und ernährt sich hauptsächlich von Kieselalgen, die sie mit ihrer Reibezunge von Steinen und Pflanzen abweidet.

Gemeine Kahnschnecke Theodoxus fluviatilis

Wie alle Berliner Amphibien hat auch dieser nur fünf Zentimeter große Froschlurch unter der Trockenheit der vergangenen Jahre ge- litten. Rotbauchunken mögen sonnige Gewässer mit reicher Vege- tation, vor allem überschwemmte Talauen und Tümpel auf Äckern und Wiesen. Diese Lebensräume werden wegen des Klimawandels und der intensiven Landwirtschaft immer knapper. Zudem kosten Umweltgifte und Straßenverkehr viele Unken das Leben. Vor allem während der Wanderung vom Winterquartier zum Laichgewässer werden die Tiere, wie auch andere Amphibien, oft überfahren.

Rotbauchunke

Bombina bombina

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SCHWERPUNKT | 9

NATUR IN BERLIN 4/20

Z ehn (fast) verlorene Jahre für den Artenschutz

Halbherzige Umsetzung der Berliner Biodiversitätsstrategie

bedroht, weniger als fünf Prozent neh- men in ihrem Bestand zu. Auch wenn sich die Wasserqualität innerhalb der letzten Jahrzehnte verbessert hat, sind weiterhin über 40 Prozent der ans Wasser gebun- denen Tierarten gefährdet, darunter Li- bellen, Köcherfliegen, Eintagsfliegen und Wasserkäfer. Erfreulicherweise sind aber bei vergleichsweise gut untersuchten Gruppen wie den Libellen auch positive Trends zu verzeichnen, die wohl auf die verbesserte Wasserqualität zurückgehen.

Auch haben sich vermehrt Insektenarten neu in Berlin angesiedelt, was vermutlich an den im Zuge des Klimawandels stei- genden Temperaturen liegt.

Turmfalken in Aufwind

Als typisch urbane Arten gelten vor al- lem die gebäudebewohnenden Vögel und Fledermäuse. Sie sind einerseits durch zunehmende Sanierung und Dämmung älterer Bauwerke und Mauern gefähr- det, andererseits lässt sich gerade ihnen durch künstliche Nisthilfen leicht und erfolgreich helfen. Auf diese Weise ge- lang es, den Rückgang der Turmfalken zu stoppen. Heute brütet ein Großteil der

Berliner Turmfalken in künst- lichen Nistkästen. Auch die Bestände anderer gebäudebrü- tender Arten wie Mauersegler und Haussperling sind zumin- dest konstant. Der NABU Ber- lin versucht derzeit, durch das vom Senat geförderte Projekt

„Artenschutz am Gebäude“

wichtige Akteure wie Bauher- ren, Architekten und Hand- werker für den Artenschutz zu sensibilisieren. Ziel ist, dass ein Gebäude bei Bau oder Sa- nierung immer auch als Le- bensraum nichtmenschlicher Bewohner betrachtet wird. Bei diesem Thema, dem Schutz ty- pisch urbaner Arten, ist Berlin im Großen und Ganzen auf dem richtigen Weg.

Verschollene Pflanzen

Einzelne Erfolge erzielte der Senat auch bei der Erhaltung der Pflanzenvielfalt, für die er das „Berliner Florenschutz- Konzept“ entwickeln ließ. Durch geziel- tes Heranziehen und Auspflanzen gelang es, die Bestände einzelner Zielarten des Konzepts, etwa der Wiesen-

Kuhschelle oder des Grün-

blütige Leimkrauts, zu stabilisieren oder sogar zu vergrößern. Einzelne Areale im Stadtgebiet, beispielsweise Flächen in der Wuhlheide und die Düne im Wedding, werden teilweise in Kooperation mit dem NABU als sogenannte Archeflächen erhalten und zu artenreichen Offenland-

Die Gottesanbeterin steht stellvertretend für eine ganze Reihe wärmeliebender Insekten, die ihr Verbreitungsgebiet im Zuge des Klimawandels nach Norden ausgedehnt haben. War die auffällige Fangschreckenart bis vor wenigen Jahren in Berlin nicht zu finden, hat sie sich mittlerweile in trockenen, warmen Gebieten, etwa auf dem Schöneberger Südgelände, fest etabliert. Für die Zukunft der Neubürgerin dürfte es entscheidend sein, offene Flächen wie Brach- grundstücke und Trockenrasen zu erhalten.

Gottesanbeterin Mantis religiosa

Anfang der 1990er Jahre kehrte das größte einheimische Nagetier nach Berlin zurück. Inzwi- schen gibt es hier mehr als 100 Tiere, vor allem an Dahme und Müggelspree sowie den Havel- seen. Auch an den Berliner Kanälen, an Wuhle und Tegeler Fließ, sogar bisweilen in der Spree im Zentrum lassen sich Biber oder zumindest ihre Fraßspuren beobachten. Problematisch für die nacht- und dämmerungsaktiven Pflanzenfresser sind die Schleusen im Stadtbereich, die sie nicht überwinden können. Deshalb verläuft die Grenze zwischen den beiden Biberpopulatio- nen im Bereich von Oder und Elbe mitten durch Berlin. Ziel 6 der Berliner Biodiversitätsstrate- gie, die „Durchgängigkeit von Gewässern“, ist bislang Makulatur.

Im Gegensatz zu anderen Großstädten beherbergt Berlin immer noch viele Mauersegler. Bei der diesjährigen NABU- Aktion „Stunde der Gartenvögel“ lag der elegante Segel- flieger hier sogar auf Platz 3. Durch Sanierungen alter Häuser droht der Mauersegler aber mittelfristig Nistplätze zu verlieren. Deshalb setzt sich das Projekt „Artenschutz am Gebäude“ des NABU Berlin dafür ein, Architekten und Bauherren für das Problem zu sensibilisieren.

Europäischer Biber

Castor fiber Mauersegler

Apus apus

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standorten entwickelt. Gleichwohl ist fast die Hälfte der gut 1.200 in Berlin vorkommenden Pflanzensippen in ih- rem Bestand gefährdet. 20 Prozent der Zielarten des Berliner Florenschutzes gelten sogar als verschollen.

Eklatanter Personalmangel

Auch die Ziele Nr. 3: „FFH Lebensräume“, 4: „Besonders geschützte Biotope“ und 5:

„Biotopverbund“ lassen sich quantitativ wie qualitativ überprüfen. Berlin hat in den vergangenen Jahren viele Schutzge- biete neu ausgewiesen, darunter sämtli- che vertraglich festgelegte FFH-Gebiete, hinkt aber weiterhin seinen selbst ge- setzten Zielen hinterher. Ursache ist vor allem die extrem lange Bearbeitungszeit solcher Ausweisungen, die wiederum auf den Personalmangel im zuständigen Re- ferat der Senatsverwaltung zurückgeht.

Unter anderem stockt die Unterschutz- stellung der Tegeler Stadtheide mit dem Vogelschutzreservat am Flughafensee, was den NABU Berlin zu einer Petition an Umweltsenatorin Regine Günther veran- lasst hat (siehe Seite 2/3).

Im Zweifel für den Neubau

Zum Thema Biotopverbund sagt die Se- natsverwaltung: „In Berlin existieren noch an vielen Stellen scheinbar wertlose Brachflächen, die für den Biotopverbund jedoch eine wichtige Rolle spielen.“ Lei- der folgen dieser vollkommen richtigen Erkenntnis keine Handlungen, vielmehr werden Brachflächen so gut wie immer zur Bebauung freigegeben. Häufig beruft sich der Senat auf den Wohnungsmangel und spielt so die soziale Frage gegen öko- logische Notwendigkeiten aus. Nicht sel- 10 | SCHWERPUNKT

ten aber entpuppen sich die dringend benötigten Neu- bauten dann als Büroflächen (wie auf Stralau) oder als weiterer Möbelmarkt (wie am Pankower Tor geplant).

Ähnlich verhält es sich mit dem Ziel 21: „Grünflächen“, das explizit Friedhöfe als wichtigen Lebensraum städ- tischer Tier- und Pflanzen- arten erwähnt, während gleichzeitig Friedhofsflä- chen, die wegen der sich än- dernden Bestattungskultur brach liegen, häufig entwid- met, umgenutzt und bebaut werden.

Das Ziel 7: „Naturnahe Ge- wässer“, das für Berlins Still- und Fließgewässer

m i n d e s t e n s die Gewäs-

sergüteklasse II einfordert, wurde ebenso verfehlt wie Ziel 24: „Straßenbäume und Straßenbegleitgrün“.

Von einer Erhöhung der Zahl der Straßenbäume kann keine Rede sein, im Gegenteil: In manchen Jah- ren überstieg die Zahl der Fällungen die Neupflan- zungen um das Doppelte.

Der Gesamtbestand hat sich im Vergleichszeitraum aber kaum verändert, die offizielle Statistik der Se- natsverwaltung weist für Anfang 2011 fast 436.000 Straßenbäume in Berlin aus, für Ende 2019 noch rund 431.000. Gerade bei

einer solchen, quantitativ gut überprüf- baren und vergleichsweise einfach zu be- einflussenden ökologischen Größe zeigt sich, dass diese „Strategie“ im wesentli- chen aus schönen Worten besteht und es am Willen zur Umsetzung mangelt.

Moore trocknen weiter aus

Auch von Ziel 9, der nachhaltigen Bewirt- schaftung des Grundwassers, und damit einhergehend Ziel 10, der Erhaltung der Berliner Moore „als Feuchtgebiete und damit als Lebensraum moor- und feucht- gebietstypischer Arten“, ist die Stadt noch weit entfernt. Fördert Berlin doch weiter- hin, als Relikt seiner Isolation während des kalten Krieges, sein ganzes Trink- wasser auf Stadtgebiet, obwohl mehrere Wasserwerke noch immer keine offizielle Genehmigung haben. Als Folge der Miss- wirtschaft sinkt der Grundwasserspiegel beständig, einzelne Moore im Grunewald sind bereits irreversibel geschädigt.

Fazit: In einigen Berei- chen hat Berlin zwar durchaus Fortschritte beim Artenschutz ge- macht, mit der Umset- zung der „Berliner Stra- tegie zur Biologischen Vielfalt“ insgesamt je- doch enttäuscht. Eine wohlklingende „Strate- gie“ zu entwerfen und dazu eine hübsche Bro- schüre zu erstellen, ist eben einfacher, als diese Ziele dann in konkre- te Politik umzusetzen – und gegenüber den widerstreitenden Akteu- ren der Stadtgesellschaft auch durchzusetzen.

Ansgar Poloczek

Diese Pflanze gedeiht auf nährstoffarmen, sandigen Böden, wie sie im Osten Deutschlands häufiger auftreten. Sie besiedelt magere Wiesen sowie lichte Eichen- und Kiefernwälder und gilt als typische Art des Sandtrockenrasens. Durch den erhöhten Nährstoffeintrag in die Böden und den Verlust von Brachflächen ist sie inzwischen stark bedroht und auch in Berlin sehr selten geworden. Durch An- zuchten und Wiederausbringungen konnte sie in einzelnen, geeig- neten Refugien wie der Düne im Wedding wieder etabliert werden.

Schlingnatter Coronella austriaca

Die zweithäufigste Schlange Deutschlands ist in Berlin extrem selten. Genaue Bestandsdaten gibt es nicht. Sie wird nur etwa halb so lang wie die Ringelnatter und fällt wegen ihrer perfekten Tarnung kaum auf. Ihr Name bezieht sich auf die Gewohnheit, ihre Beutetiere, hauptsächlich Mäuse und Eidechsen, durch Umschlingen zu ersticken. Die lebend gebärende Schlange liebt Wärme und kommt auf offenen, sonnigen Flächen vor.

Die stark im Bestand gefährdete alte Heilpflanze mag mäßig feuch- te Böden. Sie kommt auf Waldlichtungen und am Rand von Wald- und Heckenstrukturen vor, bisweilen auch auf Ruderalstandorten, am Wegesrand oder an Bahndämmen. In Berlin ist nur noch ein ursprüngliches Vorkommen in einem Waldgebiet bekannt. Andere Bestände, beispielsweise in Parkanlagen, gehen auf Ausbringungen standortfremden Materials zurück.

Großer Odermennig Agrimonia procera

Wiesen-Kuhschelle

Pulsatilla pratensis

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Kinder erleben Natur

Die Kindergruppen sowie die Fachgruppe Umweltbil- dung des NABU Berlin arbeiten mit viel Engagement daran, die Artenkenntnis von Kindern und Jugendli- chen zu verbessern. Hier produziert die Kindergruppe Pankow einen Podcast über Pilze, der im November 2020 im Deutschlandfunk gesendet wurde.

Amsel, Drossel, Fink oder doch Star?

Eine Studie offenbart die mangelhafte Artenkenntnis von Berliner Schüler*innen

N

ur was man kennt, kann (und möchte) man auch schützen – das ist eine Binsenweisheit, aber deshalb nicht weniger wahr. Umso bedenklicher erscheint es, dass viele Lehrer*innen sich über die mangelnde Artenkenntnis heutiger Kinder beklagen.

Ob diese mit ihrer Einschätzung rich- tig liegen, wollten Forscherinnen um Ulrike Sturm vom Museum für Na- turkunde herausfinden. Sie befragten insgesamt 186 Siebtklässler*innen von drei Berliner Schulen zunächst nach ihrer Selbsteinschätzung, wie gut sie acht häufige Vogelarten erkennen. Auf der Liste standen Haussperling, Amsel, Rotkehlchen, Kohlmeise, Star, Buch- fink, Hausrotschwanz und Nachtigall.

Anschließend wurde geprüft, wie gut es tatsächlich um die Vogelkenntnisse der Jugendlichen bestellt war.

Um es kurz zu machen: sehr mäßig. Im Durchschnitt erkannten die Befragten gerade einmal zwei der acht Arten auf Bildern, am häufigsten Spatz, Amsel und Rotkehlchen. Schon die Kohlmeise war zwei Dritteln der Schüler*innen un- bekannt, der Star vier von fünf Kindern.

An den Stimmen vermochten sie erst recht keine der Arten zu identifizieren.

Insgesamt lagen sie mit ihrer Leistung noch deutlich unter ihrer – nicht allzu optimistischen – Selbsteinschätzung.

„Wir schlussfolgern, dass in Berlin ein erhöhter Bedarf an Lernangebo- ten zur Förderung der Artenkenntnis bei Schüler*innen besteht“, schreiben die Forscherinnen. Das sei nicht ganz einfach, da viele Lehrer*innen bei die- sem Thema selbst nicht sattelfest sind.

Umso größere Bedeutung komme au- ßerschulischen Angeboten zu. ar

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Lockruf der Stadt

Auch Mäusebussarde zieht es nach Berlin. NABU-Mitarbeiter Marc Engler spürt ihnen in luftiger Höhe nach.

H

och oben über Wiesen und Äckern kreist er unermüdlich und scheinbar ohne Anstren- gung, gelegentlich hört man seinen cha- rakteristischen Ruf aus der Ferne. Der Mäusebussard (Buteo buteo) ist als häu- figster Greifvogel aus der Familie der Ha- bichtartigen (Accipitridae) in Mitteleuropa in nahezu allen offenen Landschaften zu finden.

Seine flexible Lebensweise und hohe An- passungsfähigkeit haben ihn zu einem außerordentlich erfolgreichen Jäger ge- macht, was auch seine Anatomie verrät:

Der kurze, breite Stoß und die Form der Flügelfläche erlauben es dem Mäusebus- sard, die Thermik über lange Zeiträume auszunutzen und mit minimalem Ener- gieaufwand über den Feldern nach Nah- rung Ausschau zu halten. Mit seinen relativ kleinen Füßen kann er diverse kleinere Beutetiere greifen und sich auch zu Fuß über kurze Strecken fortbewegen, etwa auf der Jagd nach Regenwürmern.

Leider macht der Mensch auch dem Mäu- sebussard das Leben in der Agrarland- schaft schwer: Wie viele Arten leidet er unter Pestiziden und der Intensivierung der Landwirtschaft, zudem unter dem starken Ausbau der Windenergie sowie der anhaltenden illegalen Verfolgung im ländlichen Raumn. Kein Wunder also, dass der anpassungsfähige Mäusebussard – wie auch andere Greifvogelarten – den Weg in die Städte angetreten hat.

In Berlin leben so viele Habichte pro Qua- dratkilometer wie nur in wenigen Gegen- den der Welt. Anderswo bekommt man den zurückgezogen lebenden Jäger im schützenden Wald normalerweise kaum je zu Gesicht. Und längst beherbergt die Hauptstadt auch viele Mäusebussard- Brutpaare, die die Vorzüge der grünen Metropole offenbar erfolgreich nutzen.

Denn für diese Greifvögel bietet Berlin neben zahlreichen Grünflächen und Brut- möglichkeiten ganzjährig ein breites Nah- rungsspektrum – die Grundvorausetzun- gen für die Erschließung und erfolgreiche Besiedlung neuer Lebensräume. Dennoch wissen wir bislang sehr wenig darüber, wie sich Mäusebussarde in der Stadt eta- blieren und zurechtfinden.

Mit professioneller Kletter- ausrüstung steigt Marc Engler (rechts) zum Nest herauf, um Jungvögel zu beringen.

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Ein Beringungs- und Monitoring-Projekt, das seit 2018 unter der Leitung des Autors in Berlin läuft, soll helfen, die Anpassung von Mäusebussarden an den urbanen Le- bensraum besser zu verstehen. Wie kann sich ein Greifvogel, der auf die Ansitzjagd und Segelflüge über offener Landschaft spezialisiert ist, in einer Großstadt wie Berlin behaupten? Wovon ernähren sich Mäusebussarde hier? Welche Flächen und Strukturen nutzen sie zum Brüten?

Um diese Fragen zu beantworten, kon- trollieren wir auf einer rund 140 Qua- dratkilometer großen Fläche im Zentrum Berlins zwischen Februar und Juni die Brutplätze bekannter Reviere, suchen neue Neststandorte und erfassen den Bruterfolg. Zwar dürfte der Anteil nicht- brütender Tiere hier ähnlich hoch sein wie in ländlichen Gebieten, doch finden viele Mäusebussarde Brutplätze in den Grünflächen, die ihnen Berlin wie kaum eine andere Großstadt bietet: Parkan- lagen, Friedhöfe, gelegentlich sogar ge- schützte Innenhöfe.

Die Nester aufzusuchen und den Brut- erfolg einzuschätzen, ist dabei Jahr für Jahr eine Herausforderung und erfordert viel Geduld, Erfahrung und Blick für De- tails. Einige Brutpaare bauen ihre Nester

nämlich erst im letzten Moment, zudem liegen viele Nistplätze gut versteckt und hoch oben in Nadelbäumen. Ohne die Un- terstützung ehrenamtlicher Helfer wäre unsere Arbeit deshalb nicht möglich.

Darüber hinaus erfassen wir im Rahmen eines Beringungsprogramms brutbiologi- sche Daten. Dazu steigen wir mit Seilklet- tertechnik zu den Nestern auf, die sich in bis zu 30 Meter Höhe befinden. Dort ange- kommen setzen wir die Jungvögel, die zu diesem Zeitpunkt zwischen 15 und 30 Ta- gen alt sind und das Nest noch nicht ver- lassen können, vorsichtig in Beutel und lassen sie an einem Seil auf den Boden herab, wo die eigentliche wissenschaftli- che Arbeit beginnt: Gewicht, Alter, ver- schiedene Körpermaße und der Gesund- heitsstatus werden sorgfältig erfasst.

Beringung noch immer effizient Zudem erhält jedes Jungtier einen Ring der zuständigen Vogelwarte mit einer in- dividuellen Nummer. Obwohl die Vogel- beringung als wissenschaftliche Methode bereits Anfang des 20. Jahrhunderts zum Einsatz kam, um Zugvögel zu erforschen, erweist sie sich bis heute als nützlich.

Zwar nutzen Forscher auch moderne Me- thoden wie solarbetriebene GPS-Sender, doch ist die Ringmarkierung nach wie vor eine kostengünstige Alternative. Über

längere Zeiträume lassen sich so wichtige Aussagen etwa zum Abwanderungsver- halten von Jungvögeln, zu deren Sterb- lichkeit und Todesursachen sowie dem weiteren Lebenslauf treffen.

Fressen vor der Kamera

Um zusätzliche Einblicke in die Aufzucht junger Mäusebussarde zu erhalten, ha- ben wir zudem Wildtierkameras an aus- gewählten Nestern installiert, die Brut und Aufzucht der Jungen nachweislich nicht stören. So lässt sich miterleben, wie Eltern ihre Jungtiere mit frisch erbeu- teter Nahrung füttern, diese ihre ersten Flugübungen machen und nach rund 43 Tagen das Nest verlassen. Vor allem aber dokumentieren die Kameras, welche Beu- tereste die Vögel ins Nest eintragen, und helfen somit zu untersuchen, wovon sich Mäusebussarde im Stadtgebiet ernähren.

Auch wenn die Stadt reichlich Gefahren für Wildtiere birgt, profitieren viele Ar- ten doch vom vielseitigen, ganzjährigen Angebot an Ressourcen. Bereits jetzt zeigt sich: Die Dichte an Mäusebussard- Brutpaaren im Stadtzentrum ist heute deutlich höher als vor zehn Jahren, wie der Vergleich mit älteren Daten auf einer vergleichbaren Untersuchungsfläche im Osten Berlins zeigt.

Marc Engler

Wenn Sie Hinweise oder Informationen zu Brutplät- zen von Mäusebussarden in Berlin haben, können Sie diese weitergeben und damit das Projekt unterstützen:

mengler@nabu-berlin.de Die noch nicht flüggen Jungvögel

(links) werden vorsichtig zu Boden gelassen und dort gewogen, ge- messen und beringt (unten).

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as erste, was beim Betreten der

„NochMall“ auffällt, ist der Geruch. Im Gebrauchtwaren- kaufhaus der Berliner Stadtreinigung (BSR) riecht es nicht muffig nach Kel- ler und altem Krempel, sondern ange- nehm nach Naturholz. Auch die Innen- einrichtung lässt eher an Ikea denn an einen Trödelladen denken: Die Halle, ein ehemaliger Baumarkt in Reinicken- dorf, wirkt hell und luftig, gebrauchte Kleidung, Porzellan, Kleinmöbel und Sportgeräte sind schick präsentiert. Auf der Empore gibt es sogar ein Café.

Das moderne Styling ist Programm, denn mit der im August eröffneten

„NochMall“ will die BSR Gebrauchtwa- ren das piefige Image nehmen – und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

„Unser Ziel ist, 4.000 Tonnen CO2 und 17.000 Kubikmeter Sperrmüll jährlich einzusparen“, sagt Innovationsmana- ger Frieder Söling.

Zwar sammeln auch viele soziale Verei- ne alte Bücher oder Kleidung, doch im Gegensatz zu ihnen verfügen die BSR über die Infrastruktur, um Gebraucht- waren im großen Stil zu vermarkten.

Schließlich sitzt man an der Quelle: Das Angebot der „NochMall“ stammt von zweien der 15 Berliner Recyclinghöfe.

Geschenke aus zweiter Hand

Die „NochMall“ der BSR bietet Secondhand ohne Mief

Offenbar sortieren die Berliner*innen in einem kaum vorstellbaren Ausmaß funktionsfähige Gegenstände aus: „Es werden riesige Mengen abgegeben“, sagt Söling. Allenfalls einen weiteren Re- cyclinghof könne man noch anschließen.

Alle Artikel werden in der kleinen ange- gliederten Werkstatt sortiert, begutach- tet und gereinigt. Was kaputt ist, wan- dert letztlich doch in den Müll, denn Reparaturen lohnen sich meist nicht.

Shopping für wenig Geld

Etwa 700 bis 800 Kunden kommen täg- lich, jede*r Dritte kauft etwas. Jetzt, an einem Werktag um die Mittagszeit, ist es ruhig, die vielleicht 20 Kund*innen verlaufen sich zwischen den Designer- regalen. Ein junger Mann mit Rasta-Fri- sur stöbert nach Platten, ein Paar mit Migrationshintergrund sucht Lampen.

„Ich kaufe oft secondhand, weil ich wenig Geld habe“, erzählt eine Frau mittleren Alters mit rotem Kurzhaar- schnitt. Atmosphäre und Angebot der

„NochMall“ gefielen ihr gut, nur die Preise seien höher als anderswo.

„Wir wollen kein Geld verdienen“, sagt Söling, doch die „NochMall“ mit ihren etwa 20 Mitarbeiter*innen müsse sich tragen. Das Angebot reicht vom Ta-

schenbuch für einen Euro über Inliner für 16 Euro und den Kronleuchter für 43 Euro bis zum soliden Hochbett für 149 Euro. Groß und in gutem Zustand ist vor allem das An- gebot an Kindersachen und Spielzeug, Gegenstände, die ja oft nur kurze Zeit genutzt werden.

Auch Möbel und Haushaltswaren sind begehrt, während an Büchern und Kleidung mehr Ware hereinkommt als nachgefragt wird. Und wer tatsächlich noch keine Nikolausmütze hat, wird in der Weihnachtsecke zwischen Christ- baumkugeln und Nussknackern fündig.

Alexandra Rigos NochMall, Auguste-Viktoria-Allee 99, 13403 Berlin-Reinickendorf. Geöffnet Mo-Fri 10-18 Uhr.

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Graureiher auf der Palisade

Anzeigen

Geschenke aus zweiter Hand

Die „NochMall“ der BSR bietet Secondhand ohne Mief

Bewahren in Neukölln

Der Name klingt etwas sperrig, die Idee ist gut: Das B-Wa(h)renhaus im Karstadt am Hermannplatz bietet ausgewählten Secondhandläden und Upcycling-Künstlern die Möglichkeit, zunächst einmal ein halbes Jahr lang ihre Waren in einem Pop-up Store anzubieten. Auch die „NochMall“ unterhält hier eine Dependance.

Bis zum 28. Februar 2021 Montag bis Samstag 10 bis 20 Uhr, in der 3. und 4. Etage von Karstadt Hermannplatz, Hermannplatz 5-10, 10967 Berlin

Shoppen gegen die Armut

Kleidung, Bücher und Accessoires aus zweiter Hand findet man in den insgesamt sieben Berliner Oxfam-Shops, die von Ehrenamtlichen betreut werden. Der Erlös kommt Entwicklungsprojekten und Kampa- gnen von Oxfam zugute.

Adressen unter shops.oxfam.de

Tipps & Adressen

...für noch mehr Geschenke mit Vergangenheit

Vintage im Netz

Deutschlands größter Secondhand-Online- shop bietet gebrauchte Kleidung für Frauen, Männer und Kinder.

www.ubup.com

Kiloweise Textilien

Der Pick’n’Weight Vintage Store verkauft eher ausgefallene Secondhand-Kleidung nach Kilopreis.

Alte Schönhauser Str. 30, 10119 Berlin Münzstr. 19, 10178 und Bergmannstr. 102, 10961 Berlin, picknweight.de

Karussell der Klamotten

Der Kleiderkreisel ist die wohl bekanntes- te Online-Plattform für privat verkaufte Textilien und Schuhe. Wer seinen Klei- derschrank ausgemistet hat, findet hier begeisterte Abnehmer.

www.kleiderkreisel.de

Für Bücherwürmer

Der Online-Shop medimops bietet eine große Auswahl an gebrauchten Büchern, Filmen, DVDs, Blu-rays, CDs, Platten und Spielen.

www.medimops.de

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16 |MITBEWOHNER

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ie Insel Kratzbruch in der Rummelsburger Bucht steht unter Naturschutz und darf nicht betreten werden. Deshalb ist es für NABU-Aktive der AG Rummels- burger Bucht immer ein besonderes Erlebnis, wenn sie diesen Ort beim jährlichen Kontrolleinsatz zusam- men mit Vertretern der Naturschutz- behörde besuchen dürfen. Diesmal, im Februar 2020, stieß die Gruppe auf außergewöhnliche Hinterlassen- schaften: größere Mengen von Fisch- schuppen und Kothäufchen, die einen charakteristischen Geruch verström- ten. Kein Zweifel, auf dem Inselchen war ein Fischotter zu Gast gewesen.

Der Eurasische Fischotter (Lutra lut- ra), einst vom Atlantik bis Japan und vom Polarkreis bis Indonesien weit verbreitet, wurde im 19. und 20. Jahr- hundert stark dezimiert und vieler- orts ausgerottet.

Jäger stellten dem stattlichen Marder- tier wegen seines Pelzes nach, Fischer töteten die Konkurrenz, die Verbau- ung von Flüssen zerstörte seinen Le- bensraum. Obendrein beeinträchtig- ten Umweltgifte das Immunsystem und die Fruchtbarkeit der Tiere. Seit 1968 ist die Jagd auf Fischotter in Deutschland verboten, doch erst seit den 1990er Jahren nimmt ihre Zahl allmählich wieder zu, vor allem in

Cucujus-Larve Käfer von oben

Der Fischotter

Berliner Mitbewohner

Insel Kratzbruch den östlichen Bundesländern. Ist der

Wassermarder nun dabei, auch die Hauptstadt zu besiedeln?

Derk Ehlert, Wildtierexperte der Senatsverwaltung für Umwelt, Ver- kehr und Klimaschutz (SenUVK), ist vorsichtig: „Es gibt auf jedem Fall Fischotter in Berlin, aber wir haben keinen Nachweis, dass sie dauerhaft hier leben und sich regelmäßig fort- pf lanzen.“ Denn Fischotter sind mo- bile Tiere, vor allem junge Männchen legen im Winter oft weite Strecken zurück. „Wenn man heute einen an der Zitadelle Spandau sieht“, so Eh- lert, „kann der morgen in Hobrechts- felde sein, und man könnte glauben, es wimmele hier nur so von Ottern.“

Schwer identifizierbare Pelztiere Dem sei aber definitiv nicht so. Etwa drei bis vier Sichtungen werden pro Jahr bei der SenUVK aktenkundig, und diese Zahl stagniert seit etlichen Jahren. Häufig ist zudem unklar, ob es sich bei den beobachteten Säugern tatsächlich um Fischotter (und nicht um Biber oder Nutrias) handelt. Auch den NABU Berlin erreichen gelegent- lich Filmclips mit schwer identifizier- baren Pelztieren.

Immerhin wurde vor etwa drei Jahren ein totes Jungtier in Hobrechtsfelde, also auf Berliner Territorium, gefun-

den. Weil es noch ziemlich klein war, ist unwahrscheinlich, dass es von aus- wärts stammte. Und im letzten Som- mer wollen Spaziergänger eine ganze Fischotter-Familie in den Gosener Wiesen beobachtet haben. Auch vom Tegeler Fließ und Tegeler See, vom Müggelsee und aus dem Wuhletal wurden Sichtungen gemeldet.

Grundsätzlich hält Ehlert es schon für möglich, dass Fischotter in Berlin dauerhaft Fuß fassen, vor allem im Bezirk Treptow-Köpenick stünden die Chancen gut.

Fischotter nachzuweisen ist jedoch gar nicht so einfach, da man die im Verborgenen lebenden Tiere selten sieht. Beim Monitoring stützen sich Biologen daher hauptsächlich auf die Kothaufen, die Fischotter zur Markie- rung und Kommunikation nutzen.

Dabei suchen die Tiere gern bestimm- te Stellen wiederholt auf, um dort ihre Botschaften zu hinterlassen.

Auch wenn der Fischotter auf Kratz- bruch also vermutlich nur auf der Durchreise war: Seine Duftbotschaft ist angekommen. Und die AG Rum- melsburger Bucht sieht sich bestärkt in ihrem Engagement für die natur- nahen Uferzonen des Gewässers.

Alexandra Rigos

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NABU VOR ORT | 17

NATUR IN BERLIN 4/20

Zwischen Moor und Trockenrasen

Der Glühwürmchengrund in Spandau

Berg-Sandglöckchen

S

eit der Gründung der Spandauer Bezirksgruppe 2018 ist viel gesche- hen: Aus vier Mitstreiter*innen sind 40 geworden, von denen 20 aktiv mitwirken. In Kooperation mit dem Naturschutzamt Spandau haben wir uns der beiden Moorgebiete Glüh- würmchengrund und Immenweide in Spandau-Hakenfelde angenommen. Ziel ist die Wiederherstellung von struktur- und artenreichen Lebensräumen.

Rund um die Moorgebiete soll ein Schutzgürtel aus aufgegebenen Garten- grundstücken entstehen, die der Natur überlassen bleiben. Zwei dieser Flächen mit eher wiesenartiger Vegetation hat die Bezirksgruppe Spandau 2019 erfolg- reich weiterentwickelt.

Ein Gürtel aus ehemaligen Gärten Die Grundstücke am Wildunger Weg 17 und am Schönauer Weg 21 lagen schon eine Weile brach, so dass sich die inva- sive Kanadische Goldrute breit gemacht hatte. Mit Grabegabeln, Spaten und Spitzhacke ist die BG ihr einmal im Mo- nat auf den Leib gerückt und und hat freien Boden für einheimische Vegetati- on geschaffen. Dabei genossen wir wie- derholt tatkräftige Unterstützung von Spandauer Bürger*innen, die sich an der frischen Luft auspowern wollten.

Für die Neuansaat von einheimischen Pflanzen am Schönauer Weg spende- te die Deutsche Wildtierstiftung ge- bietstypisches Saatgut. Mit viel Spaß und guter Laune haben wir den Boden von Wurzeln befreit, aufgelockert, das Saatgut ausgebracht und mit Holzboh- len angedrückt.

Zaunreste, Ziegelsteine, Kabel und ver- rostete Gartengeräte. Die Steine schich- teten wir gleich zu einem Haufen für Eidechsen auf. Bislang haben wir zwar keine gesichtet, aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Ausgestattet mit jeweils zehn brand- neuen Grabegabeln und Spaten sowie einer Schubkarre, die uns freundlicher- weise die Stiftung Naturschutz Berlin finanziert hat, startete die Bezirks- gruppe im November eine gemeinsame Pflanzaktion mit dem Projekt „Urbani- tät & Vielfalt“.

Große Pflanzaktion

Fast 30 Freiwillige fanden sich am Wildunger Weg gegenüber dem Glüh- würmchengrund ein, um exakt 972 Jungpflanzen in den Boden zu bringen, darunter Heide-Nelke, Berg-Sandglöck- chen, Gewöhnliche Grasnelke, Blau- grünes Schillergras, Kartäuser-Nelke, Rauer Löwenzahn und Golddistel. Alle diese Arten gehen derzeit wegen Über- düngung und Lebensraumzerstörung in Berlin zurück. Dabei vertragen gerade sie längere Trockenperioden und sind so gewappnet gegen den Klimawandel.

Im Sommer 2020 führten Aktive des Projekts „Urbanität & Vielfalt“ dann ein Monitoring durch. Zwar waren nicht alle Setzlinge durch den Winter gekom- men, doch sorgten reichlich Überleben- de für schöne Blüteninseln im Trocken- rasen. Die Bezirksgruppe Spandau wird sich auch weiterhin um das Wohl der Pflanzen kümmern, indem wir invasive Konkurrenten jäten und die Wiese ein- mal im Jahr mähen. Britta Laube Bezirksgruppe Spandau in Aktion

Die Früchte unserer Arbeit konnten wir schon bald beobachten, als nach ei- nem regenreichen September die ersten Pflänzchen keimten. Im Frühjahr 2020 freuten wir uns über Klatschmohn, Kornblume, Heide-Nelke, Koriander, Inkarnat-Klee, Wilde Möhre, Echte Ka- mille und viele andere Wildblumen.

Zusammen mit schon vorhandenen Pflanzen wie Nachtkerze, Königsker- ze, Weißem Honigklee, Hauhechel und Wildem Dost entwickelte sich eine ar- tenreiche Wiese, die den ganzen Som- mer über Blüten für Wildbienen und Schmetterlinge bietet.

Zur Abmagerung und Pflege der Wiese muss die Bezirksgruppe nun noch das Mähen mit der Sense lernen, was wir wegen der Corona-Pandemie aber erst einmal aufgeschoben haben.

Die Fläche am Wildunger Weg besaß bereits den Charakter eines Trocken- rasens. Durch die jahrelange Nutzung als Garten hatten sich aber auch dort nährstoffliebende Pflanzenarten aus- gebreitet, neben der Kanadischen Gold- rute auch Gehölze wie Schneebeere und Robinie, die es zunächst zu roden galt.

Beim Graben stießen wir immer wieder auf Relikte aus der Vergangenheit wie

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