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Journalismus und Instagram

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Academic year: 2022

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Jonas Schützeneder · Michael Graßl   Hrsg.

Journalismus und Instagram

Analysen, Strategien, Perspektiven

aus Wissenschaft und Praxis

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Journalismus und Instagram

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Jonas Schützeneder · Michael Graßl

(Hrsg.)

Journalismus und Instagram

Analysen, Strategien, Perspektiven

aus Wissenschaft und Praxis

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Hrsg.

Jonas Schützeneder Journalistik, Hochschule Magdeburg-Standal, Magdeburg Sachsen-Anhalt, Deutschland

Michael Graßl

Journalistik, KU Eichstätt-Ingolstadt Eichstätt, Bayern, Deutschland

ISBN 978-3-658-34602-7 ISBN 978-3-658-34603-4 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-34603-4

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio- grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.deabrufbar.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022

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Planung/Lektorat: Barbara Emig-Roller

Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature.

Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

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Inhaltsverzeichnis

Zwischen Qualität, Innovation und Kompetenzen: Instagram als

Spielfeld für Journalismus und sein Publikum . . . 1 Michael Graßl und Jonas Schützeneder

Wissenschaftliche Einordnungen

Journalismus und Instagram: Definitionen, Leistungen und

Erwartungen im mehrdimensionalen Netzwerk . . . 11 Jonas Schützeneder und Michael Graßl

Instagram statt tagesschau? Die Rolle Sozialer Medien in der

Nachrichtennutzung. Über Chancen und Risiken . . . 29 Sascha Hölig und Leonie Wunderlich

Journalismus auf Instagram: Qualität neu definiert? . . . 45 Annika Sehl, Maximilian Eder und Sonja Kretzschmar

Vertrauen in Journalismus unter Social-Media-Bedingungen . . . 59 Fabian Prochazka

Anstand im Netz. Ethik in und auf Sozialen Plattformen . . . 75 Thomas Zeilinger

Lernen und Lehren: (Social-Media-) Kompetenzen in der

journalistischen Ausbildung . . . 89 Beatrice Dernbach

V

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VI Inhaltsverzeichnis

Instagram als Wegbereiter einer Plattform-Disruption im Lokaljournalismus? Einige theoretische Überlegungen anhand

der „Disruption Theory“ . . . 105 Christopher Buschow

Geschäftsmodell Instagram: Medienunternehmen und Influencer

in der Übergangsphase zwischen alter und neuer Steuerwelt . . . 127 Benjamin Graßl

Case Studies

Aura und Anti-Zyklus: Die journalistische Nutzung von Feeds

und Storys als komplementäres Zusammenspiel . . . 149 Michael Graßl, Jonas Schützeneder und Korbinian Klinghardt

Storys Told, Storys Linked: Die Instagram-Nutzung deutscher,

britischer und US-amerikanischer Medienunternehmen . . . 163 Rosanna Planer, Alexander Godulla, Cornelia Wolf, Leona Bürzle,

Julia Grobb, Adriana Henke, Hannah Lea Ötting und Maren Reitler Viel Stückwerk, viel Interaktionspotenzial: Eine Analyse zur

Nutzung von IGTV und Reels in Deutschland . . . 187 Anna Zimmermann

Ziele, Strategien und Perspektiven: Die Social-Media-Redaktion

als Organisation . . . 205 Jonas Schützeneder, Michael Graßl und Korbinian Klinghardt

Erfahrungen aus der Praxis

Markenbildung statt Monetarisierung: Instagram im

Lokaljournalismus . . . 223 Daniel Ober

Leserbindung und Recherche: Chancen für Journalismus auf

Instagram . . . 235 Selina Bettendorf

Live, professionell und auf Augenhöhe: Instagram im trimedialen

Ansatz des Bayerischen Rundfunks . . . 241 Sarah Beham

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Inhaltsverzeichnis VII

Die Story-Funktion als Experimentierfeld für journalistische Innovation: Digitales Storytelling auf Instagram am Beispiel des

SPIEGEL. . . 259 Angela Gruber und Jens Radü

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Herausgeber- und Autorenverzeichnis

Über die Herausgeber

Schützeneder, Jonas, Dr.,ist Inhaber der Vertretungsprofessur für Journalismus und digitale Innovation an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Im Rahmen dieser Tätigkeit forscht er vor allem zu Innovationen im Journalismus, Lokaljournalis- mus und digitale Kommunikation. Kontakt: jonas.schuetzeneder@h2.de

Graßl, Michael, M.A., ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Jour- nalistik I an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Dort forscht er schwerpunktmäßig zu Journalismus und Social Media, Öffentliche Kommu- nikation auf Plattformen und in Sozialen Netzwerken und Innovationen im Journalismus. Kontakt: michael.grassl@ku.de

Autorenverzeichnis

Sarah Beham Bayerischer Rundfunk, Deggendorf, Deutschland Selina Bettendorf Tagesspiegel, Berlin, Deutschland

Christopher Buschow Fachbereich Medienmanagement, Fakultät Medien, Bauhaus-Universität Weimar, Weimar, Deutschland

Leona Bürzle Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Leipzig, Deutschland

Beatrice Dernbach Technische Hochschule, Nürnberg, Deutschland

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X Herausgeber- und Autorenverzeichnis

Maximilian Eder Institut für Journalistik, Universität der Bundeswehr Mün- chen, Neubiberg, Deutschland

Alexander Godulla Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Leipzig, Deutschland

Benjamin Graßl Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Ingolstadt, Deutschland

Michael Graßl Katholische Universität, Eichstätt, Deutschland

Julia Grobb Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Leipzig, Deutschland

Angela Gruber SPIEGEL, Hamburg, Deutschland

Adriana Henke Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Leipzig, Deutschland

Sascha Hölig Hans-Bredow-Institut, Hamburg, Deutschland

Korbinian Klinghardt Katholische Universität, Eichstätt, Deutschland

Sonja Kretzschmar Institut für Journalistik, Universität der Bundeswehr Mün- chen, Neubiberg, Deutschland

Daniel Ober Passauer Neue Presse, Passau, Deutschland

Rosanna Planer Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Leip- zig, Deutschland

Fabian Prochazka Seminar für Medien- und Kommunikationswissenschaft, Universität Erfurt, Erfurt, Deutschland

Jens Radü SPIEGEL, Hamburg, Deutschland

Maren Reitler Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Leipzig, Deutschland

Jonas Schützeneder Hochschule H2, Magdeburg, Deutschland

Annika Sehl Institut für Journalistik, Universität der Bundeswehr München, Neubiberg, Deutschland

Cornelia Wolf Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Leipzig, Deutschland

Leonie Wunderlich Hans-Bredow-Institut, Hamburg, Deutschland

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Herausgeber- und Autorenverzeichnis XI

Thomas Zeilinger FAU, Nürnberg, Deutschland

Anna Zimmermann Katholische Universität, Eichstätt, Deutschland

Hannah Lea Ötting Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Leipzig, Deutschland

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Zwischen Qualität, Innovation und Kompetenzen: Instagram als Spielfeld für Journalismus und sein Publikum

Michael Graßl und Jonas Schützeneder

Zur Aktualität des Themas

Über viele Jahre (und einige sagen bis heute) war Wissenschaft geprägt vom Dreiklang aus Beobachtung, Auswertung und Publikation. Dieses traditionelle Verständnis und die daran anknüpfenden Handlungsroutinen haben in jüngerer Vergangenheit neue Impulse erhalten. Unter dem Schlagwort der „Transforma- tiven Wissenschaft“ sind neue Rollen- und Selbstverständnisse entstanden und diskutiert worden (vgl. Meier et al., 2020, S. 5). Konkret geht es um „eine Wissenschaft, die gesellschaftliche Transformationsprozesse nicht nur beobach- tet und von außen beschreibt, sondern diese Veränderungsprozesse selber mit anstößt und katalysiert und damit als Akteur von Transformationsprozessen über diese Veränderungen lernt“ (Schneidewind,2015, S. 88). Aus der Perspektive der Journalismusforschung bedeutet dies eine zunehmende Bedeutung von koopera- tiven und interaktiven Forschungsprozessen (vgl. Hepp & Loosen, 2019, Meier

& Schützeneder, 2019). Damit sollen neue Chancen und Routinen entstehen, die insgesamt „die Erklärungskraft und Zukunftstauglichkeit der Kommunikati- onswissenschaft“ stärken (Schäfer & Wessler, 2020, S. 307). Einen derartigen

M. Graßl (

B

)·J. Schützeneder

Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Bayern, Deutschland E-Mail:michael.grassl@ku.de

J. Schützeneder

E-Mail:jonas.schuetzeneder@h2.de

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022

J. Schützeneder und M. Graßl (Hrsg.),Journalismus und Instagram, https://doi.org/10.1007/978-3-658-34603-4_1

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2 M. Graßl und J. Schützeneder

kooperativen und interaktiven Forschungsprozess durften wir in den letzten Jah- ren rund um das Thema Journalismus und Instagram erleben. In der jüngeren Vergangenheit haben uns als Wissenschaftler vermehrt Anfragen aus der Pra- xis erreicht, die sich im Kern um folgende Fragen drehten: Wie hat sich das Mediennutzungsverhalten verändert? Wie kann/muss der Journalismus reagieren?

Welche Chancen und Risiken bieten Soziale Netzwerke? Welcher Kanal hat wel- che Anforderungen? Und vor allem: Welche Erfahrungen und Erkenntnisse liegen zur Beziehung zwischen Journalismus und Sozialen Medien und im Speziellen Instagram vor?

Das Zusammenspiel von Sozialen Medien und Journalismus stellt per se eine Beziehung im Perma-Wandel dar. Gleichzeitig sucht die Wissenschaft nach theo- retischen Konzepten und erhebt verstärkt Daten, die diese Beziehung transparenter und verständlicher machen sollen. Instagram hat allen wichtigen Studien zufolge Facebook als reichweitenstärkste Plattform abgelöst. Die junge Zielgruppe, neue Tools und Funktionen sowie die besondere Aura machen die Plattform nicht nur bei Werbeträgern begehrt. Für den Journalismus stellt sich angesichts der Relevanz und Reichweite nicht die Frage ob, sondern wie Instagram als Kanal genutzt werden kann. Zu diesem Thema existieren Erfahrungsberichte und/oder Interviews in gängigen Fachmagazinen, Ratgeber-Literatur und (internationale) Studien, die meist eine inhaltsanalytische Herangehensweise zu einem bestimm- ten Thema oder einer Diskussion und deren Entwicklung auf Instagram pflegen.

Sozusagen begleitend zu ersten eigenen Studien in diesem Themenfeld (vgl. Graßl et al., 2020, Schützeneder et al., 2020) ist der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus Wissenschaft und Praxis immer intensiver geworden. Dabei kris- tallisierte sich deutlich heraus, dass in Deutschland ein grundlegendes Werk zur gebündelten Aufbereitung dieses dynamischen Feldes fehlt.

Aus dieser Beobachtung heraus ist der vorliegende Sammelband entstanden, der während seines Entstehens maßgeblich durch Gespräche und Diskurse mit Kolleginnen und Kollegen aus Wissenschaft und Praxis begleitet wurde. Ver- schiedene Erfahrungen wurden geteilt, offene Fragen transparent kommuniziert und Antworten ausgetauscht. Journalismus und Instagram, so eine der vielen Erkenntnisse, sind Spielgefährten in einer aufregenden Zeit. Die Möglichkeiten, Kräfteverhältnisse und Kooperationsformen zeigen sich u. a. anhand der Dimen- sionen Qualität (des Inhalts, der Organisation, der Community), der Innovation (neue Formate, neue Tools, neue Hosts) oder auch der Kompetenzen (bei der Content-Erstellung, Content-Selektion oder dem Community-Management). Ins- tagram ist so gesehen eine Art Spielfeld – ein Ort des Austauschs (Journalismus und Publika), aber auch ein Ort des Wettstreits (um die begrenzte Zeit an Auf- merksamkeit). Eine spannende Vorlage für die Frage, wie sich Journalismus und

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Zwischen Qualität, Innovation und Kompetenzen … 3

Instagram aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive analysieren lassen und welche praktischen Beispiele hierzu dienlich sind. Herausgekommen sind vielfältige Analysen, Strategien und Perspektiven.

Aufbau des Sammelbandes

Der Sammelband gliedert diese Vielzahl an Zugängen in die drei Teilbereiche der Wissenschaftlichen Einordnungen (1), Case Studies (2) undErfahrungen aus der Praxis (3). Die Beiträge sind so gesehen als bescheidener Versuch einer „Transfor- mativen Wissenschaft“ zu verstehen, die offene Fragen und Diskussionen mittels Wissenstransfer verschiedener Beteiligter zusammenbringt und ausbalanciert. Wir als Herausgeber haben es uns daher zum Ziel gemacht, thematisch, strukturell und inhaltlich eine Zusammenstellung an Perspektiven zu bündeln, die für mög- lichst viele Interessierte am Thema lesenswert und (weiter)denkenswert erscheint.

Konkret finden sich dazu folgende 16 Beiträge im Sammelband:

Einleitend zum Themenkomplex Wissenschaftliche Einordnungen versuchen wir uns an der anspruchsvollen Aufgabe, das Zusammenspiel von Journalismus und Instagram aus einer kommunikationswissenschaftlichen Perspektive zu ver- orten. Unsere Erkenntnis: Instagram ist eine komplementäre Brücke im Rahmen der Content-Distribution, keine eigene Gattung oder Darstellungsform des Jour- nalismus. Die Besonderheit besteht in den Leistungen des Journalismus und den Erwartungen des Publikums, die sich wechselseitig bedingen und damit die Inter- aktionsintensität zwischen Instagram als Plattform und Journalismus als Tätigkeit maßgeblich bestimmen.

Sascha Hölig und Leonie Wunderlich nehmen diese Vorlage dankenswerter- weise auf und blicken noch konkreter auf die Studien aus der Mediennutzung.

Gerade im Kontext der Information und Rezeption von (tages)aktuellen Nach- richten spielt Instagram mittlerweile eine gewichtige Rolle. Nicht umsonst stellen die beiden die Frage: Instagram statt tagesschau? Der Beitrag zeichnet ein prä- zises Bild davon, welche Rolle Instagram und andere Plattformen besonders für die junge Zielgruppe im Bereich Information und Nachrichtenrezeption spielen.

Gutes Content-Management über Instagram und andere Plattformen ist eine per- manente Gratwanderung zwischen der Pflege der bestehenden Community und der Werbung um neue Follower.

Der starke Fokus auf die Übermittlung von Informationen ist auch im Beitrag von Annika Sehl, Maximilian Eder und Sonja Kretzschmar präsent. Sie argu- mentieren aus einer normativen Perspektive heraus, dass Qualitätsdimensionen

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4 M. Graßl und J. Schützeneder

und -kriterien, die für den traditionellen wie auch ergänzend den digitalen Jour- nalismus herausgearbeitet wurden, ebenso für einen Informationsjournalismus auf Instagram gelten. Dieses Verständnis setzt gleichzeitig auf ständige Wei- terentwicklung von Inhalten, Abläufen und Organisationen: Der Diskurs über Qualitätsdimensionen und -kriterien für neue Social-Media-Plattformen ist daher aus der Forscher:innen-Perspektive und auch ganz konkret für die journalistische Praxis von hoher Relevanz, um Potenziale neuer Formate und Verbreitungswege zu erkennen und Risiken für die journalistische Qualität möglichst abzuwenden.

Dass journalistische Qualität und Vertrauen in Medien zusammenhängen, ver- gegenwärtigt der Beitrag von Fabian Prochazka. Er widmet sich der Frage, welchen Einfluss der digitale Wandel von Öffentlichkeit auf das Vertrauen in jour- nalistische Medien hat. Dabei geht es insbesondere um die Rolle der Plattformen sowie um die Chancen und Risiken, die aus einem Verlust der Gatekeeper- Rolle des Journalismus entstehen. Zudem bespricht er, wie der Journalismus unter gewandelten Bedingungen Vertrauen gewinnen und erhalten kann und welche Möglichkeiten Plattformen wie Instagram für einen vertrauenssensiblen Online-Journalismus bieten.

Einem wichtigen Thema nimmt sich Thomas Zeilinger an. Er fragt nach ethischen Implikationen und Folgerungen für journalistisches Handeln auf Platt- formen. Welchen Herausforderungen sieht sich professionelles Publizieren insbe- sondere dort gegenüber, wenn – wie auf Instagram – das Bild als prominentes Kommunikationsmedium im digitalen Raum dient? Dazu knüpft er eine inter- essante Verbindung zwischen Netzwerken, Selbstdarstellung und (antiken) Tugen- den und leitet daraus Anforderungen an den Journalismus „auf Instagram & Co.“

ab. Sein Fazit: Die journalistische Arbeit – und mit ihr das journalistische Ethos – kann sich im Zeitalter der Plattformen keineswegs auf die traditionellen Prinzipien wie Verständlichkeit, Wahrheit, Objektivität und Richtigkeit beschränken.

Beatrice Dernbach blickt im nächsten Beitrag konkreter auf journalistische Kompetenzen und deren Veränderung. Sie lenkt den Fokus zunächst auf die wissenschaftliche Diskussion über die (journalistische) Ausbildung, die in der Journalismusforschung unzureichend geführt wird. Auf Basis des bisher erarbei- teten Grundverständnisses journalistischer Kompetenzen spannt sie im Anschluss den Bogen hin zu den Veränderungen durch die digitalisierte Welt und deren Auswirkungen auf die Ausbildung und den Journalismus im Allgemeinen. Die Einführung eines eigenen Kompetenzrasters finalisiert ihre Ausführungen und schließt eine bisher klaffende theoretische Lücke.

Der Beitrag von Christopher Buschow hingegen erweitert das Feld um die medienökonomische Perspektive. Er untersucht, inwiefern es zu einer Disrup- tion lokaljournalistischer Medien durch plattformbasierte lokale Alternativen auf

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Zwischen Qualität, Innovation und Kompetenzen … 5

Instagram kommt. Ausgehend von der „Disruption Theory“ zeigt sich, wie sich Neueinsteiger Instagram als Plattform zunutze machen. Sie besetzen dort unter- versorgte Nischen, bieten inhaltliche Substitute für wichtige lokale Themenfelder zu einem Preis von null und unterminieren so das Geschäft der Lokalmedien. Als Reaktion auf diesen Disruptionsprozess braucht es mögliche Abwehrstrategien für etablierte Medien.

Ebenfalls einen wichtigen, aber bisher kaum bedachten, medienökonomischen Aspekt thematisiertBenjamin Graßl.Er analysiert das Geschäftsmodell Instagram genauer und führt aus, wie Medienunternehmen und Influencer im Kontext des internationalen Steuerrechts agieren (sollten). Zugleich liefert der Autor eine ver- ständliche Einführung in aktuelle Debatten rund um die Implementierung einer internationalen Digitalsteuer und ihre Auswirkungen auf Unternehmen, Influencer und Nutzer. Die Stärken des Beitrags liegen in selbstkreierten Beispielen, die die komplexe Steuerwelt für Leser:innen aller Vorkenntnisstufen veranschaulichen.

Als Brücke zwischen denWissenschaftlichen Einordnungenund konkreten Stu- dien haben wir als Herausgeber zusammen mit Korbinian Klinghardtzu Beginn des Kapitels Case Studies einen Beitrag rund um die Stärken und Schwächen der Feed- und Story-Funktion auf Instagram platziert. Eine mehrstufige Analyse deutscher Lokalzeitungen auf Instagram demonstriert, dass die Story (und weniger der Feed) als erfolgsversprechende Perspektive für Redaktionen gesehen werden können. Gleichzeitig können Feed und Story in der journalistischen Nutzung als Komplementäre identifiziert werden. Zu den Ergebnissen der umfangrei- chen Erhebungen zählt auch, dass deutsche Lokalredaktionen antizyklisch zum Nutzungsverhalten der Instagram-User ihre Inhalte posten.

Rosanna Planer, Alexander Godulla, Cornelia Wolf, Leona Bürzle, Julia Grobb, Adriana Henke, Hannah Oetting und Maren Reitler ergänzen den Sammelband mit ihrem Beitrag um die internationale Perspektive und gestatten dadurch inter- essante Vergleiche über das deutsche Mediensystem hinaus. Sie untersuchen anhand einer großen internationalen Fallstudie Dimensionen des Storytellings in den Instagram-Storys deutscher, britischer und US-amerikanischer Medienunter- nehmen. Mit Blick auf Inhalte, Gestaltung und Publikumsinteraktion lässt sich erkennen, dass Instagram-Storys vorrangig zum Verlinken auf Website-Artikel und seltener zur Informationsvermittlung innerhalb der App dienen. Während plattformspezifische Potenziale zur Interaktion zwar kaum genutzt werden, sind Professionalisierungstendenzen im Sinne eines Corporate Designs erkennbar. Der Beitrag diskutiert außerdem die sich daraus ergebenden Implikationen für die journalistische Forschung und Praxis.

Einer weiteren Instagram-Funktion mit Zukunftspotenzial widmet sich Anna Zimmermann.Sie untersucht mit einer Inhaltsanalyse die Nutzung von IGTV und

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6 M. Graßl und J. Schützeneder

Reels in Deutschland. Ein Ergebnis: Die Mehrheit der untersuchten Zeitungen nutzt verstärkt IGTV und präsentiert dort vor allem die eigene Marke. Eine platt- formadäquate Produktion der geposteten Videos ist allerdings (noch) in weiter Ferne. Reels spielen so gut wie gar keine Rolle. Mittelfristig ist zu erwarten, dass insbesondere kleine Zeitungen IGTV und Reels noch stärker zur Präsentation ihrer Marke einsetzen, um sich in der jungen Zielgruppe zu positionieren.

Den Abschluss des Kapitels Case Studies bildet ein weiterer eigener Bei- trag zusammen mit Korbinian Klinghardt und einem organisationalen Blick auf die Thematik Journalismus und Instagram. Aus einer mehrstufigen Analyse her- aus verortet der Beitrag die Social-Media-Redaktion als Sub-Organisation der Online-Redaktion und greift hierzu auf Befragungen und Fallbeispiele aus der Praxis zurück. Diese Erhebung zeigt die wachsende Bedeutung der Organisa- tion von Social-Media-Content in Redaktionen. Die Social-Media-Teams werden dadurch zum kommunikativen Herzstück und koordinativem Bindeglied zwischen Medienorganisation, Redaktion und dem Publikum und damit zu einer zentralen redaktionellen Einheit der Zukunft.

Die Ergebnisse aus den Case Studies sind gleichzeitig eine Vorlage für den abschließenden Teilbereich Erfahrungen aus der Praxis, der wie einleitend benannt die Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis schlägt und gleichzei- tig eine ganzheitliche Betrachtung des Zusammenspiels zwischen Journalismus und Instagram ermöglicht. Den Auftakt hierzu macht Daniel Ober,der aus der Perspektive des Lokaljournalismus auf Chancen und Perspektiven von Journalis- mus und Instagram blickt. Aus eigener Erfahrung sagt er: An Klicks alleine sollte eine Lokalzeitung ihren Instagram-Auftritt nicht messen. Der Kontakt zur jun- gen Zielgruppe ist der große Vorteil, die Weiterleitung über Swipe-Up-Funktionen spielt bislang so gut wie keine Rolle, wie er in einer kleinen Fallstudie demons- triert. Dafür analysiert er transparent eigene Formate und Versuche und erläutert, wie die Arbeit auf Instagram in den redaktionellen Workflow eingebunden wurde.

Ein Ausblick auf künftige Strategien rundet seinen Beitrag ab.

Ähnlich argumentiertSelina Bettendorf. Sie fokussiert sich in ihren Ausfüh- rungen vor allem auf Möglichkeiten und Recherche. Fremde Accounts oder die Community können so als Impulsgeber begriffen und künftig noch stärker mit der Marke verknüpft werden. Durch das Live-Format in den Storys kann Journalis- mus sogar in Echtzeit auf Instagram stattfinden. Hier sind fast alle Redaktionen in Deutschland erst noch am Anfang einer Entwicklung, die in den nächsten Jahren überaus spannend wird.

Sarah Beham nutzt Instagram seit Jahren als trimediale Journalistin beim Bayerischen Rundfunk (BR). In ihrem Beitrag kombiniert sie praktische Bei- spiele mit strategischen Gedanken und erweitert den Sammelband damit um

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Zwischen Qualität, Innovation und Kompetenzen … 7

einen wertvollen Praxis-Einblick. Für sie ist klar, dass Instagram-Storys als neue Berichterstattungsformate im Journalismus anzusehen sind, für die es Zeit, Recherche und bestenfalls ein Team braucht. Instagram schafft damit im doppel- ten Sinne Kommunikation auf Augenhöhe: Einerseits in der Publikumsinteraktion, andererseits hat das soziale Netzwerk in seiner Bedeutung einen gleichwertigen Stellenwert innerhalb des trimedialen Ansatzes des BR (TV, Hörfunk, Online) erreicht.

Ähnlich optimistisch blicken Angela Gruber und Jens Radü auf die Per- spektiven von Instagram für den Journalismus. Sie schildern Eindrücke und Überlegungen rund um Storytelling am Beispiel des SPIEGEL. Ihre Erfahrungen zeigen, wie die Story-Funktion auf Plattformen wie Instagram zum Treiber neuer Erzählformen avanciert ist und damit publizistische und konzeptionelle Innovatio- nen befeuert. Dazu diskutieren sie die entscheidenden Qualitätskriterien für Storys auf Instagram anhand eigener Beispiele.

All den genannten Autorinnen und Autoren gilt unser großer Dank rund um die angenehme und gegenseitig bereichernde Zusammenarbeit und die zuverlässige Kommunikation rund um die jeweiligen Beiträge. Die Form und Entscheidung rund um Geschlechtergerechte Sprache wurde in diesem Rahmen allen Autorin- nen und Autoren selbst überlassen. Ebenfalls große Unterstützung haben wir von Klaus Meier erfahren, der uns nicht nur den nötigen Freiraum zugestanden hat, sondern mit Ideen und Feedback eine wichtige Unterstützung war. Das sorgfäl- tige Lektorat von Korbinian Klinghardt verdient ebenfalls große Anerkennung und kommt letztlich allen Leserinnen und Lesern zugute. Abschließend noch ein letzter Blick nach vorne: Der Anschlussdiskurs zwischen allen am Sammelband beteiligten Autorinnen und Autoren ist bereits in vollem Gange, alle zusammen freuen sich auf weitere Anregungen, Feedback und neue Fragen, die aus unserem Sammelband heraus entstehen. Dazu laden wir Sie herzlich ein.

Literatur

Graßl, M., Schützeneder, J., & Klinghardt, K. (2020). Intermediäre Strukturen und Neu- Organisation bekannter Aufgaben: Instagram im Lokaljournalismus.Medienwirtschaft, 17(2–3), 18–27.

Hepp, A., & Loosen, W. (2019). Molo.news: Experimentally developing a relational platform for local journalism.Global Media and Communication7(4), S. 2183–2439.https://doi.

org/10.17645/mac.v7i4.2284.

Meier, K., & Schützeneder, J. (2019). Bridging the gaps: Transfer between scholarly research and newsrooms in journalism education. Toward an evidence-based practice in an age

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8 M. Graßl und J. Schützeneder

of post-truth and state of flux.Journalism & Mass Communication Educator, 74 (2), S.

199–211.https://doi.org/10.1177/1077695819830021.

Meier, K., Schützeneder, J., & Springer, N. (2020). Zur Einführung: Bedeutung und Transfor- mation von Journalismus und Journalismusforschung. In J. Schützeneder, K. Meier, & N.

Springer (Hrsg.),Neujustierung der Journalistik/Journalismusforschung in der digitalen Gesellschaft(S. 1–8). Eichstätt,https://doi.org/10.21241/ssoar.70813.

Schäfer, M. S., & Wessler, H. (2020). Öffentliche Kommunikation in Zeiten künstlicher Intelligenz. Warum und wie die Kommunikationswissenschaft Licht in die Black Box soziotechnischer Innovationen bringen sollte.Publizistik, 65 (3), S. 307–331.https://doi.

org/10.1007/s11616-020-00592-6.

Schneidewind, U. (2015). Transformative Wissenschaft – Motor für gute Wissenschaft und lebendige Demokratie. Reaktion auf A. Grunwald. Transformative Wissenschaft – eine neue Ordnung im Wissenschaftsbetrieb?GAIA, 24 (1), S. 17–20https://doi.org/10.14512/

gaia.24.2.5.

Schützeneder, J., Graßl, M., & Klinghardt, K. (2020). Sonnenaufgang statt Rathaus-Debatte:

eine Inhaltsanalyse deutscher Lokalzeitungen auf Instagram.Communicatio Socialis, 53 (1), S. 36–48.

Graßl, Michael, M.A.,ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Journalistik I an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Dort forscht er schwerpunktmäßig zu Jour- nalismus und Social Media, Öffentliche Kommunikation auf Plattformen und in Sozialen Netzwerken und Innovationen im Journalismus.

Schützeneder, Jonas, Dr.,ist Inhaber der Vertretungsprofessur für Journalismus und digi- tale Innovation an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Im Rahmen dieser Tätigkeit forscht er vor allem zu Innovationen im Journalismus, Lokaljournalismus und digitale Kommuni- kation. Kontakt:jonas.schuetzeneder@h2.de

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Wissenschaftliche Einordnungen

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Journalismus und Instagram:

Definitionen, Leistungen und

Erwartungen im mehrdimensionalen Netzwerk

Jonas Schützeneder und Michael Graßl

Instagram verändert die Medienlandschaft

Was wir kaufen, wissen und erleben wollen wird maßgeblich durch unsere Mediennutzung bestimmt. Medien sind der Ort, an dem Fantasie, Psycholo- gie und Ökonomie zusammentreffen und spannende Prozesse in Gang bringen.

Diesbezüglich haben wir in der jüngeren Vergangenheit große (Smartphone als Medienzentrum im Alltag) und kleine Entwicklungsschübe (neue Plattformen wie Clubhouse oder TikTok) erlebt. Eine zentrale mediale Entwicklungslinie der letzten Jahre besteht im verstärkten Fokus auf Bild- und Video-Content – unabhängig vom genauen Ausspielkanal. Diese breite Linie spezifischer Medi- ennutzung wird „getrieben insbesondere durch Instagram und [ist] einhergehend mit einer geringeren Bedeutung von Inhalten in Schriftform“ (Kupferschmitt &

Müller, 2020, S. 399). Die Plattform Instagram wurde im Oktober 2010 einge- führt, wuchs zunächst langsam, hat die Medienlandschaft ab 2015 aber eindeutig verändert – national und international. Leistungen, die vor der Jahrtausendwende nur von professionellen Akteuren in die Breite der Gesellschaft getragen wer- den konnten (exklusive Einblicke, Bild- und Videoaufnahmen aus allen Orten der Welt), sind nun jeder Person möglich. Voraussetzung: ein Produktionsgerät J. Schützeneder (

B

)·M. Graßl

Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Bayern, Deutschland E-Mail:jonas.schuetzeneder@h2.de

M. Graßl

E-Mail:michael.grassl@ku.de

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022

J. Schützeneder und M. Graßl (Hrsg.),Journalismus und Instagram, https://doi.org/10.1007/978-3-658-34603-4_2

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12 J. Schützeneder und M. Graßl wie ein Smartphone und die Zugehörigkeit zu einem digitalen Netzwerk wie Ins- tagram. Zeitelhack (2015, S. 177) nannte diese Publikationspotenziale für alle vor einiger Zeit eine „Welt der unendlichen Chefredakteure“ – unendlich viele Verantwortliche für jeweils individuellen Content, ganz ohne Ausbildung oder Qualitätsprüfung. Die Auswirkungen auf Publikum und Medienschaffende durch diese Entwicklung sind enorm. Gut zehn Jahre nach der Gründung Instagrams soll der vorliegende Beitrag diese beiden Teilbereiche unseres Zusammenlebens spe- zifischer verorten und wissenschaftlich fundieren. Wir stellen die Frage, wie sich Journalismus und Instagram trennscharf in bestehenden und neuen Konstrukten lokalisieren lassen, welche Schnittmengen und Transferleistungen bestehen.

Journalismus als Tätigkeit

Zunächst verstehen wir Journalismus in diesem Konstrukt als Tätigkeit, also als Ablauf verschiedener Handlungen in einem Produktionsprozess. Journalis- mus hat in unserer Demokratie eine entscheidende gesellschaftliche Funktion, dient der Selbstbeobachtung und Synchronisation der Gesellschaft (vgl. Meier, 2018, S. 29 ff.). Vor allem „in gesellschaftlichen Krisen steigt der Bedarf an verlässlicher Information – und die vielzähligen Stimmen im Internet tragen nicht zur Orientierung bei“ (Meier et al., 2020, S. 3). Dabei besteht eine per- manente Wechselwirkung zwischen Journalismus und dem Umfeld, innerhalb dessen er operiert. Hepp und Loosen (2020, S. 23) erkennen „eine zunehmende Verschiebung dessen, was überhaupt als das Feld des Journalismus zu charakteri- sieren ist“. Diese bereits länger bestehende „Entgrenzung des Journalismus“ (vgl.

Loosen, 2005,2016) ist wiederum maßgeblich geprägt durch Veränderungspro- zesse, die die Gesellschaft als Ganzes betreffen: neue technische Möglichkeiten in der (teil)öffentlichen Kommunikation wie Smartphones, daraus resultierende neue Formen der Content-Produktion durch multimediale Tools, neue Interak- tionsformen zwischen Produzierenden und Konsumierenden, oder auch neue Lebensformen und Balance-Prozesse zwischen Berufs- und Privatleben. Diese und weitere Entwicklungen prägen den Journalismus als Institution, als Tätig- keit, aber auch als diskursives System, das in ständiger Selbstreflektion sich selbst (als Journalist:in, als Redaktion oder Mediensystem) beobachtet und in Feedback- Schleifen evaluiert, daraus gegebenenfalls Anpassungen entwickelt. Mit Blick auf unser Forschungsvorhaben rund um das Zusammenspiel von Journalismus und Instagram nutzen wir die definitorische Vorlage von Meier (2018, S. 14):

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Journalismus und Instagram: Definitionen, Leistungen … 13

„Journalismus recherchiert, selektiert und präsentiert Themen, die neu, faktisch und relevant sind. Er stellt Öffentlichkeit her, indem er die Gesellschaft beobachtet, diese Beobachtung über periodische Medien einem Massenpublikum zur Verfügung stellt und dadurch eine gemeinsame Wirklichkeit konstruiert. Diese konstruierte Wirklichkeit bietet Orientierung in einer komplexen Welt.“

Wir ergänzen in der Folge den Aspekt der Verbreitung journalistischer Inhalte und bringen so den Bezug zu neuen Distributionsformen noch klarer ins Herzstück der Definition:

„Journalismus recherchiert, selektiert und präsentiert Themen, die neu, faktisch und relevant sind. Er stellt Öffentlichkeit her, indem er die Gesellschaft beobachtet, diese Beobachtung über verschiedene Kanäle einem Massenpublikum zur Verfügung stellt.

Die Präsentation eigener Themen und die Interaktion mit dem Publikum findet zuneh- mend stärker über externe digitale Plattformen statt. Hier zeigt der Journalismus sich und seine Inhalte unter den Logiken und Regeln der Plattformbetreiber, geht somit einen Kompromiss zugunsten der Deutungshoheit (Relevanz) und eigenen Sichtbarkeit (Publizität) ein.“

Diese Verschiebung im Bereich der Sichtbarkeit und Präsentation journalistischer Inhalte führt zwangsläufig zu einem neuen Beziehungskonstrukt zwischen Jour- nalismus und Publikum. Die Barriere zwischen Journalismus (als Kommunikator) und Publikum (als Empfänger) wurde längst gebrochen – Publikumsinteraktion und die Beziehung im Kontext kommunikativer Austauschprozesse sind durch neue Kanäle und Plattformen mindestens auf Augenhöhe gehoben worden (vgl.

Nölleke-Przybylski et al., 2020, S. 144). Der Journalismus braucht also zwangs- weise (verstärkte) Kompetenzen im Bereich der Interaktion und nutzt für diese neuen Zugänge die Reichweite der großen Plattformen (vgl. Guo & Volz,2019).

Durch diese Verschiebung wird das Publikum in Ergänzung zur traditionellen Position als Kaufende und Rezipierende verstärkt zur Begleitung im kompletten Produktionsprozess journalistischer Inhalte (vgl. Loosen,2016, S. 185 ff.).

Instagram als mehrdimensionales Netzwerk

Eine der wichtigsten Schnittstellen zwischen Journalismus und Publikum die- ser Art ist Instagram. Das Soziale Netzwerk hat eine steile Entwicklung hinter sich und kann auf stetig steigende Reichweiten blicken: Wie die ARD-ZDF- Onlinestudien aus den vergangenen Jahren zeigen, ist Instagram in der deutsch- sprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren zum meistgenutzten Sozialen Netzwerk in der täglichen Nutzung aufgestiegen (sofern der Messenger-Dienst WhatsApp

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Instagram Facebook Snapchat Twier TikTok

2018 2019 2020

Abb. 1 Tägliche prozentuale Nutzung Sozialer Netzwerke in Deutschland in den Jahren 2018 (N=2.009), 2019 (N=2.000) und 2020 (N=3.003). (Quelle: Bleisch & Schäfer, 2020, S. 466)

nicht als Soziales Netzwerk definiert wird) und hat damit Facebook als Nummer 1 abgelöst (vgl. Abb. 1). Vor allem in der oft als besonders wichtig erachteten Zielgruppe von 14 bis 29 Jahren demonstriert Instagram seine herausragende Stel- lung als bedeutendstes Soziales Netzwerk der Gegenwart. Dort nutzen 53 % der Befragten täglich Instagram und damit knapp doppelt so viele wie die „Verfolger“

Snapchat (27 %) und Facebook (24 %) (vgl. Bleisch & Schäfer,2020, S. 466).

Differenziert man die Alterskohorten noch weiter aus, darf man aus der Per- spektive von Instagram noch optimistischer in die Zukunft blicken: Die aktuelle JIM-Studie (Jugend, Information, Medien) zum Medienumgang von Jugendlichen weist für Instagram sogar einen Wert von 72 % der 12 bis 19-Jährigen aus, die das Netzwerk mehrmals in der Woche nutzen (Mpfs,2020, S. 39). Für den Jour- nalismus in der Funktion als Präsentator seiner recherchierten und selektierten Themen ist außerdem relevant, dass Instagram nicht mehr nur rein zur Zerstreu- ung genutzt wird. Zwar ist das Suchen und Konsumieren von Informationen und Nachrichten keine primäre Motivation der Instagram-Nutzung, dennoch nimmt die Informationsfunktion eine wachsende Bedeutung ein.

International hat sich die Nutzung von Instagram für Nachrichten seit 2018 verdoppelt (Newman et al., 2020, S. 10). In Deutschland ist dieser Trend vor allem in der jungen Altersgruppe zu beobachten: Bereits jeder vierte Jugendliche verwendet Plattformen wie Facebook, Instagram und Twitter für Informationen und Nachrichten (ebd., S. 69). Über alle Altersgruppen hinweg sind in Deutsch- land das Betrachten von Storys (53 %) und Videos (51 %) und das Durchstöbern des Newsfeeds (51 %) die häufigsten Nutzungsmotive auf Instagram (Bleisch &

Schäfer, 2020, S. 475). Insgesamt ist die Bandbreite an Möglichkeiten, Motiven

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Journalismus und Instagram: Definitionen, Leistungen … 15 und Formaten auf/von/über Instagram noch weit größer als es hier in Kurzform angerissen werden kann, weshalb es im Weiteren einer bisher fehlenden Systema- tisierung bedarf. Zur klareren Verortung definieren wir Instagram in Ergänzung zur deskriptiven Leistung als Hersteller von Öffentlichkeit zunächst als mehrdi- mensionales Netzwerk, das entlang verschiedener Dimensionen präzisiert werden kann. Das mehrdimensionale Netzwerk Instagram ist demnach:

eine technische Infrastruktur: Auf technischer Ebene ist Instagram ein Medium, das als Speicher- und Austauschort von Informationen und Inhal- ten fungiert (Text, Bild, Video). Dabei dient eine technische Infrastruktur, die die jeweiligen Abläufe (Anmelderegularien), Inhalte (Form und Layout) und Kommunikationsformen (Chat, Kommentar- und Verlinkung) einheitlich regelt. Der Medienbegriff selbst ist an dieser Stelle allerdings wenig hilfreich und führt zu mehr Verwirrung als Klarheit: Die Bezeichnung der großen Platt- formen als Medien führt zu „höchst folgenreichen Unschärfen“ (Altmeppen, 2020, S. 13), weil es in einem breiten Verständnis und Begriffskontext die ökonomisch getriebenen Digitalunternehmen Facebook, Google und Co. mit der sorgsamen Produktion von journalistischen Inhalten vermengt oder sogar gleichstellt.

ein Produktions-Tool für digitalen Content: Die technische Infrastruktur liefert zugleich ein Tool für die Produktion von professionellem und User- Generated-Content. Die Bearbeitungsfunktionen für eigene Bilder (Schärfe, Filter, Farbton), Text (Farbe, Größe, Schriftart) und Video (Schnitt, Filter, Animationen) liefert eine Art mobiles Studio für alle User und fördert so den „Mitmach-“ und „Ausprobier-Charakter“ der Plattform Instagram. Auf diese Weise werden u. a. journalistische Routinen von einem breiten Publikum adaptiert und (pseudo-)journalistische Rollen eingenommen: User generieren Bilder oder Videos, transportieren damit beispielsweise politische Meinungen und positionieren sich so als Informations- und/oder Meinungsquelle für rele- vante Themen. Das (ökonomische) Abhängigkeitsverhältnis zwischen Medien als Träger journalistischer Inhalte und den großen Plattformen (vgl. Lobigs, 2016) erhält damit eine weitere zentrale Dimension, die künftig noch weiter an Bedeutung gewinnen wird.

ein digitaler Marktplatz:Instagram liefert durch die technische Infrastruktur gleichzeitig den digitalen Raum für ökonomische Tauschgeschäfte. Die Reich- weite, die durch das Netzwerk entsteht, macht die Plattform als Werbeplatz relevant. Werbende Inhalte können gegen Bezahlung platziert werden, gleich- zeitig werden die User durch ihre individuellen Inhalte selbst zu Werbeträgern – direkt durch (bezahltes) Influencing oder indirekt durch die Zuschreibung

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16 J. Schützeneder und M. Graßl und das Rezeptionserlebnis, die beim Content-Konsum entstehen. Die massi- ven Größenvorteile der Plattformen führen zu einer herausragenden Stellung im Wettbewerb um digitale Aufmerksamkeit (vgl. Buschow & Wellbrock, 2020, S. 22). Den Zugang zu digitalen Communities dominieren einige wenige große Unternehmen weltweit, darunter der Instagram-Mutterkonzern Facebook (Meta).

eine Kommunikationsarena: Die Metapher der Arena als Ort eines Aus- tauschs und Wettstreits um Leistung und Wirkung ist immer wieder aus verschiedenen Perspektiven für kommunikative Prozesse genutzt worden (vgl.

Huck-Sandhu, 2009; Sarcinelli, 2011). Im vorliegenden Fall ist Instagram eine Kommunikationsarena, die weltweite Wettbewerbe entlang der Dimension Aufmerksamkeit organisiert: Instagram stellt durch die technische Infrastruktur einen Ort zur Verfügung, lockt aktive (produzierende) und passive (rezipie- rende) Akteure zum Wettstreit und sorgt durch die ökonomische Integration für einen Geldfluss rund um diesen Wettbewerb. Die Logik der Kommunika- tionsarena ist damit eindeutig wirtschaftlich geprägt: Je mehr Kommunikation und Content entsteht, desto größer ist das Monetarisierungspotenzial der Platt- form. Zur Maximierung dieses Potenzials werden die schier grenzenlosen Inhalte algorithmisch sortiert und – angepasst an die Präferenzen des indivi- duellen Nutzerverhaltens – präsentiert. Die Kommunikationsfunktion in Form von Chat und Content-Uploads unterstützt dieses System, weil dauernd neue Daten, Netzwerke und Produkte entstehen.

ein enträumlichter Treffpunkt:Wir leben an verschiedenen Orten und sind durch die Konstruktionen der Plattformen über die physischen Grenzen hin- weg trotzdem miteinander verbunden (vgl. Schützeneder, 2020, S. 5). Die permanenten Konnektive, die durch die Kommunikation der User entstehen (vgl. Zeilinger, 2020), ermöglichen dadurch neue Kollektive, also Gruppen von Menschen, die sich virtuell zusammenfinden, austauschen und damit unabhängig von geografischen Räumen interagieren. Der virtuelle Raum auf Instagram wird durch die Algorithmen der Plattform konstruiert und möglichst User-freundlich gestaltet. Prinzing (2020, S. 496) spricht in diesem Kontext von einem „Ort, an dem gefühlte Realitäten gedeihen“. Die Emotionalität der Inhalte wird den Bedürfnissen der User zielgerichtet präsentiert. Diese Gestaltung führt wiederum zu einer erhöhten Verweildauer, weil die Logik der Zusammenstellung psychologische Erfahrungswerte nutzt und durch die Nutzungsdaten fortlaufend neue Werte sammelt.

ein Raum für eine egalitäre Nutzerschaft:Eng mit der emotionalen Besetzung der Feeds verknüpft ist das Konzept der egalitären Gemeinschaft. Instagram und andere Plattformen schaffen möglichst einfache und dezentrale Eintritts-

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Journalismus und Instagram: Definitionen, Leistungen … 17 und Zugriffsoptionen für alle Interessierten. Das dient einerseits dem konse- quenten Wachstum durch neue User, sorgt gleichzeitig für ein Gefühl fairer Machtstrukturen. Die „dezentrale und egalitäre Struktur des Internets“ (Neu- berger, 2018, S. 56) wird auf Instagram intensiviert: Unabhängig von der errechneten Relevanz der Beiträge durch die Algorithmen hat jeder Post und jedes Bild die gleichen Zugangsvoraussetzungen zur Instagram-Öffentlichkeit.

Exemplarischer ausgedrückt: Der individualisierte Feed mischt das neueste Urlaubsbild eines prominenten Menschen direkt unter das missglückte Party- Bild eines Menschen aus dem Freundeskreis und symbolisiert somit eine Art egalitäre Spielwiese, wo jeder Content unabhängig von Status und Vermögen einer Person in ein großes Netzwerk eingespeist wird. Chancen und Zugangs- voraussetzungen sind damit auf den ersten Blick ohne hierarchische Gefälle konstruiert, werden durch die User häufig auch so wahrgenommen, wenngleich die algorithmische Selektion von Content in Wahrheit genau das Gegenteil tut und bewusst und reichweitenorientiert hierarchische Stufen entwickelt.

Instagram als Scharnier zwischen Journalismus und Publikum

Die Funktionen des Journalismus und die Facetten von Instagram als mehrdi- mensionales Netzwerk werden in der Folge integriert. Es stellt sich die Frage:

Wie hängen Journalismus und Instagram zusammen, wie interagieren sie zusam- men und wie passen sie zusammen? Wir gehen in unserem Konzept davon aus, dass Instagram im Sinne der komplementären Ergänzung eine neuartige Form für die (teilweise) Publikation journalistischer Inhalte darstellt: „Komplementäre Beziehungen können dann entstehen, wenn Publikum und Quellen Social Media außerhalb des Journalismus verwenden, d. h. nicht im Rahmen eines redaktionel- len Angebots“ (Neuberger et al., 2014, S. 22). Journalistische Einheiten nutzen Instagram demzufolge als Scharnier, also als ein effektives, verbindendes Element für zwei getrennte Gegenstände. Journalismus (siehe vorhergehende Definition) braucht Publikum. Beide Seiten sind allerdings getrennt voneinander in ihrer Organisation und Entwicklung. Das Publikum hat Erwartungen an den Journa- lismus, der Journalismus versucht mit eigenen Leistungen (Angeboten) diesen Erwartungen gerecht zu werden und so als mediales Produkt im Sinne des Zusam- menspiels von Journalismus und Medien (vgl. Altmeppen, 2006) erfolgreich zu agieren. Instagram vermittelt als Scharnier so gesehen die Erwartungen und Leis- tungen auf den Ebenen Content-Austausch, Kommunikation und Werbung (vgl.

Abb.2).

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Publikum (Erwartungen) Content (Informaon, Unterhaltung)

Interakon (Orienerung, Meinungsbildung, Debae)

Angebote (Orienerung, Konsum, Werbung)

Journalismus (Leistungen) Content (Recherche, Produkon, Distribuon)

Interakon (Moderaon, Debaen, Wissenstransfer)

Angebote (Paid Content, Advercle, Fremdcontent) Content-

Plaorm

Kommunikaons- system

Werbeplaorm Instagram als Scharnier

in Form von ...

Abb. 2 Instagram als Scharnier zwischen Publikum und Journalismus. (Quelle: eigene Abbildung)

Als Content-Plattform schafft Instagram die Austauschmöglichkeit für journa- listische Inhalte. Diese können eine verkürzte Form eines originären Inhalts sein (Teaser zu einem Website-Artikel) oder expliziter Instagram-Content (bspw. in Form einer Story oder Video-Serie). Als Kommunikationssystem ist Instagram das Scharnier, das Fragen und Feedback des Publikums an den Journalismus her- anbringt und so Austausch über Recherche, Inhalte und Argumente ermöglicht.

Auf der dritten Ebene ist Instagram außerdem eine Werbeplattform, die teilweise unter Provision (Kosten für Anzeigen) journalistische Produkte und Werbeflächen bereitstellt. Instagram als Scharnier ist nur deshalb erfolgreich und notwendig, weil die direkte Verbindung zwischen Medienmarken und Publikum (der jünge- ren Zielgruppe) zunehmend brüchig ist und daher auf das verknüpfende Element einer externen Plattform (mit hoher Reichweite in der jüngeren Zielgruppe) ange- wiesen ist. Dabei ist die langfristige Interaktion zwischen Journalismus und Publikum durch das Scharnier Instagram ökonomisch geprägt: Das Konzept der Interaktionsintensität stammt aus der Betriebswirtschaft und ist hier eine Mög- lichkeit zur Bewertung der Beziehungsqualität im Relationship Marketing (vgl.

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Journalismus und Instagram: Definitionen, Leistungen … 19 Hadwich,2003). Dabei spielen verschiedene Ebenen zusammen, die ein Gesamt- bild ergeben. Ein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang ist anhand der folgenden Ausprägungen (vgl. ebd., S. 180) zu vermuten: Leistungsqualität, Interaktions- qualität und Kundenzufriedenheit bestimmen maßgeblich die Beziehungsqualität zwischen Unternehmen (Medien als Distributionsorganisation von Journalismus) und Kundschaft (Publikum als Rezipierende journalistischer Inhalte). Angepasst an das Verständnis von Instagram als Scharnier können wir so festhalten:

Die Interaktionsintensität zwischen Publikum und Journalismus ist durch die Übereinstimmung von Erwartung (Publikum) und Leistung (Journalismus) deter- miniert. Je höher die Übereinstimmung, desto stärker ist die Interaktionsintensität, desto besser die Beziehungsqualität. Die jeweiligen Leistungen und Erwartungen können jeweils wechselseitig

• adressiert (konkrete Aussage an bestimmten Adressaten)

• kommuniziert (allgemeine Aussage ohne direkte Adressaten) und

• analysiert (spezifische oder unspezifische Untersuchung von Ziel- und Erfolgs- kriterien)

werden.

Journalismus auf Instagram

Diese Herleitung über Instagram als Scharnier und mehrdimensionale Verknüp- fungsplattform zwischen Journalismus und Instagram führt zur Frage, wie sich Journalismus auf Instagram platziert und die Plattform nutzt. In verschiede- nen Kontexten ist immer wieder der Begriff „Instagram-Journalismus“ (vgl.

u. a. Bettendorf, 2020) aufgetaucht. Diese Kreation reiht sich in eine schier unendliche Reihe von Journalismus-Adaptionen und Versionen ein (z. B. „Tablet- Journalismus“), die Loosen et al. (2020) als „X Journalism“ hinterfragt haben.

Darunter verstehen sie “combinations of the word ‘journalism’ with a particu- lar modifying term that represents and signals a certain specificity and novelty”.

Dies dient einerseits der Systematisierung in der immer komplexer werdenden Auseinandersetzung mit dem Journalismus, schafft gleichzeitig aber permanent Neu-Kreationen, die oftmals wenig Aussagekraft und Fundierung besitzen. Das Beispiel „Instagram-Journalismus“ zählt hier dazu. Es impliziert je nach Ver- ortung und Betonung, dass eine neue Form von Journalismus, journalistischen

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20 J. Schützeneder und M. Graßl Produktionsweisen und journalistischen Inhalten entstanden ist. Diese Implika- tion ist in der Form aber nicht haltbar. Zur genaueren Spezifizierung dieser Kritik dienen verschiedene Ebenen:

1. Journalismus nutzt Instagram als Publikationsplattform für eigene Inhalte, das vorrangige Ziel besteht allerdings in der Verlinkung und Präsentation eigener (kostenpflichtiger) Inhalte. Die Logik des „Schaufensters“ Instagram haben wir in einer früheren Publikation (Schützeneder et al.,2020) bereits zur Syste- matisierung aufgegriffen. In der Übertragung dieser Begriffs-Logik wäre eine Werbeanzeige einer Zeitung dann „Anzeigen-Journalismus“.

2. Journalismus nutzt Instagram als Interaktionsmedium mit einer jungen Ziel- gruppe. Das Ziel besteht in der Präsenz der eigenen Marke, im Austausch mit dem Publikum und in der Sichtung von relevanten Themen und Diskur- sen. Die reine Interaktion und Beobachtung ist wiederum ureigenes Prinzip des Journalismus und seit Bestehen bekannt. In der Übertragung dieser Logik wäre der Besuch einer Journalistin bei einer Vereinsversammlung dann

„Vereins-Journalismus“.

3. Journalismus nutzt die Potenziale der Plattform Instagram für eigene Inhalte und Verweise, passt dazu auch die Routinen der Redaktionsorganisation an. Die Social-Media-Redaktion als Organisation koordiniert die externen Plattform-Kanäle der Medienmarke. Sowohl die Tätigkeit, also das Vorberei- ten, Platzieren und Moderieren eigener Beiträge über diese Plattformen, als auch die Organisation derer, stellen zweifellos neue Arbeitsschritte dar. Sie sind in dieser Form aber nicht als Journalismus unserer Ausgangsdefinition zu verstehen (Recherche, Selektion und Präsentation), sondern als mediale Strategie, journalistische Inhalte überhaupt erst zur Zielgruppe zu bringen.

In der Übertragung dieser Logik wäre die knappe Darstellung der aktuellen Magazin-Ausgabe als Newsletter dann „Newsletter-Journalismus“.

4. Die wichtigste Ebene dieser Spezifizierung ist allerdings zweifellos der Inhalt.

Journalismus generiert Inhalte für Instagram. Diese können als Text-, Bild-, oder Video-Form angepasst an die Vorlagen der Plattform konstruiert werden.

In der definitorischen Handlungslinie von Journalismus (Recherche – Selektion – Präsentation) ist Instagram allerdings so gut wie nie die leitende Instanz oder Hauptziel dieser Bemühungen. Weder als Recherche-Grundlage (im Vergleich zu amtlichen Daten, Interviews und Unternehmenskommunikation), noch als selektive Dimension (Themenfindung und Position einer Marke) und sicher- lich nicht als Präsentationsform (im Vergleich zu den Bemühungen rund um das Produkt gedruckte Zeitung oder Online-Auftritt). Instagram lebt in den deutschen Redaktionen – das zeigen unsere Studien (vgl. Graßl et al., 2020)

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Journalismus und Instagram: Definitionen, Leistungen … 21 – von der Zusatzverwertung. Inhalte, die für die eigenen (und erlösbringenden) Kanäle recherchiert, selektiert und präsentiert werden, werden leicht ange- passt und oft verkürzt über die Plattform Instagram ergänzend ausgespielt. Die wesentliche Bemühung oder Handlungsdimension einer journalistischen Ein- heit wird also nie von Instagram geprägt und wir verzichten daher mit Blick auf diese Argumentationsebenen auf den Begriff „Instagram-Journalismus“.

Ergänzend dazu hat Haarkötter (2019, S. 273) den Begriff kürzlich als passende Abgrenzung aus einer medienethischen Perspektive genutzt. Er stellt fest, es habe „sich eine Art von Instagram-Journalismus gebildet, der aus wenig mehr besteht als daraus zu erzählen, was Promis und Halb-Promis auf der Platt- form an Bildern und Messages eingestellt haben […]. Instagram-Journalismus ist Instant-Journalismus, der weitgehend auf Recherche verzichtet und dem Berufs- bild eher abträglich ist“. Diese Verortung führt unsere Argumentation letztlich fort. Haarkötters Kritik und die normative Verortung von Journalismus und seiner Qualitätskriterien (vgl. hierzu den Beitrag von Sehl et al. in diesem Sammel- band) unterstreichen die Überlegungen zu diesen Begrifflichkeiten an dieser Stelle. Wir sprechen im Sammelband also lieber von verschiedenen Formen des Zusammenspiels von Instagram und Journalismus.

Journalistische Inhalte auf Instagram

Journalistische Inhalte auf Instagram sind in den letzten Jahren stark gewach- sen. Diese Entwicklung zeigt sich anhand einer Analyse deutscher Leitmedien und ihrer Followerzahl auf Instagram. Konkret untersucht anhand der Jahre 2016 bis 2020 (Erhebung jeweils Jahresende) ergibt sich eine interessante Entwicklung (vgl. Abb.3).

Ende 2016 waren demnach lediglich SPIEGEL und BILD auf Instagram aktiv, die Süddeutsche Zeitung (SZ) eröffnete zu diesem Zeitpunkt den eigenen Kanal.

Deutlichen Zuwachs über alle Medien hinweg brachte dann das Jahr 2018. Die Reichweiten stiegen konstant an, vor allem der SPIEGEL konnte die Konkurrenz in dieser Zeit abhängen und rangiert auch 2021 ganz oben in dieser Liste ausge- wählter Leitmedien. Diese kurze Analyse bestätigt die wachsende Bedeutung von Instagram für den Journalismus.

Im Verlauf dieser Zeit haben die journalistischen Angebote auf Instagram jeweils individuelle Experimente gewagt, neue Funktionen wie Story und IGTV

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SZ WELT SPIEGEL BILD ZEIT

Abb. 3 Instagram-Follower von SZ, WELT, SPIEGEL, BILD und ZEIT von 2016–2020.

(Quelle: eigene Abbildung)

getestet und immer wieder die Ausrichtung der eigenen Feeds und User- Kommunikation überarbeitet. Diese Assimilation Instagrams durch den Journalis- mus lässt sich im Rückblick auf unsere eigenen Studien (vgl. Graßl et al.,2020, Schützeneder et al., 2020) in die drei Evolutionsstufen präkognitiv, adaptiv und strategisch-experimentell einordnen (vgl. Tab.1). Präkognitiv beschreibt vor allem die Anfangszeit des deutschen Journalismus auf Instagram, in der aus völliger Unerfahrenheit und Unbekanntheit der Spielregeln heraus eine Art wildes Aus- probieren stattfand. Beispielsweise wurden Online-Artikel als Screenshots in den Feed gepostet oder lange Begleittexte, teils kopiert aus Artikeln, den jeweiligen Posts beigefügt.

Mittlerweile befindet sich der Journalismus nicht mehr gänzlich in der laien- haften und bisweilen planlosen (und somit präkognitiven) Anfangsphase seines Instagram-Engagements. Zwar ist vor allem für den Lokaljournalismus noch oft ein strategieloses Bespielen des Kanals zu beobachten, so gibt es aber auch Redaktionen oder Medienhäuser (u. a. die tagesschau), die mit journalistischen Inhalten erfolgreich und Reichweiten-stark auf Instagram agieren (vgl. Schröder, 2021). Nach und nach und im Zuge einer ersten Professionalisierungstendenz begann die schrittweise Orientierung an vorhandenen Big Playern (erfolgrei- che Unternehmen oder Influencer:innen) und die Adaption derer Strategien. Die

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Journalismus und Instagram: Definitionen, Leistungen … 23

Tab. 1 Handlungs- und Beispielebenen des Journalismus auf Instagram. (Quelle: Eigene Darstellung)

Handlungsebene Kennzeichen/Merkmal Beispielebene Präkognitiv Wildes Ausprobieren Screenshots von

Online-Artikeln als Posts, lange Begleittexte zu Feed-Posts

Adaptiv Anpassung an vorhandene

Player

emotionale Themen, Natur- und Tierposts statt Politikthemen, Fokus auf Ästhetik (Aura) Strategisch-experimentell Entwicklung eigener

Formate

Komplementäre Nutzung von Story und Feed,

Nutzerintegrations-Formate, Blick hinter die Kulissen

inhaltliche Anpassung vollzieht sich in der Themenauswahl (Natur- und Tier- fotos anstelle politischer Inhalte, vgl. Schützeneder et al., 2020, S. 6) und der Präsentation dieser (zunehmender Fokus auf eine ästhetische Darstellung).

Aktuell zeigt sich eine zunehmende Weiterentwicklung der journalistischen Instagram-Nutzung hin zur Entwicklung eigener Formate (z. B. News-WG). Dar- über hinaus werden eigene Strategien entworfen, die eine komplementäre Nutzung von Story und Feed vorsehen und auf eine stärkere Nutzerintegration setzen (vgl.

Graßl et al. in diesem Sammelband). Instagram kann in diesem Zusammenhang auch als Treiber für ein Umdenken in der Konzeption und Präsentation seiner Inhalte gesehen werden. Klar getrennte journalistische Darstellungsformen wer- den nun bunt gemischt und kombiniert. Themen werden von den Redaktionen nicht als reine Text-, Bild- oder Video-Formate (vgl. Kupferschmitt & Müller, 2020, S. 399) produziert, sondern gezielt und abgestimmt in verschiedenen For- men und Wegen ausgespielt. Das Scharnier Instagram zwingt den Journalismus zu Anpassungen, die allerdings wie zuvor begründet nicht zur Evolution einer neuen Journalismus-Form („Instagram-Journalismus“) führen.

Die Logiken der Plattform Instagram erschweren dem Journalismus diese Anpassung. Instagram funktioniert konträr zur altbekannten Aufbereitung journa- listischer Inhalte. Themen müssen in den „Emotionsmedien“ Soziale Netzwerke (Prinzing, 2020, S. 495) emotionaler dargestellt werden, als es ein nüchterner und sachlicher Journalismus lange Zeit gewohnt war. Der Algorithmus wählt nicht nach journalistischen Nachrichtenfaktoren aus. Neben Emotionalität führen

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24 J. Schützeneder und M. Graßl stattdessen Persönlichkeit, Authentizität und ästhetische Merkmale (z. B. Fil- ter) zur Auswahl. Soziale Netzwerke, und besonders Instagram, sind Plattformen der Selbstdarstellung, die sich durch eine „durch Identitätsmanagement gekenn- zeichnete Ich-Zentriertheit“ (Pille,2016, S. 90) auszeichnen. Man beobachtet und inszeniert sich in erster Linie selbst. Der Journalismus muss inhaltlich auf einer Plattform höchstmöglicher Egozentriertheit mit der Beobachtung anderer (bzw.

der Gesellschaft) agieren und diese Themen in der Logik der Selbstpräsenta- tion vermarkten. Gleichzeitig konkurriert er mit professionellen Mitbewerbern, die keinen journalistischen Standards folgen.

Fazit

Wir haben uns zu Beginn dieses Beitrags die Frage gestellt, wie sich Instagram und Journalismus als zwei auf den ersten Blick völlig verschiedene Einheiten zusammenführen lassen. Instagram als mehrdimensionales Netzwerk ist für den Journalismus dabei weit mehr als eine rein technische Plattform, die eine zusätz- liche Interaktionsmöglichkeit zu seinen Publika bietet. Instagram wird für den Journalismus zum Produktions-Tool für digitalen Content, zu einem digitalen Marktplatz und einer Kommunikationsarena. Gleichwohl sich Journalismus lange Zeit unprofessionell und „nebenbei“ auf Instagram bewegt hat, gelingt durch Adaptionen und eigene strategische (Format-)Entwicklungen zunehmend der Weg zu einem wahrnehmbaren Player.

Keinesfalls ist dies jedoch mit einer neuen Version des Journalismus gleichzu- setzen. „Instagram-Journalismus“ als Begriff ist eine scheinbar beliebige begriff- liche Kopplung beider Systeme. Instagram dient zweifellos als Schaufenster für eigene Inhalte und gleichzeitig als wichtiges Interaktionsmedium mit einer jun- gen Zielgruppe. Der Journalismus nutzt diese Potenziale, passt sich organisational innerhalb seiner Strukturen daran an und bereitet seine Inhalte plattformgeeignet auf. Instagram bleibt in diesem Prozess jedoch nicht mehr als ein Kanal oder ein Instrument, um Zusatzrecherche zu betreiben oder Inhalte zu verbreiten. Ins- tagram ist so gesehen ein aufgrund eines veränderten Mediennutzungsverhaltens notwendig gewordenes Scharnier zwischen den Erwartungen des Publikums und den Leistungen des Journalismus. Die Schrauben, die in dieser Metapher die Ein- heiten Publikum und Journalismus am Scharnier Instagram zusammenhalten, sind der Algorithmus, der das Zusammenkommen beider auf der Plattform anhand seiner Programmierung und Daten steuert.

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Journalismus und Instagram: Definitionen, Leistungen … 25 Damit sei abschließend ein Gedanke eingeleitet, der im Zuge der laufenden Diskussionen um die unumgängliche Präsenz in Sozialen Netzwerken in den Hin- tergrund zu rücken scheint. Die anhaltende Transparenz-Debatte im Journalismus wird nämlich in Bezug auf Plattformen nicht zu Ende geführt. Denn: Im Prinzip durchläuft ein Thema, das auf einem journalistischen Account gepostet wird und das der Instagram-User im Anschluss in seinem News-Feed findet, eine doppelte Selektion. Die erste Selektion ist die der Journalist:innen, die ihrem Berufs- ethos folgend zwischen möglichen Themen selektieren und auswählen. Die zweite Selektion ist die der Plattform, die durch den Algorithmus entscheidet, wel- cher User welche Posts an welcher Stelle im individuellen Newsfeed ausgespielt bekommt. Während sich der Journalismus in einer ständigen Feedback-Schleife und einem ständigen Rechtfertigungszwang befindet, wird die Selektionsmacht des Algorithmus als nicht-diskutierbar und unumstößlich akzeptiert. Dies führt vor Augen, dass die Chancen rund um das Erreichen einer jungen Zielgruppe, der Imagebildung und der Sichtbarkeit mit einem Abhängigkeitsverhältnis zu Plattformen, die mittlerweile für den Journalismus über die Herstellung von Öffentlichkeit mitentscheiden, bezahlt werden.

Literatur

Altmeppen, K. -D. (2006). Journalismus und Medien als Organisationen. Leistungen, Strukturen und Management.Springer VS.

Altmeppen, K. -D. (2020). Digitale Gesellschaftsrelevanz. Herausforderungen der Journalis- musforschung. In J. Schützeneder, K. Meier, & N. Springer, Nina (Hrsg.),Neujustierung der Journalistik/Journalismusforschung in der digitalen Gesellschaft.(S. 9–20). Eichstätt.

https://doi.org/10.21241/ssoar.70814.

Bettendorf, S. (2020).Instagram-Journalismus für die Praxis. Ein Leitfaden für Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit. Springer VS.

Bleisch, N., & Schäfer, C. (2020). Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2020. Internetnut- zung mit großer Dynamik: Medien, Kommunikation, Social Media Mediale Internetnut- zung und Video-on-Demand gewinnen weiter an Bedeutung.Media Perspektiven9/2020, S. 462–481.

Buschow, C., & Wellbrock, C. M. (2020).Die Innovationslandschaft des Journalismus in Deutschland. Wissenschaftliches Gutachten im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW. Düsseldorf: Landesanstalt für Medien NRW.https://doi.org/10.25643/bauhaus-uni versitaet.4240.

Graßl, M., Schützeneder, J., & Klinghardt, K. (2020). Intermediäre Strukturen und Neu- Organisation bekannter Aufgaben: Instagram im Lokaljournalismus.Medienwirtschaft, 17(2–3), S. 18–27.

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