Die Lebensqualität!
Zufriedenheit und Glück von Menschen mit Demenz
Priv.-Doz. Dr. med. Richard Mahlberg Praxen für seelische Gesundheit Erlangen Psychiatrie und Psychotherapie, Schlafmedizin, Gedächtnisambulanz Bayreuther Str. 28 ⋅91054 Erlangen
Vorbemerkungen
• Folien werden zur Verfügung gestellt
• Quellen werden am Schluss angegeben
Ablauf
• Lebensqualität?
• Demenz?
• Wie geht das zusammen?
• 14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
• Fazit und Literaturempfehlung
Ablauf
• Lebensqualität?
• Demenz?
• Wie geht das zusammen?
• 14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
• Fazit und Literaturempfehlung
Lebensqualität?
Konzept Lebensqualität:
• Glück, Wellness, …
• Subjektiv/Objektiv
• Erleben/Wahrnehmen
• Besitz, Reichtum
• „Haben oder sein?“… oder können?
• Kultur, Werte
• Möglichkeiten, Potential
• Beziehungen
• Gesundheit
• Perspektive, Zukunft, Hoffnung
Lebensqualität?
Lebensqualität?
Glücksstudie 2019, quantilope
Lebensqualität?
Lebensqualität?
„Lebensqualität ist langfristig weniger durch ökonomische Faktoren, als durch Gesundheit und die Familie beeinflusst.“
Richard Easterlin, zit. und mod. nach Bruce Headey: The Set-point Theory of Well-being Needs.
In: DIW Berlin Discussion Papers Nr. 753.).
„Wirtschaftswachstum und steigende Einkommen bedeuten nicht zwangsläufig eine höhere Lebensqualität.“
Lebensqualität?
Stimmt das?
„Lebensqualität („Glücksgefühl“) ist weitgehend ein je nach Temperament individuell vorgegebenes Maß, zu dem das Individuum nach kurzfristigen Veränderungen zurückkehrt.“
(mod. Renate Frank: Therapieziel Wohlbefinden: Ressourcen aktivieren in der Psychotherapie.
Springer, 2007).
Lebensqualität = quality of life
• 1920 Arthur Cecil Pigou (Ökonom aus Großbritannien)
• Diskussion in Deutschland in den 70er-Jahren:
Werte: Kirche/Staat/Gesellschaft (viel Orientierung) vs.
Individualisierung/Werteuniversum: (viele Optionen)
• Heute: Verbesserung konkreter Lebenswelten (Alte, Demente, Behinderte, Familien, Arbeitende, Work-life-balance etc.)
• Zukunft: Fridays for Future
Lebensqualität?
WHO (1997):
„Lebensqualität ist die subjektive Wahrnehmung einer Person über ihre Stellung im Leben in Relation zur Kultur und den
Wertsystemen, in denen sie lebt und in Bezug auf ihre Ziele, Erwartungen, Standards und Anliegen“
Lebensqualität?
mod. nach Wikipedia:
„Lebensqualität ist der Grad des subjektiven Wohlbefindens durch materiellen und immateriellen Wohlstand wie Bildung, Berufschancen, sozialer Status, körperliche und psychische Gesundheit, Zugang zur Natur, u.a.“
Lebensqualität?
Konzeptionen der Lebensqualität immer multidimensional, z.B.:
• Lebensqualität aus Bedürfnisbefriedigung
• Lebensqualität aus Bindungen an Ziele
• Lebensqualität als emotionales Wohlbefinden
• Lebensqualität aus Aktivität und Alltagskompetenz
• Lebensqualität als individuelle Glücksfähigkeit
• gesundheitsbezogene Lebensqualität (Filipp 2002)
Lebensqualität?
Ablauf
• Lebensqualität?
• Demenz?
• Wie geht das zusammen?
• 14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
• Fazit und Literaturempfehlung
Demenzsyndrom
Gedächtnis
• Erinnern
• Lernen
• Orientierung höheres Denkvermögen
• logisches Denken
• Sprache
• Rechnen
• Auffassung
• Urteilsvermögen
Verhaltensstörungen
• Unruhe
• Aggressivität
• Rhythmusstörung
„Psychose“
Affektivität Kognitive
Störungen
Nicht-kognitive Störungen
Demenzsyndrom
Kognitive Störungen
• Termine einhalten
• finanzielle Angelegenheiten regeln
• zwei Dinge gleichzeitig tun
• Freizeitaktivitäten ausüben
• Verkehrsmittel benutzen
• sich an Unterhaltung beteiligen
• Telefon benutzen
• Nachrichten entgegennehmen
• Einkaufen, Geld abzählen
• Essen zubereiten
• Körperpflege
Nicht-kognitive Störungen
Alltagspraktische Fertigkeiten
Demenzsyndrom
Alltagspraktische Fertigkeiten (ADL, activities of daily living) Kognitive
Störungen
Nicht-kognitive Störungen
Morbus Alzheimer Vaskuläre Demenz Morbus Binswanger Lewykörperchen-Demenz
Frontotemporale Demenz Morbus Pick Normaldruckhydrocephalus
….
Alter Keine
Beeinträchtigung
Leichte Kognitive Störung
Demenz
Verlauf kognitiver Einschränkungen
Agitiertheit Tag-Nacht-
Rhythmus-St.
Reizbarkeit
Herumirren Aggression
Halluzinationen Stimmungs-
schwankungen Sozial unang. Verhalten
Wahnvorstellungen klagend
Suizid- gedanken
Paranoia Depression
Angst Sozialer
Rückzug 100
80
60 40 20 0
Häufigkeit (% Patienten)
Nichtkognitive Symptome im Verlauf
Sexuell unang. Verhalten
Diagnose-
stellung Verhaltens-
störungen Zeit
Ablauf
• Lebensqualität?
• Demenz?
• Wie geht das zusammen?
• 14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
• Fazit und Literaturempfehlung
Wie geht das zusammen?
Wie geht das zusammen?
Lebensqualität mit Demenz wird reduziert durch
• Einschränkung der Urteilsfähigkeit und Alltagskompetenz
• Änderungen der bisherigen Lebensführung.
• Aufgabe persönlich bedeutsamer Tätigkeiten
• Störungen der Kommunikation
• Soziale Isolation
• Verlust der persönlichen Autonomie und Abhängigkeit von Dritten
• Verlust kognitiver bzw. intellektueller Fähigkeiten
• Bedrohung der persönlichen Integrität und Identität
• beeinträchtigtes Selbstwertgefühl
• Nachlassen der kognitiven Kontroll- und Selbststeuerung
• Unkontrollierte Affekte und emotionale Impulse
• Ggf. Depressivität, Wahnbildungen, Apathie, Aggressivität Pantel (2017)
Lebensqualität im Alter: Fokus unterschiedlicher Disziplinen
• Medizin/Pflege: gesundheitliche Merkmale
• Psychologen: subjektives Wohlbefinden
• Soziologen: gesellschaftliche Faktoren
• Philosophen: Frage nach dem guten Leben
• …
Wie geht das zusammen?
Perspektiven der Lebensqualität
• Objektiv: Gesundheit und Wohlbefinden (trad. medizinisch/
pflegerisch)
• Subjektiv: Interessen und Bedürfnisse der Person
• Synthese: Person-Umwelt-Interaktion und Lebenswelt
Wie geht das zusammen?
Gerontologische Lebensqualität:
Wechselwirkung von Person und Umwelt
Wie geht das zusammen?
Vier Dimensionen der Lebensqualität bei Demenz (Lawson 1994)
• Subjektives Wohlbefinden
Abwesenheit von depressiven Störungen und Angst Grad des Glücksempfindens
• Verhaltenskompetenz
funktionellen und kognitiven Fähigkeiten
• Objektive Umwelt
Gestaltung des Lebensraumes
Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen
• Erlebte Lebensqualität
Unterscheidung zwischen objektiv gegebenen Lebensbedingungen und der subjektiven wahrgenommenen Lebensqualität
Lawton, M.P. (1994). Quality of Life in Alzheimer‘s disease. Alzheimers Disease and Associated Disorders 8: (suppl. 3): 138-150.
Wie geht das zusammen?
Quality of Life – AD (Logsdon et al., nach Lawson)
Wie geht das zusammen?
H.I. L.DE.:
Heidelberger Instrument zur Erfassung von Lebensqualität bei Demenz
Wie geht das zusammen?
Dementia Care Mapping (Kitwood)
Wie geht das zusammen?
…und viele andere mehr…!
Ablauf
• Lebensqualität?
• Demenz?
• Wie geht das zusammen?
• 14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
• Fazit und Literaturempfehlung
14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
Arbeitsgruppe um Martin Dichter (DZNE Witten)
Metastudie: Suche nach empirischen Studien zu Selbstäußerungen von Menschen mit Demenz zu ihrer Lebensqualität
• Suche in allen relevanten Datenbanken nach Studien mit
− Qualitativen Interviews zur Lebensqualität
− Ohne Vorgabe von Kategorien
− Medizinisch evaluierte Diagnosen
• Offenes Kodieren der „Fakten“ durch mehrere unabhängige Forscher
• Bildung von Dimensionen der Lebensqualität Radikal subjektive Frage:
Was sagen die Erkrankten zum Thema Lebensqualität?
14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
Ergebnis:
• 2716 Publikationen (abstracts) gefunden
• 58 Volltexte analysiert
• 9 geeignete Publikationen aus 7 Ländern eingeschlossen
• 400 Personen
• Nur mit leicht und mittelgradig Erkrankten durchführbar
• 14 Dimensionen der Lebensqualität
• Entwicklung eines Erhebungsbogens geplant
• Entwicklung von Interventionsempfehlungen geplant
14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
1. Familie
• Die Rolle und Bedeutung des Menschen mit Demenz in der Familie
• Kontakt und Aktivitäten mit Familienangehörigen
• Verlust von Angehörigen
14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
2. Soziale Kontakte und Beziehungen
• Kontakte, Austausch und Beziehungen zu Freunden, Nachbarn, Mitbewohnern
• Wichtigkeit von bedeutsamen Gesprächen
• Verlust von Beziehungen zu Freunden
14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
3. Selbstbestimmung und Freiheit
• Möglichkeit, eigenständig Entscheidungen zu treffen und diese auch umzusetzen
• Finanzielle Möglichkeiten/Unabhängigkeit
14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
4. Wohnumfeld
• Sich zu Hause fühlen
• Positive/negative Erinnerungen an ehemaliges Wohnumfeld
• Bedeutung des neuen Wohnumfelds
14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
5. Positive Emotionen
• Z. B. Dankbarkeit, Erinnerungen, die glücklich machen, Zufriedenheit
14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
6. Negative Emotionen
• Z. B. Angst, Traurigkeit, Einsamkeit, Resignation, Gefühl von Verlust
14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
7. Privatheit
• Verlust oder Aufrechterhaltung von Intimität
• Möglichkeit zum Rückzug im Wohnumfeld
14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
8. Sicherheit
• Gefühl von Kontrolle
• Unsicherheit aufgrund von fehlendem Wissen, z. B. über die eigene medizinische Diagnose
14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
9. Selbstwertgefühl
• Sich wertgeschätzt durch andere fühlen
• Positives Selbstwertgefühl durch den Erhalt von Fähigkeiten
14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
10. Physische und mentale Gesundheit
• Wahrgenommene Gedächtnisfunktion
• Vorhandensein von Schmerzen
• Einschränkungen in der Kommunikation
14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
11. Glaube (religiös)
• Religiöser Glaube als Stütze beim Umgang mit Verlusten
• Glaube der Stärke und Dankbarkeit vermittelt
14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
12. Pflegebeziehung
• Den gewünschten Respekt vom Pflegepersonal zu erhalten
• Positive Kommunikation zwischen Menschen mit Demenz und Pflegenden
• Restriktionen
14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
13. Freude an Aktivitäten
• Möglichkeit zur Teilnahme an Aktivitäten
• Verlust bisheriger Möglichkeiten für Aktivitäten/Beschäftigung
14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
14. Zukunftsaussichten
• Mutmaßungen darüber, was in der Zukunft passiert
14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
Ablauf
• Lebensqualität?
• Demenz?
• Wie geht das zusammen?
• 14 Dimensionen der Lebensqualität von Menschen mit Demenz
• Fazit und Literaturempfehlung
Lebensqualität der Klienten entdecken Offen, kreativ und flexibel sein Eigenen Fatalismus bekämpfen Gegen negative Stereotype vorgehen
Fazit und Literaturempfehlung
Lektion Nr. 29:
Machen Sie so oft wie möglich das, was Sie am besten können.
Fazit und Literaturempfehlung
Literaturempfehlung I François Lelord:
„Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück“
„Hector und die Kunst der Zuversicht“
„Ohne Probleme wäre das Leben auch nicht einfach“
Fazit und Literaturempfehlung
Literaturempfehlung II
Arno Geiger: „Der alte König in seinem Exil“
Quellen:
• Martin N Dichter, Rebecca Palm, Margareta Halek, Sabine Bartholomeyczik und Gabriele Meyer:
Die Lebensqualität von Menschen mit Demenz - Eine Metasynthese basierend auf den Selbstäußerungen von Menschen mitDemenz
https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2F978-3-658-10679-9_19.pdf
• Johannes Pantel: Lebensqualität und Versorgung: Messen, wägen, entscheiden - Lebensqualität von Demenzpatienten: Wie kann man sie messen, wie kann man sie fördern?
http://frankfurterforum-diskurse.de/wp-content/uploads/2017/04/Heft_15_Vortrag_3.pdf
Fazit und Literaturempfehlung
Priv.-Doz. Dr. med. Richard Mahlberg Praxen für seelische Gesundheit Erlangen Psychiatrie und Psychotherapie, Schlafmedizin, Gedächtnisambulanz Bayreuther Str. 28 ⋅91054 Erlangen François Lelord:
„Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück“
„Hector und die Kunst der Zuversicht“
Arno Geiger:
„Der alte König in seinem Exil“